Mythor 181: Durch die Hirdanai - Hubert Haensel - E-Book

Mythor 181: Durch die Hirdanai E-Book

Hubert Haensel

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Beschreibung

Als Mythor in der durch ALLUMEDDON veränderten Welt zu sich kommt, dauert es geraume Zeit, bis unser Held in gewohnter Manier zu handeln vermag. Inseln des Lichts zu gründen und die Welt vor einer erneuten Invasion durch die Horden Xatans zu schützen ist sein Ziel. Und dieses Ziel erreicht er im Drachenland. Der weitere Weg unseres Helden ist verschlungen. Da geht es um die Spur der Albträume, um die Gründung weiterer Oasen des Lichts, um Coerl O'Marn, den Albtraumritter, der über das DRAGOMAE, das Werk der Weißen Magie, verfügt. Es geht auch um die anbrechende Auseinandersetzung zwischen Gorgan, dem Krieger, und Vanga, der Hexe, und um die Waffen des Lichtboten. Und es geht schließlich um das BUCH DER ALBTRÄUME, dessen einzelne Kapitel in Verstecken ruhen, die vor dem Zugriff der Finstermächte sicher zu sein scheinen. Wie trügerisch diese Sicherheit ist, bewies der Raub des ersten Kapitels durch den Dämon Trillum. Und auch das von Gorgan bewachte zweite Kapitel konnte entwendet werden. Dem Ewigen Krieger scheint es aber nicht viel auszumachen, dass er von Xatan überlistet wurde. Er rüstet sich zu neuen Taten und sucht den Kampf um des Kampfes willen. Das schlagkräftige Heer, das er um sich gesammelt hat, folgt Gorgan DURCH DIE HIRDANAI ...

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Seitenzahl: 129

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Nr. 181

Durch die Hirdanai

von Hubert Haensel

Als Mythor in der durch ALLUMEDDON veränderten Welt zu sich kommt, dauert es geraume Zeit, bis unser Held in gewohnter Manier zu handeln vermag. Inseln des Lichts zu gründen und die Welt vor einer erneuten Invasion durch die Horden Xatans zu schützen ist sein Ziel. Und dieses Ziel erreicht er im Drachenland.

Der weitere Weg unseres Helden ist verschlungen. Da geht es um die Spur der Albträume, um die Gründung weiterer Oasen des Lichts, um Coerl O'Marn, den Albtraumritter, der über das DRAGOMAE, das Werk der Weißen Magie, verfügt. Es geht auch um die anbrechende Auseinandersetzung zwischen Gorgan, dem Krieger, und Vanga, der Hexe, und um die Waffen des Lichtboten. Und es geht schließlich um das BUCH DER ALBTRÄUME, dessen einzelne Kapitel in Verstecken ruhen, die vor dem Zugriff der Finstermächte sicher zu sein scheinen.

Wie trügerisch diese Sicherheit ist, bewies der Raub des ersten Kapitels durch den Dämon Trillum. Und auch das von Gorgan bewachte zweite Kapitel konnte entwendet werden.

Dem Ewigen Krieger scheint es aber nicht viel auszumachen, dass er von Xatan überlistet wurde. Er rüstet sich zu neuen Taten und sucht den Kampf um des Kampfes willen. Das schlagkräftige Heer, das er um sich gesammelt hat, folgt Gorgan DURCH DIE HIRDANAI ...

Die Hauptpersonen des Romans

Mythor – Der Sohn des Kometen widersetzt sich Gorgans Plänen.

Ilfa, Sadagar und Gerrek – Mythors Gefährten.

Gorgan – Der Krieger als Eroberer.

Dobel – Ein Pfader.

Tumtum – Ein Mann, der an Gorgans Seite kämpfen will.

Xatan

1.

Meine Füße schmerzten, die Arme taten mir weh, ich fror und war im Übrigen hundemüde. Dabei war es noch früh am Morgen.

Die letzte Nacht hatten wir in schroffem Fels, nur wenig unterhalb eines ausgedehnten Schneefelds verbracht. Wenn ich daran zurückdachte, spürte ich noch immer die schneidende Kälte in meinen Gliedern. Aber ein Beuteldrache jammert nicht wegen solcher Kleinigkeiten, auch wenn gehässige Menschen mitunter das Gegenteil behaupten. Hin und wieder blies ich kleine Flammen aus den Nüstern, um meine Hände zu wärmen.

»He«, rief ich den Freunden nach, die auf ihren Reittieren schon wieder einen beträchtlichen Vorsprung hatten, »wollt ihr mich in dieser Wildnis aussetzen?«

Sadagar zügelte sein Maultier und wandte sich zu mir um. Er grinste spöttisch.

»Wenn ich mich recht entsinne«, sagte er, »gibt es da einen Beuteldrachen, der wollte sogar die ganze Nacht hindurch marschieren. Schließlich müssen wir Gorgan und sein Heer bei den Gräbern von Laasq einholen.«

Ich machte mir meine eigenen Gedanken dazu. Obwohl Sadagar mehr als sechzig Winter zählte, war er erstaunlich rüstig und nahm es jederzeit mit weit jüngeren auf. Das heißt, bis zu jenem Augenblick, da wir zu viert nur über zwei Mulis und ein Pferd verfügten. Von da an hatte er sich aufs Jammern verlegt und verließ den Sattel nur noch zu den gelegentlichen Ruhepausen.

»Es ist wirklich an der Zeit, dass du mich aufsitzen lässt«, seufzte ich.

Ungerührt blickte Sadagar auf mich herab und vollführte eine Bewegung, als wolle er eine Mücke fangen. Als er dann langsam die Faust wieder öffnete und seine Handfläche betrachtete, huschte ein Ausdruck ungläubigen Erstaunens über sein Gesicht. Er musterte mich so eigenartig, dass ich gar nicht anders konnte, als ihn nach dem Grund dafür zu fragen.

»Du weißt, ich verfüge nur über geringe Körperkräfte«, sagte er zögernd. »Doch zum Ausgleich dafür verlieh mir das Schicksal die Gabe, in die Zukunft zu schauen.«

Er übertrieb maßlos. Vom Hörensagen hatte ich aufgeschnappt, dass Sadagar früher verschlagen und raffiniert gewesen war – alles hatte sich für ihn mehr oder weniger um Besitz und Sicherheit gedreht. Eine Zeitlang war er tatsächlich als Wahrsager aufgetreten, um den Dummen für seine Prophezeiungen klingende Münzen aus den Beuteln zu ziehen. Was Wunder, dass er an keinem Ort lange geduldet worden war.

Auch wenn die Geschehnisse zu ALLUMEDDON ihn in gewisser Weise geläutert hatten, mochte es mit seiner Wahrsagekunst noch immer nicht weit her sein.

»Ich habe soeben dein Schicksal gesehen, Gerrek«, fuhr er bedeutungsvoll fort. »Es wäre nicht gut, wenn du weiterhin mit uns haderst.«

Vorsichtig fuhr ich mit meinen Fingern durch den Kinnbart und zupfte die einzelnen Strähnen zurecht.

»Wie meinst du das?«, erkundigte ich mich lauernd.

»Du weißt es genau.«

»Nichts weiß ich. Immerhin bist du der Wahrsager.«

Sadagar nickte schwer. Sein Blick streifte Mythor und Ilfa, die darauf warteten, dass wir endlich zu ihnen aufschlossen.

»Also gut«, erklärte er. »Wenn du es nicht anders willst. Du solltest den Weg lieber zu Fuß fortsetzen. Sobald du eines der Tiere besteigst, wird dir Unheil widerfahren.«

Für einen Moment war ich tatsächlich sprachlos, dann tippte ich mir bezeichnend an die Stirn.

»Du hältst mich wohl für dumm?«

»Natürlich nicht«, bestätigte Sadagar ernsthaft.

»Was soll dann der Unfug mit dem Hellsehen?«, brauste ich auf. »Ich kann dir ebenfalls die Zukunft vorhersagen, Sadagar.« Ich ahmte seine Geste nach, nur öffnete ich die Faust nicht, sondern hielt sie ihm einfach unter die Nase. »Und ich schwöre dir, wenn du nicht sofort absteigst und einen Beuteldrachen mit wundgelaufenen Füßen aufsitzen lässt, wird besagtes Unheil dich treffen, und zwar in Form etlicher Beulen.«

»Wie kannst du nur«, ächzte er. »Aber bitte, wenn du unbedingt willst, es ist deine Entscheidung.« Schwerfällig schwang er sich aus dem Sattel, doch Mythors Stimme ließ ihn innehalten.

»Worauf wartet ihr beide eigentlich?« Das klang ungehalten.

»Gerrek kann nicht mehr«, grinste Sadagar.

Mythor betrachtete mich durchdringend. Er deutete auf meinen mannslangen Schwanz, der ohne mein Zutun über den Boden zuckte. Obwohl einiges an mir das Zerrbild eines Drachen widerspiegelte, auf den »Rattenschwanz« traf das in erster Linie zu.

»Ich dachte, du könntest damit nur schlecht reiten«, sagte Mythor.

»Lieber schlecht geritten, als noch schlechter gelaufen«, erwiderte ich. »Sieh dir die Blasen zwischen meinen Zehen an. Das ewige Geröll macht mich verrückt.«

»Ich könnte mir nichts Schlimmeres vorstellen.« Mythor, der Sohn des Kometen, saß ab. Ehe ich meine Verblüffung überwunden hatte, hielt ich bereits die Zügel seines Pferdes in der Hand. »Worauf wartest du?«, drängte er. »Mir ist alles recht, wenn wir nur endlich rascher vorankommen.«

Aus irgendeinem unerfindlichen Grund zögerte ich. Warum musste ich ausgerechnet jetzt an Sadagars dumme Prophezeiung denken? Ich durfte mir nicht einreden, dass auch nur ein Körnchen Wahrheit darin verborgen lag.

»Willst du lieber, dass Sadagar zu Fuß geht, oder dass Ilfa sich ebenfalls Blasen holt?«, fragte Mythor schroff. »Also nimm mein Pferd und gib endlich Ruhe.«

Ich setzte einen Fuß in den Steigbügel und schwang mich auf den Rücken des Tieres, wobei ich beide Beine auf der einen Seite und den Schwanz auf der anderen herabbaumeln ließ. Keine sehr angenehme Art zu reiten, zumal ich ständig auf einen sicheren Halt bedacht sein musste.

Vom Dorf aus, das wir gestern gegen Mittag verlassen hatten, zogen wir nach Südosten. Wenn wir die Richtung nicht verfehlten, mussten wir spätestens im Laufe des morgigen Tages auf die Gräber von Laasq stoßen, ein uraltes Schlachtfeld, von dem es hieß, dass die Seelen der Gefallenen noch immer dort wohnten. In jeder Pflanze und jedem Stein sollten sie sich manifestieren. So gerne ich mehr darüber erfahren hätte, Joranda hatte uns nicht mehr sagen können. Frühestens bei diesen Gräbern würden wir wieder mit dem Krieger Gorgan und seinen 500 Kämpfern aus dem Land der Heroen zusammentreffen. Ich verstand Mythor durchaus, wenn er zunehmend zur Eile drängte. Immerhin galt es, einen Triumph der Schattenmächte zu verhindern. Denn irgendwo wollte Xatan, der Heerführer der Finsternis, Gorgan und dessen Heer angreifen. Mit Hilfe des RADAMACCRA, des 2. Kapitels aus dem BUCH DER ALBTRÄUME, hatte er wohl längst einen tödlichen Hinterhalt aufgebaut. Es galt, Gorgan rechtzeitig zu warnen.

Ilfa blickte mich forschend an, als ich ziemlich rasch zu ihr aufschloss.

»Du hockst auf dem Pferd, als hättest du Magenkrämpfe«, spöttelte sie. »Warum verwandelst du dich nicht einfach in Mu?«

Ich versuchte in ihren Augen zu erkennen, ob sie es wirklich so meinte, oder ob sie sich nur über mich lustig machte. Aber sie wandte sich schnell wieder um und ritt weiter. Zu unserer Rechten ragten kahle, schroffe Felsen auf, linkerhand führte eine Böschung zu einem sich windenden Wildbach hinab. Das breite Bett mit den blankgeschliffenen Kieseln bewies, dass sich der jetzt gemächlich dahinplätschernde Wasserlauf zu anderen Jahreszeiten in einen reißenden Strom verwandelte.

Seltsamerweise fühlte ich mich nur als Beuteldrache in diesem Gebirge wohl.

Seit ALLUMEDDON besaß ich die Fähigkeit, beide Gestalten anzunehmen: die des blonden, kräftigen mandalischen Jünglings Mu, der ich früher gewesen war, oder die des glubschäugigen, purpurhäutigen Beuteldrachen, in den mich einst eine Hexe verwandelte.

Ich seufzte ergeben. Als Gerrek blieb mir offenbar nur die Wahl, mir entweder die Füße blutig zu laufen oder mein Hinterteil wundzureiten.

Zögernd blickte ich mich nach Sadagar und Mythor um, die dicht hinter mir folgten. Sie beachteten mich nicht.

Im nächsten Augenblick wurde ich wieder zu Mu. Um nicht den Halt zu verlieren, klammerte ich mich in der Mähne des Pferdes fest und zog mich vollends in den Sattel. Erschreckt wiehernd stieg das Tier auf der Hinterhand hoch. Ich hatte Mühe, mich auf seinem Rücken zu halten. In gestrecktem Galopp raste es die Böschung hinab, ohne auf meinen Schenkeldruck und die Zügel zu achten.

Hoch spritzte das eisige Wasser des Wildbachs auf. Aus den Augenwinkeln heraus nahm ich wahr, dass Ilfa und Sadagar mir folgten, doch ihre Maultiere waren zu störrisch und zu langsam. Dann hatte ich wieder genug mit mir zu tun, musste zusehen, dass ich nicht abgeworfen wurde. In wildem Ritt ging es weiter bachabwärts, dann das andere Ufer hinauf, über Geröll und durch dichtes, kniehohes Gestrüpp. Als ich das Pferd endlich zum Stehen brachte, hatte ich keine Ahnung, wo ich mich befand.

*

Soweit ich erkennen konnte, befand ich mich in einem engen Talkessel. Um die schneebedeckten Gipfel der Berge und die Sonne zu sehen, musste ich den Kopf weit in den Nacken legen. Fruchtbares Erdreich ließ nicht nur üppiges Gras wachsen, sondern weiter entfernt auch Getreide, das sanft im Wind wogte.

Schweißnass und mit bebenden Flanken verharrte das Pferd neben mir. »Musste das sein?«, fuhr ich es wütend an und gab ihm einen Klaps auf die Flanke. Wiehernd schüttelte das Tier den Kopf. Schaum tropfte aus seinem Maul, sein Atem stand wie eine dichte Wolke vor den Nüstern.

Ich riss Gras aus und begann, das Fell damit dürftig trockenzureiben. Immerhin war es auch hier nicht gerade angenehm warm.

Das Pferd stieß mich sanft mit dem Kopf an.

»Lass mich in Ruhe!«, schimpfte ich und rieb heftiger.

Wieder zog es die Lippen hoch und stupste mich in die Seite. Stärker diesmal, dass ich unwillkürlich taumelte.

»Hast du nicht schon genug angerichtet? Mythor wird ganz schön sauer sein.«

Das Pferd begann unruhig mit einem Huf zu scharren. Den Kopf schüttelnd, stierte es an mir vorbei. Ich empfand plötzlich das ungute Gefühl, beobachtet zu werden. Mehr instinktiv verwandelte ich mich in Gerrek zurück. Die Kleider, die ich als Mu trug, fielen wieder einmal haltlos zu Boden. Aber noch während ich mich bückte, um sie in meinem Beutel zu verstauen, sah ich die Fremden.

Keiner von ihnen war größer als fünf Fuß. Sie glichen verkrüppelten, knorrigen Geschöpfen, erinnerten fast an zu Leben erwachte Alraunen. Sie waren nackt, aber ihre langen Haare und die bis zu den Knien reichenden Bärte verdeckten viel von ihren Blößen.

»Was wollt ihr?« Ich zog mein Kurzschwert.

Keine Antwort. Schweigend kamen sie näher.

»Bleibt mir vom Leib!«, rief ich drohender. Aber erst als zwei ellenlange Flammen aus meinen Nüstern hervorzuckten, hielten sie inne.

Mir war alles andere als wohl zumute. Immerhin stand ich allein gegen mindestens 50 dieser Geschöpfe. Unwillkürlich fiel mir Sadagars Prophezeiung ein. Es sah ganz so aus, als würde er recht behalten.

»Du«, eines der Alraunenwesen hob eine dünne Rute und deutete auf mich. »Komm mit uns.«

Es sprach gebrochenes Schattenwelsch. Ich brauchte eine Weile, um diese Tatsache zu verdauen. War ich, ohne es zu wollen, auf eine Schatteninsel gestoßen?

»Wer seid ihr?«, fragte ich zögernd, wobei ich mich derselben Sprache bediente.

»Wir nennen uns Nalimak«, erhielt ich zur Antwort.

»Schön. Es freut mich, euch kennengelernt zu haben. Aber nun muss ich weiter; ich werde erwartet.«

»Du bleibst, Mensch mit dem unförmigen Körper.« Das klang drohend.

Ich wollte mich auf den Rücken des Pferdes schwingen, als dieses plötzlich scheute und mich abschüttelte. Nach allen Seiten auskeilend, hetzte es davon.

»Wirst du dich nun unseren Wünschen fügen, Mensch mit den zerknitterten Ohren?«

»Egal, was ihr von mir wollt, kommt her und holt es euch, wenn ihr den Mut dazu aufbringt«, rief ich. Mit beiden Händen hielt ich das Kurzschwert von mir, bereit, zuzuschlagen, falls auch nur eines der knorrigen Wesen bis auf zwei Schritt herankam.

Eine drohend Phalanx, so rückten sie scheinbar unaufhaltsam näher. Ihre Gesichter blieben ausdruckslos. Ebenso die weißen, schräg stehenden Augen, in denen man vergeblich die Pupillen suchte.

Kraftvoll wirbelte ich das Schwert herum. Es schnitt singend durch die Luft. Die Menge verharrte. Nur der mit der Rute trat vor, offenbar ihr Anführer.

»Du verfügst gleichwohl über Kraft und Mut«, sagte er leise. »Das ist gut. Auf dich haben wir gewartet, Mensch mit dem borstigen Haar.«

Mein Schwert beachtete er überhaupt nicht. Jedenfalls kam er weiter auf mich zu.

»Ich bin Gerrek«, wies ich ihn zurecht. »Diese törichten Anspielungen auf mein Aussehen unterlasse lieber.«

»Mein Name ist Krzekzaprrch. Aber du wirst ihn ohnehin bald vergessen haben.«

»Hoffentlich«, nickte ich, ohne auch nur einen Moment lang meine Umgebung aus den Augen zu lassen. »Ich werde dich Alraune nennen, das ist einfacher.«

»Wie du willst, Mensch mit den Glubschaugen.«

»Verschwindet endlich!«, schrie ich ihn an und holte mit dem Schwert zum Hieb gegen seinen Wurzelkörper aus. Er richtete nur seine Rute auf mich und murmelte unverständliche Worte – mein Schwert begann sich zu verändern. Entgeistert schrie ich auf, als ich plötzlich eine dornenbewehrte Ranke in der Hand hielt und die Dornen schmerzhaft in mein Fleisch stachen.

»Wirf die Waffe fort!«, verlangte Alraune. »Du wirst mit uns gehen, weil wir dich brauchen. Wir Nalimak können großes Unheil über die Menschen bringen, aber wir sind auch von euch abhängig, wenn einer von uns stirbt oder ein neues Leben geboren wird. Denn dann soll eine menschliche Seele in unserer Nähe sein.«

Wütend auf mich selbst, wich ich zurück. Wenn es sein musste, würde ich diese unheimlichen Gesellen mit bloßen Fäusten packen. Ob ihre Zauberkräfte gegen meinen »kalten Griff« oder das Feuer halfen, das ich speien würde?

Ich stieß gegen den Fels, aber er bot mir keinerlei Widerstand. Im Gegenteil. Das Gefühl, dass unsichtbare Fäuste mich packten und in die Tiefe zerrten, wurde schier übermächtig. Vergeblich warf ich mich nach vorne, aber auch da, wo eben noch von der Sonne beschienenes Gras gewesen war, wogten nun dichte graue Nebel.

»Einer von uns liegt im Sterben«, vernahm ich Alraunes Stimme. »Wir wollen nur, dass du dich seiner annimmst. Dann wirst du wieder dorthin zurückgebracht, wo wir dich trafen. Und zum Dank für deine Hilfe werden wir dich wertvoll belohnen.«

»Ein Geschenk?«, fragte ich ungläubig. Als hätte der Klang meiner Stimme einen Vorhang zerrissen, wichen die Nebel fast schlagartig. Ich befand mich in einer riesigen Höhle. Tropfsteine hingen von der hochgewölbten Decke herab, und bizarr geformte Stalagmiten wuchsen vom Boden auf.

Alraune stand dicht neben mir, in einigem Abstand versammelten sich die anderen seines Volkes.

»Wo sind wir?«, wollte ich wissen.

»Im Innern unseres Berges, Mensch mit der dampfenden Nase«, erklärte Alraune.