Mythor 68: Traumland der Ambe - Ernst Vlcek - E-Book

Mythor 68: Traumland der Ambe E-Book

Ernst Vlcek

0,0

Beschreibung

Mythor, der Sohn des Kometen, hat in der relativ kurzen Zeit, da er für die Sache der Lichtwelt kämpfte, bereits Großes vollbracht. Nun aber hat der junge Held Gorgan, die nördliche Hälfte der Welt, durch das Tor zum Anderswo verlassen. Anderswo - das ist Vanga, die von den Frauen regierte Südhälfte der Lichtwelt, die lebend zu erreichen den wenigsten Reisenden vergönnt ist. Mythor hat es jedenfalls mit Hilfe von Zahda, der Zaubermutter, geschafft. Er ist unversehrt nach Vanga gelangt, wo er schon von der ersten Stunde seines Hierseins an in gefährliche Geschehnisse verstrickt wird. Gegenwärtig hält sich Mythor mit seinen Gefährten auf der Insel Gavanque auf, die sich schnell genug als heißer Boden herausstellt, da die meisten Hexen und Amazonen der Zaubermutter Zaem die Neuankömmlinge als Diener der Dunkelmächte ansehen, die es zu jagen gilt. Doch der Sohn des Kometen und seine so verschiedenartigen Begleiter überstehen selbst die Schrecken der Katakomben von Acron und gelangen schließlich in einen paradiesischen Garten, in dem tiefster Friede zu herrschen scheint. Dieser Zaubergarten ist das TRAUMLAND DER AMBE ...

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Veröffentlichungsjahr: 2015

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Nr. 68

Traumland der Ambe

von Ernst Vlcek

Mythor, der Sohn des Kometen, hat in der relativ kurzen Zeit, da er für die Sache der Lichtwelt kämpfte, bereits Großes vollbracht. Nun aber hat der junge Held Gorgan, die nördliche Hälfte der Welt, durch das Tor zum Anderswo verlassen.

Anderswo – das ist Vanga, die von den Frauen regierte Südhälfte der Lichtwelt, die lebend zu erreichen den wenigsten Reisenden vergönnt ist.

Mythor hat es jedenfalls mit Hilfe von Zahda, der Zaubermutter, geschafft. Er ist unversehrt nach Vanga gelangt, wo er schon von der ersten Stunde seines Hierseins an in gefährliche Geschehnisse verstrickt wird.

Gegenwärtig hält sich Mythor mit seinen Gefährten auf der Insel Gavanque auf, die sich schnell genug als heißer Boden herausstellt, da die meisten Hexen und Amazonen der Zaubermutter Zaem die Neuankömmlinge als Diener der Dunkelmächte ansehen, die es zu jagen gilt.

Doch der Sohn des Kometen und seine so verschiedenartigen Begleiter überstehen selbst die Schrecken der Katakomben von Acron und gelangen schließlich in einen paradiesischen Garten, in dem tiefster Friede zu herrschen scheint.

Dieser Zaubergarten ist das TRAUMLAND DER AMBE ...

Die Hauptpersonen des Romans

Mythor – Der Sohn des Kometen in Ambes Zaubergarten.

Scida, Gerrek und Lankohr – Mythors Gefährten.

Kalisse – Eine Amazone, die auf Mythor ein Auge geworfen hat.

Ambe – Eine Hexe, die aus der Wirklichkeit in eine Traumwelt geflüchtet ist.

Aelgeri

1.

In Celes Hain herrschte tiefe Trauer.

»Meine arme Schwester Vone«, klagte Zaems Grenzhexe und zog den gelben Mantel fester um ihren zitternden Körper. »Warum nur musste sie ihr Leben lassen? Und dass sie durch das Schwert ihrer eigenen Amazone starb ... Aber Weskina hat wenigstens ihre gerechte Strafe erhalten.«

»Das darfst du nicht so sehen, Cele«, redete Aelgeri ihrer Herrin zu. »Was Weskina tat, war richtig, denn Vone ist schon vorher gestorben, als sie Ambes Sendungen der Liebe empfing und davon vergiftet wurde. Vone war keine Dienerin ihrer Zaubermutter Zaem mehr, als Weskina sie enthauptete. Selbst Niez billigt diese Tat ...«

Ein leiser Vorwurf klang aus Aelgeris Stimme, als sie ihrer Herrin die Tatsachen erklärte.

»Ich trauere um meine Schwester Vone«, sagte Cele und lehnte sich hilfsbedürftig gegen ihre Dienerin. »Alles andere zählt nicht mehr.«

»Doch«, sagte Aelgeri und nahm Celes hübsches Gesicht in beide Hände. »Du musst mit Niez den Krieg der Hexen weiterführen, auch wenn Ambes Liebesgarten euer Land überwuchert. Noch ist dein Hain unentdeckt geblieben, so dass du weiterkämpfen kannst.«

»Es ist alles so sinnlos geworden, Aelgeri. Der Krieg ist verloren!«

»Vielleicht – sicher sogar. Aber denke daran, was deine Zaubermutter dir aufgetragen hat. Zaem ist mit ihrer Amazone Burra zum Hexenstern unterwegs, um der entarteten Fronja den Gnadenstoß zu geben. Und du kannst ihr helfen, indem du ihre Feinde besiegst. Sie hat ihre Namen genannt und dir Bilder von ihnen gezeigt. Erinnere dich!«

»Ich weiß, ich weiß«, sagte Cele traumverloren. »Sie heißen Honga, Scida, Gerrek und Lankohr. Aber wie soll ich an sie herankommen, wo sie sich längst in Ambes Obhut befinden und ich selbst mich vor ihrem Zugriff kaum schützen kann?«

»In deinem Hain bist du sicher. Und du hast noch mich!«

»Das ist gut zu wissen, Aelgeri, und ich möchte deine Nähe nicht missen«, sagte Cele und klammerte sich wie eine Ertrinkende an ihre Dienerin.

Aelgeri löste sich sanft aus der Umarmung der Hexe.

»Niez hat sich gemeldet«, sagte sie. »Sie will dich sprechen.«

Aelgeri brachte den Zauberkristall, legte ihn vor ihrer Herrin in die Ausbuchtung des Dreibeins und stellte sich dann hinter sie. Sie griff Cele unters Haar und kraulte sie im Nacken.

»Das tut gut.« Cele schloss vor Behagen die Augen. »Am liebsten würde ich ...«

»Sprich es lieber nicht aus, kleine Närrin«, erklang da eine barsche Stimme. »Wenn man dich so hört, würde man nie vermuten, dass du eine Hexe bist, die im zehnten Rang steht.«

Cele riss erschrocken die Augen auf. Sie fühlte sich ertappt, als sie in der Zauberkugel Niez' knöchernes Gesicht erblickte. Ihre kalten Augen blickten strafend aus dem Kristall.

»Verspürst du denn keine Trauer, Niez?«, fragte Cele.

»Ich lasse mich jedenfalls nicht so gehen«, erwiderte die Hexe, die im gleichen Rang wie Cele stand. »Es tut mir leid um Vone, aber letztlich war es für uns alle besser so. Wenn sich Weskina nicht ihren Kopf geholt hätte, dann hätte Vone auf Ambes Seite gegen uns gekämpft. Und was dich betrifft ... Bist du etwa auch bereits von Ambe angesteckt worden?«

»Niez!«, rief Cele entsetzt. »Wie kannst du nur so etwas Abscheuliches von mir denken.«

»Dann handle endlich!«

»Was soll ich tun?«

»Zaems Auftrag ausführen, der lautet, Hongas Bande dingfest zu machen«, erklärte Niez.

»Aber wie sollen wir das anstellen, wo um uns Ambes Liebesgarten ist und ihre Gärtnerinnen nach unseren Hainen suchen?«, erkundigte sich Cele. »Dazu kommt noch, dass einige meiner Getreuen ausgerissen sind. Bestimmt sind einige davon zu Ambe übergelaufen ...«

»Du musst dir selbst etwas einfallen lassen, Cele«, unterbrach sie Niez mit schneidender Stimme. »Eine Zusammenarbeit zwischen uns ist unmöglich, weil das die Gefahr einer Entdeckung vergrößert. Wir sind jede auf sich selbst gestellt. Aber handeln müssen wir! Ist dir das klar, Cele?«

»Ich wollte einen Mond lang um Vone trauern ...«, sagte Cele. »Aber ich verschiebe die Zeit der Trauer auf später. Ich werde kämpfen!«

Niez schien zufrieden. Sie nickte, und ihr Bildnis verschwand aus dem Zauberkristall. Cele starrte noch eine ganze Weile auf die Kugel, dann drehte sie sich zu ihrer Dienerin um.

»Ich habe niemanden mehr, außer dir, auf den ich mich verlassen kann«, sagte sie. »Mir bricht fast das Herz bei dem Gedanken, mich von dir zu trennen, aber es muss sein. Ich werde dich an die Front schicken.«

Aelgeri wirkte gefasst. Sie war eine großgewachsene, schlanke Frau von etwa fünfunddreißig Sommern. Ihr Brustkorb war flach, sie hatte schmale Hüften und lange Beine. Sie war insgesamt unansehnlich, und ihr völlig haarloser Kopf mit den hervortretenden Augen und den abstehenden Ohren gaben ihr sogar etwas Abstoßendes. Aber Aelgeri hatte einen wachen, magisch geschulten Geist – und begnadete Hände.

»Es muss sein!«, sagte Cele fest.

»Ich habe es erwartet«, sagte Aelgeri. »Aber du wirst mich gut rüsten müssen, damit ich mich Ambes Einfluss entziehen kann.«

»Ich werde dir einen starken Zauber mit auf den Weg geben«, sagte Cele. »Du sollst alle magischen Waffen bekommen, die ich in meinem Hain entbehren kann. Ich werde dir aber keine Kampfgefährtin mitgeben können.«

Mit belegter Stimme erwiderte Aelgeri: »Ohne dich bin ich einsam, selbst wenn du mir einen Begleitschutz von zehn Amazonen mitgeben würdest. Cele, ich werde meinen Auftrag rasch zu Ende führen, um bald wieder in deinen Hain zurückkehren zu können.«

Cele wandte sich ab, sie wollte nicht, dass ihre Dienerin den Ausdruck ihrer Augen sah.

»Komm, Aelgeri, ich werde dich kleiden.«

Die Hexe eilte mit wehendem Mantel davon. Ihre Dienerin folgte ihr mit großen, staksenden Schritten in die Zauberstube.

*

»Ich genieße diese Stunden, Isgrin«, sagte Mythor. »Und ich bedaure es, dass es nicht immer so sein kann.«

»Dummerchen«, sagte Isgrin. »Ambe baut eine Welt, in der es nur Liebe und Güte, Frohsinn und Müßiggang gibt, in der das Schöne und Gute regiert. Eines Tages ...«

»Pst«, machte Mythor und legte ihr einen Finger auf den Mund. »Das sind Träume, die nicht wahr werden. Ich würde lieber hören, dass Ambe alles Natürliche fördert, anstatt alles künstlich zum Schönen zu formen. Eine solch unnatürliche Welt kann keinen Bestand haben.«

»Dann magst du mich nicht, Mythor?«, fragte Isgrin kokett. »Ich bin auch ein Teil von Ambes Welt.«

»Wie kannst du nur an meiner Liebe zweifeln«, sagte Mythor und küsste sie.

Sie hatten die Grenze längst überschritten und befanden sich nun jenseits des Einflussbereichs der Zaubermutter Zaem in Ambes Zaubergarten.

Mythor wollte die Zeit mit Isgrin in vollen Zügen genießen und in diesem Zusammenhang gar nicht an die Zukunft denken, die eine baldige Trennung vorsah. Denn Isgrin war nicht die unbedeutende Gärtnerin, als die sie sich ursprünglich ausgegeben hatte. Sie hatte dies nur vorgegeben, um sich in Vones Trittorhain einschleusen und diesen für Ambe erobern zu können. Da Isgrin jedoch ein so hohes Amt in Ambes Zaubergarten bekleidete, war es für Mythor klar, dass sie nicht mit ihm von hier fortgehen würde.

Mythor wollte vorwärtsstreben, und wenn er seine Bestimmung, sein Fernziel, auch noch nicht ganz klar vor Augen hatte, so wusste er, was er als nächstes zu tun hatte. Er musste zu Fronja, der Tochter des Kometen, gelangen und sie vor dem Schicksal bewahren, das die Zaubermutter Zaem ihr zudachte. Er hatte Isgrin nichts davon gesagt, um diese Stunden des Glücks nicht zu trüben.

Isgrin sollte nicht wissen, dass er von jenseits der Schattenzone kam, aus der Männerwelt Gorgan. Er wollte sie nicht mit dem Wissen belasten, dass er in seiner Welt die Prüfungen eines Sohnes des Kometen abgelegt hatte. Das alles wollte er sich aufsparen, wenn er Ambe gegenübertrat, jener Hexe, an die ihn Vina vor ihrem Tod verwiesen hatte. Inzwischen aber ...

Ein Geräusch ließ Mythor hochfahren und zum Schwert greifen.

Isgrin kicherte und fragte schelmisch:

»Was fürchtest du denn, Mythor? In Ambes Zaubergarten kann dir nichts Schlimmes widerfahren.«

Mythor ließ sich dennoch nicht beirren. Er hatte zusammen mit Isgrin eine kleine Lichtung aufgesucht, wo sie ihre Umhänge ausbreiteten, um sich darauf niederzulassen. Aber schon von Anfang an hatte sich Mythor beobachtet gefühlt, ohne irgendetwas Verdächtiges entdecken zu können. Mythor dachte nicht daran, dass sie von Feinden belauert werden könnten, sondern vermutete eher, dass Scida, die alternde Amazone, ihnen nachspionierte, weil sie um ihren »Beutesohn« fürchtete. Dabei glaubte er, es recht geschickt angestellt zu haben, um Scida und seine anderen Gefährten abzuschütteln.

Es war jetzt ganz still, selbst Isgrin verhielt sich völlig ruhig. Ein Blickwechsel mit ihr verriet Mythor, dass auch sie die Nähe von etwas Fremdem fühlte.

Rings um sie erhob sich die blühende Pflanzenpracht von Ambes Garten bis hoch in den Himmel. Gelegentlich blinzelte die Sonne durch das Laubdach der Bäume und schickte ihr Licht in Streifen, in denen Blütenstaub tanzte. Da war wieder das Geräusch eines brechenden Astes – und gleich darauf stimmten Ambes Seelenpflanzen, die auf jede Art von Gefühlen ansprachen, einen chaotischen Singsang an.

»Ist hier jemand?«, rief Mythor aufgebracht. »Scida! Ist es nicht unter der Würde einer Amazone, sich zu verstecken?«

Da teilten sich die Büsche, ein raues Gelächter erscholl, und heraus trat eine gedrungene Gestalt in Kampfkleidung.

»Kalisse!«, rief Mythor überrascht aus, als er Ambes Amazone erkannte, unter deren Führung sie zu Vones Trittorhain marschiert waren. »Wie hast du uns gefunden?«

»Ich störe doch hoffentlich nicht?«, meinte die Amazone und grinste anzüglich. »Ich könnte dich fressen, Kleiner! Was gibst du dich mit Gärtnerinnen ab, wenn du mich haben kannst?«

»Verschwinde auf der Stelle!«, rief Mythor wütend. »Oder ich werde dich mit der Waffe davonjagen.«

»Ich mag es, wenn Männer sich zieren«, sagte Kalisse und zog mit der gesunden Rechten eines ihrer Schwerter. Mythor dachte, dass sie sich ihm zum Kampf stellte. Aber sie hob die Klinge vor sich und betrachtete sie mit einem melancholischen Ausdruck. Dabei sagte sie wie zu sich selbst: »Ich habe mit meiner Seele eine Amazone besiegt. Sie hieß Weskina, hatte aber noch nicht einmal eines ihrer beiden Schwerter getauft. Sie wollte ihr Seelenschwert nach mir benennen, falls sie über mich triumphiert hätte ...« Kalisse seufzte und sah Mythor an: »Verstehst du, dass ich mich nicht schon wieder mit einem Niemand schlagen möchte? Sei also friedlich, Junge, und komme freiwillig in meine Arme.«

»Isgrin!«, rief Mythor, ohne hinter sich zu blicken. »Verpass dieser hässlichen Amazone einen Juckreiz und lass ihren Arm schrumpfen, damit sie sich nicht kratzen kann.«

»Von wem sprichst du?«, erkundigte sich Kalisse. Sie hatte ihr Seelenschwert wieder weggesteckt und breitete die Arme aus, wie um ihn einzufangen.

Mythor blickte sich um und sah, dass der Platz hinter ihm leer war. Nur noch Isgrins schwarzer Mantel lag da.

»Du hast sie verjagt, Kalisse!«, rief Mythor zornig und sprang zur Seite, als die Amazone auf ihn zustürzte. Ihre muskulösen Arme griffen ins Leere, und Mythor hieb ihr die Breitseite des Gläsernen Schwertes aufs gepanzerte Hinterteil.

Aber Kalisse lachte nur.

»Du bringst mein Blut in Wallung, Junge«, sagte sie und drehte sich wieder in seine Richtung. Sie spitzte die Lippen und warf ihm eine Kusshand zu. »Du bist einfach zum Fressen.«

Mythor musste wieder ausweichen, als sie sich ungestüm auf ihn stürzen wollte.

»Mythor! Mythor!«, erklang da die Stimme Gerreks. Im nächsten Augenblick kam der Beuteldrache auf die Lichtung gestürzt. Ihm im Nacken saß der Aase Lankohr und hielt sich an seinen Knitterohren fest. Gerrek kam zum Stillstand und warf der Amazone einen finsteren Blick zu. Dazu meinte er: »Da sind wir gerade zurecht gekommen, um dich vor großer Ungemach zu bewahren, Mythor!«

Kalisse nahm es mit Humor.

»Ich schnappe ihn mir schon noch«, sagte sie und verschwand in die Richtung, aus der Gerrek und Lankohr gekommen waren.

»Habt ihr Isgrin gesehen?«, erkundigte sich Mythor besorgt.

»Ja, sie ist zu uns gestoßen«, erklärte Lankohr. »Aber, was viel wichtiger ist, wir sind auf eine erste Spur von Ambe gestoßen.«

»Habt ihr Isgrin mit Scida allein gelassen?«, fragte Mythor.

»Ja, und?«, sagte Gerrek. »Stell dir vor, hinter dem Hexenfort steht eine Art Mausoleum, und darin soll Ambes Geist wohnen.«

»Kommt«, sagte Mythor entschlossen. »Bringt mich zu Scida.«

»Hörst du uns denn überhaupt zu?«, fragte Lankohr. »Liegt dir denn nichts daran, mit Ambe zusammenzukommen? Begreifst du überhaupt? Vielleicht ist Ambe bereits tot!«

»Ja, ja«, sagte Mythor ungehalten. »Aber etwas anderes bereitet mir größere Sorgen. Wer weiß, was Scida anstellt, wenn sie mit Isgrin allein ist.«

*

»Ich bin eine Amazone im Dienst der Zeboa und stamme aus der Walangei«, sagte Scida fast feierlich zu der Hexe an ihrer Seite. »Mein Wappen ist der geflügelte Löwe, und auch mein Beutesohn Mythor trägt dieses Zeichen.«

»Ich verstehe«, sagte Isgrin und legte der Amazone die Hand auf den Arm. »Ich will dir deinen Beutesohn nicht wegnehmen, Scida. Wir wissen beide, dass unser Glück nur von kurzer Dauer sein kann.«

Scidas Mund war verkniffen, ihre ganze Haltung abweisend.

»Was für ein Spiel treibst du mit ihm, Isgrin?«, fragte sie schließlich.

»Spiel?«, wiederholte Isgrin erstaunt. »Wir lieben uns.«

Scida blieb abrupt stehen und sah auf die zierliche Hexe hinunter.

»Liebe?«, wiederholte sie nun ihrerseits. »Welche Art von Liebe meinst du?«

»Die Liebe zwischen Mann und Frau. Mythor hat sie mich gelehrt, ich habe sie erst durch ihn kennengelernt.«

»Närrin!« Scida schrie es fast. »Und Fronja, die Tochter des Kometen – liebst du sie nicht?«

»Doch, viel mehr als alles andere.«

»Und doch buhlst du mit ihr um Mythors Gunst!«

Isgrin öffnete den Mund, ihre Augen waren weit geöffnet, eine namenlose Angst spiegelte sich darin.

»Ich sehe, dass du nicht wusstest, was du tatest«, sagte Scida etwas milder. »Aber wenn du Fronja wirklich liebst, dann musst du auf Mythor verzichten. Denn sie ist die Tochter des Kometen, und Mythor ist der Sohn des Kometen! Du weißt besser als ich, dass die beiden füreinander bestimmt sind. Mythor stammt aus Gorgan, der Welt des Männlichen, und deine Zaubermutter Zahda hat sich seiner angenommen, um ihn in geheimer Mission zum Hexenstern zu schicken, auf dass vollzogen werden kann, was in den Geheimen Gesängen der Zaubermütter geschrieben steht und was Zaem und ihre Verbündeten zu verhindern trachten: Die Vereinigung von Hexe und Krieger, eine Verbindung des Weiblichen mit dem Männlichen, von Vanga mit Gorgan ...«

Scida hatte betont salbungsvoll gesprochen und sich ihre Worte gut überlegt, denn als Außenstehende kannte sie die Geheimen Gesänge der Zaubermütter nicht. Aber immerhin war ihr bekannt, dass einige Strophen dieses Thema behandelten, und so drückte sie sich ziemlich allgemein aus, um ein Wissen vorzutäuschen, das sie nicht besaß.

Sie wollte Isgrin nur in die Schranken weisen, damit sie Mythor nicht seine Bestimmung vergessen ließ. Doch hatte sie nicht ahnen können, dass Isgrin so heftig darauf reagieren würde.

Isgrin begann zuerst zu zittern, immer heftiger, bis ihr Körper wie von unsichtbaren Kräften geschüttelt würde. Dabei entrang sich ihrer Kehle ein tiefer, unmenschlich klingender Laut, der sich schließlich in einem schrillen Schrei entlud.

Bevor Scida irgendetwas tun konnte, stürzte die Hexe davon – und hinterließ eine breite Spur verwelkter Pflanzen.

Scida war erschüttert.

»Dummes Ding«, sagte sie wie zu ihrer Rechtfertigung. »Von einer hochgestellten Hexe könnte man doch etwas mehr Haltung erwarten.«

Nicht viel später traf Mythor ein, gefolgt von Gerrek und Lankohr.

»Wo ist Isgrin?«, fragte Mythor gehetzt. Als er Scidas abweisendes Gesicht bemerkte, fragte er: »Du hast sie doch nicht etwa fortgeekelt?«

»Ich habe ihr die Wahrheit über dich gesagt«, antwortete Scida und erwiderte seinen Blick.

Mythor kämpfte mühsam um seine Beherrschung. Für einen Moment sah es aus, als wolle er Hand an die Amazone legen.