Mythor 74: Das Fest der Masken - W. K. Giesa - E-Book

Mythor 74: Das Fest der Masken E-Book

W. K. Giesa

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Beschreibung

Mythor, der Sohn des Kometen, hat in der relativ kurzen Zeit, da er für die Sache der Lichtwelt kämpfte, bereits Großes vollbracht. Nun aber hat der junge Held Gorgan, die nördliche Hälfte der Welt, verlassen und längst Vanga, die von den Frauen regierte Südhälfte der Lichtwelt, erreicht, wo er von der ersten Stunde seines Hierseins an in gefährliche Geschehnisse verstrickt wurde. Diese Geschehnisse nahmen ihren Anfang im Reich der Feuergöttin, wo Mythor für Honga, einen aus dem Totenreich zurückgekehrten Helden, gehalten wurde. Es kam zur Begegnung mit Vina, der Hexe, und Gerrek, dem Mann, der in einen Beuteldrachen verwandelt worden war. Es folgten Kämpfe mit Luftgeistern und mit Amazonen, es kam zu Mythors Gefangenschaft, zur Flucht und zu erneuten Kämpfen mit denen, die sich an Mythors Fersen geheftet hatten. Schließlich gelangte Mythor-Honga mit seinen neuen Gefährten auf die Insel Gavanque, wo er im Krieg der Hexen eine Schlüsselrolle spielte und Entscheidendes über Fronja, die Tochter des Kometen, erfuhr, der seine Suche gilt. Gegenwärtig hat Mythor die Stätte des Hexenkriegs verlassen. Zusammen mit seinen Gefährten ist der Sohn des Kometen nach Hanquon, der Schwimmenden Stadt, übergewechselt - und dort erwartet ihn DAS FEST DER MASKEN ...

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Nr. 74

Das Fest der Masken

von W. K. Giesa

Mythor, der Sohn des Kometen, hat in der relativ kurzen Zeit, da er für die Sache der Lichtwelt kämpfte, bereits Großes vollbracht. Nun aber hat der junge Held Gorgan, die nördliche Hälfte der Welt, verlassen und längst Vanga, die von den Frauen regierte Südhälfte der Lichtwelt, erreicht, wo er von der ersten Stunde seines Hierseins an in gefährliche Geschehnisse verstrickt wurde.

Diese Geschehnisse nahmen ihren Anfang im Reich der Feuergöttin, wo Mythor für Honga, einen aus dem Totenreich zurückgekehrten Helden, gehalten wurde. Es kam zur Begegnung mit Vina, der Hexe, und Gerrek, dem Mann, der in einen Beuteldrachen verwandelt worden war. Es folgten Kämpfe mit Luftgeistern und mit Amazonen, es kam zu Mythors Gefangenschaft, zur Flucht und zu erneuten Kämpfen mit denen, die sich an Mythors Fersen geheftet hatten.

Schließlich gelangte Mythor-Honga mit seinen neuen Gefährten auf die Insel Gavanque, wo er im Krieg der Hexen eine Schlüsselrolle spielte und Entscheidendes über Fronja, die Tochter des Kometen, erfuhr, der seine Suche gilt.

Gegenwärtig hat Mythor die Stätte des Hexenkriegs verlassen. Zusammen mit seinen Gefährten ist der Sohn des Kometen nach Hanquon, der Schwimmenden Stadt, übergewechselt – und dort erwartet ihn DAS FEST DER MASKEN ...

Die Hauptpersonen des Romans

Mythor – Der Sohn des Kometen in Hanquon, der Schwimmenden Stadt.

Scida, Gerrek, Lankohr und Kalisse – Mythors Begleiter.

Salmei – Erste Bürgerin von Hanquon.

Nucrilia – Eine Frau, die ihre wahren Absichten gut zu verbergen versteht.

Zirri – Eine Zaubermutter erscheint.

Prolog

Die Hexe Niez hatte in die Zukunft gesehen.

Vorausschauend hatte sie überlegt und den Weg jener vorausberechnet, die gesucht wurden.

Niez zeigte ihren Triumph offen. Über ihre Zauberkugel stand sie mit Cele in Verbindung, die sich wie sie in ihrem eigenen Hain verschanzt hatte. Dort waren sie noch sicher, aber nicht mehr lange, denn die Ranken der Ambe überwucherten ihre Gebiete längst.

Niez wandte ihren Blick von der Zauberkugel. Draußen wuchsen die Triebe der Liebespflanzen Ambes immer stärker, und es war nur noch eine Frage der Zeit, bis es Niez' Unterschlupf auch nicht mehr geben würde, den Schuppenpanzer, den vor ein paar tausend oder mehr Sommern einmal ein Drache verloren haben musste, der über die Insel Gavanque dahinstampfte. Niez hatte sich in diesem Drachenpanzer häuslich niedergelassen, und während des Krieges der Hexen war er ihr ein sicherer Unterschlupf gewesen.

Jetzt aber gab es nichts mehr, das sicher war. Weder der Drachenpanzer, wohnlich gemacht und nach allen Seiten, nach oben und unten vor magischem Zugriff abgeschirmt, noch der Hain der Hexe Cele. Denn der Krieg der Hexen war beendet, und Ambe, die jetzt Zambe war, die neue Zaubermutter, hatte gesiegt. Ihr Liebesgarten überwucherte die letzten Bastionen ihrer Gegnerinnen, und es war nur noch eine Frage der Zeit, bis die Ranken sich auch durch den Drachenpanzer bohren und ihn zerstören würden.

Wenn Niez lauschte, vernahm sie das Flüstern der Blumen. Dennoch gab sie nicht auf. Sie würde bis zum letzten Moment ausharren, um ihrer Zaubermutter Zaem treu zu dienen, und Cele würde es ebenso halten.

Zaems Auftrag lautete: Fangt Honga! Fangt seine Begleiter Scida und Gerrek!

Niez, ältlich und mausgrau mit dünnem Hals und Vogelgesicht, verriet durch ihr Aussehen ihr Alter ebenso wenig wie Cele, die wie ein hübsches junges Mädchen aussah. Beide befanden sich bereits im Rang des zehnten Steins und waren berechtigt, die gelben Mäntel zu tragen.

Niez sah wieder auf das Bild, das die Zauberkugel ihr zeigte. Cele sprach wieder zu ihr.

Der Jäger versagte, den ich in Ambes Zaubergarten sandte, um Honga und die anderen zu fangen, teilte Cele mit, und in ihren Worten schwang unverhohlener Zorn über das Versagen des Jägers.

Dennoch werden wir sie fassen, gab Niez zurück.

Du hast einen Plan?

Seit langem schon. Ich ahnte, dass sie Gavanque verlassen würden. Hanquon zieht sternwärts, und dorthin schickte ich Häscher.

Cele schien zu erschrecken. Zum Hexenstern, in Vangas tiefsten Süden? Bist du sicher, dass sie dorthin gehen werden?

Müssen sie das nicht?, gab Niez zurück.

Aber dann dürfen sie Hanquon nicht betreten ... denn sonst ziehen sie mit der Lumenia nach dort, wohin sie nicht sollen! Denkst du nicht daran, dass Zaem, die Zaubermutter, und die Amazone Burra früher dort sein müssen?

An nichts anderes als Zaem und den Vorsprung, den wir ihr verschaffen sollen, denke ich ... und Burra? Insgeheim hat auch sie ihre Pläne! Doch Honga und die anderen werden den Hexenstern nicht erreichen. Erwähnte ich nicht, dass ich Häscher nach Hanquon entsandte? Dort warten sie verborgen, und niemand weiß, wer sie sind. Deshalb werden sie Erfolg haben.

Du bist klug, Niez.

Niez erwiderte nichts. Aus schmalen Augen verfolgte sie durch die magisch beschirmten Fensteröffnungen im Schuppenpanzer das Wachsen der Liebesranken Ambes. Sie hatte Ambe nie verstanden. Die Zahda-Hexe kämpfte auf eine Art, die den anderen fremd war. Liebe als Waffe ...

Und bald würde diese Waffe auch Niez und Cele besiegt haben. Die Zauberkugel verriet Niez, dass es bei Cele nicht besser aussah als bei ihr. Die Schlacht war geschlagen, der Sieg fraß sich über sie hinweg.

Der Sieg der anderen.

Aber in einem Punkt würde Niez für Zaem siegen: Honga!

Auf der Lumenia würde dessen Weg enden und direkt zu Zaem führen ... oder zu Burra von Anakrom.

Und Zaems Vorsprung war schon jetzt nicht mehr aufzuholen.

Aber plötzlich merkten beide Hexen in ihren Hainen auf. Über die Zauberkugel kam eine Nachricht der Zaubermutter Zaem.

Niez und Cele erschraken, als sie die Botschaft vernahmen. Durch einen unerwarteten Zwischenfall war Zaem aufgehalten worden?

Wurde dadurch nicht alles unsicher?

1.

Aus der obersten Aussichtswarte reichte der Blick am weitesten, und deshalb wohnte auch die Erste Bürgerin Salmei im Wurzelstock in dieser Höhe. Oftmals trat sie über die tragenden Blätter an den Rand und genoss die Aussicht über die Weiten des Meeres, wenn in der Ferne die See mit ihrem schimmernden Graublau unter der Sonne Vangas mit dem Himmel verschmolz. Oder wenn sich dort die Konturen fremder Küsten abzeichneten.

Zu dieser Zeit war das Sichtfeld eingeengt. Die Weite des Meeres gab es nur an einer Seite, auf der anderen erstreckte sich das Land, das voraus immer enger zusammentrat.

Rechts voraus Gavanque, an deren Küste Hanquon entlanggeglitten war, links voraus Naudron. Und zwischen beiden Inseln würde Hanquon hindurchgleiten.

Hell schien die Sonne, prachtvoll warm war die Luft, und die Erste Bürgerin ließ ihre Blicke über die Küstenflächen wandern. Ein leichter Wind fächelte über ihr Gesicht.

In der zur Zeit leeren Aussichtwarte am Bug stehend, weit vorn auf der elften Blätterschicht, sah sie die Barke als erste, die auf Hanquon zu hielt. Sie kam von Gavanque.

Besuch von den Inseln war für Hanquon nichts Ungewöhnliches, und darum dachte Salmei sich auch nicht allzu viel dabei, aber weil es ihre Pflicht war, Gäste zu begrüßen, kehrte sie zum Wurzelstock zurück und machte sich auf den Weg nach unten.

Der Teil Gavanques, den Hanquon umrundete, war Ambes Land, und Salmei entsann sich, dass zwischen Ambe und anderen Hexen Krieg herrschte. Dass dennoch Besucher Zeit hatten, nach Hanquon zu kommen, war erstaunlich. Doch vielleicht brauchten sie Handelsgüter, und Salmei träumte bereits von Handel und Verdienst, während der Tragekorb, von Gegengewichten gehalten, sie im Wurzelstock nach unten brachte.

Einer entscheidenden Begegnung entgegen.

*

»Mich schaudert«, behauptete Gerrek, der dicht an der hölzernen Reling stand. »Wie leicht kann man hineinfallen und von garstigen Fischen angeknabbert werden!«

Mythor grinste den Beuteldrachen an. »Du könntest den Spieß umdrehen und mit deinem Feueratem ein paar Fische braten. Gebratener Fisch, ein wenig gewürzt, ist manchmal eine Delikatesse ...«

»Hör auf, von Delikatessen zu reden«, stöhnte Gerrek. »Mir dreht sich jetzt schon der Magen um. Da will unbedingt etwas wieder nach oben. Ich dachte, das Tier sei tot und gebacken gewesen, aber es lebt noch! Es krabbelt in meinem Bauch hin und her und will immer wieder nach oben klettern.«

Mit einem Wort: Gerrek war seekrank.

Oder er bildete sich ein, seekrank zu sein; Mythor wagte es nicht, da eine klare Entscheidung zu treffen. Der Beuteldrache, der ein verwunschener Mandaler war, besaß die Eigenart, sich ständig über die alltäglichsten Dinge des Lebens aufzuregen.

Er verdrehte die Glubschaugen. »Oh, Mythor«, stöhnte er wieder auf. »Einziger Freund ... mir ist so übel.« Seine riesige Gestalt, die einer Birne auf kurzen Beinen glich, versehen mit einem rattenähnlichen langen Schwanz und einem dünnen, langen Hals, auf dem ein skurriler Drachenkopf saß, wankte leicht.

»Wenn du speien musst«, ermahnte ihn Mythor sanft, »dreh dich bitte um und ziele ins Wasser, nicht auf mich.«

Gehorsam wandte Gerrek sich wieder um, beugte sich etwas über die Reling und begann sofort, wild mit den Armen zu rudern. Nur gut, dachte Mythor, dass die Hexe Gaidel vergaß, ihm Flügel zu geben. Er würde abheben.

»Ich falle«, zeterte Gerrek. »Hilf mir, schnell! Ich ertrinke! Die Fische fressen mich schon!«

In der Tat krängte die Barke im Moment stark nach Backbord, in ein Wellental. Gerrek, der sich ohnehin weit vorgebeugt hatte, verlor den Bodenkontakt und schickte sich an, kopfüber von Bord zu gehen.

Entschlossen trat ihm Mythor auf den Schwanz und hielt ihn damit fest. Als die Barke sich jetzt auf die andere Seite legte, konnte der Beuteldrache sich wieder hochstemmen und torkelte rückwärts auf Mythor zu. Der dunkelhaarige Gorganer fing ihn ab.

»Pass auf, mein Lieber«, sagte er. »Du gehst jetzt genau bis zur Mitte des Schiffes. Dort bleibst du und rührst dich nicht von der Stelle, bis wir im Hafen der Schwimmenden Stadt anlegen. Verstanden?«

»Diese Fische«, murrte Gerrek, während er sich anschickte, Mythors Rat zu befolgen. »Wie gierig sie mich angestarrt haben! Dabei schmecke ich überhaupt nicht.«

»Die Ansicht haben die Fische auch über sich selbst«, vermutete der Sohn des Kometen.

Gerrek fuhr zusammen. »Glaubst du?«, fragte er entsetzt. »Glaubst du, das denken sie? Können sie denn überhaupt denken? Vielleicht sind sie auch verzauberte ehemalige Männer!«

Mythor holte tief Luft und legte den Kopf in den Nacken. Seufzend sah er in den strahlendblauen Himmel. Es schien, als wolle Gerrek wieder mit seinem Grübeln über den Sinn dieses oder eines anderen Lebens beginnen. Ein philosophierender Beuteldrache mochte zuweilen erheitern, meist jedoch war er unerträglich.

Der Sohn des Kometen hütete sich daher, etwas zu erwidern. Somit brachte er auch Gerrek vorübergehend zum Schweigen.

Mythor sah wieder nach vorn. Die Barke durchschnitt die Wellen, die hier draußen schon ziemlich hoch gingen. Nach den Abenteuern auf der Insel Gavanque hatten sie sich erneut auf den Weg gemacht. Es zog Mythor nach Süden. Ambe, die jetzt die neue Zaubermutter Zambe war, hatte sich verpuppt und sah ihrer nächsten »Wiedergeburt« entgegen – Mythor fand keinen treffenderen Ausdruck für das befremdliche Geschehen. Die Sammlung von nach dem Ausschlüpfen zurückgebliebenen leeren Hüllen, von Puppen, die dennoch in der Lage gewesen waren, ihm in den einzelnen Etappen Ambes Lebensweg zu erzählen, hatte einen nachhaltigen Eindruck auf ihn gemacht. Es war einmalig und fremdartig, nie zuvor hatte er auch nur entfernt Ähnliches gesehen.

Und nichts mehr hielt ihn auf Gavanque – ihn, der für Außenstehenden der wiedergeborene Held der Tau, Honga, war. Nur seine engeren Gefährten wussten um seine Herkunft und seinen wirklichen Namen.

Er musste weiter nach Süden, zum Hexenstern. Fronja war in Gefahr. Wie es schien, würde die ebenfalls nach Süden ziehende Schwimmende Stadt Hanquon dabei ein willkommenes Transportmittel sein. Zu diesem Zweck war jetzt die Barke unterwegs, Mythor und seine Begleitung nach Hanquon zu bringen. Die alternde Amazone Scida, der schrullige Beuteldrache Gerrek und der grünhäutige Aase Lankohr waren mit ihm gekommen, dazu die Amazone Kalisse mit vier weiteren Kriegerinnen und die Hexe Noraele als Begleitschutz. Zambe hatte Mythor zugesichert, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um der unter einem Schatten lebenden Fronja zu helfen, aber zur Zeit war dieser Begleitschutz alles, was sie zu tun in der Lage war. Die Verpuppung machte sie unfähig, selbst einzugreifen.

Immer wieder, wenn Mythor an Fronja denken musste, überkam ihn eine starke Ungeduld. Er musste zu ihr, musste sie sehen und ihr helfen. Immer wieder stieg die Erinnerung an ihr Bildnis vor ihm auf. Sehnsucht und Liebe mischte sich hinein. Schon damals, in Tainnia, als der Barbar Nottr ihm das Bildnis schenkte, waren seine Gefühle für sie entbrannt. Von diesem Moment an gab es keine andere Frau mehr, die Mythor wirklich lieben konnte, außer Fronja, der Tochter des Kometen. Erst nach und nach hatte er erfahren, wer sie war und wie das Bildnis in seine Hand gelangt war. Doch es war verloren, auch die Brusttätowierung gab es längst nicht mehr. Es gab nur noch die Erinnerung und die Gewissheit, dass Fronja wirklich existierte und irgendwo in der Welt Vanga lebte.

Er musste zu ihr, um jeden Preis. Und manchmal, in den wenigen Stunden der Muße, die es für ihn gab, dachte er an sie und war mit seinen Gedanken bei ihr.

Stunden wie diese, in denen nichts geschah, in denen er träumen konnte.

Hier, auf der Barke, gab es keine Gefahr. Aber wie würde es sein, wenn sie Hanquon erreichten? Was würde auf der Schwimmenden Stadt geschehen? Mythor sah der Fortsetzung der Reise mit gemischten Gefühlen entgegen. Eine Schwimmende Stadt hatte er kennen- und fürchten gelernt. Gondaha, die Verfluchte ... sie war wie eine besondere Art von Gefängnis gewesen. Unwillkürlich rechnete Mythor damit, dass sich auf Hanquon ebenfalls eine versteckte Gefahr befand.

Aber neben einem Luftschiff war es eine der schnellsten Möglichkeiten, südwärts zu kommen – und immerhin eine der bequemsten. Dabei vergaß Mythor auch nicht, dass er immer noch von Burra gejagt wurde, der Amazone von Burg Anakrom, die alles daransetzte, ihn in ihre Gewalt zu bekommen.

Burra pflegte immer dann überraschend aufzutauchen, wenn die Lage ohnehin schon bedrohlich war. Wenn sie diesen Rhythmus einhielt, dachte Mythor ironisch, war er so lange vor Burra sicher, wie nichts geschah.

Er sah der Begegnung mit der Schwimmenden Stadt also gespannt entgegen. Immer wieder blickte er nach vorn. Und dann tauchte etwas am Horizont auf und kam schnell näher.

Mythors Augen weiteten sich vor Erstaunen.

*

»Schaut mal«, rief Lankohr aus. Der kleine Grüne hatte es sich im Schiffsbug gemütlich gemacht, lehnte an einem Frischwasserfass und spähte nach vorn.

Scida und Kalisse, in ein Streitgespräch vertieft, wandten die Köpfe. Sie sahen nach vorn. Auf der Kommandobrücke blickte auch die Hexe Noraele auf.

Vor ihnen erhob sich ein buntschillerndes Gebilde aus dem Wasser. Wenn die schätzenden Augen nicht trogen, so durchmaß dieses Gebilde etwa vierhundert Schritte und ragte hoch empor. Riesige Blätterschichten gingen von einem Wurzelstock aus, der sich in elf Abstufen von unten nach oben verjüngte und sich im Mittelpunkt befand. Es musste eine gewaltige Pflanze sein, so groß, dass sie wie ein Schiff wirkte.

Je näher Barke und Wasserpflanze sich kamen, um so mehr Einzelheiten waren zu erkennen.

Es waren geradezu Stockwerke eines Hauses, diese elf Abstufungen aus mächtigen, dunklen Blättern. Überall sprossen junge Triebe hervor. Und überall blühten auf den großen Blättern kleinere Schmarotzerpflanzen. Ihre Farbenpracht war ungeheuerlich, noch ungeheuerlicher aber das, was an der Spitze sich als Knospe zeigte. Nicht mehr lange, und es würde sich entfalten und erblühen, riesig und gewaltig.

Kleeblattförmig erstreckten sich die riesigen Blätter, die untersten bis zu fünfzig Schritt lang und so dick, wie ein Mensch groß ist ... kleiner die oberen, aber alle in der Lage, große Belastungen zu ertragen. Und das mussten sie wohl auch ...

Denn diese große Pflanze war allem Anschein nach bewohnt.

»Was ist das?«, stieß Gerrek hervor. Er hatte völlig vergessen, seekrank zu sein. Mythor folgte ihm etwas langsamer.

Noraele, die Hexe des sechsten Steines, kam von der Kommandobrücke herunter. Ihr lila Umhang wehte in der leichten Brise.

»Eine Lumenia«, sagte sie fast andächtig. »Eine Lichtblume.«

Die Barke kam der Lichtblume näher, der ungeheuerlich großen Wasserpflanze mit ihrem stufenförmig aufragenden Pflanzenstock und den Blättern. Jetzt war bereits geschäftiges Treiben zwischen den vom Blattwerk gebildeten Stockwerken zu erkennen.

»Was ist diese Lumenia?«, fragte Mythor.