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Mythor, der Sohn des Kometen, hat in der relativ kurzen Zeit, da er für die Sache der Lichtwelt kämpfte, bereits Großes vollbracht. Nun aber hat der junge Held Gorgan, die nördliche Hälfte der Welt, verlassen und Vanga, die von den Frauen regierte Südhälfte der Lichtwelt, erreicht, wo er von der ersten Stunde seines Hierseins an in gefährliche Geschehnisse verstrickt wurde. Diese Geschehnisse nahmen ihren Anfang im Reich der Feuergöttin, wo Mythor für Honga, einen aus dem Totenreich zurückgekehrten Helden, gehalten wurde. Es kam zur Begegnung mit Vina, der Hexe, und Gerrek, dem Mann, der in einen Beuteldrachen verwandelt worden war. Es folgten Kämpfe mit Luftgeistern und Amazonen, es kam zu Mythors Gefangenschaft, zur Flucht und zu erneuten Kämpfen mit denen, die sich an Mythors Fersen geheftet hatten. Gegenwärtig setzt Mythor alles daran, den Hexenstern zu erreichen, wo er seine geliebte Fronja, die Tochter des Kometen, in schwerer Bedrängnis weiß. Doch seine Fahrt mit der Lumenia kommt im Nassen Grab zu einem jähen Ende. Auf wundersame Weise vor dem Ertrinken errettet, sitzen Mythor und seine Gefährten, sowie eine von Burras Amazonen, nun in der versunkenen Welt nahe dem Nassen Grab fest. Immer neue Schrecken erwarten sie - und die GÖTTER DES MEERES ...
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Veröffentlichungsjahr: 2015
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Nr. 82
Götter des Meeres
von Hubert Haensel
Mythor, der Sohn des Kometen, hat in der relativ kurzen Zeit, da er für die Sache der Lichtwelt kämpfte, bereits Großes vollbracht. Nun aber hat der junge Held Gorgan, die nördliche Hälfte der Welt, verlassen und Vanga, die von den Frauen regierte Südhälfte der Lichtwelt, erreicht, wo er von der ersten Stunde seines Hierseins an in gefährliche Geschehnisse verstrickt wurde.
Diese Geschehnisse nahmen ihren Anfang im Reich der Feuergöttin, wo Mythor für Honga, einen aus dem Totenreich zurückgekehrten Helden, gehalten wurde. Es kam zur Begegnung mit Vina, der Hexe, und Gerrek, dem Mann, der in einen Beuteldrachen verwandelt worden war. Es folgten Kämpfe mit Luftgeistern und Amazonen, es kam zu Mythors Gefangenschaft, zur Flucht und zu erneuten Kämpfen mit denen, die sich an Mythors Fersen geheftet hatten.
Gegenwärtig setzt Mythor alles daran, den Hexenstern zu erreichen, wo er seine geliebte Fronja, die Tochter des Kometen, in schwerer Bedrängnis weiß. Doch seine Fahrt mit der Lumenia kommt im Nassen Grab zu einem jähen Ende.
Auf wundersame Weise vor dem Ertrinken errettet, sitzen Mythor und seine Gefährten, sowie eine von Burras Amazonen, nun in der versunkenen Welt nahe dem Nassen Grab fest. Immer neue Schrecken erwarten sie – und die GÖTTER DES MEERES ...
Mythor – Der Sohn des Kometen im Reich der Meermutter.
Scida, Kalisse und Gerrek – Mythors Gefährten.
Sosona, Gudun und Gorma – Eine Hexe und zwei Amazonen der Zaem.
Learges – Ein rebellischer Tritone.
Düsternis erfüllte die Welt der Tiefe – Schatten, die unruhig über die Wände huschten, verharrten und sich dann vereinten, um kurz darauf flackernd aufzuglühen. Es war ein seltsames Licht, das den Augen schmerzte, unstet, ein Gleißen im einen Moment, doch im nächsten schon dunkel ersterbend wie der abgebrannte Docht einer Kerze.
Von irgendwoher drangen dumpfe Geräusche. Mal fern, dann wieder aus unmittelbarer Nähe kommend – das Murmeln vieler Stimmen, verhalten eben, schließlich lauter werdend gleich dem Tosen der Brandung an sturmgepeitschter Küste ...
Alles schien nur ein Traum.
Und doch war dies Wirklichkeit. Mythor sträubte sich gegen den Zwang der lautlosen Stimme, die ihm den Weg wies. Vor ihm stolperte Gerrek durch den gewundenen Gang. Der Mandaler schimpfte verhalten. Niemand achtete jedoch darauf.
Wie tief mochten sie mittlerweile unter der Meeresoberfläche sein?
Zehn Schritte ...?
Zwanzig ...?
Die Luft war stickig. Sie roch nach Tang und Salzwasser.
Feuchtigkeit sickerte durch das Gestein. Flechten und Algen wucherten hier; sie boten Nahrung für viele Arten von Lebewesen. Kleine Krebse huschten auf flinken Beinen davon, wenn die Menschen sich ihnen näherten.
Die Schwarze Mutter lebt – Zaems schlimmste Feindin!
Noch immer hallte Sosonas entsetzter Ausruf in Mythor nach. Selbst die fremde Stimme vermochte ihn nicht aus seinen Gedanken zu verdrängen. Der Kämpfer der Lichtwelt glaubte, die Gefahr fast körperlich zu spüren, die in der Tiefe lauerte.
Nicht weit vor Mythor und seinen Begleitern zeichnete sich Bewegung ab. Ein schemenloses Wallen ...
Instinktiv griff der Gorganer zum Schwert. Aber Alton schien sich aus seiner Faust zu winden, als wohne plötzlich gespenstisches Leben in ihm.
Geht weiter!
Armdicke Stangen versperrten den Weg. In Abständen von kaum einer Handbreite zueinander wuchsen sie aus der Wand, sich zum Mittelpunkt des Ganges hin überlappend. Der Blick reichte keine zwei Schritte weit in dieses Dickicht hinein, das sich heftiger zu bewegen begann, je näher die Menschen kamen.
Noch sprach niemand ein Wort. Selbst Gerrek schwieg.
Kalisse verschwand zwischen den Stangen, dann Gudun. Der Mandaler folgte ihnen auf dem Fuß.
Nur Mythor zögerte.
Geh!, brannte sich der Befehl in seine Gedanken ein. Warte nicht länger!
Er riss die Arme hoch, hielt sie schützend vor sein Gesicht. Schon verspürte er die ersten heftigen Schläge gegen seinen Körper, aber sie waren nicht stark genug, um Schmerzen hervorzurufen. Völlige Finsternis umfing ihn. Mühsam zwängte er sich zwischen den harten und doch gleichzeitig nachgiebigen Gebilden hindurch.
Was stellen sie dar? Pflanzen ...? Tiere ...?
Scheinbar eine kleine Ewigkeit verging, bis Mythor das Hindernis überwunden hatte. Ein Regenbogen erwartete ihn, von zarten, ineinander übergehenden Farben gebildet. Aber da war nicht nur Licht – da gab es auch Finsternis; Schwärze, die jede Helligkeit verdrängte.
*
In Wirklichkeit hatte sich nur wenig verändert. Der Tunnel, in dem Mythor sich wiederfand, war unregelmäßig gewachsen und bestand nicht aus rauem Gestein, sondern schien von einer weichen Haut überzogen zu sein, unter der es leicht pulsierte. Das schwache Leuchten stieg aus dem Innern herauf und verblasste in schnell wachsenden Schlieren.
»Wo sind wir?«
Es dauerte eine Weile, bis Mythor Gerreks Worte verstand. Der Schein des Gläsernen Schwertes vertrieb den Rest der Finsternis.
Erstaunt stellte der Sohn des Kometen fest, dass der Bann von ihm gewichen war. Nichts hinderte ihn mehr daran, die Waffe zu gebrauchen.
Gerrek wiederholte seine Frage und fügte hinzu: »Bestimmt nicht im Tempel.«
»Auf dem Grund des Meeres«, bemerkte Scida. »In der versunkenen Stadt vielleicht.«
»Sieht so eine Stadt aus?«, brauste der Beuteldrache gereizt auf. »Und wie sind wir hierher gelangt? Ich – ich erinnere mich an fast gar nichts.«
Die alte Amazone sah ihn spöttisch von der Seite her an.
»Bei dir wundert mich das nicht ...«
»Weib!« Gerrek traf Anstalten, sich auf Scida zu stürzen. Seine Barthaare zitterten vor Wut.
»Du bist so unbesonnen, wie nur ein Mann es sein kann.« Während die Amazone blitzschnell zurückwich, riss sie gleichzeitig ihre Schwerter aus den Scheiden.
Der Mandaler stürmte ins Leere. Aber er fuhr sofort herum, entblößte die Fangzähne und schwang sein Kurzschwert mit weitausholender Bewegung über den Kopf.
»Hört auf!«, brüllte Mythor. »Benehmt euch wie Krieger, nicht wie Wegelagerer.«
»Sie hat mich beleidigt«, behauptete Gerrek und zeigte mit der Spitze seiner Waffe auf Scida. »Ich verlange Genugtuung.«
Die Amazone lachte.
»Du willst mich fordern? Ausgerechnet du? Lerne lieber erst, sicher auf den Beinen zu stehen.«
Mythor hielt den Mandaler mit eiserner Hand zurück.
»Wir sind nicht hier, um uns gegenseitig die Schädel zu spalten. Also benimm dich gefälligst wie ein ehrenhafter Beuteldrache.«
»Es gibt keine ehrenhaften ...«, platzte Gerrek heraus. Im nächsten Moment wurde er bleich und verstummte. Heftig schüttelte er Mythors Hand von seiner Schulter.
»Sei vernünftig«, bat nun auch Kalisse, die als letzte aus dem Bann erwacht war. »Keiner weiß, was uns erwartet. Allein schon deshalb müssen wir zusammenhalten.«
»Ich bin die Ruhe selbst«, murmelte Gerrek. »Aber manche Frauen ...« Eine heftige Erschütterung ließ ihn taumeln und nach einem Halt suchen. Auch die anderen blieben davon nicht verschont.
Der Boden wölbte sich auf. Ein Meer von ineinanderfließenden Farben entstand und verteilte sich langsam über die Wände.
Unter Gerreks hartem Griff brach ein Teil des vermeintlichen Mauerwerks aus. Das kam so unerwartet, dass er überrascht auf sein verlängertes Rückgrat fiel. Er vergaß sogar, lauthals zu schimpfen, starrte nur den zuckenden, schleimigen Klumpen an, der einen abscheulichen Gestank verbreitete. Dann warf er ihn angewidert von sich. Erst jetzt gewahrte er die vielen Auswüchse und Vertiefungen in den Wänden, die in unablässiger Bewegung begriffen waren.
»Nein!«, kreischte Gerrek lauthals. »Ich will zurück.«
Bevor Mythor ihn daran hindern konnte, hatte er sich herumgeworfen und stürmte mit vorgehaltener Klinge auf die Stangen los. Ein erster wuchtiger Hieb spaltete ein ellenlanges Stück ab. Der Mandaler drang in das Dickicht ein, das vor ihm zurückzuweichen schien. Sein Ausruf freudiger Überraschung übertönte jedes andere Geräusch.
»Kommt!«, rief Gerrek. »Ich zeige euch ...« Gurgelnd brach er ab. Zu sehen war nichts mehr von ihm.
»Der Narr«, fauchte Gudun. Im nächsten Moment hatte sie alle Mühe, sich noch auf den Beinen zu halten. Abermals bäumte der Boden sich auf. Ein dumpfes, rasch lauter werdendes Grollen erfüllte die Luft.
Krachend schlugen die Stangen zusammen. Sie bogen sich zurück, bildeten eine trichterförmige Öffnung, in deren Mittelpunkt hilflos der Mandaler zappelte. Gerrek schaffte es nicht, sich zu befreien.
»Auch wenn er nur ein Mann ist, wir sollten ihm beistehen.« Kalisse traf Anstalten, dem Beuteldrachen zu helfen.
»Nein!« Gudun vertrat ihr den Weg. »Willst du dich ebenso unnütz in Gefahr begeben wie dieser Tölpel?«
Gellend kreischte Gerrek auf. Das Dickicht spie ihn förmlich aus. Für die Dauer eines bangen Herzschlags blieb er benommen liegen, dann versuchte er hochzukommen, doch ein erneutes, weitaus heftigeres Beben machte seine Bemühungen zunichte.
»Der Tunnel stürzt ein.«
Niemand vermochte später zu sagen, wer diesen Schrei ausgestoßen hatte. Alles geschah mit einer solchen Schnelligkeit, dass kaum eines Menschen Auge es aufzunehmen vermochte. Mythor sah die Wände sich vorwölben, dann stürzte er und wurde von unwiderstehlichen Kräften davongewirbelt. Eine vorübergehende Benommenheit lähmte ihn. Das Rauschen, das er wahrnahm, mochte seinen überreizten Sinnen entstammen. Die folgende Stille war dafür um so bedrückender, beinahe schmerzhaft.
Jemand verwünschte lauthals alle Dämonen Vangas. Natürlich war es Gerrek. Er suchte sein Schwert, das ihm aus der Hand gerissen worden war. Doch alles, was er fand, war das abgeschlagene Stück der einen Stange. Wütend wollte er es von sich schleudern, aber Sosona fiel ihm in den Arm.
»Zeig her!«, forderte sie.
Der Mandaler zog sein Drachenmaul in Falten.
»Kannst du es mir herbeizaubern?«
»Was?«
»Mein Schwert.«
»Hast du es verloren?«
Gerreks gesunde, purpurne Gesichtsfarbe wich einem fahlen Blau. Nach Luft ringend wandte er sich ab.
Langsam ließ Sosona das Holz durch ihre Finger gleiten. Ihre Lippen bewegten sich dabei in lautlosem Murmeln. Keine der Kriegerinnen wagte es, sie zu unterbrechen. Mythor, der dicht neben der Hexe stand, konnte erkennen, dass die Stange innen hohl war. Auch ihr Äußeres war nicht glatt, wie es zuerst den Anschein gehabt hatte, sondern bestand aus unzähligen großen Schuppen.
»Das ist bestenfalls Teil einer Pflanze«, sagte Sosona. »Es besteht aus Horn, wie die Hufe eines Pferdes, wie die Nägel an unseren Fingern oder ...«, sie zögerte, »unsere Haare.«
»Und?«, machte Gorma verwundert, »was bedeutet das schon?«
Die Hexe fuhr mit den Fingern über die Wand, die noch leicht pulsierte.
»Dies ist kein natürlich gewachsener Tunnel, der irgendwo unter dem Meeresboden verläuft«, stellte sie fest. »Er lebt.«
»Pah«, machte Gudun.
»Geschwätz«, tat Gorma das Gesagte ab.
»Wir werden es herausfinden«, beharrte Sosona. »Ich bin sicher, dass wir uns im Innern einer langgestreckten Hohlpflanze, vielleicht sogar eines Tieres befinden.«
Mehr als zehn Schritte entfernt fand Gerrek sein Schwert unter großen Geröllbrocken verborgen. Allem Anschein nach hatte er Sosona zugehört, denn er murmelte halblaut vor sich hin:
»Das Geschöpf, das einen Beuteldrachen verschlingen könnte, gibt es nicht. Ich fürchte mich vor niemandem – sollen sie nur kommen, die Anemona oder die Meermutter.« Wie zur Bestätigung schwang er die Klinge in einem vorgetäuschten Ausfall.
Doch abrupt hielt er inne.
»Nein«, kam es leise aus Gerreks Rachen, während zäher Schlamm sich schmatzend um seine Beine schloss. Gleichzeitig begannen etliche der Ausbuchtungen in den Wänden zu wachsen. Wie Schlangen wanden sie sich auf die Amazonen zu, als spürten sie deren Anwesenheit.
»Weg von mir!« Der Mandaler stieß eine Feuerlohe aus, die den Boden mehrere Fingerbreit tief versengte. Beißender Gestank machte sich bemerkbar, während dunkler Qualm aufstieg.
Ohne eigentlich zu wissen, warum sie es tat, schmetterte Kalisse ihre Eisenfaust gegen die Wand. Die Folge war, dass Gerrek fast augenblicklich freikam. Ein langanhaltendes Stöhnen wurde hörbar.
»Was immer es ist«, rief Sosona, »es empfindet Schmerzen.« Niemand widersprach ihr mehr.
Erneut begann der Tunnel sich zu verändern. Diesmal aber so langsam, dass alle erkennen konnten, was geschah.
Die Wände zogen sich zusammen, verloren jegliche Farbe. Schatten schienen die Menschen anzuspringen, stießen sie vor sich her, einem unbekannten Ziel entgegen. Es gab kein Verharren, kein Abwarten, wollte man nicht von starken Muskelsträngen zerquetscht werden.
Jeder Schritt wurde zur Qual. Der Boden war weich und nachgiebig wie feuchter Schwamm. Wasser quoll aus unzähligen Poren, leckte gierig nach den Fliehenden.
Weiter vorn schien der Tunnel anzusteigen. Tatsächlich war dort noch alles trocken. Von der Höhe aus blickten Mythor und seine Begleiter dann zurück, aber aufsteigender Dunst behinderte die Sicht.
Guduns Hände ruhten auf den Griffen ihrer Schwerter.
»Ich verstehe nicht«, sagte sie, »weshalb die Tritonen fern bleiben. Sie müssen doch wissen, wo wir sind.«
»Sie wissen es«, nickte Sosona. »Wahrscheinlich haben sie uns genau da, wo sie uns haben wollten.«
»Dann werden wir kämpfen.«
»Sicher. Aber würde es uns helfen?«
»Wieso nicht?«, antwortete Gorma mit einer Gegenfrage. Die Hexe erwiderte nichts darauf. Lediglich mit einer stummen Geste bedeutete sie der Kriegerin, ihr Glück zu versuchen.
Gorma stieß mit beiden Klingen zugleich zu. Tief bohrten sie sich in die nachgiebige Wand des Tunnels.
Obwohl Mythor instinktiv geahnt hatte, was geschehen würde, war die Stärke des Bebens überraschend für ihn. Er wurde hochgewirbelt, überschlug sich, prallte hart auf und wollte sich festklammern, doch ein zweiter Stoß riss ihm beinahe die Arme aus dem Leib.
Jemand stürzte über ihn. Mythor spürte eine Wolke heißen Atems und riss abwehrend die Arme vor sein Gesicht. Aber da wälzte Gerrek sich bereits herum. Die Feuerlohe, die fauchend aus seinen Nüstern hervorbrach, verfehlte den Gorganer nur knapp.
»Das ... das wollte ich nicht«, stammelte der Beuteldrache entsetzt.
»Braucht ihr noch Beweise?« Sosona erhob sich mit einer Geschmeidigkeit, die ihr wohl niemand zugetraut hätte.
»Es war wirklich keine Absicht«, jammerte Gerrek und wirkte zutiefst zerknirscht. Die Hexe streifte ihn mit einem verweisenden Blick. Der Beuteldrache schwieg betreten, denn so hatte auch Vina ihn angesehen, bevor sie ihn mit Hilfe ihrer Zauberkräfte kopfüber in die Takelage des Sturmvogels gehängt hatte.
»Unterbrich mich nicht, wenn ich rede«, herrschte Sosona den Mandaler an. »Ich meine in der Tat, dass dieser Tunnel lebt. Und wenn wir keine Tritonen zu Gesicht bekommen, so mag dies daran liegen, dass sie uns außerhalb der Röhre auflauern. Wie wir dem Wesen Schmerzen zufügen können, vermögen auch sie es, nur mit dem Unterschied, dass sie gezielt vorgehen. Sie wollen uns in eine ganz bestimmte Richtung lenken.«
»Nie und nimmer beugen wir uns ihrem Willen«, brauste Gorma auf. »Wir dürften keine Kriegerinnen sein, würden wir uns nicht mit den Schwertern in Händen den Weg freikämpfen.«
»Vergiss es«, riet die Hexe. »Was glaubst du, erwartet uns auf der anderen Seite?«
»Wasser«, keuchte Gerrek und schüttelte sich. »Wir werden ertrinken.«
»Sosona muss uns helfen«, rief Kalisse aus. »Ihre Magie ist stark genug, um uns unbeschadet an die Oberfläche des Meeres zu tragen.«
Aber die Hexe winkte ab.
»Glaube nicht«, sagte sie, »dass ich daran nicht auch gedacht hätte. Doch hier ist etwas, das meine Kräfte lähmt. Noch ist es zu schwach oder zu weit entfernt, um mich wirklich in Bedrängnis zu bringen – trotzdem kann ich für unser aller Sicherheit nicht bürgen.«
Die Erleichterung war Gerrek anzusehen. Nichts war ihm mehr zuwider als der Gedanke, vom Grund der See emportauchen zu müssen. Abscheulich allein schon die Vorstellung, wie das Salzwasser ihm in Rachen und Nüstern eindringen und in seinen Augen brennen würde.
»Greifen wir dort an, wo die Fischmenschen es am allerwenigsten erwarten«, schlug er deshalb vor.
Mythor nickte zustimmend. Immerhin blieb kaum eine andere Wahl. Er merkte, dass Gudun ihn nachdenklich musterte. In ihren Augen lag ein gewisses Interesse verborgen.
Der Tunnel nahm den Amazonen die Entscheidung ab. Indem er sich langsam zusammenzog, zwang er sie zum Weitergehen.
*
Jenes eigenartige Leuchten, das seinen Ursprung in den tieferen Schichten des Gewebes zu haben schien, begleitete sie auch weiterhin. Es war still geworden. Der schwammige Boden dämpfte selbst das Geräusch der Schritte. Nur hin und wieder ertönte ein dumpfes Brausen und Gurgeln, als würde Wasser in luftgefüllte Schächte einströmen. Stets dann verharrte Gerrek und lauschte. Aber es war nicht festzustellen, aus welcher Richtung die Laute kamen.
Mit der Zeit wurde der Tunnel breiter. Inzwischen maß er fast zwei Körperlängen. Die Decke wölbte sich halbrund auf, war zerfurcht wie verwittertes Gestein und von Flechten überwuchert. Aus anfangs kaum eine Handspanne messenden bleichen Fäden wurden schnell verfilzte Schleier, die tief herabhingen. Sie dämpften das von den Wänden ausgehende Licht, schienen es in sich aufzunehmen und zu speichern, denn manchmal blitzte es in den Enden dieser Gewächse auf. Dies war ein Schein, der nicht den Bruchteil eines Augenblicks währte und doch ärger blendete als die Sonne über Vanga. Selbst unter geschlossenen Lidern glaubte Mythor noch den hellen Schimmer wahrzunehmen.