Nachgelassene Schriften / Feindanalysen - Herbert Marcuse - E-Book

Nachgelassene Schriften / Feindanalysen E-Book

Herbert Marcuse

4,9

Beschreibung

Herbert Marcuse arbeitete von 1942 bis 1951 für den US-amerikanischen Geheimdienst, um aktiv an der Bekämpfung des NS-Systems teilzunehmen. Er fertigte Analysen über die psychische und ideologische Verfassung des autoritären deutschen Kollektivs an. Die Feinde, aus deren Mitte er selbst hervorgegangen war, wollte er begreifen, bekämpfen und, nachdem der Sieg errungen, wieder in die Zivilisation zu integrieren helfen. Marcuse zeigt, wie sich die technologische Rationalität und der Pragmatismus der Deutschen mit ihrem Hang zu mythischer Irrationalität zu einer ›neuen deutschen Mentalität‹ verbinden. Jedes Projekt einer Befreiung und ›Re-education‹ Deutschlands, so lautet Marcuses Fazit, habe diese spezifische Mentalität in ihr Kalkül aufzunehmen.

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Herbert Marcuse

Nachgelassene Schriften

Band 5: Feindanalysen über die Deutschen

Herausgegeben und mit einem Vorwort von Peter-Erwin Jansen

Einleitung von Detlev Claussen

Aus dem Amerikanischen von Michael Haupt

Die Nachgelassenen Schriften von Herbert Marcuse

werden mit freundlicher Genehmigung von Peter Marcuse,

dem Nachlaßverwalter, veröffentlicht.

© 2007 zu Klampen Verlag · Röse 21 · D-31832Springe

e-mail: [email protected] · www.zuklampen.de

Satz: thielenVERLAGSBÜRO, Hannover

1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2014

Umschlag: Groothuis, Lohfert, Consorten; Hamburg

© Titelfoto: Isolde Ohlbaum

ISBN 978-3-86674-352-6

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische

Daten sind im Internet über ‹http://dnb.ddb.de› abrufbar.

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Vorwort zur Neuausgabe

von Peter-Erwin Jansen

Nachweise und Anmerkungen

Einleitung Kopf der Leidenschaft. Herbert Marcuses Deutschlandanalysen

von Detlev Claussen

Anmerkungen

Abbildungen

Die neue deutsche Mentalität

Anmerkungen

Darstellung des Feindes

Über psychologische Neutralität

Anmerkungen

Über soziale und politische Aspekte des Nationalsozialismus

Anmerkungen

Kriegs- und Nachkriegsgeneration

Deutsche Philosophie im zwanzigsten Jahrhundert

33 Thesen

Staat und Individuum im Nationalsozialismus

Anmerkungen

Ist eine freie Gesellschaft gegenwärtig möglich?

Weitere Bücher

Vorwort zur Neuausgabe

Herbert Marcuses Feindanalysen. Über die Deutschen erschienen erstmals im Jahre 1998 anläßlich seines 100.Geburtstags. Zu diesem Zeitpunkt war die Publikation einer thematischen Auswahl der Nachlaßschriften zwar schon geplant. Da aber die Vorbereitungen für die Nachlaßausgabe noch nicht weit genug gediehen waren, entschieden sich der Herausgeber, der Inhaber der Rechte, Peter Marcuse, und der Verlag zu einer vorgezogenen Publikation der Analysen, die Marcuse während seiner Tätigkeit für das Office of Strategic Services und für andere Abteilungen des State Department zwischen 1942 und 1951 erstellt hatte. Gleichzeitig mit der Veröffentlichung der Feindanalysen fand zur angemessenen Würdigung des 100.Geburtstags in den Räumen der Stadt- und Universitätsbibliothek in Frankfurt eine Ausstellung mit Materialien und Dokumenten aus dem Marcuse Archiv statt. Sowohl Buch als auch Ausstellung stießen auf ein überraschend breites Echo in der Öffentlichkeit.1

Die Fundstelle der gesammelten Deutschland-Analysen für den amerikanischen Geheimdienst war Marcuses akademischer Nachlaß in Frankfurt. Dokumente und Manuskripte dieser Sammlung bilden auch den Fundus der Nachgelassenen Schriften, mit deren Veröffentlichung im Jahre 1999 begonnen wurde.2 Eine Neuausgabe der Feindanalysen im Rahmen der Nachlaßausgabe war schon damals beabsichtigt.

Die jetzt vorliegende Neuausgabe wurde durch den Text State and Individual under Nationalsocialism ergänzt.3 Gründe dafür sind der zeitnahe Entstehungszusammenhang und die inhaltlichen Parallelen zu den Arbeiten für das OSS. Marcuse untersucht hier die Differenzen zwischen nationalsozialistischer und bürgerlicher Gesellschaft, indem er die Beziehungen zwischen den vier wichtigsten Machtzentren analysiert: Industrie, Armee, Bürokratie und nationalsozialistische Partei. Ohne Zweifel geht dieser ausführliche Text Marcuses auf den Einfluß von Franz Neumann zurück, der gerade seine umfangreiche und am Institut kontrovers diskutierte Untersuchung über die nationalsozialistischen Strukturen in Ökonomie und Politik fertiggestellt hatte. Die Studie erschien 1942 unter dem Titel Behemoth4erstmals in den Vereinigten Staaten. Mit der zweiten Auflage im Jahre 1944 gelang Neumann im amerikanischen Exil der akademische Durchbruch.

Mit Neumanns Unterstützung gelangte Marcuse in den Kreis der europäischen Emigranten, die in der Abteilung »Europa«, Unterabteilung »Germany/​Austria« für das OSS tätig waren. Aus dem Kreis des Instituts für Sozialforschung gehörten neben Neumann und Marcuse noch Otto Kirchheimer, Friedrich Pollock und Arcadius Gurland zu dieser Gruppe. Leo Löwenthal arbeitete im Office of War Information und analysierte dort Propagandamaterial der Nationalsozialisten. Der amerikanische Historiker Carl. E.Schorske, ebenfalls Mitarbeiter der Abteilung »Europa« im OSS, erinnerte sich lebhaft an die »europäischen Theoretiker, mit ihrer Abneigung gegenüber dem amerikanischen Pragmatismus.«5 Zwischen Neumann und Marcuse, so weiß Schorske weiter zu berichten, fand in diesen Jahren ein reger intellektueller Austausch statt. In den darauffolgenden Jahren diskutierten die deutschen OSS-Mitarbeiter in Washington gemeinsame Projekte und verfaßten gemeinsame Manuskripte über die Situation und die Entwicklungen im nationalsozialistischen Deutschland.

Auf eine enge Zusammenarbeit zwischen den beiden deutschen OSS-Mitarbeitern schon vor ihrer Zeit in Washington, also in den Jahren 1936-1942 in New York, deuten zwei Manuskripte hin, die eine gemeinsame Autorenschaft von Neumann und Marcuse aufweisen: A History of the Doctrine of Social Change und Theories of Social Change.6 Beide Manuskripte befinden sich im Marcuse Archiv und wurden von Douglas Kellner in dem Band Herbert Marcuse. Technology, War and Fascism publiziert. Es ist allerdings nicht eindeutig geklärt, wann und in welchem Zusammenhang diese Arbeiten erstellt wurden. Kellner äußert die Vermutung, sie seien Ende der dreißiger oder zu Beginn der vierziger Jahre entstanden. Darauf deutet auch der unter den Namen angefügte Adressenvermerk »Institute of Social Research (Columbia University), 429West 117th Street« hin.

Auch Staat und Individuum im Nationalsozialismus verdankt sich daher sehr wahrscheinlich diesem Arbeitszusammenhang. Doch für welchen Kontext erarbeitete Marcuse den Text? Rolf Wiggershaus verweist auf eine Vorlesungsreihe des Instituts an der Columbia University im Oktober 1941. »Auf die Aufforderung von Pollock hin beteiligte er (Marcuse, P.E.J.) sich mit einem Vortrag über State and Individual under National Socialism an der Vorlesungsreihe des Instituts in der Extension-Abteilung der Columbia University«.7 Neben Marcuse waren noch Gurland, Pollock, Neumann und Kirchheimer an den Vorlesungen beteiligt. Eine geplante Buchveröffentlichung der Beiträge scheiterte. Wir möchten die Veröffentlichung von Marcuses Vortrag in deutscher Sprache hiermit nachholen, obwohl es keine direkte Analyse für das OSS war. Die nun zahlreich vorliegenden Veröffentlichungen aus dem Bestand des OSS hat die Erkenntnisse über das angesammelte und gleichzeitig »verstoßene Wissen« der europäischen Exilanten während des Zweiten Weltkriegs erweitert.8 Detlev Claussen hat seine Einleitung überarbeitet und diskutiert diese Neuerscheinungen und die öffentlichen Reaktionen darauf. Ihm danke ich besonders für seine erneute Mitarbeit.

Zum Konzept der Nachlaßausgabe gehört es, gelegentlich Schriftstücke aus dem Archiv zu faksimilieren oder Fotos abzudrucken. Leider befinden sich so gut wie keine Bilder im Marcuse Archiv. Umso erfreulicher ist es, daß nach einigen Recherchen der Bildbestand etwas vergrößert werden konnte. Dazu gehören auch Kinderfotos von Herbert Marcuse und seiner Schwester Erna, die hier erstmals abgedruckt werden. Nicht nur für dieses großzügige Entgegenkommen möchte ich mich bei Peter Marcuse und seiner Familie bedanken.

Peter-Erwin Jansen

im April 2007

Nachweise und Anmerkungen

1

Rezensionen erschienen in allen großen Printmedien, Fernsehberichte im Hessischen Rundfunk und 3Sat. Wolfram Stender schrieb im Mittelweg: »Feindanalysen ist ein Buch von nicht nur dokumentarischem Wert. Marcuses Studien über die Deutschen lesen sich über weite Strecken wie ein Beitrag zur aktuellen Diskussion über Hitlers willige Vollstrecker. Das Buch kommt zur rechten Zeit. Es widerlegt das mittlerweile gängige Vorurteil, die Kritische Theorie habe die nazistische Gegen-Ratio einseitig auf dem Konto von moderner Ökonomie und rationaler Bürokratie verbucht. Marcuse argumentiert differenzierter.« Wolfram Stender, Rezension, Feindanalysen. Über die Deutschen. In: Mittelweg 36, Zeitschrift des Hamburger Instituts für Sozialforschung. Juni/​Juli Heft 3, 1998, Dokumente S.2.

2

Herbert Marcuse, Nachgelassene Schriften. Band1: Das Schicksal der bürgerlichen Demokratie. Herausgegeben und mit einem Vorwort von Peter-Erwin Jansen. Einleitung Oskar Negt. Aus dem Amerikanischen von Michael Haupt, Lüneburg 1999.

3

Auszüge daraus erschienen in der TAZ, 13.10.2000, S.16-17.

4

Franz Neumann, Behemoth. Struktur und Praxis des Nationalsozialismus 1933-1944, Köln – Frankfurt am Main 1977.

5

Carl E.Schorske im November 1998 auf der Konferenz »The Legacy of Herbert Marcuse« an der University of California in Berkeley. Zur Arbeit Marcuses und der Gruppe um Neumann im OSS siehe auch: Peter-Erwin Jansen, Deutsche Emigranten in amerikanischen Regierungsinstitutionen. In: Zwischen Hoffnung und Notwendigkeit. Texte zu Herbert Marcuse. Peter-Erwin Jansen und Redaktion Perspektiven (Hg.), Frankfurt/​Main 1999, S.39–59.

6

Veröffentlicht in: Herbert Marcuse, Technology, War and Fascism. Douglas Kellner (Hg.), New York 1998.

7

Rolf Wiggerhaus, Die Frankfurter Schule. Geschichte. Theoretische Entwicklung. Politische Bedeutung, München 1986, S. 332 ff.. Siehe auch den einleitenden Kommentar zu Staat und Individuum im Nationalsozialismus.

8

Vgl. Christof Mauch, Schattenkrieg gegen Hitler. Das Dritte Reich im Visier des amerikanischen Geheimdienstes, 1941–1945, Stuttgart 1999; Saul K. Padover, Lügendetektor. Vernehmungen im besiegten Deutschland 1944/​45, Frankfurt/​Main 1999; Stefanie Middendorf, »Verstoßenes Wissen«. Emigranten als Deutschlandexperten im OSS und im amerikanischen Außenministerium 1943–1995, in: Neue Politische Literatur 46, Frankfurt 2001. Carl Zuckmayer, Geheimreport. Gunther Nickel und Johanna Schrön (Hg.), Göttingen 2002; Heike Bungert u.a. (Hg.), Secret Intelligence in the Twentieth Century. Foreword by Nigel West, New York 2003; Lucas Delattre, Fritz Kolbe. Der wichtigste Spion des Zeiten Weltkriegs, München 2004; Carl Zuckmayer, Deutschlandbericht für das Kriegsministerium der Vereinigten Staaten von Amerika, Gunther Nickel, Johanna Schrön, Hans Wagner (Hg.), Göttingen 2004.

Einleitung

Kopf der Leidenschaft Herbert Marcuses Deutschlandanalysen

von Detlev Claussen

»Krieg den deutschen Zuständen!… Mit ihnen

im Kampf ist die Kritik keine Leidenschaft des

Kopfs, sie ist der Kopf der Leidenschaft.«

Karl Marx 1844

Mit welchen Augen man eine Flaschenpost liest, hängt vom Zeitpunkt ab, an dem die Flasche entkorkt wird. Lange Zeit waren die Studien zum Nationalsozialismus, die kritische Theoretiker im Exil unternommen hatten, verschwunden. Der Ende der vierziger Jahre nach Deutschland zurückgekehrte Max Horkheimer wollte die Botschaften, die einst in den USA aufgegeben worden waren, gar nicht mehr veröffentlicht wissen. Die nach Amerika gerettete »Zeitschrift für Sozialforschung« war verschwunden, die in Kalifornien entstandene »Dialektik der Aufklärung« kursierte in einer Handvoll xerografierter Exemplare unter deutschsprachigen Emigranten. Die 1947 in Amsterdam gedruckten Exemplare erreichten die neue westdeutsche Öffentlichkeit nicht mehr. An dieser philosophischen Gemeinschaftsarbeit hatte Herbert Marcuse zu Beginn der vierziger Jahre unbedingt mitarbeiten wollen; aber Zukunftssorgen und Geldnot bewegten Horkheimer und seinen engsten Freund Pollock, ihren Mitarbeiterstab radikal zu verkleinern. Auf Marcuses Manuskript »The New German Mentality« vom Juni 1942 ist als Anschrift durchgestrichen und mit Hand ist hinzugefügt worden. Während Adorno und Horkheimer an der Pazifikküste–»Weit vom Schuß«, wie Adorno in den »Minima Moralia« schrieb – die »Dialektik der Aufklärung« formulierten, hatte sich Herbert Marcuse für den Dienst an der Ostküste im antifaschistischen Kampf entschieden. Wie sein Freund Franz Neumann trat er in den ersten US-amerikanischen Geheimdienst ein – in den OSS, der in Washington, D.C., seine Baracken aufgeschlagen hatte und an der Ostküste eine Reihe von Büros aufgemacht hatte. Die Wege der kritischen Theoretiker im Exil hatten sich getrennt: In Kalifornien aber wurden ebenso wie in Washington enorme intellektuelle Anstrengungen unternommen, um zu begreifen, was in Europa geschah und welche Konsequenzen daraus zu ziehen seien.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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