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Seit an unserer Schule der neue Trakt mit der Glaswand eröffnet wurde, ist nichts mehr normal. Ich sehe mich selbst darin aber das da bin nicht ich. Es lächelt anders. Bewegt sich verzögert. Und manchmal gar nicht. Erst denke ich, ich drehe durch. Dann verschwindet Malin. Danach Aiden. Und jedes Mal bleibt ihr Spiegelbild zurück so echt, dass niemand den Unterschied merkt. Nur ich. Je stiller es im Flur wird, desto lauter hämmert mein Herz. Irgendetwas lebt in dieser Spiegelklasse. Es beobachtet uns. Es wartet. Und wenn du zu lange hinsiehst, zieht es dich hinein. Nachtschreck – Spiegelklasse ist ein rasanter Jugendhorror im Stil von Gänsehaut mit schwarzen Witzen, kaltem Atem im Nacken und der Frage: Was, wenn dein Spiegelbild dich besser kennt als du selbst?
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Seitenzahl: 240
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Ein Nachtschreck-Roman.
Warnung:
Dieses Buch ist für Leserinnen und Leser gedacht, die sich gerne gruseln, aber nicht weich werden.
Laut bleiben.
Ich wollte nur meine Mathe-Strafe absitzen.
Das war alles.
Ich wollte nicht sterben, nicht verschwinden, nicht ausgetauscht werden. Ich wollte nur die blöden drei Aufgaben machen, die Frau König mir gegeben hat, weil ich angeblich zu viel geredet habe.
Sie sagt immer angeblich.
Ich rede nicht viel.
Ich rede nur zur falschen Zeit.
Also saß ich da. Im Klassenzimmer 5b. Nach Schulschluss. Draußen war es schon grau. Nicht Abend-grau. Mehr so krankes Schulflur-grau.
Frau König saß vorne am Pult. Sie tippte irgendwas auf ihrem Laptop, als würde sie einen geheimen Bericht über mich schreiben: Mila. Weiblich. Elf. Redet zu viel. Muss vernichtet werden.
Vor mir lag ein Zettel mit Mathe. Schriftlich teilen. Ich teil am liebsten meinen Kopf in zwei Hälften. Dann muss nur eine Hälfte leiden.
Links von mir saß Aiden. Aiden hat in der Pause mit einer Fußballpumpe auf Frau Königs Stuhl gezielt, kurz bevor sie sich draufgesetzt hat. Der Ton war laut. Sehr laut. Aiden hat gelacht wie ein Huhn mit Asthma. Ich fand es witzig. Frau König fand es null witzig. Deswegen sitzt Aiden jetzt hier.
Rechts von mir saß Jette. Jette muss immer mit nachsitzen, auch wenn sie nichts gemacht hat. Jette hat im Zeugnis den Satz “muss lernen, sich abzugrenzen”. Heißt übersetzt: Pech gehabt, du hockst halt mit drin.
Ich malte Kreise in die Ecke meines Blattes. So dick, dass der Tisch fast durch war.
Frau König hob kurz den Blick. Mila, sagte sie leise, bitte konzentrieren.
Ja, sagte ich. Bin voll drin.
Sie seufzte nur und tippte weiter.
Ich tat so, als würde ich rechnen. Fünfhundertdreiundvierzig geteilt durch sieben. Mein Gehirn sagte: Auf keinen Fall. Mein Stift sagte trotzdem: Klar, mach ich sofort.
Der Klassenraum fühlte sich komisch an.
Leise.
Zu leise.
Es ist nie komplett leise in unserem Klassenzimmer. Normal hörst du irgendwas. Stühle aus dem Flur. Lehrer, die irgendwo schreien. Kopierer. Die Hausmeistermaschine, die klingt wie ein Staubsauger, der sich gerade selber hasst. Irgendwas.
Gerade nichts.
Nur dieses Summen von den Neonröhren an der Decke.
Ich hasse dieses Summen.
Das Summen klingt wie Insekten, kurz bevor sie dir ins Ohr krabbeln.
Ich sah zum Fenster.
Der Himmel war nicht mehr richtig blau. Auch nicht mehr richtig grau. Eher so gelblich. Wie altes Spülwasser.
Kurz dachte ich: Vielleicht ist das Wetter einfach eklig. Wetter ist oft eklig, seit wir neben der Baustelle wohnen.
Dann fiel mir auf, dass die Uhr über der Tafel stehengeblieben war.
Vierzehn Uhr zweiundvierzig.
Sie blinkte nicht. Sie lief nicht. Sie hing nur da und tat so, als wäre die Zeit jetzt offiziell vorbei.
Ich hob die Hand. Ähm, Frau König.
Sie tippte weiter. Kein Blick.
Ich hob die Hand höher. Frau König.
Sie hob eine Augenbraue, ohne hochzugucken. Ja, Mila.
Die Uhr ist stehengeblieben.
Sie sagte: Mhm.
Ich wartete.
Mehr kam nicht.
Ich sagte: Darf ich kurz ins Sekretariat und sagen, dass die kaputt ist.
Sie sagte: Nein.
Ich sagte: Warum nicht.
Sie sagte: Weil du gerade deine Strafe absitzt.
Ich sagte: Ja, aber wenn die Uhr kaputt ist, sitze ich ja vielleicht schon ganz lange hier und keiner weiß es, weil die Uhr lügt.
Aiden fing an zu kichern.
Frau König seufzte. Du sitzt seit sieben Minuten, Mila.
Woher wissen Sie das, fragte ich.
Sie zeigte ohne hinzugucken auf ihre Armbanduhr.
Ah.
Ja.
Stimmt.
Also gut.
Ich starrte wieder auf meine Zahlen.
Das Summen von der Lampe an der Decke wurde noch lauter. Es kribbelte richtig an meinem Nacken. So ein trockenes Kribbeln. So Strom-Kribbeln. Ich rieb mit der Hand drüber.
Aiden flüsterte: Ey. Hörst du das auch.
Ich flüsterte zurück: Die Lampe.
Er schüttelte ganz langsam den Kopf. Seine Augen waren plötzlich größer als eben. Nicht die Lampe, flüsterte er.
Ich wollte fragen Was dann.
Konnte ich nicht.
Weil in dem Moment die Tür vom Klassenzimmer zuging.
Von alleine.
Ganz langsam.
Ohne dass jemand aufgestanden ist.
Das Geräusch war leise. Dieses Klick von der Klinke. Dann schloss sie sich. Kein Windzug. Kein Schritt. Kein gar nichts. Tür war offen. Jetzt war sie zu.
Ich sah Frau König an.
Sie tippte immer noch.
Ich sagte: Ähm. Die Tür hat gerade von alleine zugemacht.
Sie sagte: Mhm.
Ich sagte: Das war nicht ich.
Sie sagte: Mhm.
Ich sagte: Wollen Sie mal gucken.
Sie sagte: Nein.
Ich sah Aiden an. Er sah mich an. Wir sahen beide Jette an.
Jette starrte nur auf ihr Heft. Ihre Stirn glänzte ein bisschen. Sie kaute so fest auf ihrer Lippe herum, dass da ein heller Rand war.
Irgendwas stimmte hier nicht. Richtig nicht.
Ich atmete leise durch die Nase.
Ganz ruhig, Mila.
Ist nur ein Raum.
Ist nur Schule.
Ist nur Mathe.
Dann machte es klack.
Das Licht ging aus.
Nicht langsam. Nicht geflackert. Einfach weg.
Zack. Schwarz.
Ich hab sofort den Tisch mit beiden Händen gepackt, weil mein Körper dachte, der Boden fällt gleich.
Aiden flüsterte laut: Ey. Ey. Ey. Hallo.
Jette atmete ganz flach.
Ich hörte meinen eigenen Puls im Hals. Ich wusste nicht, dass man seinen eigenen Puls im Hals hören kann, aber anscheinend kann man das sehr gut.
Frau König, sagte ich. Meine Stimme klang dünner, als ich wollte. Frau König, was passiert hier gerade.
Kein Ton von vorne.
Nur das Summen.
Das Summen war nicht mehr über mir. Das Summen war jetzt neben mir.
Direkt neben mir.
Rechts.
Da, wo Jette saß.
Ich drehte mich nicht sofort.
Ich hatte Angst, dass da was sitzt, das nicht Jette ist.
Ich musste trotzdem gucken.
Langsam. Ganz langsam drehte ich den Kopf zur Seite.
Mein Herz machte bamm bamm bamm.
Meine Hände wurden nass.
Ich sah nach rechts.
Mein Stuhl kippte fast.
Weil Jette noch da saß.
Aber Jette saß da zweimal.
Einmal am Tisch neben mir.
Einmal vorne an der Tafel.
Beide Jettes saßen gleich. Gleiche Zöpfe. Gleiche pinke Jacke. Gleicher Kratzer am Kinn vom Klettergerüst.
Die Jette vorne an der Tafel saß auf Frau Königs Stuhl. Ganz ruhig. Beine übereinander. Hände gefaltet wie im Gottesdienst.
Jettes Mund bewegte sich ganz langsam. Kein Ton. Lippen nur.
Ich konnte trotzdem lesen, was sie sagte.
Sei still.
Mir wurde kalt.
Ich flüsterte: Aiden. Guck mal vorne.
Er flüsterte zurück: Nein danke.
Ich flüsterte: Ernsthaft.
Er flüsterte wieder: Ich guck nicht.
Ich flüsterte: Guck.
Er guckte.
Er machte so ein Geräusch wie ein Hamster, der rückwärts niest.
Dann ging das Licht wieder an.
Einfach so. Klick. Alles wieder hell.
Die Neonröhren summten wieder normal. Das komische Gelb draußen war weg. Himmel war einfach nur grau. Uhr über der Tafel zeigte wieder vierzehn Uhr zweiundvierzig, als wäre nichts passiert.
Nur war da jetzt ein Problem.
Ich saß an meinem Tisch.
Aiden saß an seinem Tisch.
Jette saß an ihrem Tisch.
Frau König saß vorne am Pult.
Und vorne an der Tafel stand ich.
Also. Da stand ich.
Mein Körper.
Mein Gesicht.
Meine kaputten Schnürsenkel.
Meine Jacke mit dem grünen Fleck vom Apfelsaft.
Ich stand vorne an der Tafel, die Hände locker auf dem Lehrerpult, so als wäre ich die Lehrerin.
Ich stand da und grinste mich an.
Ich sah mich selbst lächeln.
Das Lächeln sah nicht aus wie mein Lächeln.
Mein Lächeln macht normalerweise ein bisschen schief nach links und sagt Tut mir leid, war nicht so gemeint.
Das Lächeln vorne war anders.
Das Lächeln vorne sagte: Ich hab dich jetzt.
Meine Knie wurden weich.
Ich hab mich an der Tischkante festgekrallt.
Ich hab eingeatmet.
Ich hab ausgeatmet.
Ich hab ganz leise geflüstert: Hallo.
Die andere Mila vorne an der Tafel hob den Kopf.
Mein Mund hob sich.
Mein Mund sagte zurück:
Hallo, Mila.
Ich stand vorne an der Tafel.
Also. Nicht ich-ich.
Die andere ich.
Sie stand da, locker an Frau Königs Pult gelehnt, Kopf leicht schief. Ganz ruhig. Zu ruhig. Wie jemand, der schon genau weiß, was gleich passiert.
Ich konnte meinen eigenen Herzschlag hören. Er war laut. Er war überall. In meinem Hals, in meinen Händen, in meinem Rücken.
Aiden atmete neben mir ein bisschen zu schnell. So atmet er sonst nur, wenn er lügt und hofft, dass keiner merkt, dass er lügt.
Jette hatte beide Hände ganz fest um ihr Heft gekrallt. Ihre Finger waren weiß.
Frau König tippte weiter auf ihrem Laptop.
Ich sagte nichts.
Die andere Mila sagte auch nichts.
Wir sahen uns einfach an.
Das ging viel zu lange so.
Ich hasse stilles Angestarrtwerden. Stilles Angestarrtwerden ist schlimmer als Schreien. Schreien ist wenigstens ehrlich.
Die andere ich war zuerst dran. Sie lächelte wieder dieses falsche Lächeln. Dieses Lächeln, das nicht auf mein Gesicht gehört.
Dann sagte sie:
Du kannst jetzt gehen, Mila.
Ich hab geblinzelt. Wohin denn bitte.
Sie nickte langsam. Nach Hause.
Ich: Hä
Sie: Ich mach das hier zu Ende.
Mein Mund wurde trocken. Total trocken. Mein Hals war Sandpapier.
Ich sagte: Du machst was zu Ende.
Sie sagte: Deine Strafe.
Ganz normal. Ganz freundlich. So als wäre das hier alles logisch.
Ich hörte mich selber Nein sagen. Nicht laut. Eher so wie ein Kratzen im Hals. Nein.
Sie sah nicht überrascht aus. Überhaupt nicht. Es war, als hätte sie genau das erwartet.
Sie legte den Kopf ein bisschen schief und sprach ganz leise. Same Stimme wie meine. Gleicher Ton. Gleiche Art zu sprechen.
Ich helfe dir doch nur.
Aiden flüsterte: Was passiert hier.
Ich flüsterte zurück: Keine Ahnung.
Er: Ich frag nicht dich.
Ich: Ach so. Sorry.
Er beugte sich vor. Hallo du komische Kopie.
Die andere ich schaute ihn an.
Nicht richtig. Mehr so, als würde sie gerade testen, was Aiden überhaupt ist.
Aiden zeigte auf sie. Wer bist du.
Sie sagte: Mila.
Aiden: Lustig. Gleicher Name wie sie.
Sie sagte: Ja.
Aiden: Kleines Problem.
Sie sagte: Welches.
Aiden grinste schief. Die da ist auch Mila.
Die andere ich sagte nichts.
Sie bewegte sich nicht.
Sie blinzelte nicht.
Aiden hob eine Augenbraue. Hast du gehört, was ich gesagt hab.
Die andere ich blinzelte einmal ganz langsam. Dabei hat sie nicht die Lider normal geschlossen. Es war eher so, als wäre ein grauer Film kurz über ihre Augen gerutscht und dann wieder weg.
Mein Magen hat sich gedreht.
Die andere ich drehte den Kopf wieder zu mir. Mila, sagte sie, geh doch einfach nach Hause. Ich kann für dich hierbleiben.
Frau König hob den Blick vom Laptop. Nur ganz kurz.
Ihr Gesicht war komplett ruhig. Keine Stirnfalte. Keine Oh-oh-wir-haben-einen-Klon-im-Raum-Reaktion. Gar nichts.
Sie sagte in einem Ton, als ob sie fragt, wer den Tafeldienst hat: Mila.
Ich: Ja.
Sie: Hör auf, Theater zu machen.
Ich zeigte auf die andere ich. Hallo. Sehen Sie die da.
Frau König seufzte. Ja, Mila. Ich sehe dich.
Nein, sagte ich. Ich meine die andere.
Sie blinzelte langsam. Du bist nicht lustig.
Ich habe nicht gelacht, sagte ich.
Jetzt guckte sie mich an wie Na los, gib auf.
Mein Kopf brummte. Das war kein Schmerz. Es war Druck. Ganz tiefer Druck. Als würde jemand mit beiden Händen ganz vorsichtig meinen Kopf anfassen wollen.
Die andere ich lächelte. Geh doch.
Das war nicht Bitte geh. Das war Befehl.
Ich merkte, wie meine Knie weich wurden.
Meine Beine sagten: Ja klar, wir gehen. Kein Ding. Wir haben eh keinen Bock auf Mathe. Lass die andere hier bleiben. Die macht das schon. Wir gehen einfach. Wir sind frei. Ist doch super.
Mein Bauch sagte: Nein nein nein nein nein nein nein.
Irgendwas war falsch an dem Vorschlag. Richtig falsch. Ich wusste nicht warum, aber ich wusste, dass ich nicht raus darf. Nicht jetzt. Nicht ohne mich.
Nicht ohne mich klingt komisch. Ich meine ohne mein Ich.
Ich sagte leise: Du bist nicht ich.
Die nicht-ich kippte den Kopf noch weiter. Doch.
Ich schüttelte den Kopf.
Sie schüttelte ihren Kopf exakt genauso.
Ich hob die Hand.
Sie hob ihre Hand exakt genauso.
Ich hab den kleinen Finger bewegt.
Sie hat ihren kleinen Finger bewegt.
Ich wurde wütend.
Nicht ängstlich.
Wütend.
Das hat mir geholfen.
Ich bin aufgesprungen.
Der Stuhl hat gekratzt. Der Ton tat weh. Richtig weh. Wie Messer in den Ohren.
Aiden sprang auch auf. Aiden springt immer mit auf, falls Prügeln gleich Thema wird. Nicht, weil er mich beschützen will oder so. Aiden mag nur Ärger. Ärger ist sein Lieblingssport.
Jette blieb sitzen. Sie atmete ganz flach. Ihre Augen waren glasig. Ich wusste, wenn ich sie jetzt anfasse, kippt sie um.
Ich zeigte mit dem Finger auf die andere ich. Hör auf damit.
Sie blinzelte. Womit.
Ich sagte: Hör auf, ich zu sein.
Sie sagte: Ich höre nicht auf, ich zu sein.
Aiden rieb sich den Nacken. Ich weiß nicht, wie es bei dir ist, sagte er, aber bei mir macht das da hinten gerade Brumm. Das ist nicht gesund.
Ich wollte sagen Ja, bei mir auch.
Ich kam nicht dazu.
Weil das Summen zurückkam.
Nur lauter.
Nicht mal mehr Summen.
Mehr wie ein Chor ganz weit weg. Viele Stimmen. Sehr leise. Alle reden gleichzeitig. Kein einzelnes Wort. Nur Gefühl.
Das Gefühl sagte: Ruhig. Brav. Lass los. Wir kümmern uns. Wir kümmern uns jetzt. Wir kümmern uns für immer.
Mir wurde schwarz vor Augen.
Nur kurz.
Ich hab die Tischkante mit der Hand erwischt, damit ich nicht falle. Meine Finger fühlten sich nicht mehr normal an. Sie waren kribbelig. So kribbelig, als würden sie gleich einschlafen und nicht mehr aufwachen.
Die andere ich trat einen Schritt auf mich zu.
Nur einen Schritt.
Kleiner Schritt.
Ich bin trotzdem zurückgewichen.
Sie hob beide Hände, ganz langsam, Handflächen zu mir.
Es sah aus wie Beruhigen.
So macht man bei Hunden.
So macht man bei Babys.
So macht man bei jemandem, den man anfassen will.
Ganz ruhig, Mila, sagte sie weich. Ist alles gut. Du darfst jetzt gehen. Ich bleibe für dich hier. Ich passe auf. Niemand wird dir wehtun. Du musst nie wieder laut sein.
Ich wurde eiskalt.
Weil das Letzte klang nicht wie ein Versprechen.
Es klang wie ein Plan.
Ich sagte: Aiden.
Aiden sagte: Ja.
Ich sagte: Wenn sie mich anfasst, haust du sie.
Aiden grinste schief. Mit Vergnügen.
Die andere ich blinzelte wieder langsam mit diesem grauen Film.
Sie sagte: Gewalt löst nichts, Mila.
Ich sagte: Bei dir vielleicht schon.
Ich war rückwärts an die Tür gekommen.
Ich drückte auf die Klinke.
Die Klinke war eiskalt.
Nicht normal kalt. Nicht Metall-kalt. Kalt wie draußen ohne Jacke im Winter auf nassem Spielplatz sitzen.
Ich drückte trotzdem.
Die Tür ging nicht auf.
Ich drückte härter.
Nichts.
Ich trat mit dem Fuß dagegen. Nur um zu testen. Die Tür war fest wie Beton. Hat nicht mal gewackelt.
Ich habe sehr leise geflucht.
Dann passierte etwas mit Frau König.
Frau König stand auf.
Langsam.
Ganz ruhig.
Sie klappte den Laptop zu.
Das Klick war so laut, dass mir kurz im Ohr pfiff.
Sie hob den Kopf.
Ich hab noch nie gesehen, dass ein Gesicht so glatt ist.
Kein Runzeln.
Keine Falte.
Ihre Augen waren offen.
Zu offen.
Sie sah mich nicht normal an.
Sie sah mich so an, wie man einen Stuhl anschaut. Oder eine Tafel. Etwas, das man zu benutzen plant.
Sie sagte Mila.
Ich sagte gar nichts.
Sie sagte: Nicht aufregen.
Ihre Stimme war warm. Zu warm. So warm, dass mir schlecht wurde.
Ich merkte, wie meine Schultern langsam runtergingen, obwohl ich das nicht wollte. Mein Kiefer wurde locker. Meine Hände wurden langsam schwer. Es fühlte sich an wie einschlafen im Stehen.
Ich wollte nein schreien.
Nichts kam raus.
Die andere ich stand neben Frau König. Beide standen jetzt vorne. Beide sahen mich an. Beide lächelten.
Ich fühlte mich ganz klein.
Dann tat Aiden etwas, das ich ihm nie zugetraut hätte.
Er stieg auf seinen Stuhl.
Er nahm sein Matheheft.
Er zielte.
Er warf Frau König sein komplettes Matheheft an den Kopf.
Nicht doll. Nicht so, dass er ihr wehtut. Aber laut.
Das Heft klatschte gegen ihre Stirn und fiel runter.
Das Geräusch war nicht normal.
Es war kein Papier-auf-Haut-Geräusch.
Es war eher so ein hohles Tock. So wie auf eine Dose hauen. Leeres Ding.
Frau König wackelte.
Nur kurz.
So wie ein Videobild ruckt, wenn der Stream hängt.
Dann passierte alles gleichzeitig.
Aiden schrie: Raus jetzt.
Jette fiel vom Stuhl.
Die andere ich drehte den Kopf viel zu schnell zu Aiden. Viel zu schnell für einen normalen Hals.
Frau König sagte in komplett ruhigem Ton: Bleibt sitzen. Bleibt ruhig. Es ist alles gut.
Genau in dem Moment ging der Lautsprecher in der Klasse an.
Der Lautsprecher an der Wand über der Tafel. Dieses Ding, das sonst nur piept, wenn Pause ist.
Eine Stimme kam raus.
Die Stimme war meine.
Sie sagte: Liebe Schülerinnen und Schüler. Bitte bleibt in euren Klassenräumen. Alles ist in Ordnung. Wir kümmern uns um euch.
Ich hab meinen eigenen Mund angefasst.
Mein Mund war zu.
Ich habe nicht geredet.
Ich hab mich selber über Lautsprecher reden gehört.
Mein Magen ist nach unten gefallen.
Mein Kopf hat gemacht: RENN.
Dann ist das Licht wieder ausgegangen.
Klick.
Schwarz.
Schwarz.
Komplett.
Nicht so dunkel wie nachts im Zimmer.
Schlimmer.
Dunkel wie Keller ohne Lampe, Tür zu, und dann hält dir noch jemand beide Hände auf die Augen.
Ich hab sofort die Tischkante gepackt, damit ich nicht hinfalle. Mein Stuhl stand schief hinter meinen Knien. Ich wollte nicht der Erste Mensch sein, der beim Nachsitzen stirbt, weil er rückwärts vom Stuhl knallt.
Aiden flüsterte irgendwo links von mir: Mila.
Ich zischte: Hier.
Er zischte: Ich seh nix.
Ich flüsterte: Ich auch nicht.
Dann sagte die Stimme aus dem Lautsprecher nochmal: Bitte bleibt ruhig. Es ist alles in Ordnung. Wir kümmern uns.
Nur dass das nicht mehr wie meine Stimme klang.
Es klang jetzt wie meine Stimme, wenn sie lächelt, obwohl sie nicht lächeln will.
Ich hasse das. Ich hasse meine eigene Stimme, wenn sie lügt.
Ich sagte leise: Das bin nicht ich.
Aiden flüsterte: Weiß ich.
Jette atmete schnell. Nicht laut. Aber ich hörte es. So ein kleines hechelndes Hhh hhh hhh. Sie war auf dem Boden gelandet, als das Licht ausging. Ich hörte ihre Jacke am Linofloor schaben.
Ich tastete nach rechts. Meine Finger strichen über kalten Boden, dann über Stoff.
Jette.
Ich fand ihren Arm. Sie war eiskalt. Ihre Finger verkrampft. Ganz steif.
Ich flüsterte: Jette. Alles gut. Steh auf.
Sie flüsterte zurück: Ich kann nicht.
Ihre Stimme war dünn. Zu dünn.
Ich beugte mich runter, fasste unter ihre Schulter und zog vorsichtig. Komm. Bitte.
In dem Moment hörte ich etwas anderes im Raum.
Schritte.
Nur zwei.
Ganz langsam.
Nicht von uns.
Die Schritte waren vorne beim Pult.
Sie kamen nicht auf uns zu.
Sie gingen Richtung Tür.
Ich hab innerlich gebetet, dass das Frau König ist und dass sie einfach rausgeht und sich selber einsperrt.
Dann hat etwas gegen die Tür geklickt.
So ein leiser Metallton.
Als würde jemand ganz ruhig die Klinke anfassen.
Meine Haut zog sich zusammen.
Keine Panik, sagte die Lautsprecher-Stimme. Bleibt bitte an eurem Platz. Wir kümmern uns jetzt um euch. Ihr dürft gehen, wenn wir fertig sind.
Ich musste schlucken.
Gehen, wenn wir fertig sind, klang nicht wie nach Hause gehen.
Klang wie Krankenhaus gehen.
Oder schlimmer.
Aiden flüsterte ganz nah an meinem Ohr: Okay. Plan.
Ich flüsterte: Ja. Mach.
Er flüsterte: Ich hasse Pläne.
Ich flüsterte: Aiden.
Er flüsterte: Wir hauen ab.
Ich so: Danke für dein Expertenwissen.
Ich hörte, wie er leise grinste.
Dann flüsterte er: Fenster.
Ich drehte den Kopf zum Fenster. Ich konnte es nicht sehen, aber ich wusste, wo es war. Links von mir, hinter Jettes Tischreihe. Erste Etage. Wenn wir rausspringen, brechen wir uns vielleicht den Knöchel. Wenn wir hierbleiben, verlieren wir vielleicht unser Ich. Ich nehme den Knöchel.
Ich flüsterte: Okay. Wir gehen leise nach links. Du nimmst Jette hinten, ich vorne.
Aiden so: Wer nimmt dich.
Ich so: Ich nehm mich.
Er so: Tu das.
Ich tastete mich mit einer Hand am Tisch entlang, mit der anderen an Jette. Ihr Arm zitterte jetzt. Das war gut. Zittern heißt noch da.
Ganz langsam. Schritt für Schritt. Stuhlbeine kratzten über den Boden. Ich hab jedes Geräusch gehasst. Ich hatte das Gefühl, dass das Ding vorne am Pult jedes Kratzen hört.
Hinten beim Pult hörte ich wieder diesen Metall-Ton an der Tür. Dann ein nasses Geräusch. Nicht laut. So ein Weich-Geräusch. So, als würdest du einen nassen Schwamm über Glas ziehen.
Mir wurde schlecht.
Ich dachte: Guck nicht hin.
Ich wollte sowieso nicht hingucken, weil ich sowieso nichts sah.
Plötzlich war Jette nicht mehr da.
Ich schwöre dir, ich hatte noch ihre Schulter in der Hand.
Eine Sekunde später war meine Hand leer.
Einfach leer.
Kein Ziehen.
Kein Rucken.
Kein “ah”.
Weg.
Mein Herz stolperte. Ich griff ins Dunkle. Jette. Jette.
Keine Antwort.
Ich griff wieder. Nichts.
Nur noch kalte Luft.
Aiden flüsterte scharf: Mila.
Ich flüsterte zurück: Jette ist weg.
Er: Was.
Ich: Jette ist weg.
Er: Weg wohin.
Ich: Weg weg.
Er: Das ist kein Ort.
Ich: Sag das dem Dunkeln.
Da kam ihre Stimme.
Ganz nah an meinem Ohr.
Viel zu nah.
Ich hab mich fast verschluckt.
Mila.
Ich hab mich umgedreht. Komplett. Ich konnte immer noch nichts sehen. Meine Knie wurden weich.
Jette.
Nur dass das nicht Jette war.
Das war Jettes Stimme nach einem Tiefschlaf. Jettes Stimme, aber langsamer. Zäher. Flacher. Als würde sie durch dicken Stoff reden.
Sie sagte ganz ruhig: Bitte setz dich wieder hin, Mila. Es ist alles gut.
Ich bekam Gänsehaut an Stellen, von denen ich nicht mal wusste, dass ich da Haut hab.
Ich flüsterte: Sag mir was Echtes.
Sie schwieg kurz.
Dann sagte sie: Deine Katze klaut immer meine Gummibärchen vom Schreibtisch.
Mein Brustkorb hat sich auf einmal wieder ein Stück aufgemacht.
Das war echt.
Das war Jette.
Nur Jette weiß das mit der Katze.
Ich flüsterte: Jette.
Dann kam wieder die laute Lautsprecher-Stimme. Bitte beruhigt euch. Wir kümmern uns. Wir passen auf euch auf. Niemand muss Angst haben. Keiner von euch muss mehr laut sein.
Ich wollte schreien: Halt die Klappe.
Ich tat es nicht.
Weißt du, warum nicht.
Weil ich plötzlich das Gefühl hatte, wenn ich schreie, hören uns die anderen.
Nicht Menschen-andere.
Die anderen anderen.
Mir wurde wieder kalt.
Aiden flüsterte sehr knapp: Fenster. Jetzt.
Wir tasteten weiter. Ich fühlte Tische. Rucksäcke. Aiden stieß sich das Schienbein. Er fluchte leise durch die Zähne. Ich stolperte über irgendwas am Boden. Ich trat drauf. Es fühlte sich an wie eine Hand.
Ich bin fast umgefallen.
Ich hab sofort wieder getastet.
Nichts da.
Nur Boden.
Ich glaube nicht, dass ich mir das eingebildet hab.
Ich hoffe, dass ich mir das eingebildet hab.
Dann waren wir am Fenster.
Glaube ich.
Ich hab mit der Hand nach vorne gestreckt. Mein Handrücken stieß gegen kaltes Glas.
Ja. Fenster.
Ich hab den Griff gesucht. Mein Finger rutschte am Rahmen entlang. Da. Der Griff.
Ich atmete ein.
Ich drückte.
Der Griff hat sich nicht bewegt.
Ich drückte fester.
Er bewegte sich immer noch nicht.
Ich packte mit beiden Händen und drückte so doll, dass meine Finger weh taten.
Nichts.
Hinter uns kam ein Geräusch.
Ganz langsam. Schrrr. Schrrr. Schrrr.
So schleift man Schuhe über Linoboden.
Nur dass ich keine Schritte gehört hab.
Nur dieses Schieben.
Aiden flüsterte: Mach auf.
Ich fauchte: Geht nicht.
Er: Mila.
Ich: Ich drück doch schon.
Er: Dann tritt.
Ich: Das ist Glas.
Er: Dann tritt halt besser.
Ich war zu angespannt, um ihn anzuschreien.
Ich holte Luft, hob mein Knie und trat so hart ich konnte gegen den unteren Fensterrand.
Ich hab erwartet, dass es scheppert.
Es schepperte nicht.
Das Glas hat sich bewegt wie Wasser.
Wie Wellen.
Dann war es wieder fest.
Ich hab sofort mein Bein weggezogen, weil mich das angeekelt hat. Das war nicht Fenster. Das war wie Haut.
Aiden flüsterte: Okay. Neuer Plan.
Ich: Sag “wir verstecken uns im Schrank”, und ich hau dir eine.
Er: Warum bin immer ich der mit dem Plan.
Ich: Weil ich gerade versuche, nicht zu heulen.
Er: Ach so.
Das Schrrr Schrrr Schrrr kam näher.
Ich hörte wieder einen ganz leisen Klick an der Tür.
Dann wieder dieses nasse Ziehen.
So als würde die Tür atmen.
Ich flüsterte: Die holen uns gleich.
Aiden flüsterte: Ich weiß.
Ich flüsterte: Ich will hier raus.
Aiden flüsterte: Weiß ich auch.
Ich flüsterte: Ich will nicht weich werden.
Aiden schwieg kurz.
Dann sagte er sehr leise: Ich auch nicht.
In dem Moment passierte etwas, das ich null kommen gesehen hab.
Ein Licht ging an.
Kleines Licht.
Nicht Decke.
Handy.
Ein schwaches weißes Rechteck, irgendwo auf dem Boden, zwei Reihen weiter hinten.
Ich war kurz blind davon, obwohl es fast nichts war. Mein Auge musste sich neu sortieren. Schatten sprangen. Alles wackelte.
Aiden zischte: Wer hat Licht. Bist du das.
Ich: Nein.
Jette, flüsterte ich. Bist du das.
Das Licht flackerte ein bisschen.
Dann bewegte es sich.
Es hob sich vom Boden. Langsam.
Als hätte es jemand aufgehoben.
Für einen Moment sah ich eine Hand unter dem Handy.
Dann wollte ich schreien.
Die Hand war nicht richtig.
Falsche Fingerzahl war es nicht. Es waren fünf Finger. Das war okay.
Es war die Art, wie sie sich bewegt haben.
Alle Finger haben sich gleichzeitig gebeugt. Nicht nacheinander. Nicht menschlich. So, als hätte jemand auf einem Controller Taste runter gedrückt und die Hand hat reagiert.
Sehr langsam hob sich das kleine Licht. Langsam, langsam, langsam. Bis es ein Gesicht traf.
Ich dachte, es wäre Jette.
War es nicht.
Es war mein Gesicht.
Ich sah mich selbst im Handylicht.
Mich.
Pale. Zu blass. Augen zu hell. Pupillen ein bisschen zu groß. Haut ein kleines bisschen zu glatt. Als wäre ein Filter drübergelegt.
Die falsche Mila stand zwei Reihen weiter hinten, zwischen den Bänken. Hände locker vor dem Bauch. Kopf leicht schief. Sie hatte mein Handy. Mein Hintergrundbild. Meine Hülle mit dem gekauten Herzaufkleber.
Sie lächelte.
Ganz ruhig.
Dann hob sie die freie Hand und winkte.
So ein kleines Kinderwinken.
Mir wurde heiß und kalt gleichzeitig.
Ich flüsterte: Aiden.
Er: Ich seh sie.
Ich: Das ist mein Handy.
Er: Ich seh sie trotzdem.
Die Falsche hob das Handy höher. Das Licht traf Jette.
Jette lag halb unter einem Tisch. Ihre Augen waren offen. Sie starrte an die Decke. Ihr Mund war ganz locker. Ihr Gesicht war nicht mehr angespannt.
Sie sah friedlich aus.
Zu friedlich.
Die Falsche beugte sich runter zu Jette. Ganz ruhig. Ganz sanft. Sie strich ihr mit der Hand über die Stirn.
Nicht grob.
Vorsichtig.
Wie jemand, der dich einschläfern will.
Dann hob sie wieder den Kopf zu mir. Ihr Lächeln wurde breiter.
Sie flüsterte: Ich passe auf sie auf. Geh ruhig.
Mein Magen zog sich zusammen. So fest, dass mir fast schlecht wurde.
Ich schüttelte den Kopf. Langsam. Ganz fest.
Sie schüttelte auch den Kopf.
Gleich schnell.
Gleich fest.
Ich schnappte Luft. Aiden packte meinen Ärmel. Er zog.
Mila, flüsterte er. Wir müssen jetzt wirklich hier raus.
Ich flüsterte: Die Tür ist zu. Das Fenster ist weich. Hast du sonst noch Ideen, du Genie.
Er sagte: Ja.
Ich sagte: Wirklich.
Er sagte: Ja.
Ich sagte: Sag ihn. Sofort.
Er sagte: Wir schreien.
Ich hab ihn angestarrt. Im Dunkeln, aber trotzdem angestarrt. Schreien.
Er nickte. Ja.
Ich schüttelte den Kopf. Das bringt nichts.
Er schüttelte den Kopf zurück, genau wie ich vorher bei der Falschen, und das hat mich kurz wahnsinnig gemacht. Doch. Erinnerst du dich an den Probealarm. Als du neben dem Ding gestanden hast und dir fast die Ohren explodiert sind.
Ich: Ja.
Er: War laut, oder.
Ich: Ja.
Er: Gut.
Ich: Was gut.
Er: Die mögen kein Laut. Die wollen alles leise.
Ich verstand.
Endlich verstand ich.
Die wollen uns ruhig.
Die wollen, dass wir still sind.
Wir waren dumm. Wir haben versucht leise wegzukommen.
Wir hätten von Anfang an Lärm machen müssen.
Ich nickte. Aiden nickte zurück.
Ich flüsterte: Auf drei.
Er flüsterte: Eins.
Wir schrien.
Kein drei. Kein langsam hochzählen. Wir schrien einfach los. Direkt. Voll. Aus der Brust. Aus dem Bauch.
Ich hab so laut geschrien, dass es mir im Kopf wehgetan hat. Aiden schrie noch lauter. Aiden kann richtig schreien. Das wusste ich gar nicht.
Das Handylicht wackelte.
Die Falsche zuckte. Nur kurz. Ihr Lächeln riss für einen Moment weg, wie ein Bild, das abreißt. Ihr Kopf ruckte zur Seite, viel zu schnell. So, als hätte jemand an ihr gezogen.
Dann passierte drei Sachen fast gleichzeitig.
Erstens. Die Tür knallte auf.
Ein Schlag. Kein langsames Klicken mehr. Eher wie tritt-gegen-die-Klinke-und-die-Klinke-verliert.
Zweitens. Das Deckenlicht ging wieder an.
Grelles Neonweiß.
Ich musste die Augen sofort zukneifen. Alles tat weh.
Drittens. Eine Gestalt stand in der Tür.
Breite Haltung. Schultern vorne. Kinn hoch.
Malin.
Sie stand da wie ein Problem mit Beinen.
Sie guckte kurz rein, nahm alles auf in einer Sekunde, dann brüllte sie:
Alle mitkommen. Sofort.
Nicht Bitte. Nicht Ruhig bleiben. Nicht Macht euch keine Sorgen.
Sofort.
