Naughty, Sexy, Love - Kylie Scott - E-Book

Naughty, Sexy, Love E-Book

Kylie Scott

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Beschreibung

Wenn ein Bad Boy sein Herz verliert ...

Eric Collins ist ein Bad Boy, wie er im Buche steht. Keine Frau landet zweimal in seinem Bett, und eine feste Beziehung kommt für ihn nicht infrage - bislang zumindest. Denn als ein schwerer Schicksalsschlag sein Leben auf den Kopf stellt, beschließt er, sich zu ändern. Doch ausgerechnet da zieht die junge Jean Antal in die Wohnung nebenan ein. Sie ist wunderschön und schlagfertig, und sie bringt Erics Entschluss augenblicklich gehörig ins Wanken ...

"Eine bezaubernde Liebesgeschichte!" Romantic Times

Der Abschlussband der Dive-Bar-Reihe von Spiegel-Bestseller-Autorin Kylie Scott!

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Seitenzahl: 384

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Inhalt

TitelZu diesem BuchWidmungKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Kapitel 10Kapitel 11Kapitel 12Kapitel 13Kapitel 14Kapitel 15Kapitel 16Kapitel 17Kapitel 18EpilogDanksagungDie AutorinKylie Scott bei LYXImpressum

KYLIE SCOTT

Naughty, Sexy, Love

Roman

Ins Deutsche übertragen von Cornelia Röser

Zu diesem Buch

Bad Boy, Playboy, Frauenheld – Eric Collins’ Ruf eilt ihm voraus. Jeder in Coer d’Alene weiß, dass der attraktive Barbesitzer keine Frau zweimal in sein Bett lässt und eine feste Beziehung für ihn nicht infrage kommt. Zumindest bislang. Denn als ein schwerer Schicksalsschlag Erics Leben von einem Tag auf den anderen auf den Kopf stellt, beschließt er, sich zu ändern und endlich ruhiger zu werden. Dass ausgerechnet jetzt die junge Jean Antal in die Wohnung nebenan einzieht, scheint ein schlechter Scherz des Schicksals zu sein. Jean ist wunderschön, schlagfertig und lustig – und sie ist hochschwanger. Eric weiß, dass er die Finger von ihr lassen muss, koste es, was es wolle. Nicht nur ist ein Mann wie er das Letzte, was Jean zurzeit in ihrem Leben braucht. Eric kämpft auch noch mit den Dämonen seiner Vergangenheit, die in Jeans Gegenwart lauter denn je sind. Die beiden können Freunde sein – nicht mehr und nicht weniger. Doch ihr Entschluss gerät schneller ins Wanken, als es den beiden lieb ist …

Für meine Leser.

Vielen Dank für eure Treue. Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen.

Kapitel 1

»Sieh’s ein, Eric. Du bist ein billiger Aufreißer.«

Ich wandte mich von dem wohlgeformten Hintern ab, den ich gerade abgecheckt hatte, und runzelte die Stirn. »Meine Güte, Nell, das klingt aber sehr hart, oder?«

»Nein, eigentlich nicht.« Liebevoll strich sie über ihren kleinen Babybauch.

Ich konzentrierte mich auf ihr Gesicht und blendete ihren Unterleib aus. Mit ihrer Schwangerschaft wollte ich mich einfach nicht beschäftigen. Natürlich freute ich mich für sie und ihren Mann. Schließlich waren wir alle zusammen zur Schule gegangen und schon ewig befreundet. Aber Babys und ich, das passte einfach nicht zusammen, aus einer ganzen Menge guter Gründe. Jedes Mal, wenn ich Nells Bauch betrachtete, machte ich mir Sorgen. Ich sprach ein kleines Gebet, dass diesmal bitte alles gutgehen möge mit ihr und dem Baby, und dann gab ich mir alle Mühe, nicht weiter daran zu denken – auch nicht an das Baby, das wir letztes Jahr verloren hatten. Hier in der Bar gab es genug Ablenkung, die einen deutlich fröhlicher stimmen und einen davon abhalten konnte, wieder in Trauer und Reue zu verfallen.

»… das sehe ich sogar mit geschlossenen Augen. Du bist absolut berechenbar. Ich sehe es daran, wie deine Augen aufleuchten, wenn eine Frau die Bar betritt: wie die einer Katze, wenn sie eine Maus entdeckt.« Sie schwieg kurz und schimpfte dann: »Eric? Eric!«

»Ja?«

Sie legte den Kopf schief. »Du hörst mir nicht mal zu, stimmt’s?«

»Natürlich tu ich das.« Aber vor allem war ich hin und her gerissen zwischen der Empörung über Nells Andeutung und dem unwiderstehlichen Drang, diesem perfekten Hinterteil nachzugehen.

»Genau das meine ich«, sagte sie. »Verglichen mit dir hat eine Stechmücke eine riesige Aufmerksamkeitsspanne.«

»Reg dich ab. Ich hab doch gesagt, ich hör dir zu.«

»Und was habe ich gerade gesagt?«

»Na ja, im Grunde hast du mich ein Arschloch genannt«, sagte ich. »Und das tut mir weh.«

Nell verschränkte die Arme vor der Brust. »Ach, tatsächlich? Jetzt willst mir also weismachen, du hättest Gefühle?«

»Natürlich habe ich Gefühle.«

»Klar doch. Und warum halte ich dich für ein Arschloch?«

»Äh …« Ich sah über ihre Schulter hinweg und erhaschte noch einen Blick auf die Kehrseite der außergewöhnlich attraktiven Frau, die von Lydia an einen Tisch geführt wurde. Neben mir und Nell war Lydia die dritte Eigentümerin der Dive Bar. Doch die andere Frau war gerade weitaus wichtiger: Lange dunkle Haare fielen ihr bis auf die Schulterblätter, und ihr wohlgeformter Hintern schwang bei jedem Schritt. Gottverdammt. Der Sommer war schon ziemlich großartig, weil so viel nackte Haut zur Schau getragen wurde. Andererseits brachte der Winter enge Jeans und sexy Pullover mit sich, wie sie meine zukünftige beste »Freundin mit gewissen Vorzügen« gerade trug, und das war auch verdammt klasse. Zu schade, dass ich sie nur von hinten sehen konnte. Ich überlegte, wie es um ihre Oberweite bestellt sein mochte. Nicht dass ich da wählerisch gewesen wäre: voll, üppig, schlank, keck, weich, fest – alles war prima für mich. Ich pflegte zu sagen: Das Leben ist wie der Moment, in dem man einer Frau den BH auszieht. Man weiß nie, was einen erwartet, aber was es auch ist, es ist im Grunde immer toll.

»Eric?« Nell riss mich abrupt aus meinen Tagträumen, als sie nach einem Messer griff und damit voller Ungeduld auf ein Schneidebrett klopfte. »Ich warte.«

»Frauen und so«, sagte ich. Die naheliegende Antwort. »Du hältst mich für einen Arsch wegen Frauen und so.«

Sie kniff die Augen zusammen. »›Und so?‹«

»Lieg ich falsch?«

»Nein.«

Puh. »Na dann.«

»Ernsthaft, Eric. Eines Tages wirst du dir wünschen, es gäbe mehr in deinem Leben als nur den nächsten geilen Hintern.« Sie gestikulierte wild mit dem Messer in der einen Hand. Gefährlich. »Ich meine, am nächsten an einer festen Beziehung warst du mit Alex, und das auch nur, weil Joe deine Online-Identität gestohlen hat, um sie zu erobern.«

»Ha. Ha.« Ich wette, diesen Satz hatte sich Nell schon vor einer Woche zurechtgelegt und nur darauf gewartet, ihn auspacken zu können. »Kann ich jetzt weiterarbeiten?«

»Meinetwegen.« Sie knallte das Messer auf die Platte und wandte sich zum Gehen. »Du bist ein hoffnungsloser Fall. Ich geb’s auf mit dir.«

Gott. Sei. Dank.

Die Babyhormone machten Nell noch Furcht einflößender als sonst. Neulich erst hatte sie mir den Arsch aufgerissen, weil ich zu laut geatmet hatte. Jetzt bezeichnete sie mich als männliche Schlampe. Das war echt nicht fair. Okay, ich hatte mit einer Menge Frauen geschlafen. Ich mochte Frauen – sehr. Aber ich war mehr als nur mein Sexualleben. Dass eine meiner ältesten Freundinnen, mit der ich eine ganze Menge durchgemacht hatte, diese Ansicht nicht teilte, tat schon ein bisschen weh.

Aber egal, zum Teufel mit Nell und ihrer miesen Laune. Hier im Restaurant gab es angenehmere Pflichten, die erfüllt werden wollten. Es war mitten am Nachmittag und daher ziemlich ruhig. Niemand wartete an der Bar darauf, dass ich einen Cocktail mixte. Taka, der diensthabende Kellner, stand am Tresen und beschäftigte sich damit, Servietten zu falten und Besteck zu polieren. Ich war startklar.

»Ich komme hier schon klar, Lydia. Mach du ruhig Pause und setz dich einen Moment hin.«

Sie lächelte mich wissend an und knallte mir dann die Speisekarte vor die Brust. Dieses ganze Gerede darüber, dass Frauen das sanfte und schwache Geschlecht seien, war totaler Quatsch.

»Na klar doch, Eric«, sagte sie. »Aber vergraul sie nicht.«

»Wann habe ich je eine Kundin vergrault? Meine persönliche Anziehungskraft ist doch das Einzige, was diesen Laden am Laufen hält.«

Keine Antwort. Stattdessen nur ein langer Blick. Lydia machte auf dem Absatz kehrt und ging durch die Hintertür hinaus. Wahrscheinlich würde sie meine Unzulänglichkeiten brühwarm mit Nell diskutieren – und überlegen, wo im Wald sie meine Leiche verscharren würden. Das war der Nachteil, wenn man einen Betrieb zusammen mit zwei Frauen führte. Weil ich der Einzige mit einem Schwanz war, schob man mir für alles die Schuld in die Schuhe. Eine Lieferung kam zu spät – meine Schuld. Die Kasse machte Theater – auch meine Schuld. Jemand brach sich einen Fingernagel ab – schon wieder meine Schuld. Ich kriegte immer alles ab, und dabei hielt ich ehrlich mein Wort und schlief nicht mehr mit unseren Kellnerinnen. Ja, Mitarbeiterinnen waren tabu. Das war okay für mich. In der Vergangenheit war es allzu oft ungemütlich geworden, wenn die gemeinsame Zeit abgelaufen war. Auch wenn ich von Anfang an ganz offen damit umging, dass ich nur ein bisschen Spaß haben wollte und keine langfristige Beziehung.

Also, keine Eskapaden mehr mit den Mitarbeitern. Bei Gästen hingegen standen die Dinge anders.

»Hi«, sagte ich zu der kurvigen Brünetten.

Die Frau lächelte knapp, ohne mir in die Augen zu sehen. Sie hatte ein markantes, aber atemberaubendes Gesicht. Eine lange, gerade Nase, ein kräftiges Kinn. Nicht direkt hübsch, aber faszinierend. Trotz der Schatten unter ihren blauen Augen. Ich schätzte sie auf Mitte zwanzig.

»Ich bin Eric.« Mit einem lässigen Lächeln reichte ich ihr die Karte. »Willkommen in der Dive Bar.«

»Hi«, murmelte sie und wandte sich sofort der Speisekarte zu, während ich wieder ihren Körper musterte. Kein Ehering. Jede Menge Kurven. Der blaue Pullover spannte wunderschön über ihrem Busen. Da war definitiv mehr als eine Handvoll. Danke, Gott.

»Lass mich raten.« Ich stützte die Hände auf die Lehne des Stuhls gegenüber von ihr.

»Was soll ich dich raten lassen?«, fragte sie desinteressiert und ohne aufzusehen.

»Was du trinkst.«

»Wie kommst du darauf, dass ich etwas trinke?«

»Warum kommt man sonst in eine Bar?«, entgegnete ich und wartete darauf, dass sie endlich aufschaute. Es war schwierig, sie mit meinem gewinnenden Lächeln zu beeindrucken, wenn sie mich nicht ansah.

»Hier gibt es auch Essen, und zufällig habe ich Hunger.«

»Gutes Argument. Dann nimmst du also nur ein Eiswasser?«

Endlich löste sich ihr Blick von der Karte und blieb an mir hängen. Blaue Augen musterten interessiert jeden Zentimeter von mir. Ein leiser Anflug von Röte stieg ihr in die Wangen. Ausgezeichnet.

»Also gut, dann mal los«, sagte sie schließlich. »Was trinke ich?«

»Also … dein Stil ist eher dezent«, sagte ich und spannte dabei meine Armmuskeln leicht an, sodass es ihre Aufmerksamkeit erregte. Das war eigentlich der Hauptgrund, warum ich die Hemdsärmel hochgekrempelt trug. Ein unauffälliger, aber wichtiger Teil der Show. »Also gehe ich mal davon aus, dass du auf die Klassiker stehst. Einen Martini vielleicht, oder einen Old-Fashioned?«

»Nein«

»Nicht?« Ich ließ meinen Blick an ihr hinabwandern und bemühte mich, nicht nur auf ihren Vorbau zu starren, sondern jedes Detail wahrzunehmen. Das war nicht leicht, aber zum Glück verfügte ich über eine unglaubliche Selbstdisziplin. Augen nach oben. »Vielleicht bist du eher der unkomplizierte Typ. Wie wär’s mit einem Bier?«

Ein winziges Lächeln streifte ihre Lippen. »Gegen ein Bier habe ich nichts, aber es ist nicht das, was ich bestellen werde.«

»Hm. Eine Herausforderung. Ich mag Herausforderungen.«

»Mein Gott. Ich bin nun wirklich keine Herausforderung.« Sie atmete hörbar aus. »Das ist also deine Masche – zu erraten, was die Leute trinken?«

»Normalerweise bin ich ziemlich gut darin.«

»Tut mir leid, deine Erfolgsserie zu vermasseln.«

»Ach, schon okay.« Ich grinste. »Meine Mom hat immer gesagt, man müsse mir ziemlich oft einen Dämpfer verpassen, damit mein Ego nicht außer Kontrolle gerate.«

Ein merkwürdiger Ausdruck glitt über ihr Gesicht. »Klingt nach einer guten Mom.«

»Sie ist toll. Aber reden wir doch wieder über dich.« Ich hielt mich an mein Skript. Normalerweise liebten Frauen diesen Mist, doch etwas in ihrem Blick ließ mich zögern. »Wenn ich lieber einfach nur deine Bestellung aufnehmen soll …«

»Von wegen.« Sie lächelte mich spöttisch an. »Du hast mir einen Zaubertrick versprochen, und den will ich jetzt sehen. Wie war noch gleich dein Name?«

»Eric Collins.«

»Hi, Eric.«

»Mir gehört der Laden.« Das war nur teilweise gelogen, und es ließ mich gut aussehen. Erfolgreich.

»Wirklich?« Ihre Brauen hoben sich überrascht, und sie sah sich gründlich im Laden um. Ich wartete geduldig. Wir hatten verdammt hart dafür gearbeitet, um eine ehemalige Bruchbude in dieses coole Restaurant mit Bar zu verwandeln, das es heute war. Nackte Ziegelmauern und dunkel glänzendes Holz, kombiniert mit ein wenig Industrial-Style. Die Wand hinter der Bar, an der in ordentlichen Reihen die Flaschen standen, war mit Spiegeln verkleidet, und große Fenster ließen eine Menge Licht herein.

»Toller Laden«, sagte sie. »Darauf bist du bestimmt sehr stolz.«

»Das bin ich.« Ich reichte ihr die Hand, und sie legte ihre langen, schlanken Finger in meine Handfläche. »Freut mich, dich kennenzulernen …«

»Jean Antal.«

»Jean. Was für ein hübscher Name.«

Ohne meine Hand loszulassen, zuckte sie die Achseln. »Meine Mutter war David-Bowie-Fan.«

»Es geht nichts über Bowie.«

»Das stimmt.«

»Dann bist du wohl das Jean Genie.«

»Ha, genau.« Wieder dieses leise Lachen. Ich hätte ihr den ganzen Tag lang zuhören können. Doch mit einem Mal wich die Fröhlichkeit aus ihrem Gesicht. »Es war ihr Lieblingslied.«

Scheiße. Verdammt. Ich ließ meine Stimme weicher klingen. »Deine Mutter ist gestorben?«

Sie blinzelte. »Nein.«

»Nein?«

»Tut mir leid.« Verlegen schüttelte sie den Kopf. »Meine Eltern sind beide am Leben und wohlauf. Ich meinte einfach, dass es ihr Lieblingslied war, als ich klein war. Das ist alles. Mehr nicht.«

»Okay, gut.«

»Hmm.« Ihr Blick fiel auf unsere Hände, die einander immer noch festhielten, und im Bruchteil einer Sekunde waren der leichte Druck ihrer Hand und die Wärme ihrer Haut verschwunden. »Mist. Ich wollte dich nicht befummeln.«

»Gegen Fummeln ist absolut nichts einzuwenden.«

Überrascht fing sie an zu lachen. »Sieh dich nur an, mit deinen langen Haaren und diesem hübschen Gesicht und allem. Du bist echt heiß, Eric.«

»Herzlichen Dank. Du bist aber auch ein sehr angenehmer Anblick.« Ich zwinkerte. »Und ich bin dir noch einen Trick schuldig.«

»Genau, mein Drink«, sagte sie und ließ entspannt die Schultern sinken. »Dann rate mal weiter.«

»Okay.« Ich sah sie mit zusammengekniffenen Augen an, suchte nach einer Eingebung und gab mir Mühe, mich nicht von der Vorstellung ablenken zu lassen, wie sie wohl nackt in meinem Bett aussehen würde. Das war nicht einfach, aber wie schon gesagt: Selbstdisziplin. »Ich würde sagen, einen Black Widow.«

Sie blinzelte. »Eine schwarze Witwe?«

»Black Widow. Brombeeren, Tequila Silver, Limettensaft und Zuckersirup«, sagte ich. »Ich glaube, das solltest du bestellen.«

»Und warum?«

»Er ist süß, aber mit dem gewissen Etwas.« Ich schenkte ihr mein strahlendstes Lächeln. »Ich glaube, den wirst du mögen.«

»Dann hat es also nichts damit zu tun, dass du mich verdächtigst, irgendwelche Ehemänner zu ermorden?«

»Nein, natürlich nicht.« Ich lachte – und hielt abrupt inne. »Oh Mann. Du bist doch nicht verheiratet, oder? Ich meine, du bist Single, richtig?«

Sie öffnete den Mund, sagte aber nichts.

Mist, Mist, Mist.

»Entspann dich, Eric.« Jean sah sich mit leichtem Stirnrunzeln noch einmal die Speisekarte an. »Ich bin Single.«

»Gut.« Ich atmete auf und lächelte wieder. »Das ist gut. Andernfalls wäre es verdammt peinlich geworden, dich für heute Abend zum Essen einzuladen.«

Sie schwieg.

Macht nichts. Wir würden später darauf zurückkommen. »Ich habe dich noch nie bei uns gesehen. Bist du von hier oder nur auf der Durchreise?«

»Ich bin gerade hergezogen«, sagte sie. »Heute, um genau zu sein.«

»Das ist ja toll!«

Auch wenn mir One-Night-Stands viel Spaß brachten, so hatte ich in letzter Zeit doch daran gedacht, vielleicht mal etwas Ernsteres anzufangen. Vielleicht. Nur um es wenigstens mal probiert zu haben. Das war einzig und allein meine Idee. Es hatte nichts mit Nells täglichen Vorträgen zu tun.

Die Wahrheit war, dass ich auf die Dreißig zuging, und das letzte Jahr war verdammt hart gewesen. Am härtesten für Nell. Aber sie hatte sich davon erholt und war jetzt wieder glücklich und schwanger und diesmal auch mit dem richtigen Kerl zusammen: Pat. Eigentlich war es überhaupt nicht nachvollziehbar, dass ich immer noch nicht über die ganze Sache hinweg war.

Wahrscheinlich machte es mir ein wenig zu schaffen, dass Joe sich gerade mit seiner neuen Freundin häuslich niederließ. Mein Bruder Joe. Mein kleiner Bruder, der nie besonders viel mit Frauen am Hut gehabt hatte, verdammt noch mal. Aber dann war Alex in die Stadt gekommen, und seitdem lief er mit einem Strahlen auf dem Gesicht herum, als hätte er den Jackpot gewonnen.

Na ja, aus welchem Grund auch immer, jedenfalls fühlte ich mich ein bisschen … ich weiß nicht. Nicht direkt verloren. Da war nur dieser Gedanke, der nun immer mal wieder in meinem Hinterkopf herumspukte. Die Idee kam mir nicht mehr ganz so abwegig vor wie noch vor ein paar Jahren. Sie könnte sogar richtig gut sein. Ich verlor mich für den Moment in Jeans atemberaubenden Gesichtszügen und ihren herrlichen Kurven. Wir könnten etwas zusammen unternehmen, uns einen Film anschauen, Pärchenkram machen. Sogar Händchen halten. Das würde Nell eindeutig beweisen, dass ich keine oberflächliche Sexmaschine war.

Aber eines nach dem anderen.

»Wo kommst du ursprünglich her?«, nahm ich das Gespräch wieder auf.

»Jacksonville, Florida.«

»Wirklich? Warst du mal im Night Garden oder im Emory’s?«

Ihr Gesicht leuchtete vor Freude auf. »Ich liebe das Emory’s. Der beste Club der ganzen Stadt.«

»Ich bin da vor ein paar Jahren mal auf dem Weg nach Miami vorbeigekommen«, sagte ich. Bei ihrer Energie und ihrem Feuer schätzte ich sie als Partygängerin ein. »Tolle Atmosphäre, und der DJ hatte echt was drauf.«

»Da war ich jeden Samstagabend mit meinen Freunden tanzen.« Sie starrte ins Leere. »Das waren noch Zeiten.«

»Hey, nur weil du nach Coeur d’Alene gezogen bist, heißt das nicht, dass dein Leben vorbei ist. Die Stadt ist toll, und abends kannst du hierherkommen. An den meisten Wochenenden bieten wir Livemusik«, sagte ich. »Du bist herzlich willkommen.«

Sie schwieg eine Zeitlang, dann sagte sie leise: »Ich schau mal vorbei.«

Taka führte ein paar Gäste an einen Tisch in der Nähe und blieb kurz stehen, um mir einen belustigten Blick zuzuwerfen. Typisch. Die könnten sich ihr spöttisches Grinsen alle bald sparen, wenn sie erst mal sehen würden, dass ich das Zeug zum festen Freund hatte. Taka, Nell, Lydia, die ganze Bande.

»Also, Jean.« Ich beugte mich ein Stück vor, um wieder ihre volle Aufmerksamkeit zu gewinnen. Es funktionierte. Sofort fing sie meinen Blick auf. »Darf ich dir einen Black Widow mixen? Aufs Haus, versteht sich.«

»Und so verdienst du Geld?«

»Nein. So mache ich mir Freunde.«

Sie schmunzelte. »Ich hätte gern einen Black Widow. Aber geht das auch alkoholfrei, bitte?«

»Du willst ihn ohne Tequila?«, fragte ich überrascht. In Anbetracht unseres Gesprächsthemas hätte sie mir ruhig früher sagen können, dass sie keinen Alkohol trank.

Sie bekam nicht mehr die Chance zu antworten.

»Jean.« Andre trat an ihren Tisch. Er gab mir einen Klaps auf den Rücken und lächelte sie freundlich an. Zu freundlich. Und woher kannte er ihren Namen? In meinem Kopf schrillten die Alarmglocken. Denn obwohl Andre über zehn Jahre älter war als ich, fuhren die Frauen auf den Typen ab. »Wie geht’s? Ich hab jetzt Zeit, können wir?«

»Können wir was?«, fragte ich in gereiztem Ton.

»Ich ziehe in eins der Apartments über der Bar«, sagte Jean, die Finger auf dem Tisch ineinander verschränkt.

»Ach, wirklich?« Meine Brauen kletterten in die Höhe.

»Genau«, sagte Andre. »Ihr zwei werdet Nachbarn.«

»Ach.« Ich versuchte, eine ausdruckslose Miene zu wahren, während mein Hirn der Realität hinterherhechelte. Bloß nicht, war meine erste Reaktion. Tür an Tür war mir ein bisschen zu dicht. Ich näherte mich dem Gedanken an eine feste Freundin gerade erst an; dass sie direkt nebenan wohnen würde, war ein bisschen viel auf einmal.

»Dann wohnen dort oben du, ich, Jean, Joe und Lydia.« Andre rieb sich überaus zufrieden die Hände. Verständlich. Ihm gehörte das Haus, und es war nicht gerade billig gewesen, die obere Etage im vergangenen Jahr zu Wohnungen ausbauen zu lassen. »Dann sind alle Wohnungen vermietet.«

»Fantastisch«, murmelte ich.

Jean nickte nur und wandte sich wieder der Speisekarte zu.

»Du hast gesagt, du hast Hunger. Was kann ich dir bringen?« Ich schüttelte meine plötzlich düstere Laune ab.

»Hier ist alles super«, sagte Andre. »Vor allem die Pizza. Ich hatte noch nichts zu Mittag. Was dagegen, wenn ich mich dazusetze?«

»Das wäre prima«, sagte Jean. »Ich muss dringend etwas essen.«

»Ich kann mich darum kümmern«, sagte ich und trat widerwillig einen Schritt zurück, um dem Mann Platz zu machen. »Und Boyd oder Taka wahrscheinlich auch. So viel ist bisher nicht los.«

»Danke«, sagte sie.

Verdammt. Andre war zwar einer meiner ältesten Freunde, aber das hier lief nicht mehr nach Plan. Spielverderber. Zuerst würden sie nur quatschen und zusammen essen, und dann, schwupp, würden sie in der Kiste landen. Das war nicht okay. Ich wollte mit Jean in die Kiste. Und ich wollte derjenige sein, der ihr zuhörte und mit ihr essen durfte und so weiter (hier langweiligen Beziehungskram einfügen).

»Ich hätte gerne die Pizza mit Kartoffel, karamellisierten Zwiebeln und Bacon«, sagte sie.

»Für mich eine vegetarische«, fügte Andre hinzu. »Und ein Bier. Danke.«

»Geht klar.« Ich warf dem Mistkerl unauffällig einen bösen Blick zu. Was er natürlich nicht bemerkte.

»Black Widow? Alkoholfrei?« Ihre Augen funkelten, und ihre Gesichtszüge wurden wieder weicher.

Ich sollte erwähnen, dass diese Weichheit nur da war, wenn sie mich ansah. Vielleicht würde ich Andre sein Bier doch nicht über die Hose kippen. Mal sehen.

»Alles klar.« Ich notierte die Bestellung. »Die Getränke bringe ich euch gleich.«

Ich gab die Essensbestellung in die Küche durch und ging zur Bar. In ein oder zwei Stunden, wenn es voller war, würde Vaughan für die Abendschicht dazukommen. Doch jetzt hatte ich diesen Platz ganz für mich allein.

Als wir damals die Idee hatten, die Dive Bar zu eröffnen, hatten alle Beteiligten ganz genau gewusst, was sie wollten. Nell würde die Küche übernehmen, Pat würde helfen, das Geld aufzubringen, sich ansonsten aber auf sein Tattoostudio nebenan konzentrieren. Und ich wollte mich um die Bar kümmern. Natürlich machte es viel mehr Arbeit, diesen Laden am Laufen zu halten, als es sich irgendwer von uns hatte vorstellen können. Lydia hatte Pats Anteile aufgekauft und den Restaurantbereich übernommen. Eine super Entscheidung. Aber Nell blieb nach wie vor mit Vorliebe in der Küche, und ich hielt mich an die Bar.

Das war mein Ding. Darin war ich gut, und dort fühlte ich mich zu Hause.

Eingeritzt in die lange Holztheke standen immer noch die Namen und der ganze Mist von damals, als dieser Laden wirklich eine Dive Bar, ein heruntergekommener Aufreißerschuppen gewesen war. Ich schnappte mir ein Tuch und wischte einmal kurz drüber. Es war Zeit, Jean und ihren hübschen Vorbau für einen Moment zu vergessen und die Bar richtig sauber zu machen, bevor der Abendbetrieb losging. Schimmernde Flaschen in ordentlichen Reihen, glänzende Zapfhähne und Gläser. Wahrscheinlich sprach es nicht gerade für mich, dass ich mich ausgerechnet hier zu Hause fühlte. Aber trotzdem, ich liebte diesen Ort.

Drüben an ihrem Tisch unterhielten sich Andre und Jean angeregt. Ich behielt die beiden fest im Blick. Auf einer Skala von eins bis zehn hätte ich ihrem Lächeln eine Sechs gegeben, maximal eine Sieben. Es war höflich. Freundlich. Nicht annähernd so warm und einladend wie bei mir, ohne Zweifel eine Zehn. Gott sei Dank.

Routiniert mixte ich Jeans Cocktail. Ich zerstampfte die Brombeeren, presste die Limette aus und maß den Zuckersirup ab. Den Tequila wegzulassen, fiel mir verdammt schwer. Das war, als würde man Vincent van Gogh bitten, auf Blau zu verzichten, wenn er das nächste Mal die Sterne malte. Oder John Bonham zu sagen, er solle die Trommeln schonen, wenn er »Moby Dick« spielte. Na gut, die waren tot. Aber es ist klar, was ich meine … so was ist einfach nicht richtig. Zähneknirschend fügte ich Sodawasser und einen Extraschuss Limettensaft hinzu, um den fehlenden Tequila auszugleichen.

Während ich Andres Bier einschenkte, drehten sich meine Gedanken wieder um Jean. Vielleicht könnten wir miteinander ausgehen. So richtig. Sie war sexy, nett und zeigte auf den ersten Blick keine Anzeichen von Wahnsinn. Außer vielleicht dieser Tick mit dem Umbringen der Exmänner. Vor allem war ich mir verdammt sicher, dass diese Frau auf mich stand. Wenn man drüber nachdachte, war es vielleicht gar nicht so schlecht, dass sie gleich nebenan wohnte. Ich hatte manchmal ungewöhnliche Arbeitszeiten, und so blieb mir auf jeden Fall einiges an Fahrerei erspart. Ich fragte mich, was Mom von Jean halten würde. Bisher hatte ich noch nie eine Frau mit nach Hause gebracht, um sie meiner Mutter vorzustellen, aber bei ihr würde ich das vielleicht tun. Da bist du baff, was, Nell?

Mit den fertigen Drinks trat ich hinter der Bar hervor. Sonderbarerweise kam Nell im gleichen Moment plötzlich aus der Küche geschossen.

»Jean, bist du das?«, rief sie. »Oh Mann, warum hast du nicht Bescheid gesagt, dass du da bist?«

Ich erstarrte. Wie zum Teufel konnte es sein, dass die beiden sich kannten? Das war nicht gut.

»Du hast beschäftigt gewirkt, und da dachte ich, ich warte noch.« Jean strahlte überglücklich. Ihr Lächelbarometer hatte gerade die Elf erreicht.

Nell blieb am Tisch stehen, und meine immer-noch-vielleicht-aber-vielleicht-auch-eher-nicht-zukünftige feste Freundin stand auf. Es folgten eine Menge Umarmungen und weibliche Quietschlaute. Verdammt. Ob Nell ihr wohl etwas über mich erzählt hatte? Vielleicht war die Situation noch zu retten.

»Ich bin so froh, dass du hergezogen bist«, sagte Nell. »Das wird so toll.«

»Hoffentlich«, seufzte Jean.

»Das wird es. Du wirst sehen. Ein richtiger Neuanfang.«

Dann lösten sich die beiden Frauen voneinander, sodass ich Nells Babybauch perfekt im Profil zu sehen bekam. Aber viel schlimmer war, dass Jeans Bauch genauso aussah. Die Frau war schwanger. Sehr schwanger. Das Martiniglas rutschte mir aus der Hand und zerschellte auf dem Fußboden.

»Heilige Scheiße«, murmelte ich.

Kapitel 2

Ich war reingelegt worden. Verarscht.

Nachdem Andre und Jean aufgegessen hatten, gingen wir nach draußen, um uns um ihre Sachen zu kümmern. Der kalte Wind passte perfekt zu meiner Gefühlslage: Enttäuschung.

»Heb das nicht, das sieht schwer aus«, fauchte ich.

Jean stutzte. »Das ist ein Kissen.«

»Das größte Kissen, das die Welt je gesehen hat. Man kann nicht vorsichtig genug sein.« Mein Blick streifte ihren prallen Bauch. »Du bist …«

»Schwanger?« Ihr Ton war zuckersüß und giftig zugleich. »Hast du damit irgendein Problem?«

»Überhaupt nicht. Ich wollte nur sagen, du bist sehr umfangreich, mehr nicht.«

Sie atmete entnervt aus. »Danke, Eric. Da fühl ich mich gleich viel besser.«

»Ich wollte doch nur …«

»Gib dir keine Mühe.« Die Frau wandte sich wieder ihrem praktischen Mittelklassewagen zu und kramte darin herum. Es überraschte mich, dass sie noch auf den Fahrersitz gepasst hatte, weil das Auto bis auf den letzten Zentimeter mit Kisten und allem möglichen Zeug vollgestopft war. Auf jeder einzelnen Kiste war säuberlich der Inhalt aufgelistet. Diese Frau war extrem gut organisiert.

Sie sah sich nach mir um. »Weißt du, ich hab den Eindruck, dass sich der lässige Flirt-Eric plötzlich in den peinlichen Trottel-Eric verwandelt hat.«

»Na ja, du hast gesagt, du wärst Single.« In die Defensive gedrängt verschränkte ich die Arme vor der Brust.

»Das bin ich.«

Betretenes Schweigen.

»Ja, aber … ich meine, dein Zustand …« Ich unterbrach mich.

Sie drehte sich zu mir um, mit gerunzelter Stirn, als wäre ich derjenige, der hier ein Problem hatte.

»Geh einfach aus dem Weg, damit ich mir ein paar Kisten schnappen kann«, sagte ich schroff.

Sie schwieg hartnäckig.

»Es geht zwei Stockwerke rauf, und du hast ne Menge Zeug, das da hochmuss. Du solltest es ruhig angehen lassen.« Die Hände in die Hüften gestemmt, tippte ich mit meinem schwarzen Lederstiefel gegen den Bürgersteig und wartete. »Jean. Ich will dich nicht beleidigen. Es ist nur die Wahrheit.«

Sie fluchte leise und machte sich wieder im Wagen zu schaffen. So früh hat mich wahrscheinlich noch keine Frau mit Schweigen gestraft. Normalerweise passierte das erst ein paar Stunden, nachdem ich sie nackt gesehen hatte.

Oh Mann, ich konnte immer noch nicht glauben, was hier gerade passierte.

Gott musste mich hassen. Schwangere Frauen und ich, das passte einfach überhaupt nicht zusammen. Hier draußen im Herbstlicht sah sie allerdings jünger aus, als ich zuerst geschätzt hatte. Trotz der müden Augen war ihre Haut glatt und sah weich aus. Wahrscheinlich war sie eher Anfang als Mitte zwanzig.

»Wie alt bist du?«, fragte ich.

»Warum interessiert dich das?«

Ich zuckte mit der Schulter. »Bin nur neugierig.«

»Wie alt bist du?«

»Fast dreißig.«

Sie schniefte. »Ich bin zweiundzwanzig.«

Jung, wie ich gedacht hatte. Wahrscheinlich war sie ohnehin zu unreif für mich. »Komm schon, Jean. Lass mich ein paar von den Kisten tragen.«

Boyd kam aus der Dive Bar geschlendert und sah sich in alle Richtungen um. Ich hob die Hand, und er kam auf uns zu. Der große Koch würde diesen ganzen Krempel in null Komma nichts hochgeschafft haben. Hinter uns kamen Andre und Nell aus dem Mietereingang des Bird Building. Das Haus war ein großer und um die hundert Jahre alter Backsteinbau. Gleich neben der Tür befand sich ein Eingang, von dort führten Treppen in den ersten Stock. Dahinter lagen zwei leere Ladenlokale, deren Fenster mit Werbeplakaten für lokale Veranstaltungen und Konzerte zugekleistert waren. Die Läden standen leider schon eine ganze Weile leer. Dann folgte Andres Gitarrenladen, dahinter Pats Tattoostudio Inkaho und auf der Ecke die Dive Bar.

»Es ist alles vorbereitet. Lydia und ich haben letzte Woche zur Sicherheit noch mal durchgeputzt«, sagte Nell und gab Jean einen schmatzenden Kuss auf die Wange. »Lydia lernst du später noch kennen. Wahrscheinlich hat sie gerade mit der Arbeit zu tun.«

»Das ist sehr nett von euch«, sagte Jean. »Vielen Dank.«

»Gern geschehen.«

Andre lehnte sich an den Wagen. »Gestern sind auch deine Möbel geliefert worden. Es ist also alles bereit.«

»Ausgezeichnet«, sagte Jean. »Ich kann es nicht erwarten, endlich wieder in einem richtigen Bett zu schlafen. Im siebten Monat sind Roadtrips ganz schön ätzend.«

»Glaub ich sofort.«

»Wer kümmert sich um die Küche?«, fragte ich.

»Falls Lydia Hilfe braucht, schreibt sie Boyd eine Nachricht«, sagte Nell. »Wir sind ja nur ein paar Meter weg.«

Ich runzelte die Stirn.

»Die Küche gehört mir, Eric. Nicht dir«, sagte sie. »Du bist für die Bar zuständig, das ist alles.«

Jeans Augenbraue hob sich ein kleines Stück.

Ja, gut, vielleicht hatte ich eben angedeutet, ich wäre der Alleineigentümer. Dumm gelaufen. Ich verschränkte die Arme. »Schon gut. Kein Grund, mir den Kopf abzureißen.«

*

»Meine beste Onlinefreundin ist gerade in die Stadt gezogen. Wir haben viel gechattet und geskypt in den letzten Monaten. Sie ist mein Fels in der Brandung, wenn ich wegen dieser Schwangerschaft nervös bin«, sagte Nell. »Mach mir das bloß nicht kaputt.«

Betretenes Schweigen. Großartig. Wenn ich mich nur irgendwie vor dem Helfen hätte drücken können, ohne wie das letzte Arschloch dazustehen. Die Chance, dass zwischen mir und Jean irgendetwas laufen würde, war soeben gestorben. Wir würden nie wieder ein Wort darüber verlieren.

Nachdem er sich begeistert die Hände gerieben hatte, trat Andre einen Schritt vor. »Dann tragen wir mal deine Sachen rein.«

»Gut.« Jean trat ohne Widerrede beiseite. »Okay.«

Boyd brachte ein schüchternes Lächeln zustande, dann schnappte er sich mit einer einzigen Bewegung den halben Inhalt des Wagens und marschierte damit ins Haus. Jean folgte ihm mit ihrem Kissen, einer grünen Retro-Handtasche und einer kleinen Kiste. Ich wollte ihr die Kiste abnehmen, weil sie schwer aussah, aber mir fiel nicht ein, wie ich das hätte sagen können, ohne sie noch wütender zu machen. Schwangere Frauen waren empfindlich. Das wusste niemand besser als Nell. Sie hätte mich unterstützen sollen.

Als Nächstes nahmen Andre und ich uns ein paar Kisten, während Nell danebenstand und wenig hilfreiche Ratschläge erteilte. Pat musste wohl beschäftigt sein, ansonsten wäre er garantiert auch zum Mithelfen verdonnert worden.

Die Wohnung, die Jean gemietet hatte, war die größte im Haus und lag direkt über der Dive Bar. Mein Bruder Joe war der zuständige Bauleiter gewesen und hatte die ganzen alten Büroräume in Wohnungen umgebaut. Die anderen waren eher Apartments, aber diese Wohnung hatte ein großes Schlafzimmer rechts neben der Eingangstür, einen großen büroähnlichen Raum zur Linken und daneben das Bad. Der Büroraum dürfte sich perfekt als Kinderzimmer eignen. Am Ende eines kurzen Flurs lag der offene Wohn- und Essbereich mit offener Küche. Joe hatte einen Wahnsinnsjob gemacht; die Wohnung sah aus wie aus einer Zeitschrift.

Und mittendrin stand Jean, heulte sich die Augen aus dem Kopf und schluchzte, als hätte ihr jemand das Herz gebrochen. Ich dachte nicht nach, es ging einfach mit mir durch.

»Was hast du gemacht?«, brüllte ich Boyd an, der mit großen Augen danebenstand.

Der große Mann zuckte zusammen, und sein Blick schnellte zwischen Jean und mir hin und her.

»Hast du irgendwas gesagt?« In Anbetracht der Tatsache, dass Boyd so gut wie nie überhaupt ein Wort verlor, war das höchst unwahrscheinlich. Aber man konnte nie wissen.

»Schon gut, Eric.« Jean fuhr sich mit den Handflächen übers Gesicht. »Er hat nichts gemacht, es ist nur …«

Mit starrer Miene stellte ich die Kisten auf den Boden. »Es ist was?«

»Diese Wohnung«, sagte sie.

»Na ja.« Meine Stimme wurde ein wenig strenger. »Es ist vielleicht nicht ganz das, was du dir vorgestellt hattest, aber mein Bruder Joe hat die Wohnung umgebaut, und ich finde, er hat einen Wahnsinns…«

»Es ist einfach perfekt.« Mit einem zittrigen Lächeln sah sie sich im Raum um. »Ich liebe sie.«

»Oh-kay.«

Boyd, der froh war, dass die Aufmerksamkeit nicht mehr ihm galt, machte sich davon. Verständlich.

»Findest du sie nicht sagenhaft?«, fragte sie.

»Äh, ja, doch.« Mein Bruder hatte gute Arbeit geleistet, und es war eine verdammt hübsche Wohnung. Aber es war jetzt nicht die Sixtinische Kapelle oder so. »Sagenhaft.«

»Ja«, schwärmte sie und breitete die Arme aus, als könnte sie die Wohnung umarmen. »Es fühlt sich schon jetzt an wie zu Hause.«

»Das ist gut … nehme ich an.«

»Es ist toll«, korrigierte mich Nell, die gerade passend für diesen konstruktiven Kommentar hinter mir durch die Tür kam. Sie legte Jean einen Arm um die Schultern und drückte sie fest, wobei sie mir einen irgendwie eigenartigen Blick zuwarf. Keine Ahnung, was der mir sagen sollte. Kann ich Gedanken lesen, oder was?

Andre stellte seine Ladung Krempel neben meiner ab. Dann sah er Jeans gerötete Augen und zog die Stirn kraus. »Ist was passiert?«

»Nein, es ist nichts«, sagte ich. »Sie liebt die Wohnung.«

Er nickte, als würde er das verstehen. Angeber.

»Wie peinlich.« Jean fischte ein Kleenex aus ihrer Jeanstasche und schnäuzte sich die Nase. Mit roten Wangen betrachtete sie den Holzfußboden, um unseren Blicken auszuweichen.

»Schwangerschaftshormone«, sagte Nell. »Der größte Spaß der Welt.«

»Gestern habe ich geheult, weil es im Supermarkt keine Schokomilch mehr gab.«

Nell legte den Kopf schief. »Das geht dann vielleicht doch ein bisschen zu weit.«

»Jean darf verdammt noch mal fühlen, was sie fühlen will«, sagte ich leicht aufgebracht. Nell sollte behutsamer sein. Das Letzte, was wir jetzt gebrauchen konnten, war, dass Jean wieder anfing zu weinen. Ich stand steif und aufrecht da. »Und Schokomilch ist ziemlich toll. Also, wenn man auf so was steht.«

Jean sah mich nur verständnislos an, aber wenigstens weinte sie nicht. Es folgte absolute Stille. Niemand sagte etwas, Nell starrte mich nur wieder so total komisch an.

Schließlich hustete Andre hinter vorgehaltener Faust.

»Das war nur ein Witz, Eric«, sagte Nell langsam.

»Oh.« Ich schluckte. »Woher soll ich das wissen?«

Langsam, ganz langsam hoben sich Jeans Mundwinkel. Es war ein sanftes Lächeln. Ein heimliches. Das gefiel mir. Aber dann legte sie die Hände auf ihren beängstigend großen Bauch und streichelte ihn in kleinen Kreisen.

Immer noch schwanger. Richtig.

Was zum Teufel tat ich eigentlich hier? Außer mich zum Deppen zu machen. Das war alles nur Jeans Schuld. Irgendetwas an ihr brachte meinen Kopf ganz durcheinander. Ich war fix und fertig, meine Kehle war trocken und wie zugeschnürt. Ich brauchte frische Luft, und zwar pronto. »Na denn, ich kann nicht den ganzen Tag lang hier rumstehen. Können die Kisten dort stehen bleiben?«

»Ja, vielen Dank«, sagte Jean. »Ich räume später alles dahin, wo ich es haben will.«

Also gut. Ich ging zur Tür, dicht gefolgt von Andre. Meine Füße bewegten sich immer schneller, ich musste weg von dieser Frau und dieser ganzen Schwangerschaftskiste. Es lebten viele Frauen in Coeur d’Alene, und die konnten nicht alle nur Schlechtes über mich gehört haben. Außerdem gab es immer noch Spokane für den unwahrscheinlichen Fall, dass ich hier in der Stadt keine Freundin finden würde.

Ich beschleunigte meine Schritte. Jetzt hatte ich wieder einen Plan – und in dem kam Jean Antal nicht vor. In Zukunft würde ich mich einfach von dieser Frau fernhalten. Problem gelöst.

»Elegant«, sagte Andre, als wir die Treppe hinunterjoggten.

»Was?«

Er schüttelte nur grinsend den Kopf.

»Leck mich«, brummte ich.

Der Blödmann lachte schallend.

Mit wippendem Pferdeschwanz und vor Wut loderndem Blick kam Nell die Treppe hinuntergestürmt. »Was zum Geier glaubst du, was du da tust?«

»Jean beim Einzug helfen.«

»Ich habe gemerkt, wie du sie angesehen hast.« Sie rammte mir den Finger vor die Brust.

Andre machte kehrt und ging weiter. Feiger Hund.

»Wovon redest du?«

Nell stemmte die Hände in die Hüften. »Diese Frau hat genug Mist durchgemacht. Das hier ist ein Neuanfang für sie, und du wirst das nicht vermasseln.«

Ich schwieg.

»Nur du wärst dazu fähig, eine Hochschwangere für eine schnelle Nummer aufzureißen«, sagte sie. Ihre Stimme troff vor Abscheu. »Als hätte sie nicht schon genug Probleme.«

»Ich bin nicht an ihr interessiert«, log ich.

»Das will ich dir auch geraten haben.« Sie ließ die Schultern ein wenig sinken. »Halt dich von ihr fern, Eric. Ich warne dich.«

Kapitel 3

»Warum schmollst du?«

Ich stellte das Glas ab, das ich gerade poliert hatte. Mit mäßigem Erfolg versuchte ich, ein Gähnen zu unterdrücken. Heute Abend war verflucht viel Betrieb gewesen. Ich war erledigt. »Wie bitte?«

»Du putzt jetzt seit zehn Minuten ein und dasselbe Glas und schmollst dabei die ganze Zeit«, sagte Alex, die mich über ihren Laptop hinweg musterte. »Ich möchte wissen, warum.«

»Männer schmollen nicht.«

Sie stutzte. »Klar tun sie das.«

Ich runzelte die Stirn und wandte mich an meinen Bruder, der gerade am anderen Ende der Bar jemanden bedient hatte. Joe und ich sahen uns nicht besonders ähnlich. Ich war eher der GQ-Typ, er mehr der Holzfäller. Ich war schlank, er ein Bär von einem Mann mit Bart und prallen Muskeln. Zum Glück war er kein Grizzly, sondern eher ein Teddybär.

»Klär deine Frau mal auf«, sagte ich. »Sie hat mir gerade vorgeworfen, ich würde schmollen.«

Joe kam zu mir herübergeschlendert. »Männer schmollen nicht. Das gibt es einfach nicht.«

»Ach, tatsächlich?« Die hübsche, zierliche Brünette kniff die Augen zusammen. Mein Typ war sie nicht, aber sie und mein Bruder waren glücklich – trotz eines holprigen Starts, der leider irgendwie auch mit mir zu tun hatte. Lange Geschichte, aber absolut nicht meine Schuld. Alex räusperte sich und richtete sich auf ihrem Hocker auf. »Und trotzdem schmollt dein Bruder schon, seit ich vor einer Stunde hergekommen bin. Erklär mir das doch bitte.«

»Du irrst dich.« Joe zuckte die Achseln.

»Inwiefern?«

Mein Bruder verschränkte die massigen Arme vor der Brust und seufzte. »Also Kinder, gebt fein acht: Männer schmollen nicht … wir brüten.«

»Genau«, sagte ich.

»Allein die Andeutung, wir würden schmollen, ist eine Beleidigung unserer Männlichkeit.«

»Genau.« Ich nickte. »So ist es.«

»Jeder weiß, dass Brüten sehr männlich ist. Da ist ganz viel Testosteron im Spiel.«

»Vor allem bei mir«, fügte ich hinzu. »Das Wort, das du gesucht hast, war wahrscheinlich ›sinnieren‹.«

Rosie und Taka räumten die Tische ab, und aus den Boxen kam Arcade Fire. Lydia hatte am Empfang zu tun, Boyd und der Küchenjunge machten hinten sauber. Nell war um neun nach Hause gegangen, als es langsam etwas ruhiger wurde. Jetzt, kurz vor Mitternacht, waren nur noch ein Achtertisch und einige Pärchen übrig.

»Ihr redet beide totalen Quatsch.« Alex verkniff sich ein Lächeln. »Das wisst ihr, oder?«

»Na komm, du brauchst jetzt nicht zickig zu werden, nur weil du dich geirrt hast«, sagte ich. »Ich nehme deine Entschuldigung an. Du hast es einfach nicht besser gewusst.«

»Entschuldigung.« Sie prustete. »Von wegen. Also, warum brütest du auf diese männliche Art – Entschuldigung, warum sinnierst du, Eric?«

Jetzt war ich es, der seufzte. »Nur so«, sagte ich und wandte mich an Joe. »Hey, Brüderchen, ich wollte dich noch was fragen. Die neue Mieterin, Jean, die wohnt ja praktisch direkt über uns. Ich weiß, du hast hier alles gut schallisoliert, aber sie ist ja schwanger, und da dachte ich, wir könnten die Musik vielleicht ein bisschen leiser drehen, wenigstens wenn es unter der Woche spät wird.«

Joe schüttelte den Kopf. »Ich garantiere dir, dass sie nichts hört außer dem, was durchs Fenster reinweht.«

»Nur weil sie schwanger ist, muss sie nicht in Watte gepackt werden, weißt du?«, mischte sich Alex ein.

»Das weiß ich.« Ich blickte sie finster an.

»Siehst du, er schmollt!«, sagte sie und zeigte freudestrahlend mit dem Finger auf mich.

»Ach herrje, Baby, du hast recht«, stimmte Joe zu. Dieser Idiot. Seine Stimme klang übertrieben besorgt. »Das sieht wirklich ganz nach Schmollen aus.«

Mein Blick wurde noch finsterer.

»Komm schon, Mann«, sagte Joe in ernstem Ton. »Es ist Donnerstagabend, du stehst hinter der Bar, und der Laden war den ganzen Abend brechend voll. Und trotzdem siehst du aus wie ein Kind, dessen Hundewelpe gestorben ist. Was ist los?«

Ich seufzte noch einmal und ließ die Schultern hängen. »Ich weiß nicht … Nell hat da heute so etwas gesagt. Na ja, sie hat mich mit diesem Thema schon seit einer Weile auf dem Kieker.«

Joe und Alex wechselten einen Blick.

»Es ist nichts. Wirklich. Dumme Geschichte. Macht euch keine Gedanken darum.«

»Okay.« Alex trank einen Schluck von ihrem Bier.

»Aber … nur so aus Interesse«, sagte ich. »Haltet ihr mich auch für eine männliche Schlampe ohne Verantwortungsgefühl? Glaubt ihr, dass ich unfähig zu einer ernsthaften Beziehung bin und Frauen nur benutze, weil ich echte Zuneigung nicht mal erkennen würde, wenn sie mich in den Arsch beißt?«

Alex machte große Augen.

»Das hat Nell also gesagt?«, fragte mein Bruder leise.

»So in etwa.« Ich stieß die Zunge von innen gegen meine Wange. »Ihre Worte variieren manchmal, aber nicht stark.«

»Wow.« Alex starrte auf ihren Laptop.

»Gerade heute hat sie mich einen billigen Aufreißer genannt. Ist das zu fassen?«

Joe stieß einen leisen Pfiff aus.

»Ich meine, ihr beide kennt mich vermutlich am besten«, sagte ich. »Sie liegt doch falsch, nicht wahr?«

Alex öffnete den Mund, aber es kam nichts heraus. Bei meinem Bruder war es genauso.

»Nicht wahr?«, fragte ich noch einmal, nachdrücklicher.

Immer noch nichts.

Scheißdreck. »Kommt schon, ich bin immer offen zu den Frauen. Ich sage ihnen direkt ins Gesicht, dass es mir nicht um eine Beziehung geht, sondern um ein bisschen Spaß. Sie wissen, worauf sie sich einlassen.«

Mein Bruder nickte nach kurzem Zögern. Andeutungsweise.

»Genau«, sagte ich. »Und verantwortungsbewusst bin ich auch. Ich komme immer zu meinen Schichten. Ich arbeite hart.«

»Joaaa.« Aus irgendeinem verdammten Grund zog Joe das Wort in die Länge.

Alex verzog das Gesicht. »Abgesehen von der Woche neulich, als du mit diesem Mädchen Kajak fahren gehen wolltest.«

»Das war ein Mal«, sagte ich und hielt einen Finger in die Luft. »Keine große Sache.«

»Allerdings war da vor zwei Wochen diese Frau von der Spirituosenfirma«, sagte Joe. »Wie hieß sie noch mal?«

»Herrgott, das weiß ich nicht mehr. Dann bin ich eben mal früher gegangen. Ein Mal.« Ich verdrehte die Augen und streckte einen zweiten Finger aus. Dann waren es also zwei Mal gewesen. Na und?

»Und die Male, wo du zu spät gekommen bist, weil du vergessen hast, den Wecker zu stellen.« Alex war auf dem besten Weg, bald nicht mehr meine Lieblingsschwägerin zu sein.

Ich schnaubte spöttisch, fügte aber einen dritten Finger zu der Aufzählung hinzu. »Zwei oder drei Mal vielleicht. Passiert doch jedem.«

»Schon. Aber jede Woche?« Alex legte den Kopf schief.

»Da hat sie recht, Bruderherz.« Joe stieß mich mit dem Ellbogen an. »Nimm vielleicht noch ein paar Finger mehr dazu.«

Ich sah ihn finster an.

»Du wirst auch die zweite Hand brauchen«, fing Alex wieder an. »Du weißt doch noch letzten Monat, als du …«

»Es reicht«, fuhr ich sie an und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich will nicht mehr darüber reden.«

Beide klappten den Mund zu und wechselten einen dieser Blicke. Das war echt gruselig, dieses Gedankenaustauschding bei Pärchen. Total unnatürlich.

Langsam schüttelte ich den Kopf. »Ich fass es nicht. Ihr findet beide, dass sie recht hat.«

»Nein …« Joe packte mich an der Schulter und drückte sie.

Ich schüttelte seine Hand ab. »Doch, tut ihr.«

Seine Freundin schwieg. Die würde keine Freigetränke mehr von mir kriegen.

Arcade Fire wurde von den Killers abgelöst, aber nicht mal mein alter Lieblingssong nützte etwas. Total aufgewühlt strich ich mir die Haare zurück und band mir den Pferdeschwanz neu. »Unglaublich. Selbst mein eigener verdammter Bruder findet, ich bin zu nichts zu gebrauchen.«

»Komm schon, Mann. Das habe ich nicht gesagt. Ich finde …« Er unterbrach sich. »Ich finde, du gibst dein Bestes.«

»Ja.« Alex schnippte mit den Fingern und zeigte auf mich. »Genau. Du tust dein Bestes, Eric. Alle wissen, dass du dir wirklich Mühe gibst. Mehr kann keiner erwarten.«

»Herrgott, meint ihr das ernst?«, fragte ich laut. »Ihr findet also beide, mein Bestes ist einen feuchten Dreck wert.«

Wieder versuchten sie es abzustreiten, aber ich hatte die Schnauze voll. Mir reichte es. Außerdem guckten die Leute schon zu uns herüber. Gäste wie Mitarbeiter verfolgten das Drama mit neugierigen Blicken. Großartig.

»Mach du die Bar zu.« Ich schnappte mir eine Flasche Single Malt aus dem Regal. »Ich bin raus.«

Jemand sagte meinen Namen, Joe seufzte schon wieder – sollten sie doch alle zum Teufel gehen. Ich brauchte Raum für mich. Mit der Flasche in der Hand ging ich davon.

»Eric?«, fragte eine erschrockene Stimme.

»Hmm?« Ich strich mir die Haare aus dem Gesicht und zog meine Wohnungstür hinter mir zu. Aus dem schwach beleuchteten Hausflur kam mit besorgtem Blick eine Frau auf mich zu. »Jean. Hey. Wie geht’s dir?«

»Besser als dir, wie’s aussieht.« Sie zog die weite Strickjacke über ihrem Tanktop und der Yogahose enger um sich. Sie war barfuß, und ihre Zehen schlumpfblau lackiert.

»Hübsche Nägel«, sagte ich und lächelte sie an.

»Gab’s was zu trinken?«

»Nur ein bisschen«, sagte ich. »Wo sind nur meine Manieren? Die Flasche ist in der Wohnung. Möchtest du auch was?«

»Baby an Bord.« Sie zeigte auf ihren Bauch. »Schon vergessen?«

»Stimmt ja, ich erinnere mich.« Mein Lächeln verrutschte. »Also, was machst du hier draußen?«

»Dasselbe könnte ich dich fragen.«

»Ja, aber ich hab zuerst gefragt.«

Total lässig lehnte ich mich an die Wand. Ich kippte nicht etwa zur Seite wie ein torkelnder Säufer. Aber anscheinend drehte sich die Welt auf einmal ein bisschen zu schnell. Jedenfalls fiel es mir nicht so leicht aufrecht zu stehen wie unter normalen Umständen. Alkohol und Schwerkraft vertrugen sich wohl nicht so gut. Normalerweise trinke ich nicht allein, aber nach dem Mist, den ich mir von Nell und Joe und Alex hatte anhören müssen, hatte ich einen Drink gebraucht. Oder auch zwei. Na ja, möglicherweise habe ich es ein bisschen übertrieben.

»Ich laufe einfach im Flur hin und her. Was man um zwei Uhr früh eben so macht.«