Nekromant der Raumfaltepoche - Peter Schrammel - E-Book

Nekromant der Raumfaltepoche E-Book

Peter Schrammel

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Beschreibung

Ein gottesmordender Übermensch gejagt von einer zur Erbarmungslosigkeit herangezüchteten Agentin Verfolgt wegen des Mordes an einem falschen Gott hetzt Darius, seiner verlorenen Erinnerung nachspürend, durch die Galaxie. An seine Fersen heftet sich Senta. Die furchtlose Agentin muss den Ketzer zum Wohle ihrer Heimat zur Strecke bringen. Die abenteuerliche Verfolgungsjagd lässt Jägerin und Gejagten die Höllen von Unterdrückung, Krieg und Terror durchkämpfen. Im Graubereich moralischer Ambiguität kämpfen beide Helden dafür, ein kleines Stückchen friedlicher Existenz für sich zu finden.

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Die Raumfaltepoche beschreibt jene Zeitspanne in der Geschichte der Menschheit, in der sie die Faltung des Raumes gemeistert hat, um vorher unüberwindbare Distanzen im All zurückzulegen. Diese Errungenschaft hat das Tor ins Universum aufgestoßen und neue Gefilde für die imperfekte Spezies eroberbar gemacht.

Inhaltsverzeichnis

Prolog

LIVERNE

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

DAURUM

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

EOSIN

Kapitel 35

LIVERNE

Kapitel 36

EOSIN

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

TETRAEDER I

Kapitel 40

LIVERNE

Kapitel 41

Kapitel 42

TETRAEDER I

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Epilog

Prolog

Die süße Erlösung des Todes ist zum Greifen nah. Mein Körper, zerschunden von den Klauen und Tentakeln des Biestes, ist die Folterkammer, die mich im Leben gefangen hält. Wie ein Verdurstender, der zu einer Pfütze mit dreckigem Wasser hin kriecht, sehne ich mich nach dem eigenen Ableben. Das Streben nach ewiger Existenz hat mich in diese Höhle geführt, das Streben nach dem Tode ist nun das Einzige, das meinen scheidenden Geist durchfließt. Das Ungeheuer, das sich bald am Fleisch meines Leibes laben wird, übertrifft mich in Größe und Gewicht um ein Vielfaches. Sechs spinnenbeinartige Gliedmaßen, von denen nur vier zur Fortbewegung verwendet werden, und fünf lange, den Kopf des Monsters kranzförmig umringende Tentakel bildeten die Vorhut seines Angriffs. Die dunkle, schleimige Öffnung des Mundes mit einer rotierenden, dornenbewehrten und alles zerfetzenden Zunge ist es, die mein Ende besiegeln wird. Meine mickrige Schusswaffe hat dem Ungetüm zwar zwei Löcher in den fleischigen Unterleib gerissen, ist mir aber sofort von den flinken Tentakeln entrissen worden. Mein letzter Wunsch, bevor mich die monströse Fleischwolfzunge des Untiers zu leicht verdaulichem Brei zerhäckselt, ist, dass die Magnesiumfackeln, die ich wundersamerweise noch immer in der Hand halte, ausgehen und ich meine eigene Vorverdauung nicht mitansehen muss.

Die Fackel lose zwischen den schwach werdenden Fingern haltend, werde ich ein weiteres Mal von den Tentakeln der Kreatur in die Höhe geschleudert. Im Schein des Leuchtstabes und dank meines temporär erhöhten Aussichtspunktes kann ich einen womöglich letzten Blick auf die Gänze des Ungetüms werfen. Die sternförmig vom Schlund des Ungetüms wegstehenden Tentakel beginnen wild zu zucken. Wie eine Schlange scheint sich das Ungetüm auf das Verschlingen meines Körpers vorzubereiten. Ruckartig vergrößert sich die Öffnung, die wohl schon bald meine letzte Ruhestätte sein wird. Begleitet von grausigen Knackgeräuschen tut sich unter mir ein monströser Schlund auf, als ich den Zenit meiner Flugbahn überschreite und meinen Abstieg beginne. Da ich nicht motiviert bin, noch weiter in den Verdauungstrakt der Fressmaschine zu blicken, schleudere ich die Fackel tief in die feuchte Dunkelheit des Schlundes, damit sie im Speichel des Monsters ausgedimmt wird und ich in seliger Dunkelheit zermalmt werden kann. Als die Fackel jedoch tief im Rachen des Ungetüms aufschlägt, geschieht etwas Unerwartetes: Einer der Körpersäfte der Kreatur muss leicht entzündlich sein, denn plötzlich schießen mir aus dem Rachen der Kreatur, begleitet von einem fauchenden Zischgeräusch, Flammen entgegen. Sie schließen mich ein wie ein Mantel aus grellen Feuertentakeln. Kurz hege ich seltsam amüsiert den Gedanken, dass ich dafür gesorgt habe, dass ich, wenn ich schon eine Mahlzeit bin, auch schön kross gegrillt werde. Ich verliere binnen Sekunden das Augenlicht und merke, wie meine Haut sich enger und enger um meinen Körper schließt, bevor sie aufzubersten beginnt. Begleitet wird meine grausige Kremation von den ohrenbetäubenden Schreien des Monsters.

Während ich mich immer noch im Sinkflug befinde, erwarte ich, von den Kiefern des Untiers aufgefangen zu werden. Trotz meiner Blindheit merke ich jedoch sofort, dass dem nicht so ist. Mein schmerzhafter Aufschlag erfolgt nicht in der Enge eines Verdauungstraktes. Ich kann nur erahnen, dass das Vieh wohl seine Kiefer geschlossen haben muss und ich oben auf seinem Schädel gelandet bin. Ich kralle mit letzter Kraft meine Finger in die hornige Haut der Kreatur und suche nach empfindlichen Stellen. Das Tier scheint durch die Entzündung seiner Kehle geschwächt und verwirrt zu sein, denn ich kann mich problemlos auf seinem Kopf halten. Es schnappt fürchterlich nass-schleimig röchelnd nach Luft. Mein Mitleid hält sich in Grenzen. Als meine rechte Hand eine feuchte, weiche Stelle am Kopf der Kreatur findet, vermute ich richtig, es mit einem seiner Augen zu tun zu haben. Im Zustand meiner geistigen und körperlichen Beschädigung fällt mir keine bessere Angriffsmethode ein, als mit meinem Kopf zuzustoßen und meine Zähne tief ins feuchtglitschige Rund des Augapfels zu graben. Der Körper des Untiers beginnt zu vibrieren, und ein abscheuliches Geheul geht durch die Höhle. Von diesen Anzeichen einer möglichen Schwächung motiviert, grabe ich meine Kiefer noch tiefer in den Gelatineball und bringe ihn schließlich zum Platzen. Der pure Wahnsinn treibt mich dazu, mich an der schleimigen Flüssigkeit zu laben, die aus dem monströsen Sehorgan austritt. Sofort versetzt mich der Konsum des Augensaftes in einen fiebrigen Zustand. Ich werde selbst zum Tier.

Während gefühlt mehrere Stunden vergehen, in denen ich am Auge der Kreatur hänge und undenkbare Mengen an Flüssigkeit in mich sauge wie eine menschliche Zecke, verstummt ihr Geheul erst zu einem Wimmern und dann zu einem schwachen Säuseln. Mein Körper bläht sich auf wie ein grotesker Ballon, was meiner zerstörten Haut den Rest gibt. Wie Schindeln von einem alten Dach fallen schwarze Teile toter Haut von meinem Körper ab. Als die Kreatur nach einem letzten Zucken unter mir zusammenbricht, löse ich meinen Mund vom Augenloch des Biestes. Ich rolle vom Kadaver wie eine von Hitze aufgeblähte Wurst und habe ernsthafte Angst davor zu platzen. Mein Magen ist auf ein Hundertfaches seiner Größe angewachsen, und auch im Rest meines Körpers hat sich das gelatineartige Elixier der Kreatur angesetzt. Bewegungsunfähig bleibe ich neben meinem Opfer liegen. Ein seltsames Gefühl von Verbundenheit mit dem erlegten Ungetüm überkommt mich. Als ich, getrieben vom Fieberwahn, ein hysterisches Lachen versuche, entweicht nur ein gurgelndes Krächzen meiner Kehle. Unsicher, ob ich diese Konfrontation lebend überstanden habe, überkommt mich eine überwältigende Müdigkeit und ich falle in einen komatösen Zustand. Obszön aufgedunsen, mit größtenteils brach liegendem Fleisch und einer Vielzahl an Knochenbrüchen, liege ich auf dem Höhlenboden neben der Kreatur, in deren Magen ich fast mein Ende gefunden hätte. Schlafend. Für Tage. Wochen. Monate.

LIVERNE

Kapitel 1

Darius erwacht neben der erlegten Kreatur aus seinem komatösen Winterschlaf. Während seiner Bewusstlosigkeit von der Augenflüssigkeit in seinem aufgeblähten Körper genährt, hat er jetzt fast wieder seine Ausgangsform angenommen. Von seinen Fieberträumen verwirrt, versucht er sich zu orientieren. Das durch den Höhleneingang einfallende Licht der aufgehenden Morgensonne lässt ihn die Umrisse des getöteten Monsters neben sich am Höhlenboden erkennen. Allmählich kehren die Erinnerungen an den Kampf zurück, und er weiß jetzt, wo er sich befindet. Darius richtet sich langsam auf. Er fühlt sich gut. Er hat keine gebrochenen Knochen mehr. Er fühlt sich ausgeschlafen und erfüllt von unbändiger Energie. Irgendetwas ist mit ihm passiert. Etwas Gutes? Seine Hände pulsieren, durchströmt von unendlicher Kraft, ein Gefühl, als könne er Wände mit ihnen einschlagen. Darius fühlt eine fremde Macht, die ihn durchfließt und seinen Körper in den eines Raubtieres verwandelt haben muss. Er hat das Gefühl, als wäre er von einer Strömung primitiver Natur erfasst und durch diese von Grund auf restauriert worden. Er ist wiedergeboren - ein neues Alphatier ist in seine Haut geschlüpft. Darius lässt den eigenen Körper noch auf sich wirken, während er jeden einzelnen Muskel seiner Extremitäten anspannt, um die ihm innewohnende, rohe Kraft zu spüren. Mit diesen Erkundungen seiner Selbst zufrieden, lässt er seine Sinne und die Wahrnehmung seiner Umgebung auf sich wirken. Er beginnt mit dem Tastsinn, indem er sich selbst berührt und dann den Kadaver der Kreatur, die ihm seine neue Existenz geschenkt hat. Minuziöse Feinheiten der betasteten Oberflächen lassen sich von seinen Fingerspitzen erschließen. Als Nächstes lässt er seinen Geruchssinn schweifen. Erst riecht er nur sich selbst. Eine Mixtur aus getrocknetem Blut und penetrantem Körpergeruch aus seinen Achseln steigt in seine Nase. Er schiebt diesen intensiven Geruch isoliert und geistig beiseite und riecht nun den Kadaver des Ungeheuers. Die Verwesung scheint noch nicht weit vorangeschritten zu sein, und er erinnert sich an die Gerüche, die in seiner Nase brannten, als das Tier im Begriff war, ihn in Stücke zu reißen. Darius schiebt auch diesen Geruch beiseite, um sich dem Rest der Gerüche in der Höhle zu widmen. Aus der Dunkelheit des hinteren Höhlenbereichs schlägt ihm ein merkwürdiger Geruch entgegen. Es ist ein Geruch, den er auch an sich selbst und an der toten Bestie in Spuren wahrnimmt. Er vermutet, dass es sich um eine Pflanzenart, irgendein Kraut oder etwas Ähnliches handelt. Dieser Geruch passt nicht zum Rest der Geruchssymphonie. Plötzlich schlägt ihm ein intensiver Geruch aus Richtung des Höhleneingangs entgegen. Im einfallenden Sonnenlicht tanzen bläuliche Rauchschwaden, die den Geruch zu ihm tragen. Es riecht nach brennendem Fleisch, ein weiterer Geruch, der ihm vom überstandenen Kampf noch bekannt ist, und einer seltsam intensiven Gewürzmischung. Neugierig wendet Darius seinen Blick in das weiße Portal des Höhleneingangs. Seine Ohren, die bis jetzt nur einzelne Tropfen von Flüssigkeit ausmachen konnten, die in der Stille des hinteren Bereichs der Höhle von den Wänden fallen, nehmen nun Geräusche von Feuer auf. Langsam mischt sich unter diese Geräusche ein kehliger Gesang. Jemand ist vor dem Höhleneingang. Eine Gruppe von Individuen, die vor dieser Höhle ein Feuer machen und singen. Darius ist neugierig. Er geht auf den Eingang zu, fröhlich lächelnd, um zu sehen, was dort vor sich geht.

Als seine Augen sich an die Helligkeit des Sonnenlichts gewöhnt haben, bietet sich Darius ein überraschendes Bild. Vor dem Höhleneingang hat sich eine Gruppe von etwa fünfzig Individuen versammelt. Primitiv gekleidete Humanoiden mit dunkelvioletter Haut. Alle tragen orangefarbene Umhänge, die mit knöchernen Accessoires verziert sind. Gürtel aus Knochen mit Zähnen und Schädeln kleiner Lebewesen. Sie tragen Hals- und Armbänder aus diversen Hörnern und Krallen. Allesamt sind sie groß gewachsen, haben keine Haare auf dem Kopf und wirken ein wenig unterernährt. Die Männer haben orangefarbene Vollbärte, die Frauen tragen orangefarbene Kriegsbemalung. Abgesehen von drei Individuen knien alle Mitglieder der sektenartigen Gruppierung in einer Formation, den Blick auf den Höhleneingang gerichtet. Vor der Gruppe mit dem Rücken zum Höhleneingang gedreht steht eine Art Hohepriester, flankiert von zwei Männern, die Krieger oder Soldaten zu sein scheinen. Sie sind die einzigen Bewaffneten der Gruppe, soweit Darius es erkennen kann. Neben dem Anführer und seiner Leibwache steht ein Wagen, auf dem ein Pfahl montiert ist. An den Pfahl gebunden ist eine nackte Frau. Sie steht in Flammen. Die Knienden singen ein kehliges Mantra. Es muss sich um eine religiöse Opferzeremonie handeln. Darius beobachtet die Szenerie amüsiert. Als er noch einen weiteren Schritt aus dem Schatten der Höhle macht, erspäht ihn eine der knienden Frauen. Sie stößt einen lauten Schrei aus, was die Zeremonie abrupt im Keim erstickt. Als alle Beteiligten ihrem Blick folgen und auch ihr Anführer mit seiner Garde sich umdreht, um zu sehen, was den Ablauf stört, entsteht eine intensive Stille, die nur von den Geräuschen des brennenden Fleisches der Frau am Pfahl durchbrochen wird. Nach diesem kurzen Moment der Verwirrung und des Schocks bricht Chaos unter den Knienden aus. Sie rufen wild durcheinander, manche richten sich taumelnd auf. Erst als der Hohepriester sich wieder zu ihnen umdreht und ihnen ein Kommando zur Ruhe entgegenschmettert, verstummen sie und ordnen sich wieder in ihre kniende Formation ein. Manche zittern vor Angst und Verwirrung.

Der Hohepriester macht eine bedachte Kehrtwende und richtet nun seinen ernsten Blick auf Darius. Seine Leibwache tut es ihm gleich. Er ist ein älterer, weise anmutender Mann, und er trägt eine aufwendige Krone aus Hörnern, die sich etwa einen halben Meter in die Höhe schlängeln. Kristalle sind in den Kopfschmuck eingearbeitet und lassen ein kleines Lichtspektakel aus den auf sie fallenden Sonnenstrahlen entstehen. Auch sein Umhang weist aufwendige Verzierungen auf. Seine Schultern sind durch Knochenplatten mit einem zackigen Rand aus Zähnen verstärkt. Er trägt eine Art Kettenhemd aus kleinen Knochen. In seiner knotigen rechten Hand hält er einen Stock, an dessen himmelwärts gerichtetem Ende ein großes Juwel leuchtet, umschlungen von lebendigen Pflanzentrieben. Die beiden Krieger zu seiner Seite überragen ihn um einen Kopf und sind ebenfalls in eine primitive Rüstung aus Knochen und Hörnern gekleidet. Ihre Waffen sind lange Stöcke, an deren Ende sich ein Kranz aus spitzen Hörnern befindet. Aus der Mitte des Kranzes überragt ein langes dolchartiges Horn die anderen. Die Waffen können schwere Verletzungen zufügen, sowohl durch das Aufspießen in Form von Stößen als auch durch Schläge. Beide groß gewachsenen Leibwächter legen simultan die zweite Hand an ihre Waffe und richten das unheilbringende Ende in Darius’ Richtung. Darius grinst und macht einen weiteren Schritt auf die Gruppierung zu.

Der Hohepriester donnert in Darius’ Richtung: „Halt, Fremder, oder der nächste Schritt ist dein Letzter.“ Darius versteht diese Sprache. Er weiß nicht, ob es seine Muttersprache ist, doch das interessiert ihn in diesem Moment auch nicht. Er bleibt stehen und muss laut lachen. Die beiden primitiven Krieger mit ihren altertümlichen Speeren beunruhigen ihn nicht im Geringsten, auch wenn sie ihn ebenfalls um mindestens einen Kopf überragen. Der Zeremonienleiter ist über das respektlose Gelächter des Fremden sichtlich verärgert. „Fremder, das ist deine letzte Chance. Ein Wort von mir, und diese Krieger werden dich zu Hackfleisch zerklopfen.“ Darius hört auf zu lachen. Er ist neugierig, was hier vor sich geht. „Was ist das Problem, alter Mann? Ich habe keine Angst vor dir und deiner komischen Bande. Habt ihr vor, die da zu fressen, ihr widerlicher Abschaum?“ Darius deutet nickend in Richtung der brennenden Frau am Pflock auf dem Wagen. „Du störst hier eine heilige Zeremonie. Wir bringen eine Opfergabe zum Kreataurus, damit wir um eine gute Ernte und ein fruchtbares Jahr bitten können“, erwidert der verärgerte Hohepriester. „Soso, Kreataurus“, gibt Darius belustigt zurück und fragt: „Nennt ihr so das Ungetüm, das da in der Höhle liegt?“ Das hört der Geistliche nicht gern. „Blasphemist, was weißt du schon über Kreatauren? Sie sind die mächtigsten unserer Götter, und wenn du nur einen Fuß in eine ihrer Höhlen setzen würdest, würden sie dich in Stücke reißen.“ Darius krümmt sich vor Lachen, was den Hohepriester dazu bringt, seiner Leibwache einen Befehl zu erteilen: „Der Kreataurus wird sich heute über eine zusätzliche Opfergabe freuen dürfen. Erschlagt den Ketzer!“ Die beiden Krieger rennen behände auf Darius zu. Dank ihrer langen Beine sind sie in wenigen Sprüngen bei ihm. Einer der beiden führt seine Waffe wie eine Lanze, um sein Ziel aufzuspießen, während der andere sie hoch über dem Kopf hält, um Darius den Schädel einzuschlagen. Was sich in Wirklichkeit binnen eines Bruchteils einer Sekunde abspielt, nimmt Darius wie in Zeitlupe wahr. Mit einer sanften Handbewegung lenkt er die Spitze des Speeres, der ihn aufzuspießen droht, an seinem Körper vorbei. Gleichzeitig macht er einen Katzensprung in Richtung des Kriegers, der seine Waffe in vollem Lauf gerade auf seinen Schädel niedersausen lassen will. So kann er seinen Ellenbogen herabsausen lassen, um den Stab des Speeres abzuschlagen. Dennoch lässt er den Krieger weiter vorstoßen und landet einen wuchtigen Schlag auf dessen Unterkiefer. Darius ist von seiner eigenen Kraft überrascht, obgleich er auch zuvor schon geahnt hat, dass etwas Mächtiges in ihm schlummert. Der junge Krieger, dem er soeben den Kiefer zertrümmert hat, wird von den Beinen gehoben, da diese ihren Lauf weiterführen wollen, sein Kopf jedoch von Darius’ Ellenbogen in der Luft zur Vollbremsung genötigt wird. Er landet, Blut aus der Ruine seines Mundes quellend, im Staub. Der zweite Angreifer, den Darius ins Leere laufen ließ, wendet sich blitzschnell herum. Im Konzert dieser Bewegung schwingt er seine Waffe in der Horizontalen herum, um einen effektiven Seitenhieb auszuführen. Darius überlegt kurz, ob er einfach über die Waffe springen und dem Angriff so ausweichen soll, entscheidet sich aber dagegen. Das würde wahrscheinlich ziemlich lächerlich aussehen, und er möchte hier unbedingt einen bedrohlichen Eindruck hinterlassen. Er tritt mitten in seiner Bewegung auf den Stab der geschwungenen Waffe, was den Kopfteil der Waffe in den Sand treibt und den Schaft zum Bersten bringt. Der Krieger, der die Waffe gegen ihn geschwungen hat, wird durch den plötzlichen Druck auf den Stiel aus dem Gleichgewicht gebracht. Er fällt nach vorn auf alle viere in den Staub. Darius sieht seine Gelegenheit und führt mit dem Bein, das nicht auf der Waffe steht, einen kraftvollen Tritt gegen den Schädel des jungen Mannes aus. Der wuchtige Aufprall des Fußrückens auf dem Kiefer des Unglücklichen reißt ihm den Kopf von den Schultern und lässt diesen weit in die Ferne fliegen. Wieder ist Darius von seiner eigenen Kraft überrascht. Belustigt von der beeindruckenden Flugbahn, die der abgetrennte Kopf vollführt, bevor dieser außer Sicht hinter einem kleinen Hügel verschwindet, lächelt Darius. Fast beiläufig langt er nach dem abgebrochenen Kopf der Waffe des Enthaupteten, auf die er gestiegen war, und zieht ihn aus dem Sand. In einer unscheinbaren Bewegung aus dem Unterarm schleudert er das lange Horn der Speerspitze in die Brust des immer noch Blut gurgelnden zweiten Kriegers, der nicht weit von ihm am Boden liegt. Seine Kontrahenten liegen tot im Staub. Darius reibt sich die Hände und wendet sich wieder dem Priester zu, hinter dem eine Formation wässriger Augen und offener Münder seiner Gemeinde ungläubig auf den Fremden gerichtet sind.

Eine Mischung aus Heulen und Jammern legt sich über die immer noch knienden Jünger des Hohepriesters. Er dreht sich zornig um. „Schweigt, ihr Jammerlappen“, entfährt es ihm fauchend. Dann wendet er sich wieder Darius zu, der steten Schrittes auf ihn zukommt. Kurz scheint der Geistliche mit dem Gedanken zu spielen, ob er sich aus dem Staub machen soll, doch dann schöpft er, unglücklicherweise, Kraft aus seiner Rolle als Gottgesandter. „Mörder!“, schreit er anklagend. „Die Götter werden dich auslöschen, du barbarischer Frevler!“ Darius bleibt etwa eine Armlänge von dem alten Mann entfernt stehen. „Alter Mann, deine Götter können mir gar nichts.“ Der Priester ignoriert das breite Grinsen, das erneut seinen Weg auf Darius’ Gesicht findet. „Der Kreataurus wird deine hässliche Fratze in tausend Stücke reißen. Neben Fruchtbarkeit und Wonne können die Allmächtigen auch Verderben und Schmerz säen.“ Darius fragt spottend: „Das ist euer Gott? Die Kreatur im Loch, der ihr regelmäßig gegrillte Mädels zum Fraß vorwerft?“ „Einer von vielen“, erwidert der Hohepriester, mehr für seine Glaubensgemeinschaft als für sein Gegenüber, und fährt fort: „Wir haben das Glück, von vielen Göttern behütet zu werden.“ Der Priester lächelt seiner Gemeinde zu und spottet dann zu Darius: „Du kannst ja mal dein Glück versuchen und einen Fuß in seinen heiligen Schatten setzen. Dann wirst du sehen, was ein Gott mit Abschaum wie dir anstellt.“ Darius unterdrückt das in ihm aufbrandende Lachen, um seiner Antwort mehr Gewicht zu verleihen. „Dieses … Getier, das ihr da in der Höhle durchfüttert, ist tot. Ich habe es getötet - euren Gott gemeuchelt. Nur, dass es sich nicht um einen Gott handelt. Es war eine rein irdische Kreatur - Blut, Schleim und Zähne - mehr nicht. Ich habe ihm das Leben durch sein Auge rausgelutscht.“ Das Gesicht des Priesters verzieht sich zu einer Fratze aus Wut und Hass. Er hebt seinen Stab in die Höhe und schreit aus vollem Halse: „Kreataurus, die Opferdirne ist dargeboten!“ Seine Gemeinde beginnt erst zögerlich, dann wie in Trance erneut den kehligen Kanon aus unverständlichen Silben zu singen. Die Sonne fällt durch das große Juwel am Ende des Zepters, das der Geistliche emporstreckt, und wird zu einem dichten Strahl gebündelt, den der Alte mit einer gekonnten Handbewegung in die Höhle hineinleitet. Darius verfolgt das Schauspiel geduldig und wartet ab, wie lange es braucht, bis die Gläubigen merken, dass ihr Gott nicht kommen wird.

Mit verschränkten Armen beobachtet er, wie Zweifel im Priester und seiner Gefolgschaft aufkommen. Nervös werdend versucht der Priester den Lichtstrahl genauer in die Höhle einzupassen - nichts passiert. Nach mehreren Minuten beginnen die Knienden hinter ihm vereinzelt ihre Köpfe zu heben und besorgte Blicke in Richtung des Höhleneingangs zu werfen. Resignierend lässt der Priester seinen Stock sinken, und seine Gefolgschaft verstummt abrupt. Der alte Mann wirft einen zornigen Blick auf Darius. Tränen füllen seine Augen, und seine Unterlippe beginnt zu beben. Darius versucht sachlich zu argumentieren. „Ich habe es euch gesagt. Das Viech ist tot. Verreckt im eigenen Saft. Ich habe es getötet. Es war kein Gott. Es hat nichts mit eurer Ernte zu tun, und ihr müsst von nun an keine jungen Frauen mehr am Spieß braten.“ Die Stimme des Priesters bricht fast, als er Darius anschreit. „Du bist das Vieh, das Tier, das elende Gefleuch! Du hast uns unserer Erlösung beraubt - du mordender Untermensch -, doch wir haben viele Götter, und die sind rachsüchtig. Dein Hochmut wird dein Untergang sein.“ Darius kann sich ein Lachen nicht verkneifen, während der Priester weiter in seine Richtung schreit. Speichelfäden hängen an seinem Mund herab. „Wenn es denn sein muss, labe ich mich am Blut all eurer falschen Götter.“ Er weiß selbst nicht, wieso er das gesagt hat, doch die epische Schimpferei des Priesters hat auch ihn zu großen Proklamationen angestachelt. Er selbst hat eigentlich kein Interesse an dieser primitiven Sekte und dem Höhlengetier, das sie anbeten. Für den Hohepriester waren die Worte jedoch zu viel. Er greift unter sein zeremonielles Gewand und zieht einen kleinen Plasmarevolver hervor. Überrascht beobachtet Darius, wie der Priester die Waffe auf seinen Kopf richtet und abdrückt.

Er neigt seinen Kopf so weit zur Seite, dass der weiß glühende Plasmazapfen nur wenige Zentimeter daran vorbeisaust. Kurz verspürt er Hitze am Ohr, und seine versengten Haare kräuseln sich. Er beobachtet, wie der Ausdruck von Hass und Mordlust auf dem Gesicht des Alten in sich zusammenfällt. Als dieser realisiert, dass sein Ass im Ärmel ein Schuss ins Leere geblieben ist, fällt dem Priester das Gesicht vom Schädel. Mit der Erkenntnis, dass er einen fatalen Fehler begangen hat und nun mit dem Leben dafür bezahlen muss, verschwindet jegliche Würde aus seinem Antlitz. Darius greift den die Waffe führenden Unterarm und bricht ihn entzwei wie eine Stange trockenes Brot. Der Verletzte heult auf wie eine räudige Katze, was ihn seines letzten Funkens Würde beraubt. Ein Raunen geht durch die mit wieder weit geöffneten Augen und Mündern zusehende Gefolgschaft des bald Verschiedenen. Der Priester lässt seine Waffe fallen, torkelt einen Schritt zurück und lässt seinen wertvollen Stab los, um sich den gebrochenen Arm zu halten. Darius greift das Zeremonienutensil und lässt das schwere Juwel an dessen Ende auf den gebrochenen Mann niedersausen. Der hat keine Chance. Immer weiter sackt er in sich zusammen, während der große Edelstein sein Fleisch und seine Knochen in Matsch und Mehl verwandelt. Darius braucht entschieden zu lange, um sich wieder zu fangen und damit aufzuhören, den längst leblosen Kadaver weiter weichzuklopfen. Er stellt den Stock neben sich und hält ihn wie die Trophäe seines Sieges – ein Sieg über einen gebrechlichen alten Mann, der niemals auch nur die geringste Chance gegen ihn hatte. Dennoch hatte der Alte zu Beginn eine Schusswaffe, von der er auch Gebrauch machte. Das ist Grund genug für Darius, ein stolzes Lächeln zu tragen, als er seinen triumphalen Blick über die Gefolgschaft des Zermatschten schweifen lässt. Die Blicke, die ihm entgegenspringen, sind erfüllt von Verzweiflung, Angst und Schock. Die jetzt hirtenlosen Schafe beginnen zu schreien, ihr Leid zu klagen und laut zu heulen. Ein Tumult bricht unter ihnen aus, als sie aufstehen und wie aufgescheuchte Hühner in alle Richtungen davonspringen. Darius beobachtet, wie die Menge nach kurzem Chaos schließlich einen gemeinsamen Weg findet und diesem folgend in die Ferne verschwindet. Mit seltsamer Zufriedenheit genießt er die Furcht, die er durch seine neu gefundene Macht im einfachen Pöbel entfachen kann. Er ist nun selbst eine Art Gott oder Teufel für diese Primitivlinge, und diese Erkenntnis entlockt ihm ein weiteres Lachen.

Kapitel 2

Nach einer kurzen Weile, in der er sich in Genugtuung gesuhlt hat, muss sich Darius eingestehen, dass er nicht weiß, was als Nächstes passieren soll. Er steht allein in der wüstenartigen Landschaft, deren Sand er soeben mit Blut getränkt hat, und überlegt, was er nun tun soll. Nicht weit von ihm entfernt bröselt die abgebrannte Leiche der jungen Frau zu einem Haufen verkohlten Fleisches an dem Pfahl herunter. Er wirft, von frischer Abscheu gegenüber dieser Sekte gepackt, den zeremoniellen Stab des Priesters in den Staub. Da fällt ihm auf, dass er nackt ist. Er betrachtet seinen Körper. Seine Haut sieht furchtbar aus. Innerlich scheint er geheilt zu sein, doch äußerlich ist er übersät von Spuren des Kampfes mit der Kreatur. Risse, Blasen und große Löcher übersäen seinen Körper. Er kann nur erahnen, in welchem Zustand sich sein Gesicht befindet. Er beschließt, das Gewand des Hohepriesters an sich zu nehmen. Er zieht den Umhang und das knöcherne Kettenhemd von der blutigen Masse ihres früheren Eigentümers und legt sie an. Nicht aus Scham, nein, er möchte sich lediglich vor der gleißenden Sonne dieses Planeten schützen. Er hält das für eine gute Idee, obwohl er sich nicht sicher ist, ob da überhaupt noch viel intakte Haut übrig ist, die einen Sonnenbrand bekommen könnte. Darius fühlt sich nun bereit aufzubrechen, auch wenn er noch nicht weiß, wohin. Er blickt auf den Weg, auf dem die Schafe verschwunden sind, doch sein Gefühl sagt ihm, dass er nicht aus dieser Richtung kam, bevor er in die Höhle getreten ist. In seiner fast ausschließlich auf den Kampf beschränkten Erinnerung grabend, versucht er herauszufinden, von wo sein Weg ihn herführte. Er blickt sich um und entdeckt auf einem entfernten Hügel eine Art Pforte zwischen zwei hohen Steinen, auf denen ein dritter querliegt, dessen Anblick ein kleines Licht tief in der Dunkelheit seiner Vergangenheit entzündet. Darius ist überzeugt, dass er diese Pforte durchschritten hat, und setzt sich in diese Richtung in Bewegung.

Während er einsam durch die Landschaft schreitet, beginnt Darius allmählich, sich Sorgen zu machen. Jetzt, wo kein Blut zu vergießen ist, wird ihm zunehmend bewusst, wie verloren er ist. Er hat keine Vergangenheit, was es ihm schwer macht, eine konkrete Vorstellung seiner Pläne für die Zukunft zu haben. Woher kommt er? Was hat er in der Höhle gemacht? Die Ungewissheit deprimiert ihn. Was soll er tun, falls seine Erinnerung ihn nicht wieder einholt? Was, wenn er hinter dem Steinportal keine Antwort auf seine Fragen findet? Was, wenn er dahinter nur endlose Weiten dieser verdammten Wüstenlandschaft findet? Die Euphorie und das Adrenalin der errungenen Siege verlassen ihn. Ihm ist jetzt eher zum Heulen zumute. Darius schlägt sich selbst etwas zu fest mit der flachen Hand auf die linke Gesichtshälfte. Seine Haut heizt sich in Form eines Protests an der getroffenen Stelle kurz unangenehm auf. „Reiß dich zusammen, Mann!“, schreit er sich selbst an. Das hilft. Er atmet tief ein und setzt seinen Trott fort. Er wird Antworten finden. Hinter dem Steinportal, ja, dort wird das nächste Puzzlestück auf ihn warten. Nach und nach wird sich alles zusammenfügen und er wird wieder eine vollwertige Person sein. Er stößt einen anspornenden Urlaut in die Leere des Sandmeeres aus und erhöht sein Schritttempo.

Das Steinportal ist nur noch wenige Meter von Darius entfernt. Nervosität macht sich in seinem Innern breit, doch er schafft es, sie zurückzudrängen und zuversichtlich auf das Tor zuzumarschieren. Da es auf einem Hügelkamm steht, sieht Darius noch nicht, was ihn dahinter erwartet. Als er es durchschreitet, macht sein Herz einen vorsichtigen Freudensprung. Am Fuße der anderen Seite des Hügelkammes steht ein Raumschiff – vermutlich sein Raumschiff. Es ist etwa vierzig Meter lang und läuft, gleich einer feuerroten Klinge, vorne zu einer scharfen Spitze zusammen. Vier große, multidirektional schwenkbare Antriebsköcher zeugen von seiner Agilität und Geschwindigkeit. Der tiefblaue Reif aus Antimaterie-Spindeln, der sich vom Rücken bis zur Stirn des Schiffes krümmt, zeugt von seinen Raumfaltkapazitäten und verleiht ihm ein gewisses Irokesen-Flair. Wie die Krallen eines Greifvogels halten zwei Standbeine das Schiff zwei Meter über dem Boden. An den Wangen der Maschine sind, geschmeidig in die Hülle eingearbeitet, zwei mächtige Antimaterie-Torpedorohre angebracht, die fast halb so lang sind wie das gesamte Gefährt. Wo der Schmutz und die Kratzer die Oberfläche nicht stumpf gemacht haben, reflektiert die rote Hülle das Sonnenlicht mit tanzenden Reflexen. Es ist das Wunderbarste, das Darius je gesehen hat, zumindest soweit seine Erinnerung zurückreicht. Eine Freudenträne kullert seine schrundige Wange herunter, als er mit offenen Armen auf sein Schiff zuläuft.

Vor dem Raumschiff angekommen, fällt Darius überglücklich auf die Knie. Es ist nicht nur ein Schiff. Es ist sein Ticket von diesem grottenhässlichen Scheißplaneten und den debilen Spastikern, die er beheimatet, zurück in sein ursprüngliches Leben, von dessen überlegener Qualität er völlig überzeugt ist. Erinnerungsblitze an Zivilisation, an weiche Betten, gutes Essen und moderne Hygienestandards blitzen auf. Erinnerungen an die Weiten des Alls und seine vielen Welten, nichts Konkretes, nur Ahnungen von vorangegangenen Reisen durchfluten die beklemmende Ödnis seiner ihm bekannten Vorgeschichte wie Bilder, die sich für einen Sekundenbruchteil in aufgewirbeltem Staub manifestieren. Mit Wohlgefallen überkommt ihn die Gewissheit, dass er nur kurz auf diesem Planeten ist, dass dies nicht seine Heimat ist, sondern nur eine Fußnote seines Lebens. Er ist keine Sandratte, kein Höhlenmensch und muss sich nicht auf Dauer mit dieser unerträglich trockenen Hitze anfreunden. Er ist ein Mann, der in der ganzen Galaxie zu Hause ist. Diese Erkenntnis lässt ihn ein ekstatisches, von Glück erfülltes Jauchzen in den Himmel schicken. Dieser Freudenschrei lässt das Raumschiff mit einem Summen zum Leben erwachen. An seiner Seite öffnet sich ein leuchtender Schlitz. Erst langsam, dann schneller entfaltet sich von der Öffnung ausgehend, in seiner Eleganz an die Pinselstriche eines Künstlers erinnernd, ein Eingang in das Schiff. Als die Entfaltung vollendet ist und die Einsteigrampe einladend den Boden berührt, erschüttern zwei laute Donnerschläge das Firmament.

Darius blickt gen Himmel und erblickt zwei schwarze Punkte, die mit halsbrecherischer Geschwindigkeit auf ihn zugeschossen kommen. Mit einem Geräusch, das klingt, als würden sie die Luft zerreißen, kommen die Gestalten näher, und Darius erkennt, dass es sich um zwei stark gepanzerte humanoide Formen handelt, die, mit Sprungdüsen ausgestattet, auf ihn zugeflogen kommen. In kurzem Abstand schlagen die beiden, von den Bremsdüsen ihres Fortbewegungsrucksackes vor Verletzungen bewahrt, zehn Meter von Darius entfernt auf. Ihre schuppenartig segmentierte, tiefschwarze Rüstung gibt ihnen ein kräftiges, agiles Aussehen. Beide tragen geschlossene mattschwarze Helme mit jeweils zwei übereinander platzierten Objektiven an den Schläfen. Eine scharfe Kante zieht sich mittig vorne von der Stirn hinunter bis zum Kinn, wo sie im den Hals beschützenden Kragen der Rüstung verschwindet. Auf der Stirn teilt sich die Kante entzwei und geht an beiden Seiten bis zum Hinterkopf, wo sie in zwei kurzen Flossen endet. Darius fragt sich, ob es sich um Lebewesen oder Maschinen handelt.

Als Darius sich den Neuankömmlingen zuwendet, hebt der größere der beiden seinen linken Arm in die Waagrechte. Aus dessen Unterarm entfaltet sich in zwei Teilen eine Waffe, deren Kolben er in seine rechte Schulter drückt. Ein hochtöniges Summen begleitet den Vorgang. Sobald der lang ausgefahrene Lauf und der hintere Bereich eingerastet sind, feuert das Ding in der Rüstung einen Schuss in den Boden zwischen Darius’ großen Zehen. „Wiederstand wird mit dem Tod bestraft“, proklamiert eine tiefe Männerstimme aus dem Helm des Schützen, als er den Lauf der Waffe auf Darius’ Kopf richtet. Der zeigt ihm seine Handflächen und hebt sie neben sein beschwichtigend lächelndes Gesicht. „Mit wem habe ich die Ehre?“ Die Frage stellt Darius mit einem verschmitzten Augenzwinkern. „Wir sind Offiziere der Rechtsschutzstaffel des interstellaren Konzils unter Sagatori. Wir haben die Order, Sie festzunehmen und im Falle von Gegenwehr Ihrem Leben ein Ende zu setzen. Ergeben Sie sich kampflos, dann bringen wir Sie zur nächsten Gerichtsstation, wo Sie Ihr Urteil erfahren und Ihre Strafe empfangen werden.“ Darius ist immer noch nicht sicher, ob er Roboter oder Humanoide in Rüstung vor sich stehen hat, und die emotionslose Art, in der zu ihm gesprochen wird, ist auch keine Hilfe. Darius ist neugierig und spielt das Spiel vorläufig mit. Er fragt: „Was wird mir zur Last gelegt?“ Ohne den Lauf zu senken, antwortet der Offizier: „Sie stehen unter dem dringlichen Verdacht, dieses Raumfahrzeug gestohlen zu haben. Ein Verbrechen, das üblicherweise, wenn keine früheren Vergehen vorhanden sind, eine Lebenszeitreduktion auf 70 Jahre nach sich zieht. Bitte drehen Sie sich um, damit mein Unteroffizier Ihnen das Haftgel auftragen kann.“ Der kleinere der beiden Beamten will sich in Darius’ Richtung in Bewegung setzen, doch der spricht ein trotziges: „Nein.“

Das hochtönige Summen ertönt erneut, und Darius macht sich darauf gefasst, einem Schuss ausweichen zu müssen. Was er nicht erwartet hat, ist, dass eine schier unaufhörliche Salve an Projektilen auf ihn abgefeuert wird. Das hochtönige Summen gemeinsam mit den Zischgeräuschen der fünfmal pro Sekunde gezündeten Schüsse erzeugt einen hektischen Rhythmus. Während Darius, dank der katzenartigen Agilität seiner Beine, seinen Körper aus der ihn verfolgenden Schusslinie bringt, sieht er im Augenwinkel, dass der zweite Beamte seine Waffe in Position bringt, um ebenfalls auf ihn zu feuern. Bei zwei Schützen könnte es eng für ihn werden, da er schon bei einem an die Grenzen seiner Agilität stößt, um nicht getroffen zu werden. Er vollführt einen Hechtsprung und hebt beim Abrollen einen Stein vom Boden auf. Sofort weiter nach vorne preschend, immer nur Zentimeter vor den im Boden einschlagenden Projektilen, vollführt er eine grazile Rotation um die eigene Achse, um seinen Wurf aufzuladen. Als er den Schützen nach der Drehung wieder vor sich hat, schleudert er den Stein. Der Schütze wird mitten in den Helm getroffen. Seine enorme Geschwindigkeit lässt den Stein das behelmte Haupt durchschlagen, als wäre es aus Gelatine. Die Menge an Blut, Knochensplittern und Gehirnmasse, die dadurch das Licht der Welt erblickt, verschafft Darius die Gewissheit, dass es sich bei den Offizieren um Humanoide handelt. Der mit einem frischen Lüftungsloch ausgestattete Schütze feuert noch weiter seine Waffe auf Hochtouren, die Einschläge verfolgen Darius jedoch nicht mehr. Immer noch Projektile sprühend, fällt er leblos vornüber und die dampfende Mündung seiner Waffe verstummt. Darius ist erneut höchst zufrieden mit seinem Handwerk, als ein Projektil seine Schulter durchschlägt. Da er abgelenkt war, hat er es nicht mehr rechtzeitig geschafft, die Schulter aus der Schusslinie zu ziehen. Das nächste Projektil sieht er jedoch früh genug und vermeidet somit einen weiteren Treffer. Der Unteroffizier hat hinter einem der Standfüße des Raumschiffes Deckung gesucht und feuert nun seine Salven auf Darius, dem die Rennerei schon auf den Zeiger geht.

Mit einem weiteren Hechtsprung findet Darius Deckung hinter einem großen Steinblock. Nach fünfzig Schüssen in den Stein, dessen Desintegration Darius mit einer Staubwolke einnebelt, scheint der Unteroffizier zu verstehen, dass die Deckung standhält, und unterlässt das Feuern. Darius ist erleichtert, dass die nervende Rennerei vorübergehend ausgesetzt ist. Er schnappt sich einen weiteren Stein vom Boden, weiß aber nicht, ob er wirklich noch mal dasselbe Manöver verwenden will, um sich seines Kontrahenten zu entledigen. Das findet er langweilig, und außerdem hat er ein rauchendes Loch in der Schulter auf der Seite seiner Wurfhand. Während er noch überlegt, landet neben ihm am Boden ein glühendes, orangefarbenes Oval. Darius nimmt sich kurz Zeit für einen genervten Seufzer und richtet sich dann pfeilschnell auf. Er setzt einen Fuß auf den Stein, der ihm Deckung gegeben hat, und stößt sich mit aller Kraft in die Höhe. Als er eine Sprunghöhe von drei Metern erreicht hat, explodiert das Oval unter ihm. Der Druck dieser Explosion katapultiert ihn auf eine Höhe von fast zwanzig Metern, und glücklicherweise hat er seine Flugbahn fast perfekt vorberechnet. Er befindet sich direkt über dem Raumschiff, als sein Abflug wieder nach unten geht. Darius dreht sich vertikal um die eigene Achse und landet, knapp an einem der großen Antriebsköcher des Schiffes vorbei, auf der anderen Seite des Gefährts. Nur wenige Meter vor ihm kauert der Unteroffizier hinter dem Standbein des Schiffes und hat seine Waffe auf die Nebelwolke gerichtet, die den Stein umgibt. Als er Darius’ Aufschlag hinter sich hört, versucht er noch, seine Waffe herumzureißen, doch vergeblich – er ist zu langsam. Darius hat ihn bereits erreicht und reißt die Waffe aus der Verankerung im linken Unterarm der Rüstung, was dem Beamten den Arm bricht. Aus der rechten Faust der Rüstung fährt eine blau glühende Klinge. Darius ist beeindruckt, aber nicht sonderlich besorgt, als der Offizier das fünfundzwanzig Zentimeter lange Bajonett in seinem Hals versenken will. Er packt den Angreifer am Handgelenk und schleudert ihn mühelos, als wäre dieser ein Sack Federn, fünfzehn Meter weit fort in den Sand. Beim Aufschlag verliert der Unteroffizier seinen Helm und kurzzeitig auch das Bewusstsein. Darius hält die abgerissene Waffe wie einen Baseballschläger in der einen Hand und schlägt sich damit in die Innenfläche der anderen. Grinsend geht er auf den allmählich wieder zu sich kommenden Unteroffizier zu. Der versucht, in eine Kriechposition zu kommen, scheitert aber an seinem gebrochenen Arm. Darius erreicht ihn fröhlich, aber unschön pfeifend und tritt ihn in die Seite, um den Beamten auf den Rücken zu drehen. Als dieser auf dem Rücken liegt, zieht Darius fröhlich überrascht die Augenbrauen hoch. Der Unteroffizier ist eine Frau. Das weckt sein Interesse. Darius schlägt ihr den Kolben der Waffe mit gut abgemessener Härte gegen den Kopf, um sie zu betäuben. Dann legt er sie über seine nicht durchlöcherte Schulter und trägt sie ins Raumschiff.

Im Schiffsinneren legt er die Unteroffizierin auf den Boden. Mit ein wenig Gewalt kann er ihr die Handschuhe und die Stiefel ihrer Rüstung abnehmen, sodass ihre Hände und Füße entblößt sind. Er durchsucht das Äußere der Rüstung und findet im linken Hüftbereich die Kartusche, die seiner Meinung nach das erwähnte Haftgel enthalten muss. Mit fröhlichem Gesumme dreht er sie auf den Bauch und hebt ihre Füße an. Er ist froh, dass es sich tatsächlich um das Gel handelt und nicht um selbst entzündendes Napalm oder Ähnliches, als er es mit der Dose auf die Fußsohlen der Frau aufträgt. Er klebt der Bewusstlosen die Handflächen auf die Fußsohlen, um sie bewegungsunfähig zu machen, und dreht sie anschließend wieder auf die Seite. Darius will sich das Gesicht der jungen Frau nochmals ansehen. „Nicht schlecht“, murmelt er, betrachtet die Bewusstlose noch kurz und richtet sich dann auf.

Darius blickt sich kurz im Raumschiff um. Die Sauberkeit, die Ordnung und die völlige Abwesenheit wilder Natur erfüllen ihn mit Ruhe und Zufriedenheit. Der einzige Schandfleck in dieser Perfektion ist er selbst und die dreckigen Lumpen, die er trägt. Er geht zum Eingang des Schiffes, entledigt sich der Kleidung des Hohepriesters und wirft sie hinaus. Wieder von unterbewussten Erinnerungen getrieben, drückt er einen Knopf an der Seite des Raumschiffs. Über ihm kommt eine Art Duschkopf aus der Decke gefahren, und unter ihm öffnet sich ein quadratischer Abfluss, der an jeder Seite etwa einen Meter misst. Von oben herab wird er in einer Art Dampftornado eingeschlossen. Mit hoher Windgeschwindigkeit reinigen die Wasserpartikel seinen Körper und werden unter seinen Beinen in die geöffneten Abflussschlitze gesaugt. Das Ganze dauert nur zwanzig Sekunden. Danach verschwinden die Wasserpartikel aus dem Tornado, und die heiße Luft trocknet ihn in nur fünf Sekunden. Die Abflussschlitze schließen sich und der Duschkopf verschwindet wieder in der Decke. Er stößt einen kehligen Laut der Genugtuung aus. Von seinem eigenen Instinkt gesteuert, öffnet er ein Fach in der Wand und findet darin einen grau-gelben Overall. Er schlüpft hinein, und das Kleidungsstück passt sich an seine Konturen an. Die Knie- und Ellenbogenpartien des Overalls weisen schwarze Verstärkungen auf, und am Rücken entlang der Wirbelsäule befindet sich ebenfalls eine solche Verstärkung. Jetzt verspürt er wirklich das Gefühl, zu Hause angekommen zu sein – bis er seine Reflektion im Spiegel sieht. Das sieht nicht gut aus. Er kann nur erahnen, wie sein Gesicht aussah, bevor er in die Höhle trat, doch das, was ihm jetzt entgegenstarrt, erschreckt ihn. Die Haut ist fast gänzlich von Brandnarben durchfurcht. Seine Augen sind tief eingesunken, und was früher weiß war, ist nun eine Emulsion aus Gelb und Rot. Eine Augenfarbe hat er nicht mehr. Aus seinen Augen sind tiefschwarze Teller geworden. Sein Haupthaar, seine Augenbrauen und sein Stoppelbart wurden entweder von den Flammen aus dem Schlund des Kreataurus verschont oder sind auf wundersame Weise nachgewachsen. Sie alle haben jetzt eine dunkelblaue, fast schwarze Farbe. Der einzige Lichtblick in dieser Höllenvisage, die ihm aus dem Spiegel entgegenblickt, sind seine Zähne. Sie leuchten weiß wie Schwanenfedern hinter seinen aufgesprungenen Lippen hervor. Darius wirft noch einen letzten Blick auf diese Massenkarambolage der Hässlichkeit und zuckt dann mit den Schultern. Lächelnd wendet er sich vom Spiegel ab.

Darius geht in den Cockpitbereich des Raumschiffsinneren und lässt sich in den Pilotensessel fallen. Umgeben von Bildschirmen weiß er intuitiv sofort, wofür welcher der Monitore zuständig ist. Er ist überaus froh darüber und überlegt kurz, ob er seine Geisel von Bord werfen soll, entscheidet sich dann aber dagegen. Er will sie vorher zumindest noch befragen – und sich ein wenig an den angenehmen Zügen ihres Gesichtes erfreuen. Mühelos findet er den Monitor, der sämtliche Hüllenfunktionen steuert, und lässt den Eingang zuklappen. Er startet sämtliche Systeme des Gefährts hoch und macht es flugbereit. Dann hält er kurz inne. Er überlegt, wo er überhaupt hinwill. In diesem Moment findet er das Logbuchsystem des Schiffes und will nachsehen, aus welcher Richtung er gekommen ist, doch das Fahrtenbuch ist leer. Er zuckt wieder mit den Schultern und spricht zu sich selbst: „Hauptsache runter von diesem Drecksplaneten.” Mit ein paar Wischbewegungen und Zahleneingaben, die Darius locker von der Hand gehen, bringt er das Schiff zum Abheben. Die großen Antriebsköcher richten sich unabhängig voneinander in die benötigte Richtung aus. Staub wird aufgewirbelt, als die Köcher das Schiff mit kräftigen Ionenstößen von der Planetenoberfläche lösen. Erst bleibt das Schiff in der Waagrechten, doch dann drehen sich die Antriebe um neunzig Grad und stellen es in die Senkrechte. Im Inneren ist davon nichts zu merken, da ein Gravitationsfeld installiert ist. Auch als die Ionenstrahler das Raumschiff innerhalb weniger Sekunden auf Maximalgeschwindigkeit beschleunigen, ist im Cockpit davon nichts zu spüren. Darius wirft einen Blick auf die Monitore. Eines der Displays betrifft den Raumfaltkranz. Es hat eine große Schaltfläche, auf der „Aufladen“ geschrieben steht. Er drückt darauf, und die Anzeige verrät ihm, dass eine Raumfaltung in vier Stunden möglich ist. Jetzt widmet er sich dem Autopiloten. Sein Steuerungsmonitor zeigt ein Diagramm des lokalen Sonnensystems an. Darius weiß, dass für eine Raumfaltung keine zu starken Gravitationsfelder vorhanden sein sollen. Er sucht im Sonnensystem eine Position weit genug weg von diesem und den anderen Planeten, um die Faltung durchzuführen, und weist den Autopiloten an, dorthin zu fliegen. Das Display informiert ihn, dass er in viereinhalb Stunden dort sein wird. Darius ist zufrieden.

Im hinteren Bereich des Raumschiffes, nicht weit von dem Ort entfernt, an dem seine Geisel bewusstlos am Boden liegt, findet Darius den Kohlenstoffkombinationsdrucker. Es handelt sich um ein würfelförmiges Fach, das in Hüfthöhe in die Raumschiffwand eingelassen ist. Er weist das Gerät an, ihm ein Glas mit viel Alkohol und Koffein zuzubereiten. Die Runde Bodenplatte von vierzig Zentimeter Durchmesser beginnt wie eine Töpferscheibe zu rotieren. Zwei an kleinen Roboterarmen befestigte Düsen kommen aus der Seite des Innenraumes und töpfern in Windeseile einen Becher. Dann füllen sie das Gefäß mit Flüssigkeit. Das Gerät lässt ein Ping-Geräusch ertönen, um die Vollendung des Getränks zu verkünden. Darius nimmt den Becher und probiert einen Schluck des Inhalts. Er ist zufrieden mit dem Geschmack und setzt sich auf einen Sessel nicht unweit von seiner schlafenden Geisel. Die Sitzgelegenheit passt sich dynamisch an seinen Rücken an und korrigiert seine Haltung noch ein wenig. Als Darius sich nach hinten lehnen will, bewegt sich die Lehne des Sessels automatisch. Als er die richtige Sitzposition erreicht hat, überflutet Darius ein Gefühl ganzheitlicher Entspannung. Neben sich entdeckt er einen kleinen Bildschirm, und nach ein paar Wischbewegungen auf dem Screen zeigt dieser ihm eine Ansicht des Planeten, von dem er sich entfernt. Sein Glas in Richtung des Bildes hebend, sagt er trotzig: „Auf Nimmerwiedersehen, du elendige Staubkugel.“ Er nimmt einen Schluck von seinem Getränk und betrachtet dann zufrieden seine unfreiwillige Reisegefährtin.

Kapitel 3

Auf dem Rücken des Froschfalken reitend saust Senta auf den Kanzlerpalast zu. Das Tier ist um die fünf Meter lang und ist eine Mischung aus Frosch und Fledermaus, hat keinen Pelz, dafür aber ledrige Flügel mit über zehn Meter Spannweite. Beim Fliegen verwendet es seine lang ausgestreckten hinteren Sprungbeine wie einen Schwanz zur Balance und zum Steuern. Die Seiten des riesigen Froschmaules sind mit Eisenringen verschlossen, nur in der Mitte ist eine Lücke, durch das es gefüttert wird. Auf seinem Kopf und über den Augen hat das fliegende Getier eine Art steinernen, aber trotzdem leichten Helm, der vor den Augen in einen durchsichtigen Kristall übergeht. Der schützt das Ungetüm vor Sandstürmen. Über Stacheln, die das Tier in den Kopf stechen, erhält es Instruktionen von seiner Reiterin. Die sitzt auf einem Sattel, der ihr den Blick über den Helm der Kreatur ermöglicht. Alles, was von ihr sichtbar ist, ist ihr Kopf, da sie von einem Umhang bedeckt wird, der von dem Sattel ausgeht. Sie trägt einen windschnittigen Helm aus Leder und Knochenmaterial, der auch ihr ein Visier über die Augen legt. Ihre Arme hat sie um den Helm des Froschfalken gelegt, wo sie an den Händen zwei Griffe hält, mit denen sie der Kreatur Kommandos gibt. Ihr Blick ist gebannt nach vorne gerichtet, während sie das Tier fünfzig Meter über dem unter ihr vorbeirauschenden Wüstenboden gleiten lässt. Hinter einer Düne wird ein riesiger Turm sichtbar, später dann ein paar weitere, die diesen weniger imposant umrunden, und schließlich offenbart sich ein Palast. Umgeben ist der Prunkbau aus Sandstein von Hunderten kranzförmig angeordneten Hütten, die allesamt eher einen armseligen Eindruck erwecken. Der Palast selbst steht auf einem riesigen Sockel und ist am Boden nur durch eine schmale Straße erreichbar, die kreisförmig um diesen herumführt. Senta steuert ihren Froschfalken um das riesige Gebäude und landet auf der anderen Seite auf einer für die Tiere vorgesehenen Landefläche. Sie steigt ab und streckt sich zu ihrer vollen Größe von fast zwei Metern aus. An ihrem Körper trägt sie eine fein verarbeitete Rüstung. Nur die oberste Schicht ist von Knochen und Hörnern verziert, darunter befindet sich ein aus modernerem Material gefertigter Kampfanzug. Sie stülpt ihren Flughelm ins Genick und offenbart ihr dickes, streng nach hinten zusammengebundenes schwarzes Haar, das dunkelgrün schimmert. Ihre dunkelviolette Gesichtshaut ist von einem orangefarbenen Streifen verziert, der direkt unter ihren Augen das Gesicht durchquert. Ein Pfleger übernimmt das Tier, und sie geht mit strengen Schritten auf den Eingang zu. Sie betritt den Palast zu Tarukan, der Stadt der fünfhundert Dächer, Hauptstadt des Sandplaneten Liverne.

Die Palastwachen öffnen Senta die Tore sofort, als sie sie kommen sehen. Sie zeigt ihnen zur Begrüßung ihre Handflächen, ohne jedoch auch nur einen einzigen Blick an sie zu verschwenden. Hinter den Toren durchschreitet sie Gänge, die in starkem Kontrast zum Palastäußeren stehen. Während draußen alles primitiv wirkt, gefertigt aus Sandstein und vom Sand zerfressenem Metall, präsentiert sich das Innere nach einer kurzen Übergangsphase in kalter Eleganz aus modernen Plastiklegierungen und unnatürlicher Sauberkeit. Der Sandpalast ist nur ein Affront, um den Fortschritt, den die Herrschenden des Planeten genießen, in seinem Inneren zu verstecken. Senta ist nicht glücklich darüber, dass das Volk aktiv in der Vergangenheit festgehalten wird, während die Obrigkeit sich in der Moderne verwöhnen lässt. Egal wie oft es ihr während ihrer Ausbildung als der einzig richtige Weg eingeschärft wurde, sie akzeptiert es nicht. Doch diese Meinung behält sie für sich. Sie mag ihre Position in diesem System. Sie sorgt für geordnete Verhältnisse auf ihrem Heimatplaneten. Sie zieht das Ungeziefer aus ihrem Volke und verhindert, dass dieses sich zusammenrottet. Senta ist ein notwendiger Kammerjäger ihres Planeten, fragt sich aber oft, ob es nicht auch Blut saugende Zecken sind, die hier die Befehle erteilen. Dem Größten all dieser Parasiten wird sie gleich gegenüberstehen. Sie erreicht die Schleuse in den innersten Bereich des Palastes, das Reich der Herrschenden, das Reich der Staubsaugroboter und automatisierten Dampfreinigungsmaschinen. Sie tritt in die Schleuse und wird – beobachtet über ein Überwachungsfenster – von Sand und Staub befreit. Dann verlässt sie die Schleuse und betritt die Lust- und Spielräume der Aristokratie. Räume, die in ihrer Erscheinung kaum weiter entfernt von dem Planeten und den Verhältnissen sein könnten, in dem das Volk lebt, das von ihnen aus regiert wird. Alles ist makellos gereinigt. Kein Sandkorn, kein Flecken Natur, nur hermetisch sauber gehaltener Kunststoff in leuchtendem Weiß und silbernen Fugen. Überall ist technologischer Luxus sichtbar. Massagestühle, Kohlenstoffkombinationsdrucker, Unterhaltungselektronik und dergleichen säumen die Hallen. Senta versucht, die Verachtung, die sie gegenüber diesen sogenannten Errungenschaften hegt, aus ihrem Verstand zu verdrängen. Sie will voll konzentriert sein, wenn sie dem Herrscher gegenübertritt. Jede Kleinigkeit in seinem Gebaren verrät mehr über die politische Situation auf ihrem Heimatplaneten als die leeren Floskeln und taktischen Schönredereien, die aus seinem Mund kommen. Ein Tor noch, und dann muss sie den von ihr meistgehassten Raum dieses Architektur gewordenen Heimatverrats betreten: die Prunk- und Feierkanzel des Herrschers, in der er meist seine inoffiziellen Audienzen hält. Zwei Wachen hier im Inneren des Palastes tragen Plasmagewehre statt Speere und öffnen ihr den Zugang in diese Kammer der Eitelkeiten.

Der hohe Raum ist in prunkvollen, schwarzen und weißen Marmor gekleidet. Auf acht halbhohen Säulen, symmetrisch im Raum verteilt, sitzen nackte, junge Frauen, die mit harfengleichen Instrumenten die Kanzel mit leiser Hintergrundmusik bespielen. Ein Springbrunnen mit aufwendigen Wasserspielen verdeutlicht die Tatsache, wie weit entfernt von der Wüste man sich hier befindet. Nicht weit dahinter beginnt ein Teppich aus Hunderten kurz geschorenen Tierfellen, der zu einem großen Thron führt, auf dem der Herrscher sitzt. Den Teppich entlang sitzt eine kleine Gesellschaft von dreißig, vierzig Personen gemeinsam beim Essen und Trinken. Hinter dem Herrscher an der Wand ist ein überlebensgroßes Gemälde des Regenten angebracht, das ihn mit dem Planeten in der Hand darstellt. Links und rechts vom Thron stehen jeweils sechs Leibwächter, in ihrer Erscheinung Senta nicht ganz unähnlich. Im Raum herrscht das Geschwafel und Gegacker der vermeintlich noblen Gäste, und auch das obszöne Lachen des Regenten hallt immer wieder über die Geräuschwolke hinweg. Senta verschwendet keinen Blick an die Schmarotzer und ihr Gelage und schreitet auf dem Teppich, über die Teller und Schüsseln mit Speis und Trank, die darauf dargeboten sind, bis zehn Meter vor den Thron, wo sie auf ein Knie sinkt, sobald sie gewahr wird, dass ihr Regent sie gesehen hat. Er stellt sein Glas auf die Lehne seines Sessels und erhebt sich. Der Gastgeber ist ein großer, kräftig gebauter Mann mit hellvioletter, fast weißer Haut und einem dicken, hellorangefarbenen Schnauzbart, der bis zur Unterkieferkante abfällt, gekleidet in feinste seidene Tücher in Schwarz und Rot. Er hebt die Hand und befielt: „Hinaus mit der Festgesellschaft. Es sind die Geschicke dieses Planeten zu lenken.“ Die angesprochene Gesellschaft verstummt augenblicklich und verlässt ohne den Hauch eines Widerspruches den Saal, um woanders ihren Gelüsten zu frönen. Senta wartet immer noch auf einem Knie verharrend darauf, vom Kanzler direkt angesprochen zu werden.

„Erhebe dich, Agentin Senta. Saad, Kanzler der freien Völker von Liverne, erwartet deine Berichterstattung.“ Der Kanzler spricht die Worte stehend, während er seine Handflächen in die Höhe hält, und setzt sich anschließend wieder, ein süffisantes Lächeln auf den Lippen tragend. Senta erhebt sich, zeigt ihm mit gesenktem Haupt ihre Handflächen und liefert ihren Bericht ab. „Kanzler, ich komme von der Provinz der Lichtbrecher. Die Gerüchte haben sich bestätigt. Der Kreataurus wurde erlegt. Die Provinzbewohner sind in Aufruhr. Sie scheinen in den Grundfesten ihres Glaubens erschüttert. Ein einzelner Mann, offensichtlich nicht aus unseren Völkern entstammend, wird für diese Bluttat verantwortlich gemacht. Er befindet sich auf freiem Fuß, und momentan ist sein Aufenthaltsort nicht bekannt.“ Der Kanzler legt eine Hand an sein Kinn: „Welch Tragödie. Wir werden einen Weg finden müssen, die Kreatur zu ersetzen. Wir wollen nicht riskieren, dass sie sich von ihrem Glauben abwenden.“ Senta blickt zu dem sich entspannt in seinem Sessel räkelnden Despoten auf. Der nimmt einen Schluck aus seinem Becher und fährt anschließend fort. „Wenn wir das zulassen, dann riskieren wir eine weitere Bürgerkriegsfront, und das ist das Letzte, das wir in diesen Zeiten gebrauchen können.“ Senta kauft ihrem Gegenüber die gespielte Besorgnis nicht ab. Lokale Bürgerkriege sind für die Herrschenden großartige Ablenkungsmanöver, vor allem wenn man sein Volk über den eigenen Wohlstand in Unwissenheit halten will. Sie möchte jedoch keinen weiteren Gedanken daran verschwenden, da sie mit ihrem Bericht noch nicht fertig ist. „Da ist noch mehr, mein Kanzler. Augenzeugenberichten zufolge hat der Gottesmörder alleine zwei Leibwächter und den Hohepriester der Lichtbrecher gerichtet. Ohne jegliche Bewaffnung. Mühelos habe er sie mit bloßen Händen in Stücke gerissen. Dies lässt darauf schließen, dass er unter starkem Einfluss der Essenz steht.“ Diese Information lässt den Kanzler seinen Becher wieder abstellen und eine weniger bequeme Sitzposition einnehmen. Mit ernster Miene lehnt er sich nach vorne. „Haben wir dafür handfeste Beweise?“ Senta antwortet bestimmt: „Nein, aber die Indizien lassen fast keinen anderen Schluss zu. Keine menschliche Subspezies könnte es unbewaffnet mit zwei voll ausgebildeten Kriegern des Ordens der Wächter von Liverne aufnehmen.“ Der Kanzler blickt beunruhigt auf seine Hände und grübelt kurz. „Sie hat recht. Auf keinen Fall darf die Essenz diesen Planeten verlassen.“ Senta spürt die schleichende Beunruhigung in der Stimme des Regenten. Sein Blick beginnt zu schweifen, als suche er im Raum nach einer Antwort. „Sie muss Stillschweigen bewahren über diese prekäre Situation. Es soll Ihr wichtigster Auftrag sein, diesen Fremden ausfindig zu machen und seinem Leben entweder ein Ende zu setzen oder ihn in Ketten vor diesem Thron abzuliefern.“ Das hatte Senta bereits erwartet. „Kanzler Saad, ich will mein Leben für diesen Auftrag geben. Meine Befürchtung ist jedoch, dass der Fremde mittlerweile schon nicht mehr auf unserem Planeten weilen könnte. Es könnte schwierig sein, die Verfolgung des Gottesmörders aufzunehmen, wenn dieser in die Weiten des Sternenfelds entflohen ist.“ Saad scheint diese Besorgnis nicht zu teilen. „Wir werden eine Allianz eingehen müssen. Glücklicherweise haben andere die Möglichkeit, den Flüchtigen in diesen Fernen aufzuspüren. Senta wird mit unseren vorübergehenden Verbündeten zusammen die Verfolgung aufnehmen. Sie muss jedoch Stillschweigen über die Essenz bewahren.“ Senta weiß nicht, wovon der Kanzler spricht. Der drückt einen Knopf auf der Konsole an seinem Thron und befiehlt: „Man sende die Offiziere der Rechtsschutzstaffel herein.“

Zwei Offiziere betreten in ihren schwarzen Rüstungen die Halle. Sie sind beide einen Kopf kleiner als Senta, wirken jedoch aufgrund ihrer Panzerung nicht minder gefährlich. Die zwölf Leibwächter des Kanzlers nehmen eine aktivere Position ein, für den Fall, dass die beiden Neuankömmlinge ihrem Gebieter gefährlich werden könnten. Der beschwichtigt seine Wache mit einer Handbewegung und richtet sein Wort an die Beamten der Rechtsschutzstaffel. „Saad, Kanzler der Völker von Liverne, begrüßt euch, Offiziere der Rechtsschutzstaffel des Konzils unter Sagatori.“ Die zwei Beamten stehen stramm nebeneinander, und der Rechte der beiden richtet das Wort an den Kanzler. „Mit Verlaub, eure Hoheit, wir vergeuden hier unsere Zeit. Laut unseren Informationen hat der Verdächtige bereits vor einer halben Stunde mit seinem Schiff die Planetenoberfläche verlassen. Unsere Berechnungen lassen weiterhin den Schluss zu, dass die flüchtige Person in etwas mehr als drei Stunden eine Raumfaltung durchführen kann. Wenn wir dann nicht in Detektionsreichweite sind, um den Zielpunkt der Faltung festzustellen, verlieren wir ihn. Wir müssen in der nächsten halben Stunde aufbrechen.“ Der Kanzler erhebt sich und spricht in ausufernden Floskeln. „Wir sind uns der Brisanz der Situation bewusst und bedanken uns, dass die Rechtsschutzstaffel unserer Anfrage zur Kooperation Folge geleistet hat. Liverne ist seit Jahrzehnten treuer Verbündeter des Konzils unter Sagatori. Unsere Minen speisen zu großzügigen Konditionen den Hunger nach Rohstoffen der vereinten Konsulate. Wir bilden eine Allianz, die seit jeher zum Vorteil beider Seiten floriert.“ Senta ist von dieser Beweihräucherung angeekelt. Sie selbst hat in blutigen Kämpfen gegen die Rechtsschutzstaffel die Härte und Rücksichtslosigkeit gesehen, mit der diese gegen Kontrahenten und Zivilisten vorgeht. Immer wieder werden Angriffe gegen ihren Planeten inszeniert, um dem Volke ein Feindbild zu präsentieren, während im Hintergrund zu beider Seiten Profit gehandelt wird. Die Offiziere sind von der Schönmalerei des Kanzlers nicht beeindruckt. „Bitte kommen Sie auf den Punkt“, drängt der Linke der beiden. Der Regent ist von dem Befehlston, der ihm entgegenschlägt, nicht begeistert und lässt sich erneut auf seinem Thron nieder. „Der Flüchtige hat einen unserer Hohepriester und seine Leibwache kaltblütig ermordet. Deshalb fordern wir, dass die anwesende Agentin Senta an der Verfolgung beteiligt wird, um ihn unter unseren Richthammer zu beugen.“ Saad deutet auf die Angesprochene, und Senta blickt misstrauisch zu den Offizieren. Der Rechte der beiden will widersprechen. „Das ist nicht …“, setzt er an, doch der Herrscher unterbricht ihn. „Dies ist keine Verhandlung. Entweder, die Offiziere verlassen den Planeten mit unserer Agentin, oder wir werden dafür Sorge tragen, dass sie den Planeten vorläufig gar nicht verlassen.“

Senta packt in der Waffenkammer des Palastes ihre Ausrüstung. Sie ist aufgeregt. Es wird das erste Mal sein, dass sie diesen Planeten verlässt. Während sie ihre Rüstung mit Erweiterungen versieht, versucht sie sich vorzustellen, wie es wohl sein mag, den Planeten, den sie wie ihre Westentasche kennt, hinter sich zu lassen und in unbekannte Gefilde vorzudringen. Ein Gefühl sich entfaltender Vorsehung erfüllt sie. Genau das ist der Auftrag, auf den sie all ihre vorangegangenen Errungenschaften vorbereitet haben. Die Auftragsmorde an lokalen Aufrührern, die Gemetzel in den abtrünnigen Provinzen und die Verteilung von Bestechungsgaben an die Obmänner verfeindeter Provinzkriegsfraktionen. Sie war jetzt der singuläre Beschützer der Essenz. Ihre Bestimmung hat sie erreicht. Wenn sie diesen Auftrag erfüllt, kann sie den Erfolg verwenden, um mehr politischen Einfluss zu erreichen und endlich auf der Seite ihres Volkes zu kämpfen, anstatt den Unterdrückern als willenloses Schwert zu dienen. Sie schnallt sich ein aufwendig verziertes Schwert mit von Juwelen verzierter, orangefarbener Klinge auf den Rücken. Sie ist bereit, ihrer Berufung entgegenzutreten. Auf dem Rücken ihres Froschfalken reitet sie zum geheimen Treffpunkt, der mit den Beamten des Konzils vereinbart wurde. Das gemeine Volk darf nicht wissen, dass der Kanzler ein Bündnis mit Sagatori pflegt. Die Krieger livernscher Stämme kämpfen seit Jahren in inszenierten Schlachten gegen dessen Beamte, um einen gesunden Patriotismus im Volk aufrechtzuerhalten und von sonstigen Problemen abzulenken. Nachdem sie im versteckten Dünental gelandet ist und ihr Flugtier entlassen hat, schreitet sie auf das schwarze Raumschiff der Rechtsschutzstaffel zu. Es ist mit zwanzig Metern relativ kurz, hat aber eine enorme Flügelspannweite von mindestens sechzig Metern. An den Flügeln ist schwere Bewaffnung angebracht. Entlang der Oberseite befinden sich in regelmäßigen Abständen kleine Raumfaltkränze, die ein blaues Licht abgeben. Vor dem Gefährt stehen die zwei Offiziere der Rechtsschutzstaffel und erwarten ungeduldig Sentas Ankunft. Als sie die beiden erreicht hat, vollführen sie eine militärisch anmutende Kehrtwende und marschieren über die Rampe ins Innere des Schiffes. Senta folgt ihnen. Die metallene Einrichtung des Schiffes scheint auf das Nötigste reduziert. Einer der Offiziere weist Senta auf ihren Sitzplatz, während er sich ihr gegenüber niederlässt. Der andere geht nach vorne in den Cockpitbereich und startet das Schiff. Senta blickt mit einer Gefühlsmixtur aus Zuversicht, dunkler Vorahnung und kitzelnder Aufregung auf die sich schließende Schiffsluke. Danach blickt sie kurz auf den ihr gegenübersitzenden Offizier. „Auf eine erfolgreiche Jagd“, sagt sie halb im Scherz. Der Offizier reagiert nicht. Das Raumschiff hebt ab, und Senta verlässt zum ersten Mal ihren Planeten.

Kapitel 4