Neloris - Mareike M. Dietz - E-Book

Neloris E-Book

Mareike M. Dietz

0,0
5,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Arva Gál gehört zu der legendärsten Diebesbande in ganz Neloris, den Schattenläufern. Als sie bei einem scheinbar einfachen Auftrag auf ein gefährliches Geheimnis stößt, wird ihre Welt auf den Kopf gestellt. Gemeinsam mit ihrem einzigen Freund Haden Aubelle und den mysteriösen Halbelfen Saedra Bhragas und Kivu Keresked begibt sich Arva auf eine Reise in die sagenumwobene Elfenstadt Ardh Mere. Die Gruppe findet sich bald inmitten einer Verschwörung wieder, die das Schicksal der Elfen bedroht. Während sich die Spannungen zwischen Menschen und Elfen zuspitzen, müssen Arva und Haden entscheiden, auf welcher Seite sie stehen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 500

Veröffentlichungsjahr: 2024

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.


Ähnliche


Neloris

Das Schicksal der Elfen

Inhaltsverzeichnis

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

18

19

20

21

22

23

24

25

26

27

28

29

30

31

32

33

34

35

36

37

38

39

40

41

42

43

44

45

46

47

48

49

50

51

52

53

Karte

Glossar

Danksagung

Über die Autorin

Triggerwarnung

© 2024 Mareike M. Dietz

Lektorat & Korrektorat: Ann-Kathrin Möbius

@federleicht_text_lektorat_

Coverdesign, Coverillustration & Fotos: Mareike Markheiser

@_sommersucht_

Satz & Layout: Mareike M. Dietz

Landkarte: Mareike M. Dietz mit Illustrationen von The Map Effects Fantasy Map Builder

Druck und Distribution im Auftrag der Autorin:

tredition GmbH, Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Deutschland

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist die Autorin verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne ihre Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag der Autorin, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Deutschland

ISBN Softcover: 978-3-384-16034-8

ISBN Hardcover: 978-3-384-16035-5

ISBN E-Book: 978-3-384-16036-2

Liebe*r Leser*in,

danke, dass du dich für Neloris – Das Schicksal der Elfen entschieden hast. Dieses Buch enthält potenziell triggernde Inhalte. Deshalb findest du am Ende des Textes eine Triggerwarnung aber Achtung: Sie enthält Spoiler für das gesamte Buch!

Viel Spaß mit der Geschichte von Arva, Haden, Saedra & Kivu.

Deine Mareike

Für alle, die es wagen, ihre Träume zu verwirklichen.

1

Arva

Arva Gál beobachtete, wie sich die Menschen auf dem Marktplatz von Syphar aneinander vorbeidrängelten. An einem Stand mit Getreide und frischem Gemüse hatte sich eine große Traube gebildet. »Einer nach dem anderen«, bat der dürre Händler und tupfte sich die Stirn mit einem Tuch ab.

Direkt daneben überreichte eine Händlerin ein Körbchen voll Tränke an eine junge Frau. Sie trug ein einfaches Leinenkleid und eilte mit der Ware davon, sobald sie ein paar Münzen in die ausgestreckte Hand der Händlerin gelegt hatte.

Gegenüber dem Tränkestand bot ein glatzköpfiger Mann edle Schmuckstücke dar. Hier war die Kundschaft überschaubar, dennoch wurde er von zwei bewaffneten Männern flankiert, die die Waren aufmerksam im Blick behielten.

Eine leichte Brise wehte durch die Gasse, in der Arva Deckung gesucht hatte. Sie atmete tief ein und rümpfte die Nase. Es roch nach frischem Fisch. Nicht unbedingt ihr Leibgericht.

Sie zog sich weiter in den Schatten der Häuser zurück und wartete, den Blick auf die Umgebung des Schmuckstandes gerichtet. Diesen Auftrag hätte auch ein weniger talentiertes Mitglied der Schattenläufer übernehmen können.

Und dann sah sie ihn. Vincent Lemont, ein Edelmann aus Syphar, steuerte auf den bewachten Stand zu. Er trug einen eleganten, schwarzen Hut mit einem dazu passenden Mantel. Arva zog sich die Kapuze ihres schwarzen Umhangs tiefer ins Gesicht, und mischte sich unter die Menschen. Es war ein Kinderspiel. Die Leute standen so dicht aneinander, dass Lemont nur langsam vorankam. Sie musste ihn erwischen, bevor er sein Ziel erreichten konnte. Er würde es nicht einmal bemerken, wenn sie ihm das Amulett aus der Innentasche seines Mantels zöge. Zhinon hatte ihr am Morgen die nötigen Informationen gegeben. Er hatte ihr den Namen und das Aussehen der Zielperson beschrieben und ihr seine Ankunftszeit auf dem Markt genannt. Pünktlich war er, so viel war sicher. Die Auftraggeberin kannte sie nicht, wusste nur, dass es eine Frau war. Was es mit diesem Amulett wohl auf sich hatte?

Arva schob sich zwischen einem schlaksigen Jungen mit einem großen Korb in den Händen und einem alten Fischer, dessen Mütze schon bessere Tage erlebt hatte, hindurch und war nun fast direkt hinter Lemont. Die einzige Person, die sie jetzt noch von ihm trennte, war eine füllige Frau mit einem Bündel in der einen und einer vollgepackten Tasche in der anderen Hand. Geschickt schlängelte sich Arva seitlich an ihr vorbei und stieß sie im Gehen gegen Lemont.

Er drehte sich ruckartig um. »Was soll das?«, schnauzte er die Frau mit dem Bündel und der Tasche an. Die Leute um ihn herum hielten inne und sahen ihn verwundert an. Arva tat es ihnen gleich und blieb direkt neben Lemont stehen.

»Das war … Ich weiß nicht … Verzeiht«, stammelte die Frau.

Lemont schüttelte den Kopf und drehte sich wieder um. Sein geöffneter Mantel glitt bei der Bewegung schwungvoll zur Seite und Arva drängelte sich eng an ihm vorbei. Sie war ihm so nah, dass sie sogar seinen Duft nach Tabak einatmete. Blitzschnell griff sie mit einer Hand in die tiefsitzende Innentasche des Mantels, um das Amulett herauszuziehen.

Lemont tastete seinen Mantel ab und schien sofort zu bemerken, dass etwas fehlte. Er drehte sich nach der molligen Frau um, genau wie Arva es geplant hatte, diese war jedoch schon längst wieder in der Menschenmenge verschwunden. Arva drehte sich weg, bevor der Blick ihres Opfers sie streifen konnte, und ließ sich von der Masse verschlucken.

Ein schmales Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie das Schmuckstück in ihrer Hosentasche verstaute. Auftrag erledigt. Sie würde sich bei dem Schattenkönig darüber beschweren, dass er ihre Talente für solch langweilige Missionen verschwendete. Aber das würde bis zum Abend warten müssen.

Obwohl es bewölkt war, schmerzten ihre empfindlichen Augen vom hellen Licht des Tages. Sie zog sich die Kapuze wieder tiefer ins Gesicht und streifte durch die Straßen der Nordstadt. Nebel waberte um ihre Beine. Er ging vom großen See aus und verzog sich selbst im Sommer nur selten aus diesem Teil Syphars. Sie ließ ihren Blick über die schlichten Holzbauten wandern, an deren Fassaden sich der Nebel empor schlängelte. Das dunkle Holz hob sich von dem hellen Dunst ab. Wirklich alles in der Nordstadt war aus demselben Holz erbaut worden. Von den Tempeln der fünf Götter und der Festung Donnerbruch im Tempeldistrikt bis hin zum Fischer- und Hafenviertel. Ja, selbst die Stadtmauer war aus Holz.

Arva eilte durch eine schmale Gasse zwischen zwei Häusern. Mit ihren Stiefeln verursachte sie kaum Geräusche auf den Holzplanken. Konzentriert trat sie auf die Straße hinaus und folgte ihr, bis sich die Umgebung veränderte. Der Weg war hier gepflastert und vor ihr ragte eine Steinmauer in die Höhe, die das Kronenviertel vom Rest der Stadt trennte. Sie ging an der Mauer entlang und nach einigen Minuten kam sie vor einem schmiedeeisernen Tor zum Stehen, das weit offenstand.

Sie hob den Blick und bewunderte die vielen Verzierungen, die links und rechts die Steine der Mauer schmückten. Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus, als sie das Tor passierte und die erhabenen, steinernen Villen mit ihren großen, klaren Fenstern und den gepflegten Vorgärten die schlichten Holzbauten ablösten. Hier hausten die Adeligen und Reichen und für Arva fühlte es sich jedes Mal so an, als würde sie in eine andere Welt eintauchen. Der Nebel hatte sich im Kronenviertel bereits verzogen und die Menschen hier waren sich ihres Reichtums bewusst. Die gepflasterten Straßen waren nie so belebt wie in der Nordstadt und die wenigen Passanten, die unterwegs waren, trugen teure Kleidung und wertvollen Schmuck. Sie waren aufmerksamer und Arva hatte schon oft beobachtet, wie einige immer wieder nach ihrem Schmuck tasteten, um sich zu vergewissern, dass er noch genau dort war, wo er hingehörte. Genau diese Schwierigkeiten machten die Jagd für Arva schmackhaft. Das Kronenviertel war ihr Revier.

Zielstrebig überquerte sie den ovalen Platz, von dem mehrere Straßen fächerartig in alle Richtungen abführten. In der Mitte stand ein protziger Brunnen, in dem eine goldene Statue von Skeere prangte. Die Göttin des Meeres und des Windes stand in ihrer üblichen Pose mit locker zur Seite ausgestreckten Armen und dem Blick gen Himmel da. Eine Kutsche fuhr an Arva vorbei. Etwas, das man in der Nordstadt niemals zu Gesicht bekommen würde.

Sie bog in die Straße zu ihrer Linken ab und folgte einer Gruppe von jungen Frauen, die aber nach wenigen Metern in einer der Villen verschwanden. Auf leisen Sohlen verschwand Arva zwischen zwei Häusern und folgte der dunklen Gasse bis zur Parallelstraße. Mit ihren Augen fixierte sie ein junges Paar, das seinen Reichtum offen zur Schau trug. Der Mann war in einen seidenen Frack gekleidet, dessen knallige Farben schon von Weitem zu sehen waren. Die Frau trug ein pastellgrünes Kleid mit weitem Rock und einen übertrieben großen Sommerhut mit einer passenden Schleife. An ihrem Handgelenk klimperten mehrere goldene Armreifen und an ihren Fingern glänzten Ringe mit kostbaren Edelsteinen.

Wie könnte Arva ihr den Schmuck wohl am besten abnehmen? Da huschte rechts von ihr jemand in eine Seitenstraße. Sofort änderte sie ihre Richtung, bog in die parallel verlaufende Gasse ab und beschleunigte ihre Schritte. Bevor sie wieder auf die breite Straße hinaustrat, ließ sie ihren Blick umherwandern. Bis auf eine Gruppe älterer Damen, die in Begleitung einer Wache waren, sah sie niemanden. Wo war die Person, die es so eilig gehabt hatte? Arva ging weiter und erntete dank ihres schwarzen Umhangs die skeptischen Blicke der Damen.

Links von ihr verschwand eine Person in einem dunklen, langen Mantel hinter dem Konzerthaus mit den kunstvoll verzierten Säulen. »Was zur Eyada«, murmelte Arva und nahm die Verfolgung auf. Als sie um die Ecke bog, konnte sie die Person sehen und wusste sofort um wen es sich handelte.

Was machte er hier? Hatte er etwa einen Auftrag im Kronenviertel erhalten, während sie sich mit dem Marktplatz hatte begnügen müssen?

Ruckartig drehte er sich um. Es gelang ihr, sich rechtzeitig in einem Hauseingang zu verstecken. Ihr Herz schlug wie wild in ihrer Brust und sie atmete zweimal tief durch, bevor sie ihn weiter verfolgte.

Als er vor einem Haus Halt machte und an die Tür klopfte, hielt Arva inne. Kein Dieb würde jemals bei seiner Zielperson anklopfen. Der Mann schob seine Kapuze zurück und sah sich noch einmal nervös um. Die kurzen braunen Locken waren zerzaust und die lange Narbe unter seinem linken Auge schimmerte auf seiner hellen Haut. Aber Arva war gut versteckt, er konnte sie nicht sehen. Eine junge Frau mit blonden, üppigen Wellen öffnete die Tür. Sein Anblick zauberte ihr ein strahlendes Lächeln ins Gesicht. Was wollte er nur bei dieser Frau? Aber als Haden Aubelle, ihr einziger Freund bei den Schattenläufern, die Türschwelle übertrat und die Frau ihn mit einem innigen Kuss begrüßte, wurde Arva alles klar. Peinlich berührt machte sie kehrt und hielt wieder nach einer geeigneten Zielperson Ausschau.

2

Haden

Haden Aubelle schloss die Tür hinter sich und schenkte Tanya, seiner Liebsten, ein breites Grinsen.

Hatte Arva ihn gerade gesehen? Er hatte die Tashéya erst bemerkt, als er auf Tanyas Schwelle zum Stehen gekommen war. Arva war zwar in ihren schwarzen Umhang gehüllt gewesen, doch ihre lilafarbene Haut und die gänzlich schwarzen Augen würde er überall erkennen.

»Du bist spät«, sagte Tanya und brachte ihn damit wieder zurück in die edle Villa, die ihr Zuhause war. »Ich dachte schon, du hättest meinen letzten Brief nicht gefunden.«

»Den habe ich natürlich entdeckt und es sind doch nur ein paar Minuten«, erwiderte er.

»Wir haben nicht viel Zeit«, flüsterte sie. »Mein Vater wird bald zurück sein.«

Das ließ er sich nicht zweimal sagen. Er warf seinen Mantel auf den Boden und legte die Hände auf ihre Hüften. »Du hast mir gefehlt«, raunte er ihr ins Ohr und zog sie an sich. Ihre Brüste schmiegten sich an seinen Oberkörper und ihr heißer Atem streifte seine Wange. Ungeduldig nahm er ihr Gesicht zwischen seine Hände und küsste sie. Er drängte mit seiner Zunge in ihren halb geöffneten Mund und nahm ihren Geschmack in sich auf.

Mit seinen Fingerspitzen fuhr er von ihrem Gesicht bis zum Ansatz ihrer Brüste, schob sie hastig wieder ein Stück von sich. Fast ein wenig zu ungestüm umfasste und knetete er die Rundungen, die sie ihm so bereitwillig entgegenstreckte, bis ihr ein Keuchen über die Lippen kam. Er wanderte weiter, strich über ihre Taille, bis seine Hände auf ihrem unteren Rücken und schließlich zu ihrem runden Po gelangen, den er fest packte. Ein leises Seufzen entwich seiner Kehle. In einer fließenden Bewegung hob er Tanya hoch und trug sie zu dem nahestehenden Beistelltisch. Er stützte sich leicht ab und schob mit dem Unterarm die Bücher beiseite, um Tanya abzusetzen. Sie schlang ihre Beine um seine Hüfte und rieb sich an ihm. Für einen kurzen Moment unterbrach er den Kuss und sog scharf die Luft ein. Sein Verlangen wuchs mit jeder Berührung. Leidenschaftlich presste er seine Lippen wieder auf Tanyas.

»Meine Zofe säubert gerade mein Zimmer«, wisperte sie und keuchte zwischen zwei Küssen. »Lass es uns hier tun.«

Mit klopfendem Herzen sah er ihr dabei zu, wie sie seine Hose aufknöpfte. Ein verführerisches Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie sah, wie sehr er sie in diesem Moment begehrte.

Eilig schob Haden ihren Rock hoch und zupfte ungeduldig an dem Höschen, das sie trug. »Das hier stört«, raunte er ihr ins Ohr.

Tanya stütze sich auf dem Tisch ab und sah ihn durch halb geöffnete Lider erwartungsvoll an. Mit beiden Händen hob er ihre Hüfte an und zog ihr das Höschen aus. Ohne zu zögern, schlang Tanya wieder ihre Beine um seine Mitte. Eine Hand presste sie fest auf seinen Rücken, die andere vergrub sie in seinem Haar.

»Tanya«, knurrte er, als sie mit ihren Fingernägeln über seinen Rücken kratzte. Er konnte sich nicht mehr zurückhalten. Viel zu lange schon hatte er ihr keinen Besuch mehr abgestattet. Mit einem heftigen Stoß drang er tief in sie ein und zog ihre Hüften noch näher an sich, als sie sich ihm entgegenbäumte. Er bewegte sich erst langsam in ihr, zog sich genussvoll zurück, um wieder und wieder in sie einzudringen. Leicht öffnete er den Mund, biss sich auf die Unterlippe und steigerte das Tempo seiner Stöße. Er presste seine Hand auf Tanyas Mund, um ihr lautes Wimmern zu unterdrücken. Niemand durfte sie erwischen, nicht einmal ihre Zofe.

Tanya erzitterte, ihr Körper bebte unter der Lust, die er ihre bescherte, und wenige Atemzüge später erstarrte auch Haden in der Bewegung. Er vergrub seinen Kopf in ihrem Nacken.

»Ich liebe dich«, murmelte sie mit belegter Stimme.

»Und ich dich«, antwortete er, doch er meinte es anders als sie. Ja, er liebte sie. Aber nur hin und wieder. Er löste sich von ihr und knöpfte seine Hose zu.

Tanya stieg vom Tisch. Dabei ruhte ihr Blick auf ihm, das spürte er deutlich. »Woher hast du eigentlich diese Narbe?«, fragte sie neugierig.

Haden hob den Kopf und sah sie an, während sie ihre Röcke richtete. Mit der Hand berührte er die Narbe unter seinem linken Auge. »Ich hatte als Kind einen Unfall.«

»Das muss ein seltsamer Unfall gewesen sein«, bemerkte Tanya.

Er fuhr sich durch seine braunen Locken und sah sich im Raum um. Darüber konnte er nicht mit ihr sprechen.

»Triffst du dich eigentlich noch mit anderen Frauen, wenn du in der Stadt bist?«, fragte sie plötzlich und wechselte selbst das Thema.

Aber auch darauf hatte Haden keine wirkliche Antwort parat. Sie fragte ihn sonst nie nach solchen Sachen. Er räusperte sich und starrte auf ein Gemälde an der Wand, das einen großen See mit einem dichten Wald dahinter zeigte. »Nein, Liebste«, brachte er hervor. »Natürlich nicht«, ergänzte er mit einem Lächeln. »Das ist übrigens ein tolles Gemälde«, wechselte er jetzt – hoffentlich beiläufig genug – das Thema.

»Ich wusste gar nicht, dass du dich für Kunst interessierst.« Tanya trat neben ihn. »Das ist der Igwon-See.«

»Hübsch, wirklich hübsch.« Er räusperte sich erneut und trat von einem Fuß auf den anderen.

»Das stimmt.« Tanya verzog ihre sinnlichen Lippen zu einem sanften Lächeln. »Was machst du eigentlich die ganze Zeit, wenn sich dein Vater in Syphar um die Geschäfte kümmert?«

Warum diese ganzen Fragen?, dachte Haden. »Ich …«, begann er. »Ich bin öfter mal im Hafenviertel unterwegs. Manchmal auch auf dem Markt.«

»Interessant«, murmelte Tanya und drehte sich zu ihm. Sie legte ihre Arme um seine Mitte und sah ihn aus neugierigen Augen an. »Ich war ja noch nie im Hafenviertel. Gibt es da etwas Spannendes?«

»Du warst noch nie im Hafenviertel?«

Sie schüttelte den Kopf.

»Nun, da gibt es ein ganz ordentliches Wirtshaus, natürlich nichts für eine Dame wie dich.«

»Natürlich nicht.« Sie lehnte ihren Kopf an seine Schulter.

»Ich sollte jetzt gehen«, bemerkte er, löste sich von ihr und hob seinen Mantel auf.

»Ja, das solltest du, Liebster.« Tanya folgte ihm und griff nach seinen Händen, mit denen er seinen Mantel umschloss. »Wann wirst du wieder in Syphar sein?«

»Ich weiß es nicht. Ich werde dir einen Brief schicken.«

»Ich kann es kaum erwarten.« Sie drückte ihm einen Kuss auf die Lippen und führte ihn zur Tür. Haden schaute durchs Fenster und wartete, bis die Luft rein war. Dann schlüpfte er durch die halb geöffnete Tür und verschwand in den Straßen des Kronenviertels.

Sein Besuch bei Tanya hatte kaum fünfzehn Minuten gedauert. Das ließ ihm noch genug Zeit, seinen Auftrag zu erledigen und rechtzeitig im Singenden Wal zu sein, bevor die Hafenarbeiter die Kneipe fluteten. Er warf sich seinen Mantel um die Schultern und ließ die frische Sommerluft in seine Lunge strömen. Es war ein guter Tag.

3

Saedra

»Natürlich ist er zahm!«, knurrte Saedra Bhragas und warf dem Wachmann einen bösen Blick zu. Vérek, ihr Wolf, war ihr treuer Begleiter, seit sie von ihrem Stamm auf Reisen geschickt worden war.

»Hm«, brummte der Wachmann. Mit seinen eisblauen Augen fixierte er erst das Tier, dann Saedra. Über sein sonnengebräuntes Gesicht zogen sich feine Linien und sein langes dunkles Haar war zu einem ordentlichen Zopf im Nacken gebunden. »Und die Axt? Sieht ziemlich scharf aus.«

»Sie wäre auch nicht von großem Nutzen, wenn sie stumpf wäre, nicht wahr?« Sie verdrehte die Augen. Seit einer halben Stunde diskutierte sie schon mit verschiedenen Wachmännern am Osttor von Syphar. Noch nie hatte sie solche Schwierigkeiten gehabt, ein Tor zu passieren. Die Menschen strömten an ihr vorbei in die Stadt hinein. Es war Markttag, so viel hatte sie schon erfahren. Und die hölzerne Stadt, die mit ihrem Binnenhafen das Handelszentrum von Neloris darstellte, ging ihr schon jetzt auf die Nerven.

»Was ist nun?«, hakte sie nach.

»Der Hund … Der Wolf hat keine Leine. Und, nun ja, die Axt ist ziemlich groß.«

Saedra schnaubte. »Es ist eine Doppelaxt, die man mit zwei Händen führen muss.«

»Ja, ja. Natürlich«, entgegnete der Wachmann und plusterte sich auf. »Der Wolf muss angebunden werden, Spitzohr, dann darfst du passieren.«

Sie kommentierte die unhöfliche Anrede nicht, das war sie gewohnt. Nur wenige Menschen hielten es für nötig, einer Elfe den nötigen Respekt entgegenzubringen. Sie ging einen Schritt zur Seite und holte ein Seil aus ihrem Beutel heraus, den sie stets bei sich trug. Sie bastelte daraus eine Leine und legte sie Vérek mit einem entschuldigenden Blick um den Hals. Der große Wolf ließ es über sich ergehen. »Besser?«, fragte sie an den Wachmann gewandt.

Er musterte sie erneut mit übertrieben skeptischer Miene, nickte aber schließlich. »Nun gut. Du darfst passieren, Spitzohr. Mach ja keinen Ärger.«

Saedra ging durchs Tor, Vérek direkt neben ihr. Der graue Wolf war ruhig und nahm mit seinen orangenen Augen die Umgebung in sich auf. Das Osttor von Syphar wurde von allen Leuten benutzt, die weder Händler noch Adlige waren. Aufmerksam schaute sich die Halbelfe um. So viele verschiedene Menschen auf einem Fleck hatte sie noch nie gesehen. Die meisten trugen einfache Leinenkleidung, manche auch eine Lederrüstung und Waffen.

Zumindest hatte sie keine Mühe, durch die Menge zu kommen. Viele wichen vor ihr und ihrem großen Wolf zurück, einige hielten die Hände vor ihre Münder und starrten Saedra mit aufgerissenen Augen an, von einigen wenigen erntete sie sogar hasserfüllte Blicke. Für sie alle hatte die Halbelfe ein schmales, selbstbewusstes Lächeln übrig. Sollten sie doch denken, was sie wollten.

Nach wenigen Minuten ließ Saedra die gepflasterte Straße hinter sich und überquerte eine hölzerne Bogenbrücke, die sie zum Herz der Stadt führte, zum Marktplatz. Von ihrer leicht erhöhten Position auf der Brücke hatte sie einen guten Überblick über den Platz. Er war weitläufig und rund, gänzlich aus Holzplanken erbaut und überlaufen von Menschen. Unzählige Stände waren in einem inneren und äußeren Kreis aufgebaut. Neben der Brücke, auf der sie stand, führte eine zweite in den Norden über den Kanal. Zu ihrer Linken grenzte der Marktplatz an Holzhäuser und enge Gassen. Ein Gemisch aus den unterschiedlichsten Gerüchen drang in ihre Nase. Gewürze, Blumen, frisches Gebäck und Schweiß. Am penetrantesten war jedoch der Fischgeruch.

Saedra atmete noch einmal tief durch und tauchte dann in die Menge ein. Hier musste sie sich an den Passanten vorbeizwängen, Vérek so dicht an ihren Beinen, dass sie fast über ihn stolperte. Die Leute waren ganz und gar auf die Waren fixiert, dass sie kaum Blicke für Saedra übrighatten. An einem Stand gab es kostbare Stoffe, an einem anderen, der besonders beliebt war, frisches Gemüse. Die sonstige Auswahl reichte von Schmuck, kleineren Waffen und Werkzeugen bis hin zu Kleidung, Obst und Fleisch. Es gab alles, was man zum Leben brauchte und natürlich Fisch. Sie ließ ihren Blick über den Markt gleiten, verlor sich in den anonymen Gesichtern und schloss kurz die Lider. Ihr war schwindelig und ihre Knie wurden weich. Nicht jetzt, ermahnte sie sich selbst und versuchte, sich zu beruhigen. Schwer atmend konzentrierte sie sich auf ihre Schritte. Ihr Puls schnellte in die Höhe und sie unterdrückte ein Keuchen, als sich die Menschenmasse um sie herum erneut zu verdichten schien. Das hier war definitiv kein Ort für sie. Fest schloss sie ihre Hand um Véreks Leine und drückte mit der anderen ihren Beutel an die Brust. Norden, sie musste nach Norden, wo sie diese zweite Brücke gesehen hatte.

Erst als sie den hölzernen Übergang erreichte, beruhigte sich ihr Herzschlag und sie konnte wieder frei atmen. Sie ließ den Marktplatz hinter sich und richtete ihren Blick nach vorn. Hinter den Schindeldächern konnte sie bereits ein paar Schiffsmasten erkennen. Wie gigantisch groß mussten diese Schiffe sein?

Hier im Hafenviertel der Seestadt waren weit weniger Menschen unterwegs. Die meisten Einwohner zog es um diese Uhrzeit scheinbar zum Markt. An einer Hauswand lehnte ein Mann mit kurzgeschorenen Haaren, der sie aufmerksam beobachtete. Er trug dunkle Lederhosen und eine einfache Tunika. Die Hose wies an einigen Stellen Flicken auf und der Saum der Tunika war ausgefranzt. Quer über den breiten Hals des Mannes zog sich eine wulstige Narbe.

»Was glotzt du so, Spitzohr?«, blaffte er und hob eine Augenbraue.

Saedra wurde klar, dass sie gestarrt hatte und ging schnell weiter. Die breite hölzerne Straße mündete in eine Treppe, die nach unten führte. Dort erhoben sich unzählige Holzpfade und Häuser auf Stelzen aus dem See. Weiter hinten erspähte sie den Binnenhafen, an dem ein halbes Dutzend großer Schiffe angelegt hatte. Nebel kroch zwischen den Holzplanken zu Saedras Füßen hindurch. Ob es hier immer so aussah? So … grau? Die Halbelfe blickte gen Himmel, wo die Sonne die Wolkenfront nicht durchbrechen konnte.

»Suchst du etwas, Spitzohr?«, stichelte ein Mann, dessen Haare entweder vom Schweiß oder von der hohen Luftfeuchtigkeit des Sees fest an seinem Kopf klebten. Vérek knurrte bedrohlich, woraufhin der Mann einen Schritt zurückwich.

Saedra betrachtete ihn abschätzig und beschloss, dass er die Mühe nicht wert war. Das würde nicht einmal als Training gelten. »Ganz recht, werter Herr. Ich suche nach einer Unterkunft für die Nacht«, sagte sie daher, statt ihm den Kopf abzuschlagen.

»Verstehe«, grummelte der Mann und tippte sich mit einem Finger ans Kinn. »In der Südstadt lassen die solche wie dich nicht in Gasthäuser. Aber hier im Hafenviertel ist jeder willkommen.«

»Ganz offensichtlich«, erwiderte Saedra spöttisch.

»Der Singende Wal bietet bequeme Betten und warme Mahlzeiten.« Er deutete mit dem ausgestreckten Arm auf ein Gebäude, das etwas größer als die anderen war. Über der Eingangstür hing ein Schild in der Form eines Wals, auf dem in ausgeblichener Schrift der Name des Gasthauses zu lesen war.

»Habt Dank.« Saedra ging jedoch an der Gaststätte vorbei. Zuerst wollte sie die Schiffe aus der Nähe sehen.

4

Haden

Als Haden am frühen Nachmittag den Singenden Wal betrat, waren kaum mehr als eine Handvoll Gäste anwesend. Es roch nach gebratenem Fisch und Bier. Durch die milchigen Fenster fiel schwaches Tageslicht in das Gasthaus und verlieh dem Raum einen trüben Schein. Eine kleine Gruppe von Hafenarbeitern teilte sich einen Tisch, an dem sie sich gedämpft miteinander unterhielten. Obwohl Haden normalerweise gern in Ruhe sein Bier trank, hätte er an diesem Tag nichts gegen ein bisschen heitere Stimmung gehabt. Aber Samson, der Wirt, engagierte nur ab und zu einen Barden und schon gar nicht zu dieser Tageszeit. Leichten Schrittes ging Haden an den runden Tischen vorbei zur Theke.

»Wie immer?«, begrüßte ihn Samson, der sein lichtes, lockiges Haar zu einem Knoten zusammengebunden hatte.

Haden nickte ihm zu und legte fünf Kupferstücke auf das glatt polierte Holz des Tresens. »Irgendetwas Neues?«, wollte er wissen.

»Nicht wirklich«, plauderte Samson. »Heute sind ein paar Lieferungen aus Gjeska gekommen.« Er stellte das Bier auf die Theke und sammelte die Kupfermünzen auf.

Haden nahm einen großen Schluck. »Etwas Interessantes dabei?«

»Soweit ich weiß, nicht.«

»War zu erwarten.« Aus Gjeska kam für gewöhnlich nur wenig Schmuggelware. Hauptsächlich Bier und Wein, selten Kostbarkeiten wie Edelsteine, noch seltener Waffen.

Die Tür zum Wirtshaus wurde geöffnet. Haden drehte sich um, verschluckte sich an seinem Bier und hustete heftig. Eine Elfe! Und … was war das?

»Bei den Göttern«, stieß Samson aus. Dann veränderte sich seine Stimme zu jener, die er nur benutzte, wenn er betrunkene Streithähne nach draußen verbannte. »Tiere sind hier nicht erlaubt. Erst recht keine Wölfe.«

Die Elfe ging unbeeindruckt zur Theke und knallte eine Goldmünze auf das Holz. »Ich glaube, heute werdet Ihr wohlwollend eine Ausnahme machen.«

Samson machte große Augen und Haden ahnte bereits, dass der Wirt einknicken würde. Hier im Hafenviertel erblickten die Menschen nur selten eine Goldmünze. »Und er ist auch zahm?«, hakte Samson nach.

»Wie ein Baby«, säuselte die Elfe. Sie sah sich kurz in dem Raum um. Auf ihrer Stirn prangte ein verschnörkeltes Tattoo, das sich über ihre Brauen bis zu den Schläfen ausbreitete. Mit ihren dunklen Augen blieb sie an Haden hängen. »Gefällt dir, was du siehst, Bürschchen?«

Haden war gar nicht aufgefallen, dass er sie angestarrt hatte. Schnell wandte er den Blick ab.

Bürschchen?

Die Elfe sah kaum älter aus als er.

»Ich brauche ein Zimmer«, sagte sie an Samson gewandt.

»Für wie lange?«

»Unbestimmt.«

Ganz toll, dachte Haden. Was wollte dieses Spitzohr hier? Er drehte sich wieder um und musterte sie. Obwohl ihm die Situation nicht geheuer war, musste er zugeben, ihre Erscheinung beeindruckte ihn. Sie war groß und muskulös, die edel geschmiedete Axt auf ihrem Rücken diente als stille Warnung für jeden, der sich mit ihr anlegen wollte. Trotz der warmen, dunklen Farbe ihrer Haut, Haare und Augen strahlte sie eine Kälte aus, die ihn tief bis ins Mark traf. Sie erinnerte ihn ein bisschen an Arva. Der graue Wolf mit den orangenen Augen hatte sich zu den Füßen der Elfe hingelegt. Im Moment war er zwar ruhig und brav, doch Haden war sich sicher, dass das Tier, wenn nötig, auch ganz anders konnte.

»Was führt Euch nach Syphar?«, fragte Haden und legte beiläufig seinen Arm auf dem Tresen ab.

Die Elfe drehte ihren Kopf langsam zu ihm, betrachtete ihn wie ihre Beute. Ob es wohl stimmte, dass die Elfen hin und wieder Menschen aßen? Doch dann zog sie ihre Mundwinkel leicht nach oben. »Mein Stamm hat mich auf Reisen geschickt.«

Haden wusste nur wenig über die Elfen, das meiste davon war wahrscheinlich gar nicht wahr. »Ihr seid also eine Halbelfe, die das Ritual absolviert«, mutmaßte er und nahm einen Schluck von seinem Bier. Er hatte gehört, dass junge Halbelfen durch Neloris reisen mussten, um den Menschen zu helfen. »Darf ich fragen, warum Ihr auf Reisen gehen müsst?«

Die Halbelfe schaute ihn überrascht an. »Ihr wisst also ein bisschen etwas über mein Volk.«

Haden lächelte. »Sicher.«

»Sicher«, äffte sie ihn nach. »Ich muss nicht auf Reisen gehen, ich möchte.«

»Und warum möchtet Ihr auf Reisen gehen?«, hakte Haden nach.

»Damit ich ein vollwertiges Mitglied meines Stammes werden kann. Es ist eine ehrenvolle Aufgabe. Als Halbelfe besuche ich jede Stadt in Neloris und biete den Menschen meine Hilfe an. Wir nennen es das Ritual der Aufnahme.« Sie reckte ihr Kinn und richtete sich noch ein bisschen mehr auf, wenn das überhaupt möglich war.

Haden blieb jedoch locker und nippte an seinem Bier. »Und, habt Ihr Spaß auf Euren Reisen?«

Die Halbelfe schaute ihn verwirrt an. »Spaß?«, fragte sie und schüttelte den Kopf. »Darum geht es bei dieser Tradition nicht! Sie dient dazu, dass ich mich meinem Volk näher fühle, indem ich der Engstirnigkeit und der Feindseligkeit der Menschen ausgesetzt werde.«

»Ich … verstehe. Das klingt nach einer … interessanten Tradition.« Haden räusperte sich. »Habt Ihr auch einen Namen?«

»Ich bin Saedra Bhragas, Tochter des ehrenwerten Uzagnae.« Sie legte die rechte Hand aufs Herz.

»Freut mich, Saedra Bhragas. Ich bin Haden. Haden Aubelle.« Er streckte ihr die Hand entgegen.

Anstatt die Geste zu erwidern, wandte sich Saedra an Samson. »Könntet Ihr mir nun mein Zimmer zeigen? Ich habe eine lange Reise hinter mir.«

Haden ließ seine Hand sinken. Saedra Bhragas folgte dem Wirt die Treppe hinauf, ihr grauer Wolf dicht neben ihr.

Tochter des ehrenwerten Uzagnae, imitierte er sie in Gedanken. Was sollte das bitte bedeuten? Er trank den letzten Rest seines Biers und verließ den Singenden Wal, als noch eine Gruppe Hafenarbeiter hereinkam. Eine Halbelfe in Syphar – das gab es wirklich nicht alle Tage. Tatsächlich hatte er noch nie zuvor ein Spitzohr in der Stadt gesehen. Nur als er als Kind mit seiner Familie noch auf einem der Höfe außerhalb von Syphar gewohnt hatte, war ihm hin und wieder ein Elf oder eine Elfe begegnet. Doch das lag schon viele Jahre zurück.

Er schlug den Weg zum Versteck der Schattenläufer ein. Am Kanal, der das Hafenviertel vom Rest Syphars trennte, drängte er sich hinter eines der Häuser, dessen Haustür mit Holzplanken verbarrikadiert war. Dort an der morschen Fassade gab es einen versteckten Treppenabgang, der hinab zum Wasser führte. Er folgte dem Wasserlauf auf dem schmalen, hölzernen Pfad, den man von oben nicht sehen konnte, bis er zu einer Steinwand kam, in die eine Gittertür eingelassen war. Mit seiner Hand strich er über einen der Gitterstäbe und zog ihn fest nach unten. Das Schloss klickte und die Tür sprang auf. Er summte leise vor sich hin und folgte dem feuchten, steinigen Gang, bis er um eine Ecke bog und ihm eine mit Eisen verstärke Holztür den Weg versperrte. Er klopfte zweimal, dann einmal, dann dreimal. Ein Rhythmus, den nur die Schattenläufer kannten. Es erklang ein dumpfes Geräusch, dann wurde die Tür geöffnet.

»Willkommen zurück, Bruder«, sagte Conrad und trat zur Seite. »Die Schatzkammer steht dir offen.« Er trug den für die Schattenläufer typischen schwarzen Umhang. Die Kapuze hatte er zurückgeschlagen und sein Haar hatte sich durch die vorherrschende Feuchtigkeit leicht gewellt.

»Wie lange hast du noch Dienst?«, erkundigte sich Haden und ging an seinem Kameraden vorbei.

Conrad schloss die Tür hinter ihm und ließ sich auf einem Schemel an der Wand nieder. Eine Fackel, die direkt neben ihm stand, erhellte sein kantiges Gesicht. »Nich’ mehr lang«, nuschelte er und balancierte einen Dolch auf seinem rechten Zeigefinger.

Haden verabschiedete sich mit einem Nicken von ihm und ging weiter durch den engen Gang. Bis auf das leise Plätschern des Kanalwassers war es still. Obwohl sich die Schatzkammer direkt unter dem Markt befand, merkte man nichts von der Hektik und dem Lärm dort oben. Es war eine andere Welt. Es war das Zuhause der talentiertesten Diebe in ganz Neloris – den Schattenläufern.

5

Arva

Arva saß an dem langen Tisch, der sich in der weitläufigen Halle der Schatzkammer befand. Drei große, eiserne Kronleuchter erfüllten den steinernen Raum mit warmem Licht. Arva gegenüber saß Zhinon, der Hehler der Schattenläufer. Er drehte das Amulett, das sie auf dem Markplatz gestohlen hatte, zwischen seinen Fingern und begutachtete es mit einem Schmunzeln. Sie wandte kurz den Kopf, sah zu Victor und Alyx hinüber, die mit etwas Abstand zu Zhinon und Arva gerade die Spezialität Syphars – gebratenen Fisch mit Kartoffeln – verspeisten. Und weiter hinten, am Ende der Halle, direkt neben dem Schrein der Göttin Eyada, tuschelten drei jüngere Schattenläufer aufgeregt miteinander. Arvas Blick blieb an der Bronzestatue der Göttin der Dunkelheit hängen. Sie war eingehüllt in einen Umhang und hatte die Hände vor der Brust gefaltet. Ihr Gesicht war zur Hälfte von einer Maske bedeckt und eine Kapuze verbarg ihre Augen. Die Statue wich ein wenig vom offiziellen Eyada Schrein im Tempeldistrikt ab. Dort trug die Göttin weder eine Maske noch eine Kapuze. Aber die Menschen Syphars wussten trotzdem, dass sie nicht nur die Göttin der Dunkelheit, sondern auch die Beschützerin der Diebe war.

»Gute Arbeit, wirklich«, lobte Zhinon und lachte.

»Mach dich nicht über mich lustig.« Arva warf ihm einen warnenden Blick zu, konnte sich ein Schmunzeln aber nicht verkneifen, als sie das breite Grinsen des Hehlers sah.

»Das würde ich nie«, beteuerte er süffisant und schob ihr fünf Goldstücke über den Tisch zu. Drei für das Amulett und zwei für die Ringe, die sie dem verliebten Paar abgenommen hatte.

Ihr Lächeln verschwand und sie wurde wieder ernst. »Jeder Anfänger hätte diesen Auftrag erfüllen können.« Sie deutete auf die drei jungen Schattenläufer.

Zhinon runzelte die Stirn. »Hast du etwas getan, was den Schattenkönig verärgert hat?«

Arva warf ihm einen bösen Blick zu. »Natürlich nicht.«

»Warum hat er dir dann diesen lächerlichen Auftrag gegeben? Das Amulett ist nicht einmal wichtig. Irgendeine verflossene Geliebte der Zielperson will es haben.« Er warf seine langen schwarzen Haare zurück und zog eine perfekt geschwungene Augenbraue nach oben. Arva kannte niemanden, der so auf sein Äußeres achtete wie Zhinon. »Das wüsste ich selbst gern. Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest.«

Zhinon verstand, erhob sich von seinem Stuhl und ließ die Tashéya allein. Er mied sie nicht wie viele der anderen Schattenläufer, dennoch wusste Arva, dass er ein wenig Angst vor ihr hatte.

In diesem Augenblick kam Haden in die große Halle. Sie nickte ihm zu und er setzte sich neben sie.

»Na«, begann er und kratzte sich verlegen am Kinn. »Wo warst du heute unterwegs?« Er fixierte sie mit seinen haselnussbraunen Augen.

Sie wusste sofort, worauf er hinauswollte. »Auf dem Markt und im Kronenviertel. Du?« Im Moment hatte sie keinen Nerv dazu, dieses Thema mit ihm zu besprechen. Klar, sie waren Freunde – vielleicht war er sogar ihr einziger Freund – aber über so etwas sprachen sie nicht. Niemals.

»Ach, witzig«, druckste er herum. »Ich war auch im Kronenviertel.«

Hochkonzentriert starrte sie ihr Glas an und brummte zustimmend. Sie hatte noch genau vor Augen, wie Haden diese blonde Frau geküsst hatte. Arva war nicht eifersüchtig und stand auch nicht auf ihn, aber trotzdem fühlte es sich seltsam an, dass er etwas ohne sie tat. Wenn er sie doch wenigstens in sein Geheimnis eingeweiht hätte.

»Komisch, dass wir uns nicht gesehen haben«, setzte Haden nach.

»Wieso?«, entgegnete sie. »Das Kronenviertel ist ziemlich groß.«

Wenn er doch einfach damit aufhören würde.

»Hm, ja. Da hast du auch wieder recht.« Er tätschelte Arva die Schulter.

Dafür erntete er einen vielsagenden Blick von ihr. Sie konnte nicht begreifen, warum die Menschen ständig andere berühren wollten. Ohne triftigen Grund! Bei einem Taschendiebstahl war das etwas ganz anderes. Da hatten Berührungen einen Sinn, sie dienten als Ablenkung. Sie sah von der Hand auf ihrer Schulter zu Haden. Ihr Blick blieb an der Narbe unter seinem linken Auge hängen. Für einen kurzen Moment betrachtete sie ihn einfach nur. »Kannst du dich noch daran erinnern, wie wir uns kennengelernt haben?«, brachte sie plötzlich hervor.

»Wie könnte ich das je vergessen? Du warst die Einzige, die damals nicht über mich gelacht hat.«

»Verdient hättest du es.« Ein Lächeln umspielte ihre Lippen. »Du hast ohne jegliche Vorbereitung oder Erfahrung versucht, einem Adeligen den Ring vom Finger zu stehlen.«

Haden verschränkte die Arme vor der Brust. »Obwohl … Hattest du mich nicht einen Trottel genannt?«

»Das habe ich«, gab sie zu und grinste breit. »Und ich habe deine Wunde versorgt, nachdem dich dieser Typ mit seinem Messer erwischt hatte.« Sie deutete auf Hadens Narbe.

»Das hast du«, sagte er sanft. »Und ich habe erkannt, dass das lilafarbene kleine Mädchen mit den Hörnern vielleicht doch ganz in Ordnung ist.«

Für einen kurzen Moment schwiegen sie und sahen sich einfach nur an. Dann brachen sie in helles Gelächter aus. Victor und Alyx warfen ihnen fragende Blicke zu.

Haden erhob sich von seinem Platz und zwinkerte Arva zu. »Ich geh dann mal zu Zhinon und hol mir meinen Lohn.«

»Tu das.«

Nachdem er außer Sichtweite war, stand sie ebenfalls auf. Sie hatte lange genug gewartet. Jetzt war es an der Zeit, mit dem Schattenkönig zu sprechen. Sie musste wissen, warum er ihr heute diesen schrecklich langweiligen Auftrag gegeben hatte. Sie ging am Schrein von Eyada vorbei und verließ die große Halle durch den breiten, mit Gravuren verzierten Rundbogen. Der anschließende Gang war hier mit schwarzen Teppichen ausgelegt und wurde von kleinen, runden Laternen erhellt, die in kurzen Abständen an der kantigen Steinwand befestigt waren. Zu Arvas Rechten führte ein schmaler Gang zu den Unterkünften der Frischlinge. Während ihrer einjährigen Ausbildung waren alle neuen Schattenläufer in den Gemeinschaftsunterkünften untergebracht. Links von ihr führte ein Gang zu den Trainingsräumen, wo die neuen Rekruten den Umgang mit Waffen lernten, das Schlösserknacken übten und ihre Balance verbessern konnten. Weiter vorn führte ein weiterer Gang zu den Unterkünften der ausgebildeten Schattenläufer. Dort befand sich unter anderem Arvas Zimmer, private Baderäume und ein Gemeinschaftsraum mit einem Flügel. Sie hatte sich schon immer gefragt, wie das riesige Instrument in die Schatzkammer gekommen war. Es gab nur den einen Eingang und der war definitiv zu schmal für so etwas Großes.

Aber an der Abzweigung zu den Quartieren ging sie heute vorbei, bis sie an eine zweiflügelige Tür gelangte, die zur Unterkunft des Schattenkönigs führte. Ihr Herzschlag beschleunigte sich und sie holte noch einmal tief Luft, dann klopfte sie an. Nichts. Sie klopfte erneut. Als immer noch keine Antwort aus dem Inneren kam, drückte sie die Klinke nach unten und öffnete eine der Türen.

»Vater?«, rief sie ins Zimmer. Er schien tatsächlich nicht da zu sein. Trotzdem trat sie ein. Das Quartier des Schattenkönigs bestand aus drei Räumen – dem Eingangsbereich mit mehreren mit dunklem Samt überzogenen Sofas, einem Schlafzimmer auf der rechten Seite und einem Arbeitszimmer auf der linken. Die Türen zu beiden Räumen standen offen und Arva steuerte auf das Arbeitszimmer zu. Vielleicht konnte sie sich ein paar spannende Aufträge schnappen. Sie würde nicht noch einmal die Arbeit von Anfängern erledigen.

An der hinteren Wand standen deckenhohe Regale, mit einer breit gefächerten Auswahl an Büchern. Links und rechts hing jeweils ein Gobelin. Der eine zeigte einen Dreimaster mit weißen Segeln auf dunklem Wasser, der andere stellte einen Teil des Hafenviertels mit seinen Stegen und Stelzenbauten dar. Arvas Blick glitt zu dem breiten Schreibtisch in der Mitte des Raumes. Dort lagen unzählige Dokumente und eine Karte von Neloris, neben einer runden Box mit Stiften stand eine kleine Eyada Statue. Für einen Außenstehenden hätte es wie das reinste Chaos ausgesehen, doch Arva konnte die Ordnung darin erkennen. Oft genug hatte sie ihrem Vater hier bei der Arbeit zugesehen. Sie trat hinter den Schreibtisch und studierte die Karte mit ihren Augen. Kleine farbige Nadeln markierten einzelne Punkte im Land.

Die sind neu, dachte sie und fuhr mit dem Finger über Neloris, das im Westen und Osten vom Meer eingerahmt wurde und zwischen zwei Ländern lag. Sie wanderte mit dem Zeigefinger erst nördlich nach Lerindas, dann strich sie fast schon zärtlich nach Süden. »Azenwe«, flüsterte sie. Ihre Heimat, das Land der Tashéya. »Irgendwann«, raunte sie und folgte mit dem Finger den Flüssen, die die zwei großen Seen von Neloris mit dem Meer verbanden. Wie Adern zogen sie sich über die Karte. Ihr Blick wanderte kurz zur Hauptstadt von Neloris – Athrolon hatte sie noch nie besucht, aber neben Syphar war sie einer der wichtigsten Handelspunkte des Landes.

Arva löste sich von der Karte und nahm ein paar der Briefe in die Hand. Alles Anfragen von Menschen, die die Dienste der Schattenläufer erbaten.

Alles langweilig, dachte sie.

Unter dem großen Haufen von Dokumenten fand sie jedoch einen Brief, dessen gebrochenes Wachssiegel sie kannte. Es war das Siegel von Lord Tharvalon. Er war einer der wichtigsten Männer in Neloris, galt als Vertrauter König Steltons und war der mächtigste Mann Syphars. Er kontrollierte die Stadt. Dass ihr Vater einen Brief von ihm erhalten hatte, konnte nur zwei Dinge bedeuten. Entweder steckten die Schattenläufer in ernsten Schwierigkeiten oder ihr Einfluss war um einiges gestiegen. Thomas Gál war nicht nur der Schattenkönig. Er hatte sich auch in der Gesellschaft Syphars einen Namen gemacht und war ein angesehener Gentleman. Er führte ein Doppelleben, von dem nur wenige wussten. Arva musste einfach erfahren, was hier vor sich ging und öffnete den Brief.

Schattenkönig,

es erfüllt mich mit großer Freude, dass Ihr Interesse an der Mission Abendrot gezeigt habt. Die Unterstützung der Schattenläufer wird bei den eingeweihten Lords zunächst Misstrauen erwecken, doch ich bin mir sicher, dass sie ihre Meinung schnell ändern werden. Ihr seid ein wichtiger Verbündeter bei dieser Mission und könntet das Zünglein an der Waage sein, wenn es um deren Erfolg geht.

Euer Freund

Edward Tharvalon

Der Brief war an den Schattenkönig adressiert, nicht an Thomas Gál. Was hatte das zu bedeuten? Und was bei Eyada war Mission Abendrot? Arva überprüfte das Datum auf dem Brief. Er war vor fünf Tagen geschrieben worden. Ob ihr Vater noch vorhatte, ihr von dieser Mission zu erzählen? Seit der Schattenkönig sie als Baby auf einem Schiff gefunden und bei sich aufgenommen hatte, hatte er nicht wirklich etwas vor ihr geheim gehalten. Sie kannte ihn so gut wie sich selbst. Zumindest hatte sie das gedacht. Warum hatte auf einmal jeder, dem sie vertraute, Geheimnisse vor ihr?

»Hast du gefunden, wonach du gesucht hast?«

Arva schreckte auf und drehte sich um.

Thomas Gál stand in der Tür zum Arbeitszimmer, seine Arme vor der Brust verschränkt. Wie immer trug er Kleidung, die eines Lords würdig war. Den langen nachtblauen Mantel hatte er einer Lieferung entwendet, die für Lord Tharvalon bestimmt gewesen war. Das kurze braune Haar war streng nach hinten gekämmt und auf seiner gebräunten Haut zeichneten sich die ersten Falten ab.

»Ich wusste nicht, dass du und Lord Tharvalon befreundet seid«, sagte Arva und streckte ihm den Brief entgegen.

Der Schattenkönig kam mit großen Schritten näher und nahm den Brief behutsam aus ihrer Hand. »Wir sind keine Freunde.«

»Was ist Mission Abendrot?« Arva ließ nicht locker. Sie wollte in die Geheimnisse ihres Vaters eingeweiht werden. Immerhin war sie kein einfaches Mitglied der Schattenläufer! Es war ihr Recht, mehr zu wissen als die anderen.

»Ich wollte dich da eigentlich raushalten«, wich ihr Vater aus.

»Du weißt, dass ich nicht rausgehalten werden will!«

Der Schattenkönig strich sich eine dunkle Haarsträhne aus der Stirn und schaute seine Tochter an. »Das willst du in der Tat nicht. Wie konnte ich auch nur annehmen, diese Mission vor dir geheim halten zu können?« Er legte einen Arm um Arva. Nur bei ihm ließ sie so etwas zu. »Fandest du deinen heutigen Auftrag etwa nicht passend?« Seine Mundwinkel zuckten.

Sie verengte die Augen und gab ihm einen Stoß mit dem Ellbogen. »Natürlich fand ich ihn nicht … passend und das weißt du auch!«

Er lachte und legte den Brief des Lords zurück auf seinen Schreibtisch. »Ich werde dich morgen über die Mission Abendrot unterrichten. Ich habe da etwas, das du für mich erledigen könntest. Jetzt bin ich müde.«

»Aber ich… «

»Nicht jetzt, Arva«, unterbrach er sie in strengem Ton. »Ich sagte morgen.«

Sie nickte. »Verstehe. Ich werde bereit sein.«

»Das ist gut«, sagte der Schattenkönig und lächelte. »Gute Nacht.«

»Gute Nacht.« Arva wandte sich zum Gehen, wurde aber noch mal von ihrem Vater an der Schulter zurückgehalten. »Was ist noch?«, fragte sie.

»Betrete mein Quartier nie wieder ohne meine Erlaubnis.« Seine dunklen Augen funkelten und er hatte die Lippen zu einer strengen Linie zusammengepresst.

Ein kalter Schauder lief über ihren Rücken. Fühlte es sich so für die anderen Schattenläufer an, wenn sie mit dem Oberhaupt redeten? »Natürlich nicht. Tut mir leid.« Sie verließ das Gemach des Schattenkönigs und schloss die Flügeltür hinter sich.

Mit gesenktem Kopf bog sie in den Gang ab, der sie zu den Quartieren der Schattenläufer führte. Aus dem Gemeinschaftsraum drang leise Klaviermusik und vor Hadens Tür überlegte sie kurz, ob sie anklopfen sollte, entschied sich aber dagegen und ging weiter. Am Ende des Ganges öffnete sie die Tür zu ihrem eigenen Zimmer und zündete eine Laterne an, die den Raum in ein sanftes, warmes Licht tauchte. Der Boden wurde von einem purpurnen Teppich geschmückt. Eine seltene Farbe bei Stoffen, die sich nur die Reichen leisten konnten.

Sie löste ihren Gürtel, an dem zwei Dolche befestigt waren, und warf ihn auf den mit Büchern übersäten Schreibtisch. Ihr Vater hatte von Anfang an sichergestellt, dass sie mit diesen Waffen umgehen konnte, sollte sie einmal in eine missliche Lage geraten. Aber bisher hatte sie sie außer beim Training noch nie verwendet.

Die Stiefel stellte sie neben der dunklen Kommode ab, aus der sie eine weite Stoffhose und ein weiches Wollhemd hervorzog. Mit einem Gähnen betrat sie das Badezimmer, das nur durch einen schmalen Rundbogen vom Rest des Zimmers abgetrennt war. Sie streifte ihre schwarze Ledermontur ab und wusch sich am Waschbecken. Auf ein langes Bad hatte sie jetzt keine Lust. Mit einem Handtuch trocknete sie sich ab und schlüpfte in ihre Schlafsachen. Vor dem bodentiefen Spiegel in der Ecke verharrte sie einen Moment. Gänzlich schwarze Augen blickten ihr entgegen, mit denen sie im Dunkeln besser sehen konnte als Menschen. Das war ihr einmal bei einem nächtlichen Streifzug mit Haden aufgefallen. Ihre geschwungenen Hörner, die von ihrem Haaransatz aus nach hinten wuchsen, waren in den letzten Jahren um einiges breiter und länger geworden. Wann würden sie wohl vollends ausgeprägt sein? Mit dreißig vielleicht? Oder mit vierzig? Oder würden sie für immer weiterwachsen?

Mit der rechten Hand fuhr sie über die Rillen des einen Horns. Manchmal wünschte sie sich, sie würde mehr über ihr Volk wissen. Und manchmal wünschte sie sich, einfach so zu sein wie alle anderen. Normal auszusehen. Mit aller Kraft packte sie ihre Hörner und zog fest daran. Aber sie bewegten sich natürlich keinen Millimeter. Sie waren ein Teil von ihr und das würde sich niemals ändern. Zwischen ihren Brauen bildete sich eine Zornesfalte. Frustriert wandte sie sich vom Spiegel ab und ging zurück in ihr Zimmer. Mit einem Seufzen ließ sie sich aufs Bett fallen. Die Spitzen ihrer Hörner streiften die Matratze, als sie ihren Kopf ins Kissen sinken ließ. Noch ein paar Jahre und sie würde nur noch mit dem Kopf zur Seite gedreht schlafen können.

6

Saedra

Früh am nächsten Morgen leckte Vérek Saedras Gesicht ab. »Ich bin ja schon wach!«, beklagte sie sich und kraulte den Wolf hinter den Ohren. Aus dem Schankraum drangen gedämpfte Stimmen zu ihr nach oben. Vérek tappte von einer Pfote auf die andere und wedelte mit dem Schwanz, als sie aufstand. »Bist du bereit, den Menschen Syphars zu helfen?«, fragte sie ihn.

Er blinzelte nur.

Sie seufzte tief, legte ihre braune Lederrüstung an und warf sich den dunkelblauen Umhang um die Schultern. Ihre Axt versteckte sie hinter dem breiten Schrank und schnallte sich stattdessen den Dolch ihres Vaters um die Hüfte. Wenn sie nicht von jeder Person in Syphar angestarrt werden wollte, musste sie sich für eine schlichtere Waffe als ihre Axt entscheiden. Durch ihre Größe und die spitzen Ohren würde sie bereits genug Aufmerksamkeit auf sich ziehen.

Gemeinsam mit Vérek verließ sie das kleine Zimmer und ging die Treppe nach unten. In einer Ecke des Schankraums saßen ein paar Männer, ihrem Geruch und dem Aussehen nach, schon seit dem vorherigen Abend.

»Guten Morgen«, begrüßte sie der Wirt. »Ihr seid früh auf.«

»Ich habe ausreichend geschlafen. Habt Ihr etwas zu essen?« Der Wirt beäugte sie. »Nun?«

»Ja, das habe ich. Aber ich weiß nicht, ob … nun ja. Ob …«

Saedra verdrehte die Augen. Diese Menschen! »Ob Elfen auch etwas anderes als Menschenfleisch essen?«, scherzte sie zynisch. Die Männer in der Ecke verstummten und starrten sie durch ihre glasigen Augen an, der Wirt schluckte schwer. »Das war ein Witz«, stellte die Halbelfe trocken klar. »Elfen essen kein Menschenfleisch.«

Der Wirt zwang sich zu einem Lächeln. »Ah! Na dann. Ich habe Haferbrei und sogar ein bisschen frisches Obst.«

»Ich nehme es. Habt Ihr auch Fleisch für meinen Wolf?«

»Ich sehe nach.« Der Wirt verschwand im Hinterzimmer.

Saedra setzte sich an einen der runden Tische und wartete. Sie konnte noch immer die Blicke der Männer im Rücken spüren. Diese Menschen hatten wirklich keinen Humor.

Als der Wirt zurückkehrte, stellte er die Schüssel mit Haferbrei vor Saedra auf den Tisch und einen Teller mit Fleisch auf den Boden. Vérek wartete, bis der Wirt wieder hinter seiner Theke war, schnupperte kurz an dem Fleisch und fraß es. Skeptisch rührte Saedra den Haferbrei hin und her. Er sah ein bisschen schlammig aus und das frische Obst war matschig. Trotzdem probierte sie. Und wurde überrascht. Das Essen schmeckte nur halb so schlimm, wie es aussah.

Nachdem sie fertig war, brachte sie den Teller und die Schüssel zurück zur Theke und legte ein paar Kupfermünzen dazu. »Es hat gut geschmeckt«, gab sie zu und verließ dann gemeinsam mit Vérek den Singenden Wal.

Draußen schlug ihr dichter Nebel entgegen. Sie hob den Kopf und sah zum Himmel. Die aufgehende Sonne versteckte sich – wie am Tag zuvor – hinter einer dicken Wolkenschicht. Missmutig senkte sie den Blick und betrachtete das Hafenviertel, das langsam erwachte. Wo sollte sie in dieser riesigen Stadt nur anfangen? Bestimmt gab es mehr als genug Menschen, die Hilfe benötigten, doch wer würde sie auch von einer Halbelfe annehmen? Sie entschied sich dazu, den Kanal zu überqueren und erst einmal die Stadt zu erkunden. Vielleicht würde sie ja durch Zufall jemandem begegnen.

Eine frische Brise wehte über den Markt, als die Händler ihre Stände öffneten. Im Vergleich zum Vortag waren es deutlich weniger und so früh am Morgen gab es auch kaum Kundschaft. Entgegen ihrem ersten Eindruck empfand Saedra diese Ruhe am Morgen viel angenehmer als das hektische Treiben vom Vortag. Sie atmete tief durch und setzte sich auf eine Bank, von wo aus sie eine Frau mit wirren grauen Haaren beobachtete. Misstrauisch begutachtete sie das Obst und Gemüse eines Händlers.

»Das soll frisch sein?«, fragte sie den Mann bissig.

»Aber ja. Es kam heute früh direkt von meinem Bauer des Vertrauens«, gab er freundlich zurück.

»Diese Äpfel würde ich nicht einmal meinen Hühnern füttern!«

»Ihr dürft Euer Obst und Gemüse gern bei einem anderen Händler kaufen.«

»Pah! Jetzt werdet Ihr auch noch frech!«

Diese Szene konnte Saedra nicht länger mitansehen. Sie stand auf, bedeutete Vérek an der Bank zu warten, und ging dann entschlossen zu dem Stand des Händlers. »Guten Morgen«, begrüßte sie die beiden. Der Mann und die Frau schauten sie an, als hätte sie gerade damit gedroht, sie aufzufressen. »Das Obst ist frisch?«, fragte sie unbeirrt und nahm einen Apfel in die Hand. Sie konnte nicht sehen, was die Frau daran auszusetzen hatte.

»Ja«, antwortete der Händler, er hatte seine Gesichtszüge wieder im Griff. Die Frau starrte Saedra weiterhin entgeistert an.

»Gut«, sagte Saedra. »Ich nehme alle Äpfel.«

»Was?«, zischte die Frau und stemmte die Hände in die Hüften. »Ich brauche auch welche!«

»Ich meine gehört zu haben, dass Ihr diese Äpfel nicht einmal Euren Hühnern füttern würdet.«

»Hm«, brummte die Frau. »Dann scheinen sie mir genau recht für ein Spitzohr zu sein.«

Saedra ignorierte die Beleidigung – wie immer – und wandte sich wieder an den Händler. »Wie viel macht das?«

»Ihr wollt alle Äpfel kaufen?«

»Sicher.«

»Das wären dann zwei Silberstücke.«

»Hier.« Sie zog das Geld aus ihrem Beutel heraus und reichte es dem Mann.

Er starrte die Münzen ein paar Sekunden lang an, dann nahm er sie und steckte sie in den Beutel, den er an seinem Gürtel trug. »Ich fülle Euch die Äpfel in einen Sack.«

»Habt Dank.«

***

Nachdem Saedra stundenlang durch Syphar gelaufen war und Äpfel verschenkt hatte, machte sie sich auf den Weg zum Westtor. Von einer freundlichen Frau hatte sie erfahren, dass sie auf den Feldern hungrigere Menschen als in der Stadt finden würde. Den Sack mit den Äpfeln, der nun schon fast zur Hälfte leer war, hatte sie sich über die Schulter geworfen.

Sobald sie das große Holztor durchquert hatte, atmete sie tief durch. Hier draußen roch es um einiges besser als in der Stadt. Die Luft war frisch und der Nebel hatte sich aufgelöst. Festen Schrittes lief sie an den Feldern entlang, wo die Menschen hart arbeiteten.

»Hey«, rief sie einem jungen Mann zu, der gerade dabei war, Kartoffeln zu ernten.

»Ja?« Er drehte sich zu ihr und wischte sich den Schweiß von der Stirn.

»Habt Ihr Hunger?« Saedra öffnete den Sack und nahm einen Apfel heraus.

Der Mann wirkte überrascht. »Ihr verschenkt Äpfel? Wieso?« Sein Blick huschte zwischen Saedra und Vérek hin und her.

»Einfach so«, erklärte sie und zuckte mit den Schultern. »Wollt Ihr nun einen oder nicht?«

»Uns geht es nicht schlecht.« Er deutete auf sich und die anderen auf dem Feld. »Aber bei den Woods wurde das halbe Feld von irgendwelchen Tieren zerstört. Vielleicht könnt Ihr ihnen Eure Äpfel geben.«

Die Halbelfe ließ sich von dem Arbeiter den Weg beschreiben und machte sich dann zum Hof der Familie Wood auf. Aufmerksam ging sie den ausgetretenen Feldweg entlang, der einen sanften Hügel hinaufführte. Von dort oben hatte sie einen freien Blick auf den See und Syphar. Die hölzerne Stadt war zur Hälfte im Wasser erbaut worden und der steinerne Teil, der nicht so recht zum Rest der Stadt passen wollte, war am weitesten vom Seeufer entfernt. Ein Schiff verließ soeben den Binnenhafen und steuerte auf eine Flussmündung im Westen zu, die Saedra gerade noch so erkennen konnte. Wohingegen sie das gegenüberliegende Ufer des Sees nicht einmal erahnen konnte.

Eine feuchte Schnauze stupste gegen ihre Hand. »Ist ja gut«, murmelte sie und löste sich von dem Anblick der Stadt. Umgeben von Feldern führte der Weg wieder den Hügel hinab und bald konnte sie die Holzhütte der Familie Wood sehen. Ein kleiner Pfad führte zwischen zwei Feldern, auf denen unzählige Pflanzen niedergetrampelt und ausgerissen waren, zur Tür.

Saedra klopfte an und Vérek legte sich neben sie auf den Boden. Ein großer, bulliger Mann öffnete die Tür und zog überrascht die Augenbrauen nach oben. »Noch eine von euch?«

»Wie bitte?« Saedra nahm den Sack Äpfel wieder von ihren Schultern und wollte ihn dem Mann geben.

Er jedoch drehte sich um. »Mr. Keresked, Ihr habt vergessen, zu erwähnen, dass Ihr in Begleitung unterwegs seid«, rief er in die Hütte.

Keresked? Das durfte nicht wahr sein!

»Das bin ich nicht«, drang eine tiefe Stimme aus dem Inneren, die Saedra nur zu gut kannte. Als Kivu Keresked in die Tür trat, schnaubte sie und verengte ihre Augen zu schmalen Schlitzen.

»Oh! Saedra«, stieß er hervor. »Dich habe ich nun wirklich nicht erwartet.«

»Gleichfalls«, entgegnete sie und zog die Augenbrauen zusammen. »Verzeiht die Störung, Mr. Wood. Wie ich sehe, habt Ihr bereits Hilfe. Aber ich schenke Euch diesen Sack mit Äpfeln, wenn Ihr ihn wollt.«

Der große Mann nahm den Sack dankbar entgegen. »Ihr scheint euch zu kennen«, bemerkte er und schaute irritiert von Saedra zu Kivu.

»Leider«, gab Saedra zu. »Wir gehören demselben Stamm an.«

Kivu grinste. Sein blondes Haar hatte er nach hinten geflochten, wodurch seine spitzen Ohren gut zu sehen waren. »Wir waren sogar Freunde«, fügte er hinzu.

Sie ballte die Hände zu Fäusten. »Bis ich herausgefunden habe, dass du dich nur bei meinem Vater einschleimen wolltest.«

Für einen kurzen Moment blitze etwas in seinen grünen Augen auf und sein Lächeln verschwand.

Mr. Wood räusperte sich. »Ich … verstehe.«

Ohne ein weiteres Wort zu sagen, drehte Saedra sich um und wollte gerade gehen, als Kivu die wenigen Stufen nach unten kam und ihr den Weg versperrte.

»Du willst schon wieder gehen? Diese Menschen brauchen Hilfe. Ich hatte soeben vorgeschlagen, dass ich sie dabei unterstützen könnte, das Feld wieder auf Vordermann zu bringen.«

»Schwer vorzustellen, dass du dir die Hände schmutzig machst.« Sie mahlte ihre Kiefer aufeinander und funkelte Kivu zornig an.

»Was ist nun?«, fragte er süffisant und ignorierte ihre Bemerkung. »Kannst du deinen Groll mir gegenüber vergessen und auch deine Hilfe anbieten?«

Sie schaute zu dem hoffnungsvoll dreinblickenden Mr. Wood und spürte, wie ihre Wut ein wenig abflaute. Das hier war ihre Pflicht. »Ich werde helfen. Meine Abneigung dir gegenüber bleibt bestehen.«

»Das werde ich mir noch hundert Jahre anhören dürfen, oder?«, entgegnete Kivu.

Saedra fertigte ihn mit einem Nicken ab.

7

Haden

So früh am Morgen war niemand außer Haden im Trainingsraum. Links an der Wand standen unterschiedlich große Kisten mit verschiedenen Schlössern. Auf der rechten Seite waren Türen in die Mauer eingelassen, die nirgendwo hinführten und zu Übungszwecken dienten. Direkt vor Haden standen vier mit Stoff umwickelte Strohpuppen. Auf eine von ihnen zielte er. Zwischen seinem Daumen und den restlichen Fingern hielt er die Klinge eines Wurfmessers. Zuerst musste er die richtige Entfernung einschätzen, damit das Messer mit der Spitze voraus in der Puppe landete. Er atmete ruhig und gleichmäßig und warf das Messer auf die Puppe. Es blieb in der Brust stecken und er schmunzelte.

»Du weißt aber schon, dass das in einem echten Kampf nicht besonders praktikabel wäre?«

Überrascht drehte er sich um.

Arva lehnte in der Tür und deutete mit dem Kinn auf die Strohpuppe. »Aber kein schlechter Wurf. Du wirst immer besser.«

»Lust auf einen kleinen Wettbewerb?«, forderte er sie heraus und grinste.

»Wann anders gern. Vorausgesetzt du bist bereit, schon wieder zu verlieren«, stichelte sie. »Jetzt muss ich zu meinem Vater.«

Haden ging ein paar Schritte auf sie zu und verschränkte die Arme vor der Brust. »So früh? Hat er etwas Wichtiges für dich?«

»Das wird sich zeigen.« Sie drehte sich um und winkte ihm zum Abschied. »Bis dann.«

Für ihn gab es heute keinen Auftrag. Er konnte den Tag so verbringen, wie er wollte. Ob er Tanya noch mal einen Besuch abstatten könnte? Das war wohl keine gute Idee. Vielleicht könnte er ihr einen Brief schreiben. Er warf sein letztes Wurfmesser und verfehlte den Kopf der Puppe nur um Haaresbreite. Als er nach vorn ging, um seine Messer aufzusammeln, kamen Rilo, Iala und Marcia in den Trainingsraum. Sie gehörten zu den diesjährigen Frischlingen.

»Guten Morgen«, begrüßte er sie und zog ein Messer aus der Brust der Strohpuppe.

»Oh, wir wollten nicht stören«, entschuldigte sich Marcia. »Wir können auch nach nebenan gehen und zuerst unser Gleichgewicht trainieren.« Sie war die Älteste unter den Neuen und vielleicht drei Jahre jünger als Haden. Sie hatte lange dunkle Locken, ein rundliches Gesicht und sah – wie Haden zugeben musste – wirklich schön aus.

»Ist schon gut«, erwiderte er und lächelte sie an. »Ich bin sowieso fertig für heute.«

Ihre Wangen wurden rot. Iala stupste ihr mit dem Ellbogen in die Seite und kicherte.

Mit einem Zwinkern verabschiedete sich Haden. »Viel Spaß!«

Er steuerte die große Halle der Schatzkammer an. Einige der Schattenläufer waren bereits am Frühstücken. Es standen frischer Haferbrei und Obst auf dem Tisch. Zhinon winkte ihm zu und er setzte sich auf den freien Platz neben den Hehler. »Ist dir die Neue schon mal aufgefallen? Marcia?«, fragte Haden und schöpfte sich eine große Portion Haferbrei in die Schüssel.

Zhinon zog eine Augenbraue nach oben und lachte. »Ich weiß, wer Marcia ist, ja.«

»Weißt du, ob sie vergeben ist?«

»Ich glaube nicht.« Der Hehler kratze seine Schüssel aus und drehte sich zu ihm. »Du bist wirklich ein Schuft.«

»Ich habe gar nichts getan.« Haden hob abwehrend die Hände.

»Noch nicht. Und ich rate dir, vorsichtiger zu sein mit deinen Frauengeschichten.«

»Ich weiß nicht, was du meinst.«

»Du weißt sehr wohl, was ich meine.« Zhinon deutete mit seinem Löffel auf Haden. »Denkst du, es wäre dem Schattenkönig nicht aufgefallen, dass du dir für deine Aufträge im Kronenviertel immer besonders viel Zeit lässt?«

Haden verschluckte sich an einem Stück Apfel. »Er weiß davon?«, fragte er ungläubig und hustete.

Zhinon sah nach rechts und links. »Er weiß, dass du dort eine Frau hast«, bestätigte er mit gesenkter Stimme.

»Verdammt.« Er musste wirklich besser aufpassen.

»Sei vorsichtig, Haden. Ich meine es ernst. Im Kronenviertel gibt es viele Frauen, die Macht haben. Gerate bloß nicht an die Falsche.«