Nerdy little Secret - Carrie Aarons - E-Book

Nerdy little Secret E-Book

Carrie Aarons

0,0
4,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Nur ein Sommerflirt, so lautete der Deal. Zumindest dachte Jolie das, als sie und Mick kurz vor dem Semesterstart beide ihrer Wege gingen. Bis sie ihren viel zu heißen Nerd unverhofft auf dem Campus wiedertrifft. Wie schon beim ersten Mal kann sie der Anziehung kaum widerstehen, sein Interesse scheint allerdings verraucht. Als Jolie mit ihren Prüfungen hinterherhinkt, ist es ausgerechnet Mick, der ihr seine Hilfe anbietet. Und Jolie willigt ein. Eine sehr dumme Idee. Denn Mick bringt eine Seite von ihr zum Vorschein, die sie vor aller Welt verborgen halten will ...

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 316

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



NerdylittleSecret

e

Carrie Aarons

© 2022 Romance Edition Verlagsgesellschaft mbH

8700 Leoben, Austria

Covergestaltung: © Sturmmöwen

Titelabbildung: © VitalikRadko (depositphotos)

Redaktion & Korrektorat: Romance Edition

ISBN-Taschenbuch: 978-3-903413-19-1

ISBN-EPUB:978-3-903413-20-7

www.romance-edition.com

Prolog

Mick

»Du musst leiser sein«, flüstere ich ihr ins Ohr und unterbreche die Bewegung meiner Hüften.

»Wenn jemand aufhören würde, mit dem Finger an meiner Klit rumzuspielen, könnte ich das vielleicht.« Jolie kichert halbherzig. Es klingt mehr nach einem gehauchten Stöhnen.

Mein Schwanz pulsiert ungeduldig in ihrer Pussy und will, dass ich weitermache.

»Ich kann nichts dafür, dass du so laut bist.« Ich vergrabe meine Nase in ihren Mokkawellen und atme den Duft von Sonnencreme und ihrem Zitrus-Vanille-Duschgel ein. »Wenn du dich nicht zurückhältst, wecken wir alle auf. Und dann stecken wir wirklich in Schwierigkeiten.«

Miranda, eine der leitenden Betreuerinnen in dem Sommercamp, in dem wir beide seit drei Monaten arbeiten, hat uns schon zweimal beim Knutschen in der Scheune erwischt. Mir war das unglaublich peinlich. Jolie hat bloß mit den Schultern gezuckt und gemeint, dass wir Miranda das nächste Mal fragen könnten, ob sie mitmachen will. Mir ist fast die Kinnlade runtergeklappt.

Wenn mir jemand gesagt hätte, dass ich den Sommer vor meinem ersten College-Jahr auf diese Weise beenden würde, hätte ich es nicht geglaubt. Oder zumindest nur den Teil mit dem Job in einem Sommercamp. Die Aufsicht für zwanzig Kinder zu übernehmen, die jede Woche wechseln, ist anstrengend. Man muss sich mit ihren Streitereien, ihrem Heimweh und noch so einigen anderen Dingen herumschlagen. Aber es ist nicht alles schlecht. Es gibt Hamburger und Hot Dogs ohne Ende, und wir veranstalten den ganzen Tag über lustige Spiele. Der See und das olympische Schwimmbecken sind weitere Pluspunkte. Ich kann hier nicht nur trainieren, sondern auch Schwimmunterricht geben. Außerdem ist die Bezahlung in Camp Woodwin mehr als gut. Wenn die Saison vorbei ist, werde ich über zweitausend Dollar in der Tasche haben. Ich kann mich im nächsten Semester ganz auf mein Studium konzentrieren und muss mir nicht nebenbei etwas dazuverdienen.

Wenn mir jedoch einer gesagt hätte, dass ich das heißeste Mädchen abschleppe, das mir je in meinem Leben begegnet ist? Ich hätte denjenigen ausgelacht und gefragt, welche Fanfiction er in letzter Zeit gelesen hat.

Ja, ich bin ein Nerd. Mit allen Charaktereigenschaften, die das Klischee so mit sich bringt. In der Highschool war ich in allen möglichen Leistungskursen. Ich spiele Tuba, einige Zeit sogar in der Marschkapelle meiner Schule. Meine Freunde und ich haben uns wöchentlich getroffen, um The Big Bang Theory zusehen. Und Pokémon war bei uns noch angesagt, als es bei allen anderen wieder total out war. Medizinische Lehrbücher und YouTube-Videos über chirurgische Eingriffe interessieren mich mehr als Pornos. Und zu meinem Abschlussball habe ich eine Krawatte mit dem Periodensystem getragen.

Das einzig Coole an mir ist, dass ich ein verdammt guter Schwimmer bin. Ich habe mehrere regionale Wettbewerbe gewonnen und halte den Hundert-Meter-Schmetterlingsrekord an meiner Highschool. Deshalb passe ich optisch nicht ganz so in das typische Bild eines Nerds, denn durch das viele Training habe ich einen guten Körperbau und bin inzwischen von der Sonne auch ziemlich braun gebrannt. Ansonsten trage ich immer noch die schwarz umrandete Brille und am liebsten Star-Wars-T-Shirts.

Ich habe kein Problem damit, wer oder wie ich bin oder zu welchen Cliquen ich gehöre. Das hatte ich noch nie. Ich mag mich und mein Leben, so wie es ist.

Aber dass ein Mädchen wie Jolie Kenner auf mich abfahren würde, habe ich nie und nimmer erwartet. Nicht in einer Million Jahren. Es sei denn, die Sterne stünden günstig, wir wären zusammen auf einer einsamen Insel gestrandet, oder sie hätte durch eine wundersame Fügung des Schicksals beschlossen, sich für mich zu interessieren. Doch es waren weder die Sterne noch die Insel.

Wir haben beide in der ersten Juniwoche unseren Dienst im Camp begonnen, sie als Betreuerin einer Mädchengruppe, ich als Löwenbändiger, denn nichts anderes sind die Jungs, auf die ich aufpasse. Ein paar wilde, junge Löwen. Insgesamt besteht das Camp aus zwanzig Hütten mit fünfundvierzig Erwachsenen, die sich um die Racker kümmern, die jede Woche ins Camp gebracht werden.

Ich habe Jolie an meinem dritten Tag kennengelernt, als unsere Schützlinge gemeinsam zum Bogenschießen eingeteilt waren. Mein Gott, sie ist das schönste Geschöpf, das ich je gesehen habe. Ihr schokoladenbraunes Haar lockt sich bis zur Mitte des Rückens, und ihre Augen leuchten wie Diamanten im Mondlicht. An diesem Tag hat sie die kürzesten Jeansshorts getragen, die ich je gesehen habe. Ihre langen, schlanken Beine führten zu einem Hintern, der so wohlgeformt war, dass ich meinen Blick immer wieder abwenden musste, um ihn nicht anzustarren. Das Gleiche gilt für ihre Brüste, die trotz des waldgrünen Camp-Woodwin-T-Shirts einfach perfekt wirkten. Doch mir gefällt nicht nur ihr Äußeres. Jolie Kenner ist die Art von Mädchen, die Persönlichkeit, Sex-Appeal und etwas Unbeschreibliches ausstrahlen. Sie wäre die ideale Hauptdarstellerin einer Highschool-Romantikkomödie, die die Flure entlangläuft und alle Blicke auf sich zieht. Man will sie unbedingt kennenlernen.

Irgendetwas muss ihre Aufmerksamkeit auf mich gelenkt haben, denn von da an hat sich eine Art Flirt zwischen uns entwickelt. Seither geht sie mir nicht mehr aus dem Kopf. Sie hat sich über mich lustig gemacht, und ich habe so getan, als hätte ich ihren Namen falsch verstanden und sie Julia genannt. Beim Essen saßen wir immer am selben Tisch und lieferten uns heitere Wortgefechte, während wir die Kinder im Blick behielten.

Eines Abends, als wir die Kajaks in den Schuppen unten am See verstauten, hat sie mich geküsst. Sie hat mich mit dem Rücken an die Wand gedrückt und ihre Lippen auf meine.

Vor Jolie hatte ich nur mit einem Mädchen Sex: Brenda McClure entjungferte mich im letzten Jahr an der Highschool in einem Keller im Haus eines Freundes. Sie hatte eine Zahnspange und krause Haare, die ständig im Weg waren. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich fünfzehn Minuten gebraucht habe, um ein Kondom überzuziehen.

Das zeigt, wie raffiniert und erfahren ich mit Anfang zwanzig bin, was Mädchen betrifft. Ich musste sogar einen meiner Kumpel bitten, mir Kondome ins Camp zu schicken, weil ich keine dabeihatte. Nicht einmal in meinem Portemonnaie, wie alle anderen Typen in meinem Alter. Mit Sex hatte ich an diesem Ort einfach nicht gerechnet.

Seit diesem ersten Kuss können wir nicht mehr voneinander lassen. In den letzten zwei Monaten sind wir nachts heimlich ausgegangen, haben uns in den Pausen verabredet und jedes Mal geknutscht, wenn wir halbwegs ungestört waren. Wir sind wie Süchtige, wie zwei Turteltäubchen. Unzertrennlich. Beim ersten Sex mit Jolie bin ich mehr Risiken eingegangen als je zuvor in meinem Leben. Und Gefahr ist das Entfernteste, was man mit meinem Namen in Verbindung bringt. Aber mit Jolie ist das anders. Sie weckt eine Seite an mir, die ich bislang nicht kannte.

Jolie hat mir viel darüber beigebracht, was Frauen wollen. Sie hat mich auch gelehrt, nicht so ernst zu sein und das Leben so zu nehmen, wie es kommt, ohne immer an die Konsequenzen zu denken.

»Oh, Mick ...« Sie stöhnt, als ich sie über den Tresen in der Kantine beuge. Das ist einer unserer Lieblingstreffpunkte, weil er nach elf Uhr abends nicht beleuchtet ist und wir uns anschließend heimlich einen Schokoriegel aus dem Vorrat im Hinterzimmer holen können.

Ihr Hintern klatscht bei jedem Stoß gegen meinen Unterleib, ihre schokobraunen Haare liegen auf dem Tresen. Ich halte sie an ihren Hüften fest. Fordernd sieht sie mich über ihre Schulter an.

Gott, dieses Mädchen.

Ich lasse meine Hand an ihrer Hüfte vorbei hinunter zu der Stelle gleiten, an der wir miteinander verbunden sind. Sanft drücke ich meine Finger gegen ihre pochende Klit und kreise um sie herum. Ich weiß, dass es sie erregt. Während ich weiter in sie stoße und um Kontrolle ringe, bewege ich meine Finger schneller und verdränge den Gedanken, dass ich gerade das letzte Mal mit ihr Sex habe.

Ich spüre, wie sich Jolie anspannt. Ihr Körper zeigt alle verräterischen Anzeichen eines Orgasmus. Als sie einen markerschütternden Schrei ausstößt, bedecke ich ihren Mund mit meiner Handfläche.

Ich bin nicht weit davon entfernt, Sterne zu sehen, als meine Knie nachgeben und auch ich den Höhepunkt erreiche.

Immer noch mit ihr verbunden, beuge ich mich zu ihr und küsse sie auf die Wange. Eine Sekunde später tippt sie mir auf den Arm und signalisiert mir so, dass ich mich aus ihr zurückziehen soll. Sofort vermisse ich sie.

»Was jetzt?«, frage ich atemlos und ziehe den Reißverschluss meiner Shorts hoch.

Jolie schiebt ihren khakifarbenen Rock zurück an seinen Platz. Ich beiße mir auf die Zunge. Nie wieder werde ich ihren schönen Körper sehen, ihr Kichern nah an meinem Ohr hören oder sie berühren. Ich werde nie mehr mit ihr bis in die frühen Morgenstunden reden. Für mich war das nicht nur eine flüchtige Affäre. Die Erkenntnis überrascht mich und stimmt mich traurig. Ich hätte nie gedacht, dass Jolie der Typ Mädchen ist, mit dem ich mir mehr vorstellen könnte. Aber sie ist wirklich eine Freundin geworden. Wir sprechen über Ängste, Gefühle und haben den gleichen Humor.

»Wir kehren ins wahre Leben zurück, nennen das den perfekten Sommer und binden eine Schleife drum.« Sie zuckt mit den Schultern, als gäbe es nicht mehr zu sagen.

Ich kann sie nicht einfach so gehen lassen. Doch ich muss den Teil von mir abschalten, der sie fragen will, ob wir in Kontakt bleiben. Denn sie hat recht, obwohl sie nicht wissen kann, dass ich genauso denke. Das hier war eine besondere Zeit für mich, das perfekte Ende eines Sommers, in dem es darum ging, etwas zu wagen und Risiken einzugehen. Im Grunde bin ich nicht so ein Mensch. Aber mit Jolie habe ich mir eine kurze Auszeit und einfach mal Spaß gegönnt, bevor mein Leben wieder ernst und anstrengend wird.

Im Herbst werde ich an eine andere Universität wechseln. Ein Abschluss dort wird mir hoffentlich ein Medizinstudium ermöglichen und den Weg zu der Karriere ebnen, die ich anstrebe. Ich habe keine Zeit für Ablenkungen wie Sex, Liebe oder etwas Ähnliches. Und Jolie würde sämtliche meiner Pläne durchkreuzen.

Ich muss sie vergessen. Mein Leben gehört der Wissenschaft. Eine Beziehung mit einer Frau, auch mit Jolie, findet darin einfach keinen Platz.

»Es war schön, dich kennenzulernen.« Ich reiche ihr die Hand. Als sie ihre in meine legt, erfüllt ihr sanftes Lachen die Luft. Das ist der Soundtrack, der mich in den kommenden Monaten jeden wachen Moment begleiten wird. Da bin ich mir sicher.

1. Kapitel

Jolie

Ein lauter Fluch lässt mich aus dem Schlaf schrecken. Sofort dringt der Geruch von verbranntem Haar und dem Tequila der letzten Nacht an meine Nase.

»Igitt.« Der fahle Geschmack auf meiner Zunge erinnert mich an die vielen schlechten Entscheidungen, die man unter Alkoholeinfluss so trifft.

Ich steige aus dem Bett und schaue an mir hinunter. Immerhin habe ich mir gestern einen Pyjama angezogen. Allerdings besteht der aus einem T-Shirt meiner Fußballmannschaft aus der achten Klasse und dem Bodycon-Rock, den ich gestern Abend in der Bar getragen habe. Mein Blick fällt auf meinen Nachttisch. Als ich ein Glas Wasser und eine Packung Ibuprofen darauf sehe, atme ich aus. Gott sei Dank. Deswegen habe ich keine Kopfschmerzen. In meinem Zimmer herrscht das übliche Chaos aus verworfenen Outfit-Ideen, nicht beachteten Lehrbüchern und einer für diese Bruchbude viel zu anspruchsvollen Einrichtung. Aber meine Mutter hat darauf bestanden, mir eine Tagesdecke aus Paris und einen Schreibtischstuhl aus Schweden zu schicken.

»Maddy, hast du dich schon wieder verbrannt?«, ruft Christine, eine meiner Mitbewohnerinnen, durch unser Haus.

»Dieser verdammte Lockenstab wird viel zu heiß. Und jetzt sieht es so aus, als hätte ich einen Knutschfleck auf der Stirn«, jammert Maddy, die Dritte im Bunde.

Auf dem Weg zur Tür stolpere ich über ein Paar High Heels und einige Seidenblusen. »Gib etwas von meiner Augensalbe drauf, dann sollte er innerhalb einer Stunde weg sein.«

»Ah, sieh an, wer ins Land der Lebenden zurückgekehrt ist. Hätte nicht gedacht, dass wir dich vor Mittag sehen würden.« Christine huscht mit einem frischen Bagel an mir vorbei zu ihrem Zimmer, begleitet von einer Lavendelduftwolke. Ich bin versucht, mit ihr um den Bagel zu ringen. Doch sie hält mich mit ihrem Blick in Schach. »Was zum Teufel ist letzte Nacht passiert?«

»Zu viel Tequila und die dumme Idee, noch in eine Shisha-Bar zu gehen«, tönt Maddys Stimme aus dem Badezimmer. Das erklärt den seltsamen Geschmack in meinem Mund. Mit knurrendem Magen gehe ich in die Küche.

Wir drei haben uns im ersten Studienjahr kennengelernt. Trotz unserer unterschiedlichen Interessen wurden wir schnell beste Freundinnen. Madison studiert Musikwissenschaften. Eines Tages wird sie Konzertsäle voller Menschen mit ihrem Harfenspiel zu Tränen rühren. Sie ist die Netteste von uns und immer darum bemüht, uns zu den besten Partys oder an die schönsten Orte mitzunehmen. Christine dagegen ist eine gewiefte Geschäftsfrau. Sie ist unglaublich klug. Noch setzt sie ihren Geschäftssinn dafür ein, dass unsere Rechnungen pünktlich bezahlt werden. Aber ich bin davon überzeugt, dass in ihr eine Gottessanbeterin schlummert, die ihren männlichen Angestellten eines Tages den Kopf abbeißen wird.

Und dann bin da noch ich, der Leim, der uns zusammenhält. Nicht besonders schlau oder talentiert, aber für Kuss- oder Beauty-Tipps bin ich genau die Richtige. Deshalb studiere ich im Hauptfach Wirtschaft und besuche zusätzlich einige Marketingkurse. Mein Traum ist es, einen Job bei einer Kosmetikfirma zu ergattern und deren Produkte zu vermarkten. Oder sogar selbst welche herzustellen. Wenn ich schon arbeiten muss, dann möchte ich etwas tun, was mir Freude bereitet.

Ich bin die Wilde von uns dreien und stifte meine zwei Freundinnen gern mal zu Streichen an. Ein paar Risiken einzugehen, gehört für mich zum Leben dazu. Außerdem möchte ich, dass unsere Erinnerungen an das College nicht nur glänzen, sondern funkeln. Doch das bedeutet auch, dass ich leichtsinnig und etwas unverantwortlich bin. Anders als meine zwei besten Freundinnen, die um diese Zeit längst auf den Beinen sind, bereit für den ersten Tag unseres dritten Studienjahres. Bevor ich mich ihnen anschließen kann, muss ich mich um meinen Kater kümmern. Ich sollte dem Alkohol wirklich abschwören.

Unsere Küche ist erstaunlich sauber, was ich Christine zuschreibe. Sobald sie betrunken ist, räumt sie auf. Ich weiß das zu schätzen. Wenn ich allein in diesem Haus wohnen würde, hätte ich es längst bei dem Versuch abgebrannt, mir morgens um zwei Nachos zu machen.

»Finger weg von meinen Cornflakes«, meldet sich Maddy zu Wort, die immer noch das Bad blockiert.

Erwischt. Ich verfluche sie innerlich, stelle die Schachtel zurück und genehmige mir stattdessen eine extra große Portion von meinem zuckerfreien Erdbeermüsli. Nicht dasselbe, aber es muss reichen.

»Wann habt ihr heute Unterricht?«, erkundige ich mich und versuche abzuschätzen, wie kreativ ich meine Ausreden für heute gestalten muss.

»Ich habe Kurse um neun, elf und zwei Uhr nachmittags, also werde ich fast den ganzen Tag auf dem Campus sein«, antwortet Christine aus ihrem Zimmer auf der Rückseite des Hauses.

»Bei mir ist es ähnlich. Anschließend gehe ich ins Fitnessstudio. Hat eine von euch Lust auf Pilates?«, fragt sie hoffnungsvoll wie immer. Ich bin fast sicher, Christine schnauben zu hören. Unsere Gespräche über Sport verlaufen immer auf dieselbe Weise: Maddy bietet uns an, sie zu begleiten, und wir lehnen ab.

»Und was liegt bei dir heute an?«, will Christine wissen und meint damit meinen Stundenplan.

Ich habe den ganzen Sommer darüber nachgedacht, wie viel ich vor ihnen verstecken oder verheimlichen muss. Ich dachte, es wäre ganz einfach. Aber jetzt bin ich mir nicht ganz sicher, wie ich das anstellen soll. Obwohl mehr als zehntausend Studenten die Salem Walsh University in North Carolina besuchen, begegnet man sich zwischendurch immer mal wieder auf dem Campus. Wenn ich ihnen nicht über den Weg laufe, werden sie sich fragen, wo ich mich rumtreibe.

Unser Haus liegt nur zwei Minuten vom Campus entfernt. Die Straße ist gesäumt von notdürftig renovierten Häusern, die von ihren Besitzern gerade so weit in Stand gehalten werden, dass sie im folgenden Jahr von den nächsten College-Party-Kids verwüstet werden können.

Ich hatte mich schon lange vor meinem Highschool-Abschluss für die Salem Walsh entschieden. Eigentlich noch vor der siebten Klasse. Und zwar aus mehreren Gründen. Erstens: Es ist die Alma Mater meiner Eltern. Zweitens ist das College eines der besten im Staat, vielleicht sogar im ganzen Land. Und drittens liegt der nächste Strand nur fünfundzwanzig Minuten entfernt.

Die Salem Walsh University wirkt mit ihrem Efeu an den Gebäuden und dem sonnenüberfluteten Innenhof wie eines dieser malerischen Colleges in Filmen, nur eben mit dem Flair einer Strandstadt. An den meisten Tagen gehen die Studenten nach dem Unterricht an die Küste, um zu surfen, zu lernen oder ein wenig Volleyball zu spielen, bevor die Nachtbars öffnen.

Allerdings bin ich für dieses Semester nicht auf der Salem Walsh eingeschrieben. Wie soll ich das nur vor meinen besten Freundinnen verbergen? Und auch vor allen anderen, die ich kenne? Was ist, wenn sie mich fragen, in welches Gebäude ich gehen muss, oder sich mit mir zum Mittagessen auf dem Campus treffen wollen?

Meine Leichtsinnigkeit hat mir diesmal eine Menge Ärger eingehandelt. Die Hälfte meiner Strafe habe ich bereits während des Sommers verbüßt. Das Camp war Teil eins, jetzt muss ich nur noch dieses Jahr überstehen, denn für meinen Abschluss darf ich zurück an die Salem Walsh wechseln. Das letzte Jahr wäre dann wieder so glorreich wie die ersten zwei.

Niemand, weder meine Mitbewohnerinnen noch sonst einer, muss erfahren, dass ich auf ein Community College gehe. Dafür werde ich sorgen. Mir müssen nur richtig gute Ausreden einfallen, um mein Geheimnis vor aller Welt zu wahren.

2. Kapitel

Mick

Ich schaue mich um und fühle mich wie ein Kind an Weihnachten, das gerade die komplette Encyclopedia Britannica ausgepackt hat.

Der Campus sieht viel besser aus als auf den Bildern. Wenn die Gebäude halten, was sie auf den ersten Blick versprechen, wird es mir hier gefallen. Üppiges Gras, rote Backsteingebäude, Laternenpfähle mit den Jahreszahlen der einzelnen Abschlussklassen, die bis ins Jahr 1915 zurückreichen. In den Fenstern der Wohnheime entdecke ich das Maskottchen der Salem Walsh University, ein Jaguar. Auf jedem freien Platz tummeln sich Studenten mit ihren Lehrbüchern und Laptops. Manche haben sogar Decken auf dem Rasen im Innenhof ausgebreitet, um dort zu lernen.

Monatelang habe ich das Vorlesungsverzeichnis der Salem Walsh geprüft und für meinen Stundenplan die schwierigsten Kurse ausgewählt. Die meisten Studenten hier hätten wahrscheinlich das genaue Gegenteil getan. Aber ich habe sogar eine Sondergenehmigung der College-Verwaltung eingeholt, um mehr Lehrveranstaltungen zu belegen, als erlaubt ist. Schon im nächsten Herbst will ich meinen Abschluss machen, deshalb bin ich an die Salem Walsh gewechselt. Mit ein paar zusätzlichen Intensivkursen während der Sommerferien wird mir das gelingen. Die Verwaltung sieht das entweder ähnlich, oder sie hat meinem Antrag aus sozialen Gründen zugestimmt.

Es war mir immer sehr unangenehm, wenn ich nach meinem Highschool-Abschluss gefragt wurde, welches College ich besuchen werde. Mit meinem Notendurchschnitt und meinem Ergebnis aus dem allgemeinen Zulassungstest hätte ich an einer Eliteuniversität angenommen werden können. Aber als Sohn eines behinderten Vaters und einer Mutter, die drei Jobs hat, um die Rechnungen zu bezahlen, ist das leider unerschwinglich.

Also bin ich in den letzten zwei Jahren auf ein Community College gegangen, das nur fünf Minuten von meinem Haus entfernt liegt. Auf diese Weise konnte ich mich um meinen Vater kümmern, während meine Mutter gearbeitet hat. Vor sechs Jahren wurde bei ihm ALS diagnostiziert, nachdem die motorische Funktion seiner Hände nachzulassen begann. Die Diagnose war für uns alle ein Schock, denn mein Vater war Marathonläufer und so gesund und fit wie nur wenige. Da rechnet man nicht mit einer solchen Nachricht.

Mittlerweile ist er auf einen Rollstuhl angewiesen, und das Sprechen fällt ihm mit jedem Tag schwerer. Ich habe ihn gefüttert und gewickelt, ihm seine Medikamente gegeben und war im Grunde sein Pfleger. Erst nach drei Jahren Wartezeit und unendlich vielen Anträgen wurde meinem Vater eine Vollzeitpflegekraft zu Hause genehmigt.

Jetzt kann ich mein Studium an einer Universität mit einem viel besseren Ruf fortsetzen. Durch meine hohe Platzierung im Zulassungstest musste ich die meisten Einführungskurse auf dem Community College nicht besuchen und konnte direkt mit jenen aus dem zweiten Studienjahr beginnen. Das hat mir einen Vorsprung verschafft, den ich weiter ausgebaut habe. Nun starte ich mein erstes Semester auf der Salem Walsh, belege aber bereits die Lehrveranstaltungen des Abschlussjahres. Im September will ich mein Diplom in den Händen halten. Hoffentlich werde ich bis Dezember an der medizinischen Fakultät eingeschrieben sein. Das ist der Plan, den ich an dem Tag gefasst habe, als mein Vater seine Diagnose bekam. Um keinen Preis will ich davon abweichen.

Auf dem Campus liegt auch das Gebäude, in dem ich während der nächsten neun Monate leben werde. Monmouth Hall, mein Wohnheim. Im dritten Stock folge ich dem Flur bis zur sechsten Tür und klopfe an.

»Es ist offen«, ruft jemand von drinnen, dann höre ich ein Gemurmel.

Zögerlich öffne ich die Tür. Zu meiner Überraschung stinkt es nicht nach Gras. Ich atme erleichtert aus und betrete eine Art Gemeinschaftsraum. Dort sitzt ein Typ in einem Spielesessel, der mich völlig ignoriert und den Bildschirm vor sich anschreit. Er spielt Call of Duty. Vorsichtig stelle ich meine Taschen auf den Boden.

»Hey, ich bin Mick Barrett, dein neuer Zimmergenosse?« Das sollte nicht wie eine Frage klingen, aber egal.

Der Typ, schlaksig, mit brünettem Kinnbart und rasiertem Schädel, blickt zu mir auf. Dann drückt er weiter wie wild Knöpfe auf seinem Controller, während auf dem Bildschirm ein Kugelhagel zu sehen ist.

Eine weitere Person taucht aus einem kleinen Küchenbereich auf.

»Yo, wer ist das?«, fragt ein kleiner, stämmiger Kerl mit einem Kiss Me, I’m Irish-T-Shirt den Typ im Spielesessel.

Ich strecke meine Hand aus. »Mick Barrett, dein neuer Zimmergenosse.«

»Du heißt Mick Barrett? Das passt doch überhaupt nicht.« Er schüttelt den Kopf und ignoriert meine ausgestreckte Hand. Das habe ich in meinem Leben schon oft gehört.

»Mein Vater ist ein großer Rockfan. Syd Barrett von Pink Floyd ist einer seiner Helden. Da unser Nachname ebenfalls Barrett lautet, hat er meine Mutter dazu überredet, mich Mick zu nennen. Nach Mick Fleetwood und Mick Jagger, zwei weitere seiner Rock-Idole. Die beiden konnten ja nicht wissen, dass ihr Sohn der größte Nerd in der Geschichte der Welt wird.«

Der Typ im Sessel unterbricht sein Spiel. »Super, ich liebe Pink Floyd. Ich bin Martin, das ist Rodney, und Paul schläft gerade. Oder vielleicht ist er in der Bibliothek, ich weiß es nicht.«

Ich nicke. »Schön, euch kennenzulernen, Leute. Ich wusste nicht, dass das hier eine WG ist.«

»Ja, wir haben alle unser eigenes Schlafzimmer, obwohl die Einzelbetten scheiße sind. Wir haben auch einen rotierenden Hausarbeitsplan. Jede Woche muss ein anderer das Bad oder die Küche putzen. Ich hoffe, das ist in Ordnung für dich«, erklärt Martin.

»Von mir aus.« Mir wäre es lieber, wenn alles sauber wäre, nicht nur Bad und Küche. Trotzdem danke ich meinen Glückssternen, dass meine Mitbewohner anständig wirken. Wer weiß, ob sie es wirklich sind. Solange sie keine Bartreste im Waschbecken oder geronnene Milch im Kühlschrank hinterlassen. Mit allem anderen könnte ich wahrscheinlich leben.

»Ihr seid im zweiten Semester?«, frage ich, wohl wissend, dass ich wahrscheinlich zu den ältesten Studenten im Wohnheim gehöre.

Rodney nickt. »Ja, wir wollen nächstes Jahr in ein Haus außerhalb des Campus ziehen, aber die Mutter von diesem Typen hier hat es uns dieses Jahr nicht erlaubt.«

Er schlägt Martin auf den Arm, und sein Freund grinst. »Wie auch immer. Das bedeutet aber, dass wir weiterhin unsere Mahlzeiten in der Mensa bekommen.«

»Das ist dein erstes Semester an der Salem Walsh, richtig? Aber dein drittes Studienjahr insgesamt, weil du von einer anderen Uni hierher gewechselt bist? Ich glaube, das stand auf dem Zettel mit den Infos über dich, den ich irgendwie verlegt habe.« Rodney zuckt mit den Schultern.

Ich nicke. »Ja, ich bin im dritten Jahr, aber ich versuche, meinen Abschluss früher zu machen. Kann mir einer von euch mein Zimmer zeigen, damit ich auspacken kann?«

Die beiden scheinen ziemlich nett zu sein. Sie mögen Videospiele, womit ich mich anfreunden kann, und witzige T-Shirts. Ich denke, wir werden gut miteinander auskommen.

Sie zeigen mir mein Zimmer, das sich im hinteren Teil der Wohnung befindet. Es ist klein. Mehr als ein Einzelbett, ein Schreibtisch und eine Kommode passen nicht hinein, aber es wird reichen. Es ist das erste Mal seit fast einundzwanzig Jahren, dass ich von meinen Eltern getrennt lebe.

Nachdem ich die meisten Klamotten ausgepackt und mein Bett gemacht habe, knurrt mir der Magen.

Im Wohnzimmer treffe ich Paul, meinen dritten Mitbewohner.

»Wo gibt es hier am Campus ein gutes Sandwich?«

»Wir gehen ins Pub. Du kannst dich uns anschließen, wenn du willst. Das Essen dort kostet zwar was, aber es schmeckt. Du solltest noch einmal gut essen, bevor du den Fraß aus der Cafeteria serviert bekommst.« Martin holt seine Schlüssel, um hinter uns abzusperren.

Ich folge ihm nach draußen und freue mich, mit meinen Zimmerkollegen mein neues College zu erkunden.

3. Kapitel

Jolie

Eilig laufe ich über das Gelände der Salem Walsh, auf dem Weg zum Pub. Ein Lokal auf dem Campus, wo man für jede Mahlzeit bezahlen muss, da das Essen nicht in den Studiengebühren inkludiert ist. Meine Tasche prallt bei jedem Schritt hart gegen meine Hüfte.

Das habe ich davon, dass ich so leichtsinnig war. Nur deshalb muss ich eine riesige Tasche voller Lehrbücher von einer Uni zur anderen mit mir herumschleppen. Vor drei Tagen haben die Vorlesungen begonnen, und ich habe mich immer noch nicht an mein neues Studentendasein gewöhnt.

Der Pub ist cooler als die Mensa, und das Essen ist auch besser. Deswegen treffe ich mich normalerweise hier mit Christine und Maddy zum Mittagessen. Der Name des Lokals stammt aus einer Zeit, bevor auf dem Campus ein Alkoholverbot eingeführt wurde. Jetzt ist dieser Ort weniger ein Pub als ein großer Aufenthaltsraum, wo man gemeinsam lernt und isst. Freie Tische gibt es nur selten, und ein Salat kostet zehn Dollar.

Drinnen angekommen genieße ich die kühle Luft, die mir die Klimaanlage ins Gesicht bläst. Wie zu erwarten war, ist das Lokal überfüllt. Die Wände sind in den Farben unserer Universität gestrichen, Marineblau und Gold, und die Stühle aus glänzendem Leder gefertigt. Der Boden besteht aus dunklem Hartholz.

Maddy und Christine haben wie immer die riesige Zehn-Personen-Sitzecke für unsere Gruppe aus Sportlerfreunden und ihrer Mädchen beansprucht. Da sind Charlie, der Quarterback des Footballteams, mit Britta. Darell, der Pitcher des Baseballteams, hat Eileen mitgebracht. Außerdem sind da noch Andy, der beste Wide Receiver an unserem College, sowie zwei weitere Freunde.

»Jolie!« Britta winkt mir zu. Ihre olivfarbene Haut leuchtet durch die Sommerbräune noch mehr.

Lächelnd winke ich zurück und gehe hinüber. »Schön, wieder hier zu sein, was, Jungs?«

Ich habe es tatsächlich zur Mittagspause hergeschafft, obwohl ich aufs Community College gehe, das zwanzig Minuten von hier entfernt liegt. Was keiner meiner Freunde weiß. Und in anderthalb Stunden muss ich wieder dort sein, die Fahrt schon eingerechnet.

»Sehr gut. Das Leben außerhalb des Campus ist langweilig. Ich werde dieses Semester sogar Kurse besuchen.« Charlie legt einen kräftigen Arm um Britta.

»Das sagt er jetzt.« Andy schnaubt und wirft dem Quarterback eine Pommes an den Kopf.

Maddy schnappt hörbar nach Luft. »Igitt, du hast mich fast mit Ketchup bespritzt.«

»Schön, dass wir unseren Tisch behalten haben.« Ich setze meine Tasche ab und krame nach meiner Geldbörse. »Ich hole mir einen Salat.«

»Oh, nur zur Info: Irgendetwas stimmt mit der Kasse nicht. Man kann im Moment nur mit seiner Studienkarte bezahlen«, informiert mich Christine.

Mein Herz klopft panisch in meiner Brust. »Ähm, könnte ich mir deine leihen? Ich habe meine zu Hause vergessen. Du weißt, wie ich bin.«

Ohne weiter darüber nachzudenken, gibt sie mir ihren Ausweis. Gott sei Dank. Eine bessere Ausrede hatte ich nicht parat. Ich kann ihnen ja schlecht den wahren Grund nennen, dass meine Studienkarte ungültig ist, weil ich in diesem Jahr nicht an der Salem Walsh eingeschrieben bin.

Mit meinem Erdbeer-Balsamico-Salat kehre ich zu unserem Tisch zurück.

»Wir wollten uns nachher am Pool treffen. Bist du dabei?«, fragt Eileen. Ich muss meinen Blick von Darell abwenden, der ihr wie ein Vampir in den Hals beißt. Die beiden waren den ganzen Sommer über voneinander getrennt. Jetzt sieht es so aus, als könnten sie sich nicht mehr voneinander lösen.

»Klar«, sage ich zwischen zwei Bissen. »Spielen wir wieder Hahnenkampf?«

»Sind wir fünfzehn? Warum machen wir das immer noch?« Christine verdreht die Augen.

Ich zeige mit meiner Gabel auf sie und spreche mit der Gruppe. »Sie ist nur sauer, weil ich sie beim letzten Mal besiegt habe. Andy, Partner?«

Der Wide Receiver mustert mich von oben bis unten. »Natürlich.«

Wir hatten eine kurze Affäre im ersten Studienjahr. Dann hat er einer anderen seine Zunge in den Hals gesteckt, und die Beziehung war für mich beendet. Wir sind Freunde geblieben. Doch er lässt keine Gelegenheit aus, mit mir zu flirten. Ich weise ihn jedes Mal ab. Ich liebe Sex, aber sobald mich ein Typ betrügt, bin ich fertig mit ihm.

Wir reden über dies und das. Die Jungs erzählen, welche Mannschaften sie in diesem Jahr besiegen wollen, und Eileen bringt die Gespräche immer wieder auf eine lustige neue Netflix-Serie, die sie gerade verfolgt.

Ein Schopf heller kastanienbrauner Haare erregt meine Aufmerksamkeit. Ich kann nicht glauben, dass er es ist.

»Mick?«, rufe ich spontan, ohne mir bewusst zu sein, dass ich damit die Aufmerksamkeit aller auf mich ziehe. Beim Klang seines Namens bleibt er stehen und schaut sich um. Sein Blick findet den meinen, dann verziehen sich seine vollen Lippen zu einem Grinsen, das mir sehr vertraut ist.

»Was ...« Er wirkt genauso erstaunt. Noch mehr, als ich zu ihm laufe und ihm um den Hals falle. Mick erwidert meine Umarmung etwas unbeholfen. Da wir den ganzen Sommer über im Verborgenen geknutscht haben, fühlt es sich vielleicht ungewohnt für ihn an, seine Zuneigung in einer Cafeteria voller Menschen zu zeigen.

»Was machst du denn hier?« Ich boxe ihm leicht gegen die Brust. Er trägt ein T-Shirt mit der Aufschrift B is for Beets und einem Bild von diesem seltsamen Typen aus The Office.

Micks kleegrüne Augen funkeln vor Freude. »Ich gehe hier aufs College.«

Ich fühle mich wie vom Donner gerührt. Wir haben den ganzen Sommer miteinander verbracht und kein einziges Mal darüber gesprochen. »Bist du schon länger an der Salem Walsh?«

»Nein, erst seit diesem Jahr. Warum habe ich nicht gewusst, dass du auch hier studierst?« Er scheint die gleichen Gedanken zu haben, obwohl sein Blick auf meine Beine gerichtet ist.

Ich spüre ein Prickeln zwischen uns und bin mir bewusst, wie viel sexuelle Spannung es noch zwischen uns gibt.

»Wir haben nie darüber gesprochen.« Ich zucke mit den Schultern und ein Grinsen umspielt meine Lippen. Wir waren zu sehr damit beschäftigt, uns gegenseitig das Hirn rauszuvögeln, ohne dabei erwischt zu werden. Denn das hätte den Leuten in Camp Woodwin bestimmt nicht gefallen.

Es verwundert mich immer noch, wie sehr ich mich zu Mick Barrett hingezogen fühle. Sein Name klingt wie der eines Rockstars, aber der Kerl ist das Gegenteil davon. Selbst jetzt steckt sein überraschend heißer Körper in der Garderobe eines streberhaften Teenagers: ein Fan-T-Shirt, Jeans, die ihm nicht richtig passen, Turnschuhe, die abgenutzter sind als ein Country-Line-Dance-Parkett, und diese Brille mit schwarzem Rahmen.

Obwohl, die Brille ist ziemlich sexy. Mick ist ziemlich sexy, wenn auch nicht auf die herkömmliche Weise. Er ist ein ruhiger Typ mit Haaren, die stellenweise erdbeerblond wirken, also fast rot. Deswegen wird er von den meisten Mädchen übersehen. Aber seine grünen Augen strahlen, und seine Muskeln sind trainiert wie die eines schlanken Cowboys ... Mir fallen die Schmuddelhefte ein, die ich als Jugendliche gelesen habe. Ich weiß, dass er ein Schwimmer ist. Und er hat einen perfekten Körper, den er unter diesen langweiligen Klamotten versteckt.

Mick ist wie die Nerd-Version von Ken. Und er ist der beste Liebhaber, den ich je hatte.

Plötzlich wird mir wieder bewusst, wo wir uns befinden. Neben Mick stehen drei Typen, alle jung oder zu dünn. Vielleicht sehe ich sie nur so, weil ich sonst von Muskelprotzen umgeben bin. Die drei starren uns an, der kleine stämmige Typ glotzt eindeutig auf meine Brüste.

»Ähm, Jolie?« Ich höre Maddy hinter mir und drehe mich um. Auch meine Freunde starren uns neugierig an.

Auf meine beiden besten Freundinnen wirkt die Szene wohl etwas seltsam. Sie sehen mich an, als sei ich ein Alien. Mick passt aber auch nicht in mein typisches Beuteschema.

Ich trete zwei Schritte zurück und streiche mir nervös mit einer Hand durch die braunen Wellen. »Äh, ja, das ist Mick. Wir ... haben den Sommer über zusammen in dem Camp gearbeitet.«

Ich sage das, ohne Mick in die Augen zu sehen. Was würden meine Freunde von mir halten, wenn ich ihnen erzählte, was in diesem Sommer zwischen uns passiert ist? Christine und Maddy wissen nicht, dass ich vom Gericht zu gemeinnütziger Arbeit in dem Camp verdonnert wurde. Wie soll ich ihnen dann die Sache mit Mick erklären?

»Du hast diesen Sommer gearbeitet?« Andy grinst ungläubig.

»Mir war nicht klar, dass dein Daddy dieses Jahr nicht für die Mitgliedschaft im Country Club gezahlt hat.« Darell zwinkert mir scherzhaft zu.

»Ja, aber nicht lange«, antworte ich auf Andys Frage und schaue kurz zu Mick. »Schön, dich zu sehen. Ich hoffe, du genießt deine Zeit an der Salem Walsh.«

Damit beende ich das Treffen und setze mich wieder an unseren Tisch. Innerlich brenne ich vor Scham. Was zum Teufel ist mit mir los? Ich verhalte mich wie eine unsichere Jugendliche, die der coolen Clique gefallen will.

Ja. Genau das bin ich. So blöd das auch klingt. Ich habe einfach zu viel zu verlieren und zu viele Geheimnisse. Wenn meine Freundinnen erfahren würden, was ich getan habe, würden sie mich mit ganz anderen Augen sehen. Meinen Sommerflirt zu verleugnen, ist das kleinere Übel. Auch wenn ich vielleicht noch Gefühle für Mick hege.

Ich schaue noch einmal kurz zu Mick. In seinem Blick liegt eine tiefe Enttäuschung. Damit habe ich nicht gerechnet. Vielleicht mit Erstaunen oder Verachtung. Aber Enttäuschung? Das trifft mich mehr als alles andere.

Mick Barrett scheint mich zu durchschauen. Es ist fast so, als hätte er von einem Mädchen wie mir nichts anderes erwartet.

Seit heute Morgen nagt die Schuld an mir, weil ich gegenüber allen, die mir etwas bedeuten, unaufrichtig bin. Jetzt fühle ich mich noch mieser.

Ich bin das zickige und anspruchsvolle Partygirl, für das mich die Leute immer halten. Aber nie haben mir diese Vorurteile so wehgetan. Mick ist der Typ, für den ich wirklich mehr hätte empfinden können.

4. Kapitel

Jolie

Sandalen mit zehn Zentimeter hohem Keilabsatz waren keine gute Idee. Oder vielleicht ist es das feuerrote Kleid oder die Perlenspangen in meinem Haar. Ich vergesse immer wieder, dass das Salem Community College ein ganz anderer Ort ist als die Salem Walsh.

Ich habe mindestens sechzehn seltsame Blicke und zwei anzügliche Kommentare geerntet, als ich mit meiner Designertasche voller Lehrbücher über den winzigen, heruntergekommenen Campus gelaufen bin. Die Mädchen hier bevorzugen winzige Jeansshorts und Nabelpiercings, die unter Croptops hervorlugen. Ich sehe aus wie eine Schönheitskönigin in einem Wohnwagenpark.

Okay, das ist gemein, ich weiß. Das Salem CC unterscheidet sich nicht sehr von meiner Highschool. Hier studieren die unterschiedlichsten Typen aus allen sozialen Schichten. Ich bin einfach nur verbittert darüber, hier sein zu müssen, obwohl ich schon optisch nicht ins Bild passe.

Seit genau acht Tagen bin ich auf diesem College eingeschrieben und belege Kurse auf dem niedrigsten Level. Ich fühle mich so unwohl, dass ich mich zwingen muss, hierher zu kommen. Die ganze Landschaft ist grau, abgesehen von den Schmutzflecken auf dem ungepflegten Rasen. Die Gebäude, die Fenster, die Türen – alles ist trist. Es ist wirklich deprimierend.

Niemand bevölkert den mickrigen Innenhof, niemand wirbt für die Mitgliedschaft in Vereinen oder für die nächsten Spiele der Sportteams. Meine Kurse sind langweilig, und die Professoren erwecken den Eindruck, überlastet zu sein. Keiner von ihnen wirkt, als würde er sich hier wohlfühlen.

Als ich meinen Biologiekurs betrete, der schwerste in meinem Semesterplan, rollen mindestens drei Leute mit den Augen.

»Mach dir keine Sorgen, die sind nur neidisch, weil sie sich die Chanel-Tasche nicht leisten können«, sagt eine Stimme rechts von mir.

Am Tisch neben mir sehe ich ein Mädchen mit wilden Locken, die wie ein Lavendelbusch gefärbt sind. Ihre Haut ist porzellanweiß, und ihre Augen leuchten in einem faszinierenden Bernsteinton. Alles an ihr ist auffällig. Ich weiß nicht, warum ich sie nicht schon früher bemerkt habe. Sie trägt schwarze Jeans und ein schwarzes Tanktop an diesem glühend heißen Sommertag, was sie noch mehr herausstechen lässt.

»Du hast das Label erkannt?«, frage ich auf meine Tasche deutend und setze mich auf den Platz neben ihrem.

Sie zuckt mit den Achseln. »Ich mag materielle Dinge.«

Das bringt mich zum Schmunzeln. »Ich auch. Ich bin Jolie.«

»Wie in Angelina?« Sie grinst.

Ich schiebe mir die Haare über die Schulter. »Meine Mutter hatte eine Schwäche für den Film Girl, Interrupted, als sie mit mir schwanger war.«

»Bist du nach dem Psychiatriepatienten oder der Schauspielerin benannt?« Sie hat mir immer noch nicht ihren Namen gesagt.

»Nach beiden, denke ich. Kommt darauf an, an welchem Tag du mich erwischst«, scherze ich.

Sie verengt leicht die Augen, während sie mich betrachtet. »Ich bin Jennifer.«

Jennifer scheint ein zu schlichter Name für sie zu sein, aber diesen Gedanken behalte ich für mich. »Bist du in deinem dritten Jahr?«

»Ja. Ich sitze hier fest, weil ich nichts Besseres zu tun habe. Ich hätte letztes Jahr auf eine andere Uni wechseln sollen, aber meine Eltern können sich die Studiengebühren dort nicht leisten. Also mache ich noch einen Abschluss in einem Fachbereich, der mich nicht interessiert. Aber alles ist besser, als rund um die Uhr in einem Einkaufszentrum Regale einzuräumen oder etwas Ähnliches. Das ist der Deal, wenn ich weiter zu Hause wohnen will. Studium oder Job.«

Ihre Offenheit tut mir fast weh.

»Warum bist du hier, Girl Interrupted?« Sie dreht sich zu mir um, Neugier huscht über ihr Gesicht.

Ich werde auf keinen Fall verraten, was ich getan habe und warum ich hier festsitze. »Ich bin auch im dritten Studienjahr. Und wie du schon festgestellt hast, bin ich eigentlich nur ein Mädchen, dessen Leben unterbrochen wurde.« Dass es meine eigene Schuld war, erwähne ich lieber nicht.