Privileged - School Affairs - Carrie Aarons - E-Book

Privileged - School Affairs E-Book

Carrie Aarons

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Beschreibung

Exklusive Studentenverbindungen, dunkle Geheimnisse und der beliebteste Basketballspieler des Campus - willkommen an der Jade-Mountain-University

Eloise Mason braucht eine Auszeit: von der britischen High-Society, aber auch von ihrer Ausbildung zur Sommelière. Sie beschließt kurzerhand für ein Auslandssemester nach Amerika zu gehen und die Jade Mountain University in Vermont zu besuchen. Dort angekommen, muss sie ihren Platz zwischen exklusiven Studentenverbindungen finden und trifft noch dazu auf Colton Reiter, den Star-Basketballspieler und beliebtesten Studenten der gesamten Universität. Nur ist Eloise so gar nicht beeindruckt von Colton und hat auch sonst wenig Interesse an dem Drama rund um Jade Mountains beliebteste Cliquen. Colton jedoch bekommt die schlagfertige Britin nicht mehr aus dem Kopf und stellt schnell fest, dass er nicht mehr nur die Geheimnisse seiner Vergangenheit, sondern auch seine anbahnenden Gefühle für Eloise im Zaum halten muss ...

"PRIVILEGED - SCHOOL AFFAIRS ist eine New-Adult-Romance mit genügend Sweetness, heißen Szenen und Geheimnissen, um dich bis ganz zum Schluss zu unterhalten." CHATTERBOOKSBLOG

Band 2 der PRIVILEGED-Dilogie von Bestseller-Autorin Carrie Aarons

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Seitenzahl: 336

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Titel

Zu diesem Buch

Widmung

Vorbemerkung der Autorin

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Epilog

Die Autorin

Die Romane von Carrie Aarons bei LYX

Impressum

CARRIE AARONS

Privileged

SCHOOL AFFAIRS

Roman

Ins Deutsche übertragen von Michaela Link

Zu diesem Buch

Eloise Mason braucht eine Auszeit: von der britischen High-Society, aber auch von ihrer Ausbildung zur Sommelière. Sie beschließt kurzerhand für ein Auslandssemester nach Amerika zu gehen und die Jade Mountain University in Vermont zu besuchen. Dort angekommen, muss sie ihren Platz zwischen exklusiven Studentenverbindungen finden und trifft noch dazu auf Colton Reiter, den Star-Basketballspieler und beliebtesten Studenten der gesamten Universität. Nur ist Eloise so gar nicht beeindruckt von Colton und hat auch sonst wenig Interesse an dem Drama rund um Jade Mountains beliebteste Cliquen. Colton jedoch bekommt die schlagfertige Britin nicht mehr aus dem Kopf und stellt schnell fest, dass er nicht mehr nur die Geheimnisse seiner Vergangenheit, sondern auch seine anbahnenden Gefühle für Eloise im Zaum halten muss …

Dieses Buch ist meiner ganz besonderen Tante gewidmet, die zu einer guten Freundin geworden ist. Die Figur der Eloise verfügt über all den frechen Witz, die Weisheit und die Liebe, die auch du in mein Leben bringst.

Ich weiß, dass die Darstellung von Collegestipendien und Basketballereignissen in diesem Roman teilweise nicht der Wirklichkeit entspricht. Damit die Story funktioniert, waren meine Abweichungen unvermeidbar. Ich hoffe, dass das euren Lesegenuss nicht schmälert.

Und wenn doch, dann kauf ich euch ein Eis.

1

Eloise

Ich habe mich fürchterlich verfahren.

Die zauberhaften kurvigen Straßen von Thistle, Vermont, haben mich betört, meinen Blick zu sehr über die schneebedeckte Landschaft schweifen lassen und mich dazu verleitet, eine Reihe von Abzweigungen zu nehmen, sodass ich nun nicht mehr zurückfinde.

Dieses Städtchen scheint aus einem Märchen der Brüder Grimm oder einem Modekatalog von Ralph Lauren zu stammen: überall hohe Eichen, dicke schneeweiße Strickpullover, Blockhäuser, aus deren Schornsteinen Rauch aufsteigt, und der Geruch von Apfelwein irgendwo in der Ferne.

Und dazwischen ich, das hierher verpflanzte britische Gewächs, das sich beim Versuch, den Mercedes zu steuern, den mein Vater für mich am Flughafen hat bereitstellen lassen, schon mehrmals um ein Haar umgebracht hätte. Es ist schließlich nicht meine Schuld, dass die Amerikaner darauf bestehen, auf der falschen Straßenseite zu fahren.

Na gut, vielleicht hätte ich mich von einem Fahrer zum Campus bringen lassen sollen. Aber ich habe mir nun mal fest vorgenommen, unabhängiger zu werden, zu meinen Wurzeln zurückzukehren und mich nicht mehr einfach darauf zu verlassen, dass Angestellte für mich alltägliche Dinge übernehmen, die zu erledigen ich durchaus selbst imstande bin.

Also selbst tätig werden, aber bitte mit Stil. Daher die Sechzigtausend-Dollar-Limousine und die italienischen Wildlederstiefel mit Stilettoabsätzen, mit denen ich besagten Wagen wiederholt beinahe in eines der umliegenden Täler katapultiert hätte, die wie Fotografien aus einem Bildband von Ansel Adams anmuten.

Ich fahre an den Straßenrand und tippe auf mein iPhone, um mir die Route zur Jade Mountain University anzeigen zu lassen. Bilder des angesagten US-Campus mit seinen von Efeu bedeckten Backsteingebäuden, dem Innenhof voller antiker Holzbänke und dem berühmten Uhrenturm, der über alle Studenten wacht, steigen vor mir auf. Die Universität liegt am Fuß der Berge von Thistle, direkt am kristallklaren Jade Lake, und hat sofort meine Aufmerksamkeit erregt, nachdem ich begonnen hatte, nach Wegen zu suchen, um meinem spießigen Leben in Europa zu entfliehen.

Keine Frage, die beiden letzten Jahre an der Sorbonne sind für mich sehr lehrreich gewesen … haben mir regelrecht die Augen geöffnet. Auf der einen Seite hat mich der harte Lehrplan in meiner Entschlossenheit bestärkt, examinierte Köchin zu werden. Aber andererseits ist die Strenge meiner Lehrer immer erdrückender geworden – ganz zu schweigen vom mörderischen Konkurrenzkampf unter meinen Kollegen in der Kochausbildung. Bevor ich endgültig in diese Welt eintauche, muss ich noch ein letztes Mal aus ihr ausbrechen und eine Zeit der ungebundenen Freiheit genießen.

Daher mein Auslandssemester an der Jade Mountain University in Vermont, die kurioserweise eine der besten Sommelierausbildungen auf der Welt anbietet. Meinen Pariser Lehrern habe ich den Wechsel als ein Experiment in Sachen Wein-und-Speisen-Kombination verkauft, als eine Erfahrung, die ich so nirgendwo sonst machen könne. Glücklicherweise sprach der Ruf der Jade Mountain für sich und sie haben der Sache rückhaltlos zugestimmt.

Doch als ich nun den Wagen wende und Google Maps zufolge wieder den Weg in die richtige Richtung einschlage, denke ich nicht an Rot- und Weißweine. Stattdessen wünsche ich mir Freiheit. Partys. Erfahrungen, die für eine junge Erwachsene normal sind, statt Anlässen, bei denen alle mit kostbaren Klunkern behängt und in Seidenstoffe gehüllt sind oder an Bällen und Wohltätigkeitsveranstaltungen teilnehmen.

Früher einmal bin ich der typische Teenager aus einem Armeleuteviertel gewesen. Ist es da verwunderlich, dass ich mich danach sehne, wieder ein Stück weit zu dieser Normalität zurückzufinden?

An der Jade Mountain kann ich sein, wer immer ich sein will. Nicht die Tochter eines der berühmtesten Schauspieler Großbritanniens, nicht die selbstironische Diva, die zu meiner zweiten Persönlichkeit geworden zu sein scheint.

Endlich bin ich angekommen, und mein Auto gleitet über den Campus wie eine Art Pferdeschlitten durch einen Winterwald.

Als ich durch die Tür des Wohnheims trete, dem ich laut Annahmebescheinigung zugewiesen bin, schlägt mir ein Schwall warmer Luft entgegen, und ich habe plötzlich das Gefühl, in meiner kamelfarbenen Cabanjacke zu ersticken. Nachdem ich meinen Louis-Vuitton-Koffer zum Aufzug geschleppt habe, bin ich angenehm überrascht, denn nur Sekunden nach Betätigen des Knopfes verkündet ein Klingelzeichen auch schon dessen Ankunft. Im Gebäude ist es beängstigend still, nirgendwo dröhnende Musik oder Gelächter. Vielleicht sind alle irgendwo im Unterricht. Oder mit Freunden unterwegs. Oder einfach noch nicht eingezogen.

Ich bin zwei Tage früher angekommen als nötig, aber das war Absicht. Ich möchte die Möglichkeit haben, mich in Ruhe hier einzuleben, den Campus zu erkunden und mich überall zurechtzufinden, ohne mich von irgendjemandem in die Irre führen zu lassen. Ich mag es nicht, vorgeführt zu werden; ich finde es viel befriedigender, allen anderen zwei Schritte voraus zu sein, selbst wenn sie schon zwei Jahre länger hier sind als ich.

Reed Hall sieht genauso aus wie jedes andere Campus-Gebäude: Backstein außen, weiße Stuckleisten und Wandvertäfelungen innen und dazu wunderschöne große Kamine, die aussehen, als befänden sie sich schon seit der Gründung der Vereinigten Staaten hier. Wieder typisch Vermont, als würden sie direkt aus einem Katalog der Outdoormarke L. L. Bean stammen oder so.

Mein Zimmer ist im zweiten Stock und der Flur riecht nach Kiefernzapfen und Tannengrün. An der Tür mit der Nummer 308 angelangt, nehme ich den Schlüssel aus meiner Kate-Spade-Handtasche und öffne die insgesamt drei Schlösser, mit denen die Tür gesichert ist. Zumindest brauche ich nicht zu befürchten, dass irgendwer hier einen Einbruch versuchen wird.

Gleichwohl spüre ich beim Eintreten sofort, dass schon jemand hier gewesen ist. Es stehen zwar keine Kisten herum und auch sonst gibt es keinerlei Anzeichen, dass meine Mitbewohnerin schon hier gewesen ist und sich ihre Seite des Zimmers ausgewählt hat, aber ein Hauch von Parfüm liegt in der Luft. Sie ist förmlich aufgeladen mit der Elektrizität eines anderen Menschen, der genau an derselben Stelle gestanden hat wie jetzt ich … Ich kann es spüren.

Und dann entdecke ich … den Umschlag.

Ordentlich auf den Tisch an der Tür gelegt, mein Name in schwarzer Tinte darauf gekritzelt: Eloise Mason.

Die Härchen in meinem Nacken richten sich auf, aber zugleich kriecht mir unwillkürlich ein wohliges Kribbeln den Rücken empor. Es ist wahrscheinlich ein Brief von einem meiner Freunde zu Hause, der jemanden dafür bezahlt hat, mich auf den Arm zu nehmen. Oder mein Vater hat mir statt Liebesbezeugungen etwas anderes zukommen lassen … Geschenke sind seine bevorzugte Methode, sich meiner Zuneigung zu versichern.

Ich reiße den Umschlag auf und lese die drei auf die dicke cremefarbene Karte gekritzelten Sätze.

Wenn du dabei bist, brauchst du nie zu fragen. Wenn du fragst, wirst du nie dabei sein. Bootshaus der Universität, morgen Abend, 21 Uhr.

Keine Unterschrift. Keine anderen Anweisungen. Kein frecher Smiley, keine irgendwie erkennbare Handschrift.

Nichts fasziniert mich mehr als versteckte Hinweise und geheimnisvolle Umtriebe … Worum es sich also auch immer hierbei handeln mag, es ist zugegebenermaßen genau mein Ding.

Und von einem Moment auf den anderen sind all meine Pläne für ein ganz normales, durchschnittliches Collegesemester dahin.

2

Colton

Irgendwo innerhalb des Verbindungshauses hat ein Mädchen einen ausgesprochen heftigen Orgasmus.

»Herrje, als würde sie so heftig gevögelt, dass ihr gleich die Augen aus dem Kopf fallen.«

Baker lässt sich neben mich aufs Sofa plumpsen, zwei Bier in seinen gewaltigen Pranken. Das eine reicht er mir, und ich nehme es, obwohl es erst elf Uhr vormittags ist. Das Semester hat noch nicht angefangen, und auch wenn wir uns im Basketball gerade mitten in der Spielzeit befinden, bin ich doch noch nie der Typ Spieler gewesen, der darauf achtet, nüchtern zu bleiben. Bei ihrem Starspieler haben sie noch nie irgendwelche Drogentests gemacht oder ihn gar gesperrt, und ich bin hinreichend überheblich, um mich nicht darüber zu sorgen, dass ich vielleicht ein wenig zu viel feiern könnte.

Das hat mir mein Status als Goldjunge nun mal eingebracht und mehr gibt es darüber nicht zu sagen. Ich erfülle meine Aufgabe und habe die Jade Mountain University zweimal hintereinander in die College-Basketball-Meisterschaften geführt … bis ins Finale. Schon in meinem ersten Universitätsjahr hat mein Bild die Sports Illustrated geziert, meine gesamten gestählten eins zweiundneunzig, und ich habe dem College so viele Gelder von Förderern eingetragen, dass ich jetzt regelrecht über den Dingen schwebe.

Ich prahle nicht … Das sind die schlichten Fakten. Und statt mich gegen sie zu wehren, brilliere ich in der Rolle des großen Stars.

»Ich glaube eigentlich, dass da in Wirklichkeit zwei Jungs im Spiel sind. Oder in ihr sind, sollte ich wohl besser sagen.« Ich nehme einen kräftigen Schluck von meinem schaumigen dunklen Bier.

»Ach ja, man muss sie einfach lieben, unsere Basketballer-Mäuschen. Apropos, wollen wir heute Abend ins Croc gehen?«

Baker hat sein Bier in genau zwei Sekunden geleert und ist bereits unterwegs, um sich das nächste zu holen.

So ist das Leben hier in Keil House, der Topvereinigung für männliche Studenten auf dem Campus. Obwohl die Jade Mountain University die »berüchtigten Häuser«, die sich an der südlichen Zufahrt zum Campus aneinanderreihen, offiziell nicht als Studentenverbindungshäuser bezeichnet, verstehen wir uns als Verbindungen – jeweils streng nach Geschlechtern getrennt.

Und Keil House ist das exklusivste all dieser Häuser … jedenfalls was die Männerwelt angeht. Dieser Verbindung gehören die wohlhabendsten, sportlichsten, am besten vernetzten Typen an, die gegenwärtig die Jade Mountain besuchen. Wir schmeißen hier die geilsten Partys, ziehen uns die heißesten Mädchen an Land und sorgen ganz allgemein für Ausschweifungen … auf die denkbar beste Weise.

Ehrlich gesagt hält das schöne Thistle für uns als malerische Kulisse her, hinter der sich all unser wüstes Tabutreiben abspielt.

»Ich bin dabei. Heute ist dort wahrscheinlich nicht allzu viel los, weil noch nicht alle wieder da sind, aber ich glaube, dass einige der Mädchen aus dem Charter House dort sein werden, und so werden wir uns bestimmt gut amüsieren.«

Die Crocodile Tavern ist eine unserer Lieblingsbars außerhalb des Campusgeländes, und wir haben fast jeden Abend der Winterferien dort verbracht. Mit ihren schummrig beleuchteten Nischen, ihren urwüchsigen Holzwänden und ihren billigen alkoholischen Getränken bietet sie jedem Collegestudenten eine ideale Fluchtmöglichkeit.

»Ich liebe den Geruch eines neuen Semesters. Er bedeutet neue Mädchen fürs Charter House, Frischfleisch.« Griffin, der Center unserer Basketballmannschaft und einer meiner engsten Freunde an der Uni, kommt herein.

Er und Baker begrüßen sich per Ghettofaust, während sie die Playstation hochfahren und darüber streiten, ob sie NBA 2017 oder Madden NFL spielen sollen. Baker, ein Verteidiger in der Footballmannschaft des Colleges, diskutiert ständig mit uns darüber, welcher Sport der bessere sei. Wir lassen ihn in dem Glauben, dass er in diesen Diskussionen meistens gewinnt, auch wenn wir natürlich die wahre Antwort kennen.

Der Beginn eines neuen Semesters bedeutet auch, dass in jedem der sechs Häuser auf dem Campus neue Aufnahmerituale durchgeführt werden. Es gibt drei Häuser für Männer – Keil, Evans und Yardsley – und drei für Frauen – Charter, Rowan und Whitman. Obwohl auch die anderen vier Häuser exklusiv sind, lässt sich doch keines von ihnen mit Keil und Charter vergleichen. Ich habe nicht viel mit unserem Aufnahmeritual für Neumitglieder am Hut, aber ich respektiere die Tradition.

Von allen Anwärtern und Anwärterinnen trifft es die Mädchen aus dem Charter House immer am schlimmsten. Umwerfende Frauen und Machtkämpfe haben etwas an sich, das alle heißmacht und nicht loslässt … und für jede Menge Gemeinheiten sorgt. Gretchen Bauer und ihre Truppe von diamantenbehängten Hofschranzen sind ohne Frage sowohl wunderschön als auch teuflisch brutal.

»Vielleicht sind ja schon welche von den neuen Mädchen auf dem Campus eingetroffen. Sonst schnappe ich mir zumindest Nina, sofern sich keine andere Möglichkeit bietet.« Griffin zuckt die Achseln. Nina ist seine Gelegenheitsbeziehung und die Nummer zwei drüben im Charter House.

»Ja, hoffentlich gibt es ein paar neue Gesichter. Ich fange an, mich zu langweilen.« Ich ziehe einen Schmollmund und kippe mein restliches Bier hinunter.

Der Winter ist bisher sehr kalt gewesen, und auch wenn es mehr als genügend scharfe Bräute gegeben hat, um mich warm zu halten, bin ich es doch allmählich müde, dass es immer dieselben Weiber sind. Ich brauche jemanden mit mehr Pepp, ein Mädchen mit einem tollen Vorbau, das aber zugleich auch wirklich was zu sagen hat. Es genügt nicht, dass sie sich bereitwillig flachlegen und mich mit ihnen machen lassen, was ich will … denn das kann ich jede Nacht in der Woche haben.

Mehrfach jede Nacht, wenn ich Lust darauf habe.

Das ist jetzt eigentlich über die letzten beiden Jahre hinweg immer so ziemlich das Gleiche gewesen, aber um den Schein zu wahren, habe ich gebumst und meine Rolle gespielt, bis mein wahres Gesicht unter der täuschenden Maske, die ich mir mit der Zeit zugelegt habe, für alle unsichtbar geworden ist.

Denn in Wirklichkeit ist mein Glück nur eine tickende Zeitbombe. Ich werde meine heimlichen Machenschaften nur noch eine begrenzte Zeit fortsetzen können … immer verbunden mit einem Gefühl, als würde ich vor einem Zug davonlaufen, der mich im nächsten Moment überrollen muss. Niemand weiß um die Bürde, die ich da trage, die Geheimnisse, die auf mir lasten und die ich wie ein an mich genageltes Kreuz über die verschneite Landschaft von Vermont ziehe.

Baker reißt mich aus meinen finsteren Gedanken. »Kopf hoch, du bist schließlich der gottverdammte Colton Reiter. Ein knallharter Typ und Basketballgott mit einem Haarschopf wie der von dem schönen Doktor aus dieser Arztserie, in der alle entweder sterben oder vögeln.«

»Ich bin geschockt, dass du tatsächlich Grey’s Anatomy schaust. Andererseits, wenn ich so drüber nachdenke, schockt es mich eigentlich doch nicht.« Griffin reibt sich das Kinn und betrachtet unseren Mitbewohner.

»Was denn? Viele der Weiber in dieser Serie sind echt heiß. Außerdem sieht man dort jede Menge Blut und Eingeweide. Und ich steh total auf Nacktheit und Gemetzel.« Er drückt einige Male auf den Controller und erzielt einen Touchdown, was Griffin verärgert aufstöhnen lässt.

Vielleicht hat Baker ja recht, auch wenn es irgendwie völlig abgedreht ist, dass ich mir hier die Aufmunterungsworte eines Typen anhöre, der darauf besteht, morgens in seiner weißen Feinrippunterwäsche am Frühstückstisch zu sitzen.

Und selbst wenn er unrecht hat, kann ich mir doch weiter einreden, dass es nicht so ist, als würden mich meine Geheimnisse immer weiter niederdrücken, bis das Gewicht der Realität den Boden unter meinen Füßen zerspringen lässt.

3

Eloise

Als ich jünger war, habe ich oft um ein Wunder gebetet, um uns aus der Armut zu befreien, in der meine Familie gelebt hat. Erst Jahre später ist das Glück meinem Vater endlich hold gewesen und wir haben uns unvermittelt in einem Wohlstand wiedergefunden, von dem die allermeisten Menschen nur träumen können.

Nur dass ich es in England bald nicht mehr ausgehalten habe, nachdem ich Teil der privilegierten Welt geworden war, und fortmusste, um mich vom Druck der britischen Gesellschaft zu befreien.

Dann habe ich Paris verlassen, um mich aus den Anforderungen einer Ausbildung zu lösen, die für mich unablässigen Stress bedeutet und mich immer wieder gezwungen hat, meine Entscheidungen infrage zu stellen.

Daher ist es nur passend, dass sich für mich nun der Kreis schließt und ich heute Abend in einer holzvertäfelten Bar sitze, die große Ähnlichkeit mit dem Pub am Ende der Straße hat, in dem wir in Liverpool so oft gewesen sind, als meine Eltern mit ihren Tätigkeiten als einfache Arbeiter noch von einem bescheidenen Lohn haben leben müssen.

Die Crocodile Tavern ist eine gemütliche, aber ziemlich große Kneipe gleich den Hügel hinter dem Campus hinunter. Das Lokal ist mir gleich auf der Herfahrt aufgefallen, und statt heute Abend allein in meinem Wohnheimzimmer zu sitzen, habe ich mir überlegt, meinen ersten Tag als amerikanische Studentin mit einem Dirty Martini mit einem Extraschuss Olivenlake zu feiern.

Nachdem ich meine Mutter telefonisch darüber in Kenntnis gesetzt hatte, dass ich heil angekommen bin – sie ist gerade mit meinem Dad auf einem Dreh in Schottland –, habe ich einer Handvoll Freundinnen und Freunden Nachrichten geschrieben, darunter auch Nora Randolph, meiner amerikanischen Freundin, die zu einem Mitglied der britischen Königsfamilie geworden ist und nur ein paar Bundesstaaten weiter südlich in Pennsylvania wohnt. Wir haben mal vage Pläne geschmiedet, uns in den USA zu treffen, und sie hat versprochen, mir all das zu zeigen, was sie an den Staaten am meisten mag. Seither will ich unbedingt an jener mysteriösen Stätte namens Wawa einen Slurpee trinken und vielleicht sogar einen waschechten Cowboy kennenlernen.

Ich fahre mir mit der Hand durch mein langes blondes Haar und begutachte die Spitzen. Vor meiner Abreise habe ich mir von meinem europäischen Lieblingsfriseur dunkle Strähnchen hineinmachen lassen, und ich bin sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Es passt perfekt zu meinen blauen Augen wie auch zu dem grün-blau karierten Schal, den ich trage. Bei meiner Einkaufsorgie vor dem Aufbruch nach Vermont habe ich ein wenig über die Stränge geschlagen und mir jedes Kleidungsstück mit Karos oder Hahnentrittmuster sowie sämtliche Wildlederartikel gekauft, die ich in die Finger bekommen konnte … Aber verdammt, ich sehe richtig scharf aus.

Mein Abstecher hierher ins Crocodile dient auch dazu, mich von jenem mysteriösen Brief abzulenken, den ich in meinem Zimmer im Wohnheim vorgefunden habe. Von wem kommt er? Spielt mir da vielleicht irgendwer einen Streich? Soll ich wirklich morgen Abend im Bootshaus auftauchen, um es herauszufinden? Doch die Antwort auf diese Frage kenne ich bereits – natürlich werde ich hingehen. Besser gar nicht erst versuchen zu leugnen, dass ich den ausgelegten Brotkrümeln folgen werde, schließlich habe ich schon in dem Moment, als ich den Fuß auf diesen Campus setzte, gespürt, dass es hier das eine oder andere verborgene Geheimnis gibt, und für eine gute Schnitzeljagd bin ich immer zu haben.

»Ist dieser Stuhl noch frei?«, dringt eine tiefe Stimme an mein Ohr.

Ich verdrehe die Augen, nehme die Oliven aus meinem Glas und stecke sie mir in den Mund. Ich würdige ihn keines Blickes. Ich bin heute Abend ganz allein für mich hierhergekommen, nicht um jemanden kennenzulernen. Klar, ich mag einen sexy Mann genauso sehr wie jede andere junge Frau, aber ich habe dem männlichen Geschlecht für ein Weilchen abgeschworen. Nachdem ich eine lange Reihe von Schauspielern, Musikern, Clubbesitzern sowie sämtliche Playboys der höheren Gesellschaft von Wien bis Ibiza abgearbeitet habe … brauche ich eine Pause. Ruhm und Reichtum sind sehr schnell in mein Leben getreten und haben für mich feste Beziehungen und zwischenmenschliches Vertrauen so ziemlich unmöglich gemacht. Jeder Mann, den ich in meiner Welt bisher kennengelernt habe, wusste, wer ich war, und wollte sich meiner und meines Körpers bedienen, um auf die eine oder andere Weise seine eigenen Zwecke zu erreichen.

»Oh Schatzi … wie goldig.« Ich setze ein sarkastisches Grinsen auf und halte den Blick auf das Regal mit Hochprozentigem auf der anderen Seite der Theke gerichtet.

»Wie bitte?« Die Überraschung in der Stimme dieses Kerls ist unüberhörbar.

Als ich endlich so weit bin, drehe ich mich um, schlage die Beine übereinander und blecke die Zähne zu meinem besten weiblichen Raubkatzenlächeln.

Aber auf die atemberaubende Wand aus Mann, die nun vor mir steht, bin ich nicht vorbereitet. Er ragt höher auf als die London Bridge und ist gebaut wie die perfekte Michelangelo-Statue. Wenn ich überhaupt irgendwie in Erwägung ziehen würde, mir irgendwelche Verehrer an Land zu ziehen, wäre er Kandidat Nummer eins. Sein Haar ist absolut traumhaft, wie das von Patrick Dempsey in Grey’s Anatomy, schwarz wie die Nacht, kurz geschnitten und wellig. Seine Kieferpartie ist wie aus Stahl gemeißelt, und direkt unter seinem rechten Wangenknochen prangt ein kleines Muttermal. Normalerweise würde das mädchenhaft wirken, aber bei ihm wirkt es Wunder.

Doch es sind seine Augen, die mich am meisten fesseln. Blau in der Mitte, mit einem grünen Ring um diesen aquamarinfarbenen Teich. Er verleiht ihnen etwas Hypnotisches, als würde ich in ein Kaleidoskop starren, eigens zu dem Zweck erschaffen, mich in seinen Bann zu ziehen.

Ein Grinsen umspielt seine malvenfarbenen vollen Lippen. Ach je, mein Lieber, falsche Aktion. Denn ich kann erkennen, dass er um seine Wirkung auf Frauen weiß, was nur zur Folge hat, dass ich meine schärfsten Krallen ausfahre.

»Ich habe gesagt, ach wie goldig. Was heißen soll: Wie goldig von dir zu glauben, nur weil ich mir hier in dieser Bar ganz allein einen Cocktail schmecken lasse, würde ich verzweifelt darauf hoffen, von irgendeinem Typen aufgelesen zu werden. Wahrscheinlich hast du sogar gedacht, ich sei leichte Beute, ein hübsches Mädchen, das mutterseelenallein herumsitzt und seinen Kummer in Martinis ertränkt. Und ja, ich weiß, dass ich hübsch bin, es hat also keinen Sinn, mir irgendwelche Kosenamen zuzuraunen oder von meiner Schönheit zu schwärmen, um zu versuchen, mich herumzukriegen. Lass dir einen kleinen Rat geben … was immer du an abgeschmackter Anmache als Nächstes anbringen wolltest, ich habe diesen Spruch bereits gehört. Es hat bei mir schon mal funktioniert und dann seine Wirkung genauso schnell wieder verloren. Spar dir also die Mühe und geh einfach zurück zu deinem Tisch und zu deinen Freunden, die dich dazu herausgefordert haben, herüberzukommen und das einsame Mädchen anzuquatschen. Ich verspreche dir, dein Abend wird ein erheblich besseres Ende nehmen, wenn du diese Anweisungen befolgst.«

Mr Atemberaubend legt den Kopf schräg und hält kurz inne, während er zuerst auf meine Lippen starrt und mir dann in die Augen schaut.

»Du hast ja ein ziemlich loses Mundwerk. Und weißt du was: Die meisten Mädchen hier würden ihre Münder lieber dazu verwenden, mir den Schwanz zu lutschen, sobald ich sie auch nur ansehe, aber ich glaube, ich sitze stattdessen lieber hier und unterhalte mich mit dir.«

Mit einer einzigen schnellen Bewegung pflanzt er seinen gewaltigen Leib auf den Hocker neben meinem, während die Leute an der Bar ihm ganz automatisch Platz machen. Die beiläufige Erwähnung seines Gemächts überrumpelt mich derart, dass ich fast nicht bemerkt hätte, wie sich alle ihm zuwenden, er zum Mittelpunkt wird. Aber ich kann es doch sehen, diese Aura, diesen Funken … die besondere Atmosphäre um ihn herum, durch die die Leute unweigerlich angezogen werden. Ich habe dergleichen schon zuvor erlebt, oft sogar, in den Elitekreisen, in denen ich mich bewege. Royals und Diplomaten, Kinder der führenden Politiker im Land … sie alle haben diese Aura.

Keine Frage, dieser Junge hier vor mir gehört ebenfalls zur Crème de la Crème.

Ich stütze das Kinn in die Hand, zum einen weil ich von meinen beiden doppelten Dirty Martinis angeschickert bin, zum anderen weil ich dieses Katz-und-Maus-Spiel vollauf genieße. Ich habe schon wiederholt festgestellt, dass Neckereien mein Lieblingsvorspiel sind, vor allem solche von der schlüpfrigen Sorte. Verdammt noch mal, manchmal brauche ich gar nicht mal Sex, wenn das Gespräch allein schon befriedigend genug ist.

Ich warte, bis er fortfährt. Er lässt den Blick über meine Haut wandern, bis mich ein Kribbeln überläuft.

»Ich bin Colton Reiter. Und jetzt sag du mir deinen Namen. Oder erfinde einen, wenn du das als Schutz vor meinem Charme nötig hast. Wie auch immer, ich will diesen Akzent noch einmal hören.«

Sein Atem riecht nach Whiskey und Zimt, als er sich nun herüberbeugt und mir die Hand hinhält.

Ich starre seine Hand an und blicke dann wieder in sein Gesicht. Dieses Gesicht ist außerordentlich hübsch und wirkt zugleich so großspurig wie die versammelten Männer Ihrer Majestät. Aber mir entschlüpft ein Gähnen, denn der Jetlag holt mich nun endlich ein. Mir wird klar, dass ich fix und fertig bin und es höchste Zeit ist zu gehen, bevor mich dieser Goliath hier zum Bleiben überreden kann.

»Du wirst dir da schon noch mehr Mühe geben müssen, Superstar.« Ich nehme ein paar Scheine aus meinem Geldbeutel, lasse sie für den Barkeeper auf der Theke liegen und nicke dem Mann zu.

Dann richte ich den Blick wieder auf jene blau-grünen Augen und lächele ungekünstelt. »Schönen Abend noch. Ich hoffe, du kriegst noch eines der Mädchen hier dazu, dein Ding vollzusabbern, um dein geschundenes Ego wieder aufzurichten, nachdem du meinen Namen nicht hast in Erfahrung bringen können.«

Ich warte seine Antwort gar nicht erst ab, sondern mache mir ein Vergnügen daraus, mich auf den Absätzen meiner Lederstiefel umzudrehen und die schwere Kneipentür anzusteuern.

Oh ja, ich glaube, dieses Semester wird genau das, was ich brauche.

4

Eloise

Es hat irgendwie etwas Unheimliches, Beunruhigendes, hier im Tal zwischen den Bergen zu leben.

Ich bin immer ein Stadtkind gewesen, von der geschäftigen Straße und mitten im Lärm großgezogen. Sirenen haben mir meine Gutenachtgeschichten erzählt, und ein Meer von Straßenlaternen hat mir den Nachthimmel ersetzt.

Aber in Thistle bringt die Dunkelheit jene Art von Stille mit sich, die bedrückt. Die Art von Leere, die dich bei jedem Eulenschrei, jedem knackenden Zweig zusammenzucken lässt. Selbst wenn die Sonne aufgeht, höre ich noch das Plätschern des Wassers an den Rändern des zugefrorenen Sees. Die Klarheit ringsum lässt alles auf dem Campus der Jade Mountain University umso versteckter erscheinen, und ich starre auf die Einladung, die immer noch auf dem Tisch an der Tür liegt.

Ich verbringe den Tag damit, mir meine Seite des Zimmers etwas heimeliger einzurichten, soweit das angesichts der langweiligen weißen Wänden und der ordinären Eichenmöbel überhaupt möglich ist. Meine Premiumbettlaken mit 500er Fadendichte überspannen nun die Matratze, die ich zusätzlich mit einer viskoelastischen Auflage von Tempur-Pedic gepolstert habe, und darauf türmt sich eine flauschige weiße Daunendecke.

Meine drei Lieblingsbilder von Kate Moss hängen über meinem Bett, und die Schwarz-Weiß-Fotos verleihen dem Raum ein wenig Klasse. Die freien Stunden geben mir die Zeit, meinen Kleiderschrank einzuräumen und zu ordnen, alles säuberlich nach Farben und Modedesignern zu sortieren, denn Kleider sind mir viel wichtiger, als meinen Stundenplan auswendig zu lernen oder mir etwas leichte Lektüre zu Gemüte zu führen, bevor nächste Woche die Kurse beginnen.

Um vier Uhr nachmittags ist meine Mitbewohnerin immer noch nicht aufgetaucht, und ich gehe davon aus, dass sie morgen, am eigentlichen Einzugstag auf dem Campus, eintreffen wird. Ich nehme das als ein Zeichen, eine Flasche Malbec zu öffnen und mir eines der Kristallgläser von Baccarat zu füllen, von denen ich einen ganzen Satz mitgebracht habe.

Es mag frivol erscheinen, aber sobald man einmal zu der Schar der vom Glück Begünstigten gehört, ist es schwer, zu einem normalen Leben zurückzukehren. Alles ist heller und strahlender, alles schmeckt besser, nimmt eine bessere Qualität an. Ich bin inzwischen richtig verwöhnt, das weiß ich … Aber wenn ich es mir leisten kann, warum auch nicht?

Ich habe bereits zwei Gläser intus, als ich auf die Uhr schaue. Es ist sechs. Ich muss mich allmählich entscheiden, ob ich wirklich zum Bootshaus möchte oder nicht, ob ich der Versuchung nachgeben will.

Ich entdecke ein blau-rotes Sweaterkleid aus dickem, grobem Stoff in meinem Schrank und beschließe, dass es doch lustig wäre, mich in Schale zu werfen und mir zumindest einen Eindruck davon zu verschaffen, um was für einen albernen Voodooquatsch es sich da handelt. Außerdem besitze ich ein richtig heißes Paar bis über die Knie reichender Stiefel, die perfekt dazu passen, und für mich geht absolut nichts über ein echt scharfes Outfit.

Um acht Uhr vierzig habe ich meinen Weg hinunter zum Bootshaus gefunden, das nicht so leicht zu erreichen ist, wie ich gedacht hätte. Ich bin bisher noch nicht den ganzen Campus abgegangen, und mir wird bewusst, dass ich das wahrscheinlich hätte tun sollen, bevor ich allein in der Dunkelheit hier umherirre. Das Universitätsgelände ist viel größer, als ich es mir vorgestellt habe, auch wenn es nur ungefähr zehntausend Studierende beherbergt. Ich habe nicht mit einem Spaziergang von über einem Kilometer Länge gerechnet, und auch wenn ich in der Großstadt gelebt habe und es gewohnt bin, zu Fuß von A nach B zu kommen, habe ich mich seit Jahren auch von Limousinen und Chauffeuren verwöhnen lassen. Vor allem bei Temperaturen unter null … Hier in der Kälte herumzustapfen ist echt nicht mein Ding. Aber ich habe nun mal etwas anderes kennenlernen, meinen Wohlfühlbereich verlassen wollen, und hier bin ich nun.

Meine Gedanken gehen zu dem Jungen gestern Abend in der Bar zurück. Colton Reiter. Ich kann nicht behaupten, dass ich ihn nicht gleich gegoogelt habe, denn hey, ich bin eine Frau und weiß einen derart draufgängerischen Kerl durchaus zu schätzen. Mein Bildschirm hat mir Hunderte von Artikeln über ihn, Tausende Fotos und sogar einige Fanseiten angezeigt, die sich seinen Bauchmuskeln widmen. Anscheinend ist unser Mr Reiter ein waschechter Basketballstar und genießt einen beachtlichen Ruf als Schürzenjäger.

Auch wenn es Spaß gemacht hätte, mir noch das eine oder andere Wortgefecht mit ihm zu liefern, hat derlei doch stets seine Grenzen. Nach einigen gemeinsamen Abenden würde ich anfangen, mich zu langweilen … und schließlich würde ich diesen schwächlichen amerikanischen Jungen einfach zerbeißen und ausspucken. Fürwahr, ich bin gnädig mit ihm.

Das Bootshaus kommt in Sicht, ein großes Glasgebäude mit Buntglasdecke direkt am lang gestreckten Ufer des Jade Lake. Nicht dass ich zu dieser späten Stunde ganz allein unterwegs wäre; ich bin an etlichen Studentengruppen und herumspazierenden Einzelpersonen vorbeigekommen und selbst hier unten mehreren Leuten begegnet. Aber trotzdem kann ich das Gefühl nicht abschütteln, dass ich besser immer mal über die Schulter schauen sollte.

Ich betrete das Gebäude in der Erwartung, auf irgendjemanden zu stoßen, vielleicht eine ganze Gruppe. Das Einzige, was mich begrüßt, ist eine einzelne Kerze auf einem Tisch gleich hinter der Tür zum Vorraum und ein beschriftetes Stück Fotokarton, ähnlich dem, das ich in meinem Wohnheimzimmer vorgefunden habe.

Geh die Treppe hinunter zu dem Dreieck aus Backstein an der Wand.

Dort angekommen, klopf dreimal.

Im Ernst jetzt? Wo bleiben die zu lösenden Rätsel?

Ich zucke die Achseln und kichere in mich hinein, weil mir das Ganze wie der Anfang eines typischen Gruselfilms vorkommt. Ich in der Rolle der kompletten Vollidiotin, die gleich in einer der ersten Szenen umgebracht wird und gerade in ihre eigene Todesfalle hineinläuft.

Ich folge den Anweisungen, finde die Backsteine und klopfe. Nachdem ich das dritte Mal mit der Faust gegen die Wand gehämmert habe, schwingt sie langsam auf.

»Heiliger Bimbam …«, flüstere ich erschrocken.

Das Ganze ist wie eine Szene aus einem Scooby-Doo- Zeichentrickfilm, aber ich genieße das beklommene Kribbeln, das mich durchläuft, als ich nun durch einen nur von Kerzen erhellten Gang mit steinernen Wänden schreite. So viel zum Thema typische College-Erfahrungen. Ich bin nach Vermont gekommen, um dienstagabends billiges Zwei-Dollar-Bier zu trinken, ein paar Prüfungen abzulegen und irgendwelche abgedrehten College-Nachtclubs zu besuchen. Aber nun zieht mich etwas Finstereres, etwas, das den Abenden in meiner eigenen Welt ähnelt, in seinen Bann.

Der Flur führt in einen großen steinernen Raum, und ich schaue mich um. Es sind noch andere Leute hier, auch wenn ich sie im Kerzenlicht und wegen der schweren roten Vorhänge an der Wand nicht gut erkennen kann. Vier weitere Mädchen befinden sich in der Mitte des Raums in meiner Nähe, und ich kann die vibrierende Luft anderer Menschen fühlen, die an den Wänden stehen.

»Jetzt, da uns auch unsere letzte Anwärterin auf Mitgliedschaft mit ihrer Gegenwart beehrt, können wir anfangen«, ertönt eine Stimme irgendwo neben mir, und ich drehe mich zu ihr um.

Ein Mädchen tritt aus der Dunkelheit, größer als ich, das Gesicht vom Licht erhellt. Sie ist wunderschön, typisch weiße Amerikanerin aus den besseren Gesellschaftskreisen der Ostküste, mit geglättetem, langem schwarzen Haar, einer vorwitzigen kleinen Nase, durchdringenden grünen Augen und einem Kleid aus olivgrünem Wildleder, auf das selbst ich neidisch bin.

»Willkommen zu eurem ersten Initiationstreffen im Charter House.« Sie macht eine theatralische Pause, damit wir ihre Worte verarbeiten können. »Für jene von euch, die nicht wissen, wer ich bin – und das wäre dann schon euer erster Fehler –, ich bin Gretchen Bauer, die Präsidentin des Charter House. Und ihr fünf seid die sorgfältig ausgewählten Anwärterinnen auf Mitgliedschaft für dieses Semester. Doch glaubt ja nicht, dass das bedeutet, ihr wäret jetzt schon dabei … Nein, ihr müsst euch noch erheblich ins Zeug legen, um euch die Aufnahme in eine derart exklusive Vereinigung zu sichern.«

Eine zweite junge Frau tritt vor. Sie trägt einen langärmligen Einteiler aus schwarzem Samt und ihre dunkelblonden Locken sind zu einem schicken Knoten aufgesteckt. »Ich bin eure Fuchsmajorin, Nina Kennedy. Sämtliche erledigten Aufgaben müssen am Ende mir vorgelegt werden, damit ich sie prüfen und bewerten kann.«

Die beiden stehen vor uns mitten im Raum, und alle anderen schweigen. Ich gehe davon aus, dass es sich bei den Übrigen um die Mitglieder dieses Charter House handelt, was zum Kuckuck das auch immer sein mag.

Ich räuspere mich, lasse mich von diesen Gören nicht im Mindesten einschüchtern. »Entschuldigt, aber was soll das hier alles?«

Ärger blitzt über Gretchens Gesicht, aber sie überspielt ihn mit einem kühlen Lächeln. »Eloise Mason, nicht wahr? Unser britischer Neuzugang, willkommen. Das Charter House ist eine der sechs studentischen Vereinigungen der Jade Mountain University – Privatgesellschaften, deren Mitglieder sorgfältig ausgewählt werden. Wer nicht zu dieser Auswahl dazugehört, kann niemals Mitglied werden. Fühle dich also geehrt, dass auch du in den Kreis der Eingeladenen aufgenommen worden bist, denn es kommt nur selten vor, dass eine Austauschstudentin Anwärterin werden darf.«

Nun ergreift Nina das Wort und schließt lückenlos an das Ende ihres Satzes an. »Und Folgendes ist die erste Regel des Charter House: Es wird nicht darüber geredet, was hier vor sich geht. Ihr dürft nicht einmal verraten, dass ihr Anwärterin auf Mitgliedschaft in diesem Haus geworden seid, und auf gar keinen Fall dürft ihr über die Aufgaben und Einsätze sprechen, die zu erledigen wir euch auftragen. Wenn eine der Schwestern euch einen Auftrag erteilt – egal welchen –, dürft ihr ihn nicht ablehnen. Wer versagt, fliegt raus. Wer kneift, fliegt ebenfalls raus. Wenn ihr erwischt werdet, werden wir uns nicht für euch verbürgen und ihr solltet besser niemandem unsere Namen verraten.«

Die vier anderen Mädchen neben mir, zwei brünette, eine Schwarz- und eine Rothaarige, hören alle aufmerksam zu. Allmählich bohren sich meine Fingernägel immer tiefer in meine Handflächen. Entschuldigung, aber diese Leute erwarten von mir, mich ihnen zu beweisen? Vergiss es, das hier ist absolut nicht mein Ding.

Ich räuspere mich abermals, und die vier Köpfe neben mir fahren in meine Richtung herum, ganz geschockt, dass ich es wage, noch einmal das Wort zu ergreifen.

»Wisst ihr eigentlich, wer ich bin? Warum sollte ich wohl den Wunsch verspüren, Teil eures kleinen … Vereins zu werden?« Die Worte rutschen mir in einem sehr herablassenden Tonfall heraus, aber dieses Mädchen geht mir allmählich ganz gehörig auf den Geist.

Gretchen streicht sich eine lange Strähne ihres glatten, glänzend schwarzen Haares über die Schulter. »Oh, du magst drüben in Europa in den angesagten Kreisen verkehren, aber das hier ist ein ganz neues Spiel, Eloise, mit neuen Spielern, und anders als bei deinen Freunden zu Hause wirst du feststellen, dass wir es hier nicht so sehr mit geheuchelten Höflichkeiten oder konservativen Werten haben. Wenn du nicht neugierig wärest, wärst du heute Abend nicht gekommen, also komm schon, bewirb dich bei uns. Ich kann dir versprechen, dass du bei Bestehen ein Wahnsinnssemester vor dir hast. Und wenn nicht … nun ja, ich will nicht behaupten, dass dir dann hier ein einfaches Leben bevorsteht.«

Ihre kaum verschleierte Drohung verschlägt mir erst einmal die Sprache, und sie schafft es doch tatsächlich, mich unwillkürlich zu beeindrucken. Diese Mädchen hier mögen völlig durchgeknallt sein, aber zumindest haben sie Mumm, und das muss ich anerkennen.

Ich bin mir immer noch nicht recht sicher, ob ich denn bereit bin, mich vor irgendjemandem zu erniedrigen und zur Dienerin zu machen, aber die ganze Sache mit diesem Charter House klingt irgendwie verlockend, und auf diese Weise bin ich in der Lage, mit den besten von ihnen meine Spielchen zu spielen.

Ich verlasse das Treffen mit einer weiteren Karte aus Fotokarton, auf der vorne ein Sätzchen gekritzelt steht: Erst an diesem Tag öffnen. Und ich weiß bereits, dass ich sie in zwei Tagen öffnen werde, um herauszufinden, was es mit dieser ganzen Aufnahmeritual-Sache auf sich hat. Ich lasse mich irgendwie allzu gutgläubig auf diesen Quatsch ein, aber na ja, wir werden ja sehen.

5

Colton

Dribbeln, Wurf, Treffer.

Dribbeln, Wurf, Treffer.

Dribbeln, Wurf, Treffer.

Nachdem ich meinen fünfundzwanzigsten Freiwurf versenkt habe, lege ich den orangefarbenen Ball auf den Ständer neben mir zurück, dann schnappe ich mir meine Wasserflasche und lasse den Blick über die leere Halle wandern.

Zugegeben, ich mag ein arrogantes Arschloch sein, mit dem man es wahrlich nicht leicht hat, aber ich arbeite verdammt hart. Klar, ich bin eines dieser sportlichen Naturtalente; das hat mir Vorteile verschafft, die man sich allein durch Training niemals aneignen könnte. So einer wie Michael Jordan, Pelé, Usain Bolt … Ich bin dazu geboren, Basketball zu spielen, vom Schicksal dazu bestimmt. Aber ich habe außerdem härter, länger und mit mehr Grips dafür gearbeitet als jeder andere, mit dem ich je gespielt habe.

Ich bin immer der Erste in der Sporthalle und der Letzte, der sie verlässt. Ich nehme mir nie einen Tag frei, sondern mache stattdessen Gewichtheben oder Yoga, um meinen Muskeltonus und meine Beweglichkeit zu verbessern. Die Mannschaft hat gerade eine einwöchige Pause, bis an der Uni der Unterricht wieder anfängt, und während die meisten meiner Mannschaftskameraden die Gelegenheit genutzt haben, sich zu betrinken und faul herumzuhängen, habe ich jeden Tag drei Stunden in dieser leeren Halle verbracht. Hundert versenkte Freiwürfe, hundert absolut mörderische Sprints, hundert Liegestütze und einige Runden Horse, natürlich gegen mich selbst gespielt.

Zu verweichlichen oder mir irgendeine Vernachlässigung des Sports zu gestatten kommt für mich einfach nicht infrage. Nicht solange für mich so viel auf dem Spiel steht. Nicht solange ich den Dämonen entfliehen muss, die mir so dicht auf den Fersen sind.

Eigentlich mag ich die Turnhalle genau so am liebsten: still, dunkel, leer. Die meisten Spieler fühlen sich unter den heißen Lichtern am wohlsten, im Gesumme einer Menschenmenge, inmitten des wilden Trubels von Fernsehteams und gegnerischen Mannschaften. Aber für mich hat es etwas Wunderschönes, ganz allein zu sein, nur ich, der hölzerne Hallenboden und der Korb. Es ist klar und einfach, zurück zum Wesentlichen … kostbare Augenblicke, wie sie mir nur noch selten in meinem Leben vergönnt sind.

Irgendwo im Gebäude, aber außerhalb des Spielfelds, schließt sich eine Tür. Vielleicht ist einer der Trainer hier oder ein anderer Spieler verlässt gerade den Kraftraum. Ich gehe nicht nachsehen, sondern ziehe meinen mir selbst auferlegten Trainingsplan weiter durch.

Wenn ich hier fertig bin, kann ich ausgehen und mich mit einem Abend im Croc belohnen … dem letzten, bevor es mit den Kursen des Frühlingssemesters losgeht.

Mir läuft das Wasser im Mund zusammen, denn ich sehne mich nach einem sämigen dunklen Bier. Meine Gedanken wandern zu vorgestern Abend zurück, als ich in der Bar dem neuen Mädchen begegnet bin.

Sie muss in jedem Fall neu hier sein, und das aus zwei Gründen. Erstens ist die Jade Mountain keine wirklich große Universität. Bei knapp achttausend Bachelorstudenten und etwa zweitausend Masterstudenten und Doktoranden sieht man früher oder später alle Gesichter. Vor allem die wirklich atemberaubenden. Und als ich dann zu unserem Tisch zurückgegangen bin, hat zweitens auch keiner meiner Kumpels bestätigen können, sie je schon einmal gesehen zu haben … und sie ist wahrlich kein Mädchen von der Art, die einem nicht auffallen würde.

Blondes Haar, dunkelblaue Augen, ein Körper wie von einem Victoria’s Secret-Model … dieses Mädchen hat ausgesehen wie eines dieser Models der alten Schule aus den Neunzigern, bevor alle dann plötzlich spindeldürr sein mussten. Wie Christie Brinkley oder Claudia Schiffer … oder Pamela Anderson in ihren Baywatch-Tagen. Und dieser verfluchte Akzent … irgendwie abgehackt, aber zugleich aristokratisch. Allein bei dem Gedanken daran, wie ihr Mund die Silben geformt hat, bekomme ich einen Steifen.