Neun Arten zu Tode zu kommen - Utta Kaiser-Plessow - E-Book

Neun Arten zu Tode zu kommen E-Book

Utta Kaiser-Plessow

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Beschreibung

Neun Geschichten, am Ende gibt es immer eine Leiche. Erschossen, erstochen, erwürgt, auch mal ein Unglücksfall. Sogar ein natürlicher Tod ist dabei. Neun Kurzgeschichten versprechen neunmal spannende Unterhaltung. Lesen Sie selbst!

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Seitenzahl: 54

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Inhaltsverzeichnis

Spuren der Vergangenheit

Spinne am Morgen

Sizilianische Hochzeit

Schnee

Im Café

Goldmarie

Das letzte Konzert

Ciao Bella oder forever Young

Dank Anne

Impressum

Spuren der Vergangenheit

Elena ging den Klippenweg entlang und schaute hinunter aufs Meer. Wellen prallten an den Felsen ab, bildeten kreisende Strudel, Gischt spritzte hoch. Wie lange war es jetzt her, dass sie als junges Mädchen hier unbeschwert entlang gesprungen war? Dem Treffen mit Manuel entgegen fiebernd. Manuel dem Fischer, dessen Boot unten in der Bucht lag. Ihrer Bucht, an deren Ende sich die Höhle befand, in der sie sich regelmäßig getroffen und geliebt hatten. Eigentlich war die Bucht nur vom Meer her erreichbar gewesen, aber sie hatten einen Pfad gefunden, der nur ihnen beiden bekannt war. Das war jetzt, Elena rechnete nach, ja das war jetzt 42 Jahre her. Viel war in der Zwischenzeit geschehen und doch, Elena sah sich um, alles war noch so wie damals. Das Meer, die felsige Küste. Ob es die Höhle und den Weg dorthin noch gab? Sie würde nachschauen. Das dürfte kein Problem sein. Schließlich war sie gut zu Fuß, dafür sorgten das regelmäßige Golfspielen und ihr persönlicher Fitnesstrainer zu Hause in den Staaten. Sie ging schneller. Dort vorne neben dem Felsen, der so aussah wie ein Männchen machender Hase, ging es nach rechts. Erst durch eine Senke und dann von Stein zu Stein nach unten wie auf einer Treppe. Auf einmal war sie ganz aufgeregt. Das letzte Mal war sie vor zehn Jahren hier oben entlang gegangen. Mit  Henry,  ihrem Mann. Nachdem die Kinder aus dem Haus waren, und er sich von seinen Geschäften zurückgezogen hatte,  wollte sie ihm das Land zeigen, in dem sie aufgewachsen war.

Geboren war sie im Nachbarort unweit der Küste und dort  auch zur Schule gegangen. Die kleine Landwirtschaft ihrer Eltern hatte nicht viel gebracht, es reichte kaum, die vier Kinder zu ernähren. Elena war die Älteste und alle waren froh, als sie im Hotel eine Stelle  als Küchenhilfe bekam. Sie war anstellig, freundlich und hübsch anzusehen, so dass sie sich bald zum Zimmermädchen und dann zur Bedienung hocharbeitete. Eines Nachmittags waren vier amerikanische Geschäftsleute im Hotel aufgetaucht. Im Anschluss an eine Messe in Barcelona wollten sie zur Entspannung das Wochenende an der Küste verbringen. Sie hatten an der Bar ziemlich gezecht,  gesungen, mit Elena getanzt und geflirtet. Schnell hatte sie erkannt, dass Henry J. Saltzman Witwer und einsam, aber auch wohlhabend war. Ihre Chance nutzend war sie die Nacht über bei ihm geblieben und zwei Tage später mit ihm in die Staaten geflogen. Nach wenigen Wochen läuteten die Hochzeitsglocken.

Vor zehn Jahren hatte sie sich mit ihrem Mann auf Spurensuche begeben, die Orte besucht, an denen sie ihre Jugend verbracht hatte und alte Erinnerungen aufgefrischt. Sie wohnten in dem Hotel, in dem Elena gearbeitet hatte. Aber es war nicht wiederzuerkennen. Aus dem verträumten Landgasthof war ein elegantes Vier-Sterne-Haus geworden. Alles war neu. Besitzer und Personal hatten  gewechselt, keiner konnte sich mehr an früher erinnern, und das war auch gut so. Sie wanderten am Meer entlang und Elena führte ihren Mann auf den Klippenweg, um ihm den einzigartigen Ausblick zu zeigen.

Aber wie tragisch hatte dieser Spaziergang geendet. Henry J., ziemlich kurzsichtig, war  über die Felskante in die Tiefe gestürzt, sein Körper zerschmettert. Die Untersuchung durch die örtliche Polizei hatte ergeben, dass sie an dem Unfall völlig schuldlos war. Sie war einige Schritte hinter ihm gegangen und hatte Rosmarin und Thymian gepflückt, als das Unglück geschah.

Seitdem genoss sie ihr Witwendasein. Sie reiste in der Welt umher und ließ es sich gut gehen. Was ihr gefiel kaufte sie, ganz gleich ob es sich um Kleider, Schmuck, Autos oder junge Männer handelte. Vor drei Wochen, es war ihr sechzigster Geburtstag, hatte sie plötzlich nostalgische Gefühle bekommen und beschlossen, die Wege ihrer Kindheit nachzuzeichnen und die alten Stätten wieder zu sehen. Und genau das tat sie gerade.

Mit energischen Schritten bahnte sie sich ihren Weg durch den Ginster und begann den Abstieg, Stein für Stein. Fast wäre sie gestolpert, konnte sich gerade noch an einem Pinienast festhalten. Sie war doch nicht mehr ganz so gelenkig wie früher, stellte sie fest. Da vorne musste der Eingang sein, hinter Geäst verborgen. Doch was war das? Ihr Herzschlag stockte. Aus dem Schatten trat ihr eine männliche Gestalt in den Weg.

„Spürst du deiner Vergangenheit nach?“ klang eine raue Stimme. Entsetzt machte Elena einen Schritt rückwärts, kalter Schweiß trat ihr auf die Stirn. Atemlos fragte sie:

„Manuel du? Wo kommst du her? Was tust du hier?“

„Ich habe dich beobachtet und hier auf dich gewartet. Du kennst den Weg immer noch, wie ich sehe. Ich nehme an, du willst zur Höhle, in unsere Höhle, komm.“

Mit hartem Griff zog er sie an sich und dann hinter sich her.  Sie zwängte sich durch den Felsspalt. Damals war ihr der Durchgang viel breiter und bequemer vorgekommen. Sie wusste noch, an welcher Stelle sie den Kopf einziehen musste. Und dann war sie drin. Hier hatte sie viele Stunden mit Manuel verbracht. Abgeschlossen von der Welt hatten sie sich geliebt, geträumt und Zukunftspläne geschmiedet. Sie fühlte wieder die alte Faszination.

Die Höhle war geräumig. Sie lag teilweise oberhalb des Wasserspiegels. Der Boden fiel zum Meer hin sanft ab  und war mit Sand bedeckt. Hier war ihr privater, ihr ureigener  Strand gewesen. Das Wasser, türkisblau und glasklar, schwappte nur träge. Vorgelagerte Felsblöcke brachen die Strömung. Draußen schien die Sonne auf das Meer. Das Wasser reflektierte sie ins Innere der Höhle und tauchte alles in ein geheimnisvolles bläuliches Licht. Goldene Flecken tanzten auf dem Meeresgrund. Elena, ganz gefangen vom Zauber dieses Ortes, betrachtete Manuel. Er war älter geworden. Seine Haare, wirr wie eh und je, waren grau. Sein Gesicht mit der kantigen Nase und den fast schwarzen Augen durchzogen Falten. Aber er war immer noch ein schöner Mann mit einer animalischen Ausstrahlung und dem Geruch nach Meer und Salz.

Elena lehnte sich zurück, streckte sich im Sand aus und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Sie fühlte sich leicht und war voller Erwartung.

„Ach Manuel, wie schön war es damals hier und wie schön ist es immer noch.“

Durch halb geöffnete Augen sah sie, wie Manuel sich zu ihr hinunter beugte.  Er kniete über ihr. Seine Hände strichen langsam über ihren Körper. Sie erbebte voll zitternder Ungeduld. An ihrem Ohr flüsterte er.

 „Du hast mich ohne ein Wort drei Tage vor unserer Hochzeit wegen des Amerikaners verlassen, nur weil er reich war. Bei dem Spaziergang vor zehn Jahren habe ich euch beobachtet. Ich habe alles gesehen. Du hast den Arm um deinen Mann gelegt als wolltest du ihn küssen und ihn über die Felskante in die Tiefe gestürzt.“ Elena spürte wie Manuels Hände zu ihrem Hals wanderten. Sie waren nicht weich und zärtlich, wie sie erwartet hatte, sondern hart und schrundig. Sie drückten zu. Erst leicht, fast noch wie eine Liebkosung, aber dann immer stärker. Ließen nicht los, drückten zu, fest und fester. Panik überkam sie, sie strampelte, wollte etwas sagen, aber es kam nur ein undefinierbares Gurgeln heraus.