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Die siebzehnjährige Emma muss in eine andere Stadt umziehen. Sie lernt Ben kennen. Einen Jungen in ihrem Alter. Er ist sofort verzaubert von ihr und die beiden verlieben sich ineinander. In der neuen Schule begegnet sie Lukas, der sich das Ziel setzt, Emma um jeden Preis für sich zu gewinnen. Außerdem ist es am Gymnasium sehr schwer und Emma hat Probleme mit ihren Schulnoten. Auf einer Party taucht auf einmal eine alte Mitschülerin von Ben auf, die er jahrelang nicht mehr gesehen hat. Ben hat plötzlich nur noch Augen für sie. Die Beziehung zwischen Emma und Ben ist in Gefahr. Die Probleme von Emma werden immer mehr und größer und ihr Leben verwandelt sich langsam in einen Albtraum.
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Seitenzahl: 355
Veröffentlichungsjahr: 2020
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Die siebzehnjährige Emma muss in eine andere Stadt umziehen. Sie lernt Ben kennen. Einen Jungen in ihrem Alter. Er ist sofort verzaubert von ihr und die beiden verlieben sich ineinander. In der neuen Schule begegnet sie Lukas, der sich das Ziel setzt, Emma um jeden Preis für sich zu gewinnen. Außerdem ist es am Gymnasium sehr schwer und Emma hat Probleme mit ihren Schulnoten. Auf einer Party taucht auf einmal eine alte Mitschülerin von Ben auf, die er jahrelang nicht mehr gesehen hat. Ben hat plötzlich nur noch Augen für sie. Die Beziehung zwischen Emma und Ben ist in Gefahr. Die Probleme von Emma werden immer mehr und größer und ihr Leben verwandelt sich langsam in einen Albtraum.
Dieses E-Book ist auch als Taschenbuch erhältlich. E-Book Juni 2020 Texte: © Copyright by John Bennly Covergestaltung: C. Krammer - www.casandrakrammer.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf - auch auszugsweise - nur mit Genehmigung des Autors wiedergegeben werden.Verlag: epubli - ein Service der neopubli GmbH, Berlin ISBN: 978-3-750284-68-5 John Bennly c/ o Bianca Kronsteiner impressumservice.net Robert-Preußler-Straße 13 / TOP 1 5020 Salzburg AT - Österreich [email protected]
Für alle Freundschaften und Liebespaare auf dieser Welt.
Seid füreinander da!
Es war sehr früh am Morgen, als ich aufstand, mich fertig machte und mit meiner Sporttasche aus dem Haus ging. Mein Vater war in der Arbeit. Frühschicht. Meine Mutter schlief und ich hatte ihr noch gestern am späten Abend Bescheid gegeben, dass ich mich am Morgen gleich zum Schwimmbad aufmachen würde. Es war noch recht frisch und kühl. Aber die Sonne schien bereits und es war sehr angenehm ihre warmen Strahlen auf meiner Haut zu spüren. Es war die vorletzte Woche der Sommerferien und ich wollte noch die warmen und sonnigen Tage vom August genießen, bevor die Ferien zu Ende waren und im September dann schließlich wieder mit seinem allmählich kommenden Herbstwetter die Schule beginnen würde. - Ich holte mein Fahrrad aus dem Schuppen, sattelte meine Sporttasche und radelte los zum Freibad. Die Nebenstraßen in der Stadt, auf denen ich fuhr, waren weitgehend leer. Hin und wieder fuhr ein Autofahrer vorbei, der sich wohl auf den Weg zur Arbeit machte, oder ein Spaziergänger ging mit seinem Hund Gassi, aber ansonsten war es ruhig und still. Ich selbst wohnte am Rande der Stadt und das Freibad befand sich am gegenüberliegenden Ende etwas außerhalb des Ortsschildes. Deswegen brauchte ich eine gute Weile bis ich zuerst durch die unterschiedlichen kleinen Straßen und die verschiedenen Wohnungsgebiete fuhr und dann schließlich auf den Fahrradweg kam, der direkt zum Freibad führte. Ich trat zuerst kräftig in die Pedale, um schneller zu werden und hielt die Füße still, als ich genug Geschwindigkeit aufgenommen hatte. Der Weg führte an einer schönen Landschaft vorbei mit vielen großen und alten Bäumen, einem kleinen Fußballplatz und letztlich an mehreren Tennisplätzen. Ich ließ mich durch das Fahrrad tragen, das ich immer wieder etwas beschleunigte und erfreute mich an den aufkommenden Gänsehautgefühlen in mir. - Endlich war ich angekommen. Ich schloss mein Rad bei den Fahrradhaltern ab, die noch alle unbesetzt waren und ging dann zur Kasse. Eine ältere, knausrige Frau, die ich bereits öfter an der Kasse getroffen hatte, saß hinter der Scheibe und bereitete gerade ihre Geldkassette vor. Als sie mich auftauchen sah, beäugte sie mich misstrauisch. Sie sah auf eine kleine Uhr, die neben ihr stand und sagte: „Es sind noch zehn Minuten bis geöffnet wird.“ Ich fluchte innerlich. „Oh, tut mir leid. Dann bin ich ein wenig zu früh gekommen“, antwortete ich und wartete unschuldig aussehend ab. Sie musterte mich noch einmal kritisch und sagte dann: „Das macht dann eins fünfzig.“ Ich lächelte und schob ihr dann das Geld passend zu. „Danke.“ Ihre Mundwinkel gingen leicht nach oben, als ob sie kurz davor war schief zu grinsen, sich aber zurückhielt. „Viel Spaß“, sagte sie dann nur und gab mir das Ticket in die Hand. - Ich betrat das Freibad durch die Sperre und ging durch die großen Grünflächen. Meine Sporttasche warf ich in eine schattige Ecke und zog mich anschließend in einer nahegelegenen Umkleidekabine schnell um. Ich hatte die Badehose schon angezogen, deswegen musste ich nur noch die restlichen Kleidungsstücke ausziehen. Da immer noch niemand da war und der Bademeister nirgends zu sehen war, rannte ich dann durch das feine Gras, die Standduschen im Vorbeilaufen ignorierend, zum größten und tiefsten der drei Schwimmbecken und landete mit Anlauf im Wasser. Das noch recht kalte Wasser erschreckte mich und verpasste mir viele kleine Nadelstiche. Nachdem ich aber die erste Bahn geschwommen war, wurde es besser. Ich ruderte mehrere Male hin und her und legte mich danach angelehnt erschöpft auf einen der Liegestühle, die vom Becken einige Schritte entfernt aufgestellt waren. - Ich bemerkte, dass nun langsam die Badegäste ankamen. Nur ganz Wenige. Denn in der Früh war es für die Meisten noch zu kalt. Dafür hatte man genügend Platz zum Schwimmen. Gegen Mittag und dann vor allem nachmittags war an vielen Tagen alles überfüllt. Deswegen genoss ich die Ruhe und schloss meine Augen, um mich zu entspannen. Ich spürte den kühlen Wind, der in mein Gesicht blies und hörte dem Wasser zu, welches leise aus dem Becken schwappte und in den Überlaufrillen verschwand. Nach einer Weile merkte ich, dass ich drauf und dran war einzudösen. Das wollte ich nicht. Deswegen streckte ich mich und öffnete die Augen wieder mühsam, worauf ich mehrmals blinzeln musste. Meine Sicht war zunächst verschwommen. Als erstes dachte ich, da wäre eine kleine Göttin. Sie war mehrere Meter weiter weg am gegenüberliegenden Ende des Beckens und setzte sich gerade im Zeitlupentempo auf den Rand, um ihre Füße zögerlich in das Wasser zu stecken und sie dann im Wasser treiben zu lassen. Ich blinzelte noch einige Male. Das brachte nichts. Dann wischte ich mir mit dem Armrücken über die vertränten Augen, sodass alles wieder klar wurde. Wenn ich nicht auf dem Liegestuhl gelegen wäre, wäre mir wohl oder übel der Boden unter den Füßen weggezogen worden und ich wäre von einem Moment auf den anderen gnadenlos umgekippt. Es war keine Göttin, sondern es war das hübscheste Mädchen, welches ich je in meinem Leben gesehen hatte. Ich setzte mich langsam auf und versuchte meinen Blick abzuwenden, damit es nicht so aussah, als würde ich sie anstarren. Ich fühlte mich sofort hingezogen. Ich wollte näher ran, um besser erkennen zu können, wer das war. Eher automatisch als wirklich gewollt, stand ich leicht schwankend auf und setzte mich in Bewegung. Etwas weiter links, wo das Mädchen saß, war ein Kiosk in einer Ecke, der mit mehreren Tischen und Stühlen um ihn herum ausgestattet war. Ich hielt darauf zu und damit ich dort ankam, musste ich an ihr vorbeilaufen. So hatte ich einen Vorwand dichter heranzukommen. Das Mädchen saß weiterhin ruhig da, betrachtete das Wasser und schaute neugierig umher. Ich kannte sie nicht. Ich wusste nicht, wer sie war. Und ich kannte eigentlich die meisten Besucher des Freibads, wenigstens vom Sehen her. Also musste sie von außerhalb kommen. Nicht nur aus einer der Städte in der Nähe. Sondern von ganz woanders. Denn ich hatte das Gefühl, dass sie das allererste Mal in diesem Schwimmbad war. Der Abstand zwischen uns wurde immer geringer und jetzt konnte ich sie im vollen Umfang sehen. So unauffällig und leise gehend wie möglich, ging ich an ihr vorbei, konnte aber kaum die Augen von ihr lassen. Sie hatte leicht gewellte blonde Haare, welche ihr einige Zentimeter über die Schulter hingen und im Sonnenlicht leuchteten. Ihr Gesicht war oval und hatte sehr feine Züge. Die Haut war makellos schön und dabei hatte sie nicht einmal Schminke aufgetragen. Ihre eleganten und graziösen Hände stützen sich sanft am Beckenrand ab. Ihr Körper steckte in einem grünlichen Badeanzug. Ich bekam teilweise Probleme richtig zu atmen. Kein Wunder, dass ich vorher gedacht hatte, eine Göttin würde es sich dort am Wasserbecken gemütlich machen. Als ich schließlich an ihr vorüber war, musste ich mich erst einmal an einem der Tische am Kiosk abstützen und mich von diesem kurzen anstrengendem Fußweg erholen, damit ich mich wieder unter Kontrolle hatte. - Ich richtete meine Aufmerksamkeit auf den Kiosk. Er war schon besetzt. Eine Dame war zu sehen, die gelangweilt auf ihre Kunden wartete. Denn noch kein einziger war anscheinend dort gewesen. Sie sah kurz zu mir, schaute dann aber wieder weg, als sie bemerkte, dass ich einfach nur so herumlümmelte. Mir wurde schlagartig bewusst, dass ich kein Geld in der Tasche mit dabei hatte. Von außen her gesehen, musste diese Aktion wohl sehr komisch ausgesehen haben: Ein Junge lief zum Kiosk, starrte auf den Weg dorthin immer wieder auf ein Mädchen und setzte sich dann auf einen Tisch und dann schaute er weiterhin möglichst unauffällig auf dasselbe Mädchen. - Nervös erhob ich mich wieder und ging recht zügig wieder zu meinem Platz im Grünen. Ich wählte dabei einen Weg, bei dem ich so gut es ging nicht in das Sichtfeld des Mädchens kommen würde. Bei meiner Tasche angekommen, holte ich schnell einige Geldstücke heraus und eilte dann wieder auf demselben Weg zurück zum Kiosk. Als ich wieder am Becken vorbeilief, war sie nicht mehr auf ihrem Platz. Herzklopfend wanderte mein Blick auf das Schwimmbecken und ich suchte nach ihr. Dort schwammen jetzt mehrere Leute. Ich hatte schon die Befürchtung, dass sie nicht mehr da war. Dass sie das Bad vermutlich schon verlassen hatte. Aber dann entdeckte ich sie. Sie schwamm mit ruhigen Bewegungen im Wasser und machte keinerlei Anstalten aus dem Freibad zu gehen. Ich atmete erleichtert auf und ging dann zum Kiosk. Ich holte mir bei der Dame zwei Waffeleis. Eine mit Schokolade und eine mit Erdbeere. Beide waren eingepackt. Danach setzte ich mich auf einen der Stühle am Kiosk und wartete geduldig und möglichst unauffällig ab. - Als das Mädchen schließlich aus dem Becken trat, hatte ich Glück. Sie setzte sich auf einen der Liegestühle auf der gegenüberliegenden Seite und trocknete sich mit einem Handtuch ab, welches sie anscheinend mitgenommen hatte. Im Grunde hatten wir irgendwie den Platz getauscht. Zuerst hielt mich ein Gefühl davon ab, mich in Bewegung zu setzen. Vielleicht war es Angst oder Unsicherheit. Vielleicht auch beides. Doch dann gab ich mir einen Ruck, packte die zwei Waffeleis, die schon leider angefangen hatten bisschen zu tauen, und stand auf. Ich ging auf sie zu. Als ich die Hälfte der Strecke zurückgelegt hatte, bemerkte sie mich. Ich lächelte schwach und mir war klar geworden, dass es jetzt kein Zurück mehr gab. Irgendwann stand ich vor ihr. Und ich hatte echte Probleme vor ihrem Antlitz aufrecht zu stehen. Meine ganze Brust war angespannt. Meine Beine wackelten und mein Herz raste. Direkt vor ihr zu stehen und sie anzusehen war etwas völlig anderes, als nur flüchtig von der Seite auf sie zu schauen. Sie war unglaublich schön. Hatte einen perfekten Körper. War etwa mittelgroß, vielleicht nur ein kleines Stück kleiner als ich selbst. Ihre tiefen dunkelgrünen Augen ließen mich halb irre werden und ihre ganze Ausstrahlung überwältigte mich. Sie sah verlegen zu mir und wartete wahrscheinlich bis ich irgendetwas sagte. Mein Hals fühlte sich plötzlich ganz trocken an. „Hallo“, sagte ich schwach. Und da mir nicht besseres mehr einfiel, streckte ich ihr meine Hand hin: „Ich bin Ben.“ Zögernd nahm sie meine Hand in ihre. Die Hand des Mädchens war nicht so schwächlich und klein, wie so oft bei anderen Mädchen. Sie fühlte sich stark, aber nicht zu fest an. Und sie war nicht zierlich, sondern hatte Charakter. „Emma“, sagte sie und wir schüttelten uns sanft die Hände. Wir ließen sie wieder los, schauten uns aber unentwegt weiter an, jeder den anderen unsicher begutachtend. Da ich nicht weiterhin wie ein Idiot dastehen wollte, zeigte ich ihr das Eis. „Willst du eins?“, fragte ich. „Ich habe hier Erdbeere und Schokolade. Die sind schon zwar nicht mehr ganz so frisch aus der Kühltruhe, aber trotzdem bestimmt noch ganz okay.“ Sie warf einen Blick auf die zwei verpackten Eisstiele und grinste etwas schelmisch: „Die hast du bestimmt gekauft, um mir eins davon anzubieten“, sagte sie. Verdammt. Das war's dann. Sie würde mich abblitzen lassen. Das Mädchen nahm meine Nervosität war und schmunzelte: „Dann nehme ich Schokolade.“ Ich lächelte erleichtert und reichte ihr das Schokoladeneis. „Setz dich doch. Du brauchst hier nicht so herumzustehen.“ Sie machte eine Handbewegung in Richtung der Liegestühle, die ganz in der Nähe standen. Ich zog einen von ihnen näher zu ihrem heran. Aber nicht zu dicht. Dann setzte ich mich unsicher darauf und packte mein Eis aus. An ihrem machte sie sich bereits zu schaffen. Eigentlich hatte ich erwartet, dass sie das Erdbeereis auswählen würde, aber im Grunde war es mir momentan völlig egal. So aß nun ich das Erdbeerenexemplar. „Schmeckt's?“, fragte ich. Sie leckte noch einmal an ihrem und nickte: „Es ist unglaublich gut. Danke!“ Ich wusste nicht mehr, was ich sagen sollte. Und sie wahrscheinlich auch nicht. Wir saßen recht still da, waren mit unserem Eis beschäftigt und niemand hatte wirklich eine Ahnung, worüber man reden könnte. Oder vielmehr traute sich niemand ein Gespräch anzufangen. Das ging so paar Minuten. Aber schließlich brach sie die unbehaglich werdende Spannung: „Bist du öfter im Freibad?“ Ich war unendlich dankbar dafür, dass sie das Wort ergriff und antwortete: „Immer wieder, klar. Aber im Freibad bin ich nicht so oft. Wenn es kälter wird und das Hallenbad öffnet, bin ich häufig dort. Da gibt es auch ein Dampfbad und einen echt coolen Pool. Warst du in der Stadt auch schon mal im Hallenbad?“ Obwohl ich die Antwort auf meine Frage schon kannte, stellte ich sie trotzdem. Sie war noch nie in diesem Hallenbad gewesen. Da war ich mir ziemlich sicher. Aber ich wollte wissen, woher sie kam. „Nein“, sagte sie und wirkte dabei ein wenig verklemmt. „Ich bin hierhergezogen. Erst Anfang des Sommers. Mein Papa hat eine neue Arbeit bekommen, wo er viel mehr verdient. Und so mussten meine Mama und ich eben mitkommen.“ „Oh.“ Das erklärte alles. „Dann ist hier ja alles ganz neu für dich. Wie gefällt es dir?“, fragte ich. „Gut. Die Landschaft ist echt sehr schön.“ Ich musste grinsen. „Ja, das ist sie wirklich. Gehst du dann auch wieder in die Schule im September?“ Sie nickte. „Ja, auf's Gymnasium in einer Stadt, die hier ganz in der Nähe ist und ich da immer mit dem Bus dann hinfahre. In die elfte Klasse gehe ich in zwei Wochen.“ Beinahe wäre ich aufgestanden, um einen Freudentanz aufzuführen. Ich fühlte mich wie ein kleines Kind, an dessen Geburtstag eines seiner größten Wünsche in Erfüllung ging. „Hey, cool. Ich gehe auch auf das Gymnasium und komme in die Oberstufe. Also in die Elfte. Dann sehen wir uns sicher öfters dort. Kommt darauf an, welche Kurse wir zusammen bekommen. Und mit dem Bus dorthin fahre ich auch immer.“ - So redeten wir noch eine Weile weiter. Ich erzählte ihr viel über die Schule und die Lehrer dort. Ein wenig über die Stadt. Und ich fand heraus, wohin sie gezogen war. Nämlich in eines der Häuser im Neubaugebiet. Ein älterer Mann, der dort alleine gewohnt hatte, weil dessen Frau verstorben war, war ausgezogen und ist ins Altersheim gegangen. So stand dort nun ein noch recht modern gebautes Haus herum. Es war so um die zehn Jahre alt. Ihr Vater hatte es entdeckt und einen stattlichen Preis gezahlt, um es zu kaufen. Da ich ziemlich selten im Neubaugebiet war, war es auch kein Wunder, dass ich sie diesen Sommer noch kein einziges Mal gesehen hatte. Sie war mit ihrer Familie ziemlich mit dem Umzug beschäftigt. Mit dem Hinfahren der Möbel und Umzugskartons aus ihrem ehemaligen Heimatort. Und dann mit dem Streichen der Wände und dem Einrichten des ganzen Hauses. Ich gewöhnte mich langsam an sie und war nicht mehr so enorm nervös. Ich mochte sie. Wirklich sehr. Sie war einfach wundervoll und wunderschön. Mit der Zeit füllte sich das Bad mit noch mehr Gästen und es wurde immer wärmer. Die Gespräche der anderen Leute übertönten unser Ruhiges und es verlor an Tiefe und Leichtlosigkeit. Irgendwann sagte sie: „Ich denke ich muss dann los. Mein Papa will mich um eins wieder abholen.“ Ich nickte enttäuscht. „Wir sehen uns dann sicher in der Schule. Bestimmt sogar auch an der Bushaltestelle.“ Sie stand auf, sodass ich sie wieder in voller Pracht vor mir hatte und wickelte das trocken gewordene Handtuch um ihren Anzug. Dann lächelte sie, warf ihre blonden Haare zurück und sagte: „Sehr gerne.“ Ich hatte nicht gewusst, dass ich überhaupt rot werden konnte. Ich hatte gedacht, dass wäre bei mir irgendwie gar nicht möglich, denn so etwas hatte ich noch nie erlebt. Ich spürte wie meine Wangen anfingen zu glühen und dann schließlich brannten. Sie bemerkte es und lachte kurz auf. Danach wurde es nur noch schlimmer. Zum Glück drehte sie sich um und ging davon. So fiel ihr Blick wenigstens nicht mehr auf meine Badehose, die sich an einer Stelle plötzlich aufgeplustert hatte.
„Emma. Komm schon. Es wird Zeit.“ Ungeduldig wartete mein Papa an der Tür, während ich meine noch fast leere Schultasche aus dem Schrank zog und dann hastig meine Schuhe anzog. „Ja, ja. Ich komm' ja schon.“ Meine Mama kam hinter mir angelaufen und legte ihre Arme um mich. „Ich wünsche dir alles Gute für deinen ersten Schultag.“ „Danke“, sagte ich und befreite mich sanft aus ihrer Umarmung. „Es wird schon alles passen.“ Mein Papa warf mir einen ungehaltenen Blick zu. Dann drückte ich meiner Mama noch schnell einen Kuss auf die Wange und folgte meinem Papa in den Wagen. Sobald ich die Tür zugeklappt hatte, warf er den Motor an und dann fuhren wir auch schon los. „Sind wir so spät dran?“, fragte ich. „Es ist doch noch bisschen hin bis es acht ist und es anfängt.“ Er fuhr um die Biegung aus unserer Straße heraus und antwortete: „So spät sind wir nicht. Aber ich möchte, dass du noch genügend Zeit hast, um dein Klassenzimmer zu finden. Und wenn du mit dem Bus gefahren wärst, wärst du für den ersten Tag zu spät gekommen, um dich noch bisschen zu orientieren und dir Zeit zu lassen.“ Ich nickte und blickte verträumt aus dem Fenster. Ich wollte nicht hierherziehen. Ich hatte meine alte Schule aufgeben müssen. Meine Freunde. Vor allem meine beste Freundin Vanessa. Von der Großstadt jetzt auf das Land. Aber es ging nicht anders. Mein Papa hatte eine neue Arbeit bekommen, wo er viel mehr Geld bekam. Dafür wohnten wir jetzt in einem schönen Haus mit einem Garten. Weg von einer alten, modrigen Wohnung, rein in ein großes Gebäude. Alles hier löste in mir ein ganz neues Gefühl aus. Es gab mehr Platz. Mehr Natur. Viel mehr Freiraum. Von der Enge der Großstadt, die mir manchmal so vorkam, als würde sie mir die Luft zum Atmen rauben, war hier nichts mehr zu spüren. Aber trotzdem hatte ich Angst. Angst vor all dem Neuen und Ungewohnten, was mir hier begegnen würde. Mit einem mulmigen Gefühl im Magen lenkte meine Papa uns durch die verschiedenen großen und kleinen Wege aus der Stadt hinaus und dann auf eine breite Landstraße, die geradewegs zur Schule führte. Links und rechts von der Landstraße sah ich immer wieder Abbiegungen, die zu anderen Orten führten. Ansonsten waren da Bäume. Weite Felder. Bäume. Und noch mehr Bäume und weite Felder. Einige von den Bäumen stellten den Beginn von dichten Wäldern dar, welche tief und groß zu sein schienen. Ich wollte nicht wissen, was dort vielleicht an Tieren lauern könnte. Je näher wir der Schule kamen, desto flauer wurde es in meinem Magen und eine unangenehme Angst tauchte langsam in mir auf und drückte mich fester in den Autositz hinein. Als wir schließlich ankamen und mein Papa direkt gegenüber der Schule anhielt, wollte ich am liebsten wieder zurück in meine Großstadt, wo mir alles so gut bekannt war. - Das Schulgebäude befand sich auf einer kleinen Anhebung am Stadteingang. Es war solide gebaut, hatte feste dunkelbläuliche Außenwände und wirkte insgesamt robust und mächtig. Man konnte von zwei verschiedenen Richtungen in die Schule kommen. Entweder von dort aus, wo ich und mein Papa gerade geparkt hatten. An einer Nebenstraße, die an der Schule vorbeiführte. Man musste nur noch eine kurzen gepflasterten Weg zurücklegen und konnte dann die Schultüren öffnen. Oder aus der Richtung der Parkplätze für die Buse und die Autos, die einen Spaziergang entfernt weiter unten lagen. Dabei musste man auch einiges an kleinen Treppenstufen aus Stein nach oben steigen. Einige vereinzelte Schüler und auch einige Lehrer bewegten sich auf diesem Weg gerade auf den Schuleingang zu. „Da wären wir nun“, sagte mein Papa und stellte den Motor ab, damit uns die Geräusche des Autos nicht störten. „Du wirst das schon hinbekommen“, beruhigte er mich, als er meinen unsicheren Gesichtsausdruck bemerkte. Ich nickte nur und schwieg. Ich machte gar keine Anstalten aus dem Auto zu steigen. Mein Papa legte die Hand auf meine Schulter. „Ich weiß, dass es schwer für dich ist. Aber warte ein paar Wochen ab. Dann wird alles seinen Lauf nehmen und du wirst dich daran gewöhnen und vielleicht wird es dir auch gefallen.“ Ich nickte erneut. „Und falls du deinen Klassenraum nicht finden solltest, kannst du ja einfach einen Lehrer fragen.“ Ich schwieg immer noch. Doch dann wurde mir klar, dass es sowieso kein Zurück mehr gab. „Bis dann“, sagte ich. Daraufhin stieg ich mit wackeligen Beinen aus dem Fahrzeug und öffnete die hintere Tür, um meine Schultasche herauszuholen. Als ich sie hatte, schaute ich nach links und rechts, um mich zu versichern, dass kein Auto vorhatte vorbeizufahren und lief danach über die Straße. Ich winkte meinem Papa noch einmal zu. Dann machte er das Auto wieder an und fuhr davon. - Wir sind schon einmal am Anfang der Sommerferien zusammen zur Schule gefahren, um uns einen Überblick der Schule zu machen und um mich dort anzumelden. Damals ist mir das Gymnasium gespenstisch leer vorgekommen und die monotonen, weißen Wände und der graue Boden, der überall in der Schule war, hatten in mir ein bitteres Krankenhaus-Feeling geweckt. Das Innenleben der Schule war recht schlicht und farblos gehalten. Hier und da gab es einige kleine Kunstausstellungen von Schülern. Ein paar Bilder, die an der Wand gehängt waren. Aber ansonsten war alles ziemlich kühl und sogar etwas leblos gewesen. Als ich jetzt die Tür aufschwang und die große Aula betrat, war schon ein geschäftiges Leben im Gange. Gruppen von Schülern machten sich an verschiedenen Stellen gemütlich. Lehrer redeten mit anderen Lehrern sowie mit Eltern von Schülern, dessen erster Schultag heute wohl war, denn die Kleinen standen unsicher neben ihren Eltern oder in der Nähe mit anderen ihres Alters und wussten nicht so recht, was sie tun sollten. Sie taten mir ein bisschen leid und erinnerten mich auch irgendwie an mich selbst. Immer mehr weitere Personen traten durch die Schultür hinter mir und langsam füllte sich der Raum. Als ich mit meinem Papa vor einigen Wochen hier gewesen war, sind wir im Sekretariat gewesen und ich wurde anschließend von einer freundlichen Mitarbeiterin durch die ganze Schule geführt. Im Erdgeschoss gab es eine große Aula und eine Cafeteria. Auch kam man von da aus in einen Pausenhof, der draußen war, den man nutzen konnte. Im Erdgeschoss befand sich jeweils ein Klo für Mädchen und Jungen. Die Klassenzimmer für die Fächer Musik und Kunst waren auch alle in diesem Bereich angesiedelt. Für die restlichen Fächer befanden sich die Räume im ersten oder zweiten Stock, ebenso je Stock wieder erneut ein Klo für Mädchen und Jungen getrennt. Die Sporthalle und den Sportplatz konnte man über einen Eingang in der Aula erreichen. Genauso wie einen großen Mehrzweckraum, in dem manchmal Prüfungen stattfanden. Die Frau aus dem Sekretariat hatte mir sogar die wichtigsten Räume aufgesperrt und mir alles erklärt. Sie hatte mich auch in die Sporthalle, auf den Sportplatz in Freiem und sogar in das nahegelegene Hallenbad auf dem Schulgelände, welches auch abends im Herbst und Winter für normale Badegäste und nicht nur für Schüler offen hatte, geführt. Sie hatte mir gezeigt, dass in der Aula eine Pinnwand extra für die Oberstufenschüler angebracht war. Dort würden dann am ersten Schultag die Schülerlisten mit der jeweiligen Raumnummer, in welchen die Hauptkurse stattfanden, aushängen. In diesen bestimmten Raum musste man sich am ersten Schultag begeben. - Die Pinnwand war in einem abgelegenen Bereich der Aula, am Anfang des Ganges, welcher zu den Kunsträumen und der Mehrzweckhalle führte. Ich ging dorthin und fand eine kleine Schülergruppe vor, die dicht an der Tafel stand und ihre Klassenzimmer suchten. Sie redeten und tuschelten und wenn sie ihren Namen auf eine der Listen fanden, jubelten oder riefen sie wütend etwas aus. Es kam darauf an, zu welchem Lehrer sie zugewiesen wurden und wer alles mit ihnen gemeinsam in der Klasse war. Als ich näher zur Pinnwand trat und sie mich entdeckten, wurde es merklich stiller und die anderen Schüler und Schülerinnen warfen immer wieder einen neugierigen Blick auf mich zu. Ich stellte mich nebenan hin und wartete bis sich die Menge ein bisschen auflöste, damit ich die Listen nach mir selber ungestörter absuchen konnte. Doch auf einmal kam ein klein gewachsenes Mädchen aus der Gruppe zu mir und sagte frech: „Hallo. Und wer bist du? Ich bin Olivia.“ Ich schreckte überrascht auf und sah dann nach unten. Das Mädchen war ungefähr einen Kopf kleiner als ich, hatte blondes Haar, welches mit einer rosafarbenen Schleife gebunden war und trug ein orangefarbenes Sweatshirt. Sie grinste mir neugierig direkt ins Gesicht. „Ich bin Emma“, stellte ich mich vor. „Bist du neu hier?“, fragte sie sofort hinterher. „Ja, heute ist mein erster Schultag an der Schule.“ Sie machte große Augen. „Wow“, sagte sie dann. „Das kommt nicht so oft vor, dass ein ganz neuer Schüler auftaucht. Du willst wohl auch schauen, in welches Zimmer du gehen sollst. Komm, ich helfe dir, sonst wartest du hier noch ewig.“ Sie griff mit ihrer kleinen Hand nach meiner und zog daran. „Na los. Worauf wartest du“, sagte sie, als ich mich sträubte. Sie zog nochmal an und schließlich ließ ich mich von ihr führen. Sie zwängte mich, ohne auf die empörten Ausrufe der anderen zu achten, durch die anderen Schüler, sodass wir plötzlich direkt vor der Pinnwand standen. Olivia streckte ihren kleinen Finger aus und suchte die Listen ab. „Wie ist dein voller Name?“, fragte sie. „Du bist hier nicht die einzige Emma.“ „Emma Lutz“, antwortete ich. Sie suchte und suchte nach meinem Namen und fand ihn dann schließlich auf einer der Listen, die ganz außen hing. Sie schrie auf, woraufhin ich erschreckt zusammenzucken musste. „Hey, das ist super! Du bist mit bei mir. Dein Klassenleiter ist Herr Maskel. Raum 209. Der ist ganz nett. Der wird dir bestimmt gefallen.“ Sie wippte aufgeregt auf und ab und packte mich wieder an meiner Hand. Ich war überfordert und wusste nicht, was ich sagen sollte. Sie schob mich genau so plötzlich wieder weg von der Pinnwand, wie sie mich dort hingebracht hatte. „Ich kann dich auch gleich zum Klassenzimmer bringen. Ich muss selber auch schauen, wo es ist, aber das ist bestimmt ganz leicht zu finden. Wir können ja schon einmal die besten Plätze besetzen. Du kannst neben mir sitzen, wenn du willst. Möchtest du?“ Es dauerte eine Weile bis ich mich wieder fing. Olivia überrannte mich nahezu mit ihrer Energie und erinnerte mich an einen ständig hüpfenden Ball, der unaufhörlich auf und ab sprang. Da ich aber froh war, am allerersten Tag schon jemanden kennengelernt zu haben, nickte ich freundlich. Ihre Augen leuchteten auf und sie führte mich die Treppen hinauf. Dabei löste ich mich vorsichtig und möglichst höflich aus ihrem Handgriff. Es gab zwei große Treppengeländer mit denen man nach oben gehen konnte. Beide führten zu denselben Räumen, nur eben aus unterschiedlichen Richtungen. Wir hatten das genommen, welches am nächsten zu der Pinnwand war. Olivia plapperte munter weiter, während wir im ersten Stock die Türschilder mit den einzelnen Raumnummern absuchten. - „Da sind wir!“, rief sie nach einiger Zeit und zeigte auf die Nummer 209, die in schwarzen Ziffern auf einem Plättchen neben der Tür prangte. Sie öffnete die Tür und schob mich hinein. Im Zimmer war es hell. Die ganze rechte Seite bestand aus Fenstern, die den Blick auf die Stadt freigab. Das Zimmer war geräumig, ausgestattet mit stabilen Holztischen und professionell aussehenden Stühlen. Zwei andere Schülerinnen und ein Schüler waren schon da. Olivia schien sie zu kennen, denn sie begrüßten sich und lächelten einander zu. „Wo willst du dich hinsetzen?“, fragte sie mich und ich entschied mich für einen Platz weiter hinten. Olivia warf sich auf den Stuhl daneben und redete und erzählte lachend alles Mögliche über die Schule. Ich hörte ruhig zu und gab manchmal einen Kommentar ab, wo es passte. Meine Nervosität schwand und ich entspannte mich langsam. - Der Raum füllte sich. Bei jedem Schüler der reinkam, ertappte ich mich, wie ich hoffte, dass es Ben war. Ich hielt Ausschau nach seinem dunkelblonden Haarschopf und seiner schlanken Statur, aber er war nirgends zu sehen. So wie es aussah war er nicht in meiner Klasse. Auf den anderen Stuhl neben mich setzte sich ein gutaussehender, groß gewachsener Junge. Doch mir gefiel es nicht wie er mich ansah. Ganz und gar nicht. Zuerst musterte er mich neugierig und zum Teil herausfordernd. Dann wandte er sich spöttisch ab und redete mit seinem Kumpanen, den er mitgebracht hatte und der es sich neben ihm gemütlich machte. Olivia flüsterte mir aufgeregt ins Ohr: „Das ist Lukas. Alle Mädchen rennen ihm hinterher ...“ Doch weiter kam sie nicht. Ein Mann kam herein. Er trug einen Drei-Tage-Bart und schaute freundlich in die Runde. Hinter sich schloss er die Tür und stellte dann seine Tasche auf den Tisch. „Herzlich willkommen!“, sagte er. „Herzlich willkommen in der Oberstufe. Wir müssten schon vollzählig sein. Das Klassenzimmer ist fast komplett voll. Ich denke es wird keiner mehr kommen. Oder fehlt euch noch jemand?“ Die Schüler schauten sich im Raum umher und die meisten von ihnen schüttelten den Kopf oder zuckten mit den Schultern. „Gut“, sagte Herr Maskel zufrieden. „Für alle Fälle gehe ich noch die Klassenliste durch.“ Er holte ein Blatt Papier aus seiner Tasche, welches identisch zu dem Exemplar war, dass in der Aula aushing und ging dann die einzelnen Namen durch. Wenn er den Namen des jeweiligen Schülers aufrief, hob dieser die Hand oder sagte Dinge wie: „Anwesend“ oder „Hier“. Einer sagte „Bin gerade am Klo“, worauf die ganze Klasse lachen musste. Selbst Herr Maskel lächelte. Als mein Name aufgerufen wurde und ich nur kurz die Hand hob, blieb Herr Maskels Blick an mir hängen. „Eine neue Schülerin“, sagte er nach einem Moment. „Ich habe dich noch nie an der Schule gesehen.“ Ich nickte nur. „Na dann, noch einmal extra für dich ein Herzlich Willkommen. Ich wünsche dir viel Spaß an der Schule. Wenn du Fragen hast, helfen dir die anderen Schüler sicher gerne oder du kannst auch zu mir kommen, falls du irgendetwas nicht verstehst.“ „Danke“, sagte ich kurz angebunden. - Danach machte der Lehrer weiter. Er teilte uns die Stundenpläne aus, die bei jedem unterschiedlich waren. Als ich damals beim Sekretariat war, hatte mir die Mitarbeiterin erklärt, wie ich auswählen sollte. Nur die Hauptkurse Deutsch, Mathe, Geschichte und Sozialkunde hatten wir gemeinsam in der Klasse. Der Rest hing von der Wahl des einzelnen Schülers ab. Man musste sich zum Beispiel zwischen Kunst oder Musik entscheiden. Ich nahm Musik, da mich das mehr interessierte. Zwei weitere Fächer von der Reihe Biologie, Chemie oder Physik. Ich entschied mich für Biologie und Physik. Und so weiter. Beim Sport hatte man in den vier Halbjahren, die man an der Oberstufe verbringen würde, jedes Halbjahr eine andere Sportart, worauf man eine Note bekam. Man wählte je Halbjahr eine bestimmte Sportart aus. Danach sollte ich noch die Prüfungsfächer für das Abitur auswählen, die man später sowieso noch ändern konnte. Dabei war Deutsch schriftlich und Mathe schriftlich Pflicht. Ich nahm pauschal dazu noch Englisch schriftlich. Und als die zwei mündlichen Fächer, die man nehmen sollte, wählte ich Biologie und Musik. Damit hatte man das Fünf-Fächer-Abitur. Anschließend stellte uns Herr Maskel grob den Ablauf der Oberstufe vor, den ich schon von der Sekretärin erklärt bekommen hatte. Daraufhin klingelte es auch schon zur Pause. - Natürlich zerrte Olivia mich mit ihr. In der Pause traf ich ihre Freundinnen in der Aula und wir unterhielten uns die gesamte Zeit. Zusammengezählt waren wir zu fünft. Ich hielt mich vorerst noch zurück, merkte aber, wie ich immer lockerer wurde und es mir sogar Spaß machte mit ihnen zu reden. Sie waren alle ganz nett und wir lachten viel miteinander. Meine Augen wanderten immer wieder umher. Ich suchte Ben. Ich konnte diesen Jungen nicht aus meinem Kopf schlagen. Aber ich entdeckte ihn nicht, wie lange ich auch hin- und herschaute. Er war nirgends zu sehen. Doch dann als es zum Ende der Pause klingelte und die Schülergruppen die Treppen zu den Klassenzimmern hinaufstiegen, sah ich ihn in der Nähe der Toiletten in der Aula. Er stand an der Wand gelehnt und sah auf sein Handy. Er schien meinen Blick zu spüren, denn auf einmal sah er von seinem Mobilgerät auf und wenige Augenblicke später entdeckte er mich, wie ich gerade das Treppengeländer empor schritt. Wir sahen uns gegenseitig in die Augen. Er winkte mir zu und ich lächelte ihn an. - Wieder zurück im Klassenzimmer verlief der restliche Schultag sehr unspektakulär. Herr Maskel plauderte noch ein wenig über einige Organisatorische Dinge. Wie man sich krank meldet und welche Formulare es wozu gibt und wen man fragen konnte, wenn man irgendetwas nicht wusste. Ebenso wie die Oberstufe im Groben und Feinen ablief und wie die einzelnen Noten gewichtet waren und man sie zusammenlegte und worauf man achten sollte. Er gab uns eine Broschüre, wo noch einmal alles zum Ablauf der Oberstufe erklärt wurde. Vielen wurden noch Fahrkarten ausgeteilt, die bescheinigten dass wir uns schülergünstige Fahrkarten für den Bus kaufen konnten. Und das war's dann auch schon. Um dreizehn Uhr klingelte es und mein erster Tag an der neuen Schule war vorbei. - Ich setzte mich zusammen mit Olivia Richtung der Buse in Bewegung. Wir gingen die Treppen von der Schule wegführend hinab und dann den kleinen Berg hinunter zu den Parkplätzen. Massen an Schülern begleiteten uns auf unserem Weg. Als wir unten ankamen, verabschiedete ich mich schnell von Olivia, da sie eine andere Busverbindung hatte als ich. Ich ging dann zu meiner Haltestelle. Mit meinem Papa hatte ich damals schon geschaut, wo sie war. Es war die Haltestelle, welche die Erste am Parkplatz war und der Bus stand schon dort mit geöffneten Türen. Die Schüler stiegen bereits ein und ich folgte ihnen und kaufte mir das passende Ticket beim Busfahrer. Ich setzte mich auf einen der noch mehreren freien Plätze mittig im Bus ans Fenster. Meine Schultasche stellte ich dabei zwischen die Beine. Neben mir blieb noch ein Sitzplatz frei. Ich sah hinaus und beobachtete wie weitere Schüler zum Parkplatz kamen und entweder von den Eltern abgeholt wurden, in den Bus wie ich stiegen oder es gab auch einige Ältere, die sich selber in ein Auto setzten und losfuhren. Vermutlich waren das Leute aus der zwölften Klasse. Die Sonne war durch dichte Wolken verdeckt und mir kam die Welt ein bisschen trostlos vor. Das hier war jetzt mein Alltag. Jeden Tag in die Schule. Dann nach Hause. Hausaufgaben machen. Und dann am nächsten Tag wieder in die Schule. Links von mir spürte ich auf einmal eine Regung. Ich sah auf und erblickte Ben, der seine Schultasche in der Hand haltend, freundlich zu mir schaute. „Hallo“, sagte er. „Ist hier noch frei?“ Ich machte eine schwungvolle Handbewegung. „Na klar. Mach es dir gemütlich.“ Er ließ sich neben mir nieder und grinste über beide Ohren: „Hab' ich doch gesagt, dass wir uns wieder sehen werden.“
Die ersten Schulwochen zogen sich mühsam hin. Es gab einiges an Organisatorischen Umstellungen zwischen der Mittelstufe und der Oberstufe. Daran musste ich mich erst einmal gewöhnen. Auch war der Lehrstoff schwieriger und das Tempo viel größer. Ich stellte fest, dass die Oberstufe im Grunde genommen den Stoff wiederholte, welchen ich seit der fünften Klasse am Gymnasium gelernt hatte. Nur mit dem Unterschied, dass es schneller und tiefer hineinging, also auch mit vielen neuen Inhalten zu bekannten Themen. - Mit Emma hatte ich zusammen drei Kurse. Das waren Biologie, Musik und Geographie. Im Fach Musik ergab es sich sogar so, dass wir zusammen an einer Bank saßen. Die ersten Musikstunden konnte ich mein Glück gar nicht fassen und versuchte mit aller Macht nicht auf sie zu starren. Ich hatte gedacht, ich hätte mich schon an sie gewöhnt. Aber ich hatte mich geirrt. Ihre Schönheit und ihr gesamtes Wesen so sehr dicht neben mir zu haben, ließ mich kümmerlich im Stuhl zusammensacken. Ich war oft sprachlos, wusste nicht wirklich, worüber ich mit ihr reden sollte. Sie wusste auch oft nicht, was sie sagen sollte. Es gab Unterrichtsstunden, da tauschten wir nur einige wenige Wörter über irgendein Schulthema oder über den aktuellen Musiklehrstoff aus. In Biologie und Geographie fiel mir auf, dass sie Probleme hatte mitzuhalten. Einige Male wurde sie von den Lehrern aufgerufen, die von ihr eine Antwort auf eine Frage zum Thema erwarteten. Oft konnte sie diese nicht richtig beantworten oder lediglich nur einigermaßen grob. - Im Schulbus und den Haltestellen trafen wir uns auch. So gut wie täglich. Nur nicht jedes Mal konnten wir miteinander reden. An den Haltestellen, falls man überhaupt warten musste, unterhielt sie sich mit paar anderen Mädchen aus ihrer Klasse. Außerdem hatte ich das Gefühl, dass sie nicht unbedingt wollte, dass man uns so oft gemeinsam sieht. Und im Bus war es auch immer Zufall, ob noch Platz da war, damit wir uns zusammensetzen konnten oder nicht. Falls ja - freute sie sich aber immer, wenn ich neben ihr während der Fahrt hockte. - Nachdem einige Wochen vergangen waren, gelangte ich in den gewohnten Schultrott und alles ging seinen Lauf. Ich schaffte es, mich mit Emma im Fach Musik mehr und mehr zu unterhalten. Wir wurden lockerer miteinander und schließlich entschied ich mich sie einzuladen. Diesmal nicht zum Eis. Sondern zu einer Pizza. - Die Pizzeria Da Capreno lag inmitten meiner Stadt. An einem Samstagabend saß ich auf Treppenstufen, die zur Kirche führten. Wir hatten uns verabredet, sich bei der Kirche zu treffen, sodass ich ihr den Weg zur Pizzeria zeigen konnte. Ich spielte auf meinem Handy herum und sah immer wieder auf. Als ich sie schließlich in der Ferne entdeckte, wie sie gemächlich auf die Kirche zuschritt, stand ich auf. Sie kam immer näher und ich konnte erkennen, dass sie ein schlichtes ärmelloses dunkelblaues Kleid trug, welches ihr bis über die Knie reichte. In der Hand hielt sie einen schwarzen dünnen Blazer, um ihn vermutlich anzuziehen, falls es kälter werden sollte. An den Füßen hatte sie bläuliche Schuhe angezogen, die ich noch nicht kannte. Ihre Haare glitzerten bei jedem ihrer Schritte in dem Licht der Straßenlaternen, die sich erst vor kurzem eingeschaltet hatten. Mir verschlug es wieder einmal den Atem bei ihrem unglaublichen Erscheinungsbild. Ich war auch recht einfach gekleidet, hatte ein langärmliges Hemd, eine normale Jeans und meine üblichen Schuhe an, aber ich kam mir vor wie ein kleiner Schuljunge und nicht auf einer Ebene, welche ihr ebenbürtig war. Als sie näher zu mir trat, beobachtete ich sie genauer. Sie trug weder Schmuck, noch irgendwelche anderen Accessoires. Keine Schleife in den Haaren, keine Ringe und auch kein Armband. Sie war wie immer auch gar nicht geschminkt. Sie war einfach nur sie selbst und sonst nichts. - „Hallo“, begrüßte sie mich lächelnd. Ich lächelte zurück. „Du siehst echt hübsch aus.“ „Danke“, sagte sie. Sie kräuselte mit einem Finger in einer ihrer Haarsträhnen. „Und du siehst aus wie ein Gentleman.“ Ich gab mir Mühe nicht wieder zu erröten. Meine Stimme einem französischen Schauspieler nachahmend, den ich aus einem Film kannte, sagte ich dann: „Wollen wir, Mademoiselle?“ „Mit Vergnügen“, antwortete sie und deutete eine kleine Verneigung an. Sie hakte sich bei mir ein und ich führte sie einige Straßen weiter zu Da Capreno. Die Luft draußen war angenehm kühl, die Straßen so gut wie leergefegt und ich genoss jeden Augenblick mit ihr. Schließlich kamen wir an unserem Ziel an. Es war eine kleine und gemütliche Pizzeria, die aber genug Platz für mehrere Gäste hatte. Die Tür stand einen Spalt weit offen und wir trennten unsere Arme wieder voneinander, als wir durch den Eingang schritten. - In der Pizzeria herrschte eine behagliche und ruhige Stimmung. An den Tischen saßen einige vereinzelte Gäste. Da war eine junge Familie mit einem Kind, ein Pärchen und dann noch eine Gruppe von Freundinnen, die gerade kräftig in ihre Pizzen hineinbissen. Wir suchten uns gleich den nächstliegenden Tisch aus, der bei der Tür war und eine gute Entfernung zu den anderen Gästen hatte. Der Tisch war für zwei Personen ausgelegt und es war auch kein Schild mit der Aufschrift „Reserviert“ zu sehen. Um dem Bild des Gentlemans gerecht zu werden, ließ ich mir von Emma den Blazer geben und hängte ihn auf einen Kleiderhaken im kleinen Garderobenbereich der Pizzeria. Danach zog ich einen Stuhl unter dem Tisch ein bisschen hervor, damit sie sich setzen konnte. Sie musste heiter lachen, als sie das beobachtete und ich bemerkte, wie sie mich mit ihren dunkelgrünen Augen flüchtig sehr liebevoll ansah. Ich zog den anderen Stuhl hervor und nahm ihr gegenüber Platz. Ich versuchte mir nicht anmerken zu lassen, wie toll ich es fand, dass wir hier waren und dass sie mich eindeutig mochte. Es dauerte nur wenige Momente, dann kam auch schon der Besitzer der Pizzeria von der Theke mit zwei Menükarten in der Hand. Er hatte ein schwarzes Hemd angezogen und wirkte sehr selbstbewusst. Man sah ihm an, dass er hier der Leiter der Pizzeria war. „Guten Abend“, sagte er mit seinem italienischen Akzent ruhig und freundlich. „Ich bin Raffaele Capreno. Der Herr des Hauses und heute auch euer Gastgeber.“ Wir begrüßten ihn beide höflich. Er legte behutsam die Menükarten vor uns auf den Tisch. Dann schmunzelte er, als er uns beide näher betrachtete. Er kannte mich bereits, weil ich hin und wieder ein paar Mal im Jahr vorbei kam. Emma kannte er aber nicht. Er sah sie vorsichtig und ehrerbietig an und sah hin und wieder aus den Augenwinkeln auf mich dabei. Dann hob er den Zeigefinger. „Ah. Un momento, per favore.“ Er verschwand hinter der Theke und kam ein paar Augenblicke später wieder mit zwei dünnen und langen Kerzen in der Hand zurück. Er stellte sie in die Mitte des Tisches und holte aus einer Tasche seiner Kleidung ein schwarzes Stabfeuerzeug heraus. Munter entzündete er die zwei Kerzen nacheinander. Als sie brannten, entfernte er die zwei anderen kleinen Kerzen vom Tisch, die dort schon gestanden hatten. Dann hob er erneut den Zeigefinger und ging wieder zur Theke. Emma zuckte mit den Schultern und ich blickte unwissend zu ihr zurück. Raffaele kam wenig später mit einer frischen hellroten Rose zurück und steckte sie liebevoll in die Vase am Tisch, in der nur ein paar normale Blumen standen. Mit der Rose fiel die Vase mit ihren Blumen jetzt sofort auf. Vorher hatte ich sie nur beiläufig gesehen. Der Besitzer machte einen halben Schritt zurück und betrachtete nochmal alles. Er schien mit sich zufrieden zu sein. „Perfetto!“, rief er aus. Emma musste lachen und klatschte dabei in die Hände. „Danke“, sagte ich ein wenig überrumpelt. „Sucht euch was Leckeres aus“, sagte Raffaele. „Dann komme ich wieder, um die Bestellung aufzunehmen.“ Er zwinkerte uns leicht verschwörerisch zu und ging dann hinüber zu den anderen Gästen. „Das war ...“, begann Emma. „... einfach nur urkomisch“, schloss ich und fing an zu lachen. Emma lachte mit und wir konnten uns eine Weile nicht einkriegen. Erst als uns die anderen Gäste misstrauisch anschauten, beruhigten wir uns allmählich. Als Emma die Rose ansah, wurde ihr Gesichtsausdruck plötzlich sehr ernst. Ich war auf einmal angespannt und rutschte verlegen bisschen auf meinem Stuhl umher. Ich studierte die Menükarte und Emma tat es mir gleich. „Worauf hast du Lust?“, fragte ich irgendwann, damit uns die wieder einmal zwischen uns aufgekommene Stille, nicht zu erdrücken drohte. Sie tippte sich nachdenklich auf die Lippen und bewegte ihren Mund in eine Ecke. „Ich denke, ich nehme es ganz klassisch. Eine Salami-Pizza.“ Ich nickte und war mir bei meiner Entscheidung unschlüssig. Ich suchte mir dann letztendlich die Pizza Verona aus, eine Pizza mit Salami, Kapern und Paprika. Danach spielte Emma verlegen mit den Blumen und der Rose in der Vase herum und ich schaute auf die brennenden Kerzen. Erneut sagte niemand etwas. Raffaele Capreno schien bemerkt zu haben, dass wir uns entschieden hatten, denn er kam wenig später mit einem Notizblock und einem kleinen Stift auf uns zu. „Was darf ich euch bringen? Habt ihr auch schon Getränke ausgesucht?“ Wir bejahten. Emma wählte eine Apfelschorle. Ich bestellte eine Johannisbeerschorle. Dann nannten wir ihm noch die Pizzas. Zusätzlich bestellte ich noch einen Teller Pizzabrot für uns beide. Raffaele nickte geschäftig und ging wieder davon. „Also ...“, setzte Emma an. Ich wartete gespannt darauf, was sie jetzt sagen würde. „Hast du noch Geschwister, oder so?“ Wieder einmal war sie es, die das Eis zwischen uns brach. „Ja. Hab' ich“, antwortete ich. „Eine ältere Schwester. Sie heißt Annette. Sie ist aber nicht mehr zu Hause. Die studiert Wirtschaft in einer Großstadt. Die kommt nur ab und an in ihren Semesterferien oder an Wochenenden zu Besuch. Wie ist es bei dir?“