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Ein, sich schon sehr nach wahrer Liebe sehnendes Mädchen, unsere Hauptfigur Nina, ist an jenem Tag 16 geworden, an welchem die Geschichte beginnt, an welchem sie zu ihrem gewöhnlichen Spaziergang im Wald aufbricht, der aber ihr Leben für immer verändert. Von jenem Tag an geht sie durch das Leben als eine reife Frau, durch das Leben, das sie dann aber nur noch überleben will. Sie will nur überleben.
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Seitenzahl: 350
Veröffentlichungsjahr: 2021
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von
Anna.M.B.
2017
Die Morgenbrise war lauwarm und frisch. Die Tautropfen sonnten sich auf den Blättern der Laubbäume. Um diese Zeit atmeten die Holzbalken des Balkons alle Düfte des Frühlings ein. Ein neues Erwachen. Ein neuer Tag, der unerwartete Geheimnisse bringen könnte, und das in jeder Sekunde. Die Vögel zwitscherten so sorglos und unbeschwert, sodass niemand ahnen konnte, dass dieser Tag Ninas Leben völlig verändern würde.
Am Balkon reflektierten die geflochtenen Holzstühle die Strahlen der Morgensonne. Die Holzstühle wurden durch rosarote Kissen mit weichem Textilbezug gemütlicher, heimischer. Sie umarmten Ninas zarten Po, als sie schläfrig in sie plumpste. Sie nippte an ihrem heißen, süßen Kakao aus ihrer Lieblingstasse. Der laue Wind blies ihr liebkosend durch ihr honigblondes Haar. Ihre fliegenden Haarsträhnen kitzelten die zahlreichen Sommersprossen auf ihrer Nase. Mit ihren blauen Augen beobachtete sie neugierig wie auch der Garten erwachte.
Am Tag zuvor war sie sechzehn geworden. Sie war fast die ganze Nacht wachgeblieben. Ihre Eltern und ihre Freunde hatten ihr langsames Erwachsenwerden gemeinsam gefeiert. Am Tag danach hatte sie nichts vor, außer sich von der Euphorie des Vorabends wieder zu erholen. Als sie ihren Kakao ausgetrunken hatte, entschied sie sich dafür, ihr leichtes Sommerkleid anzuziehen, das im Wind flatterte. Sie liebte es, leichte Seide zu tragen. Sie liebte es, wenn ihr flatterndes Kleid zwischendurch vom Wind hochgeweht wurde, sodass andere Leute ahnungsvolle Blicke erhaschen konnten. Sie fand es sehr aufregend, wenn Männerblicke an ihr hängen blieben, während sie durch die Stadt spazierte. Sie wollte endlich jemandem auffallen.
Sie zog also das auserwählte Kleid an, nahm ihre Bürste, kämmte damit einige Male durch ihr langes, glänzendes Haar und stellte sich vor den Spiegel. Sie fand den Anblick äußerst zufriedenstellend.
Direkt hinter ihrem Haus befand sich ein Wald, der auf Nina wartete. Sie und ihr Vater waren sehr viel in diesem Wald unterwegs gewesen, als sie noch ein kleines Mädchen war. Dieser Wald war ihr Spielplatz. Ihr sicherer Spielplatz. Hier lernte sie zum ersten Mal den Kreislauf des Lebens, die Geburt und den Tod kennen.
Ninas Eltern waren schon fort, als sie aufwachte. Deshalb entschloss sie sich dazu, einen Spaziergang in ihrem alten Freund, dem Wald zu machen, um ihre Langeweile zu vertreiben. Sie ging los, verschloss die Tür und flanierte barfuß über das taunasse Gras. Ihre Haut glänzte im Sonnenlicht, das durch die Bäume strahlte. Auf dem Weg zum Bächlein erkannte sie jeden Baum und Busch wieder. Der Weg schien nicht mehr lang zu sein.
Ein paar Minuten später war sie angekommen. Am Bächlein, an dem sie vor ein paar Jahren noch stundenlang spielen konnte. Sie setzte sich und ließ ihre Beine ins Wasser gleiten. Kleine Wellen tanzten auf ihren Füßen. Das durchsichtige Wasser war der Träger des Lebens, es floss heiter durch den Wald und streichelte die Kieselsteine, die auf dem Bachboden ruhten. Das Wasser schliff sie hunderte und tausende Jahre lang, bis sie rund und seidig waren. Jeder einzelne von ihnen.
Nina genoss die Sonne, neigte ihren Kopf nach hinten und schloss die Augen. Mit tiefen Atemzügen ließ sie den Duft der feuchten Erde in ihre Lunge eindringen. Ihre Gedanken flogen davon und sie flog mit. Die Stille des Waldes holte sie jedoch wieder zurück. Beunruhigt öffnete sie die Augen. Dass die Stille der Vögel immer einen Grund hatte, wusste sie bereits. Sie rechnete damit, dass jeden Moment etwas Unerwartetes passieren könnte. Sie schaute umher, bemerkte jedoch nichts Ungewöhnliches. Sie spürte, dass sie nicht alleine war und dieses Gefühl täuschte sie nicht. Sie hatte Angst sich umzudrehen, weil sie wusste, dass sie wehrlos war. Sie blieb still sitzen und rührte sich nicht. Sie hoffte auf das Wiedererwachen des Waldes und wartete.
Der Mann war groß und schlank. Der Wald diente als sein Versteck und das seit einer Woche. Seine Hauptnahrungsquelle waren die Vorratskammern der Ferienhäuser. Es fehlte ihm jedoch etwas in seinem Leben. Er wollte seine Männlichkeit ausleben. Er sehnte sich nach der leidenschaftlichen Umarmung einer Frau.
Als er aufwachte brach er sofort auf. Jeden Morgen wusch er sein Gesicht im erfrischenden Wasser des Bachs.
Er war noch weit weg, aber doch nah genug, um das frische Fleisch zu riechen. Er bewegte sich langsam und beobachtete das Rehkitz, auf das er schon seit so langer Zeit gewartet hatte. Er kam näher und näher, bis sich das Mädchen in seiner Reichweite befand. Er wollte sie nicht erschrecken, aber er wollte die Chance auch nicht verpassen. Sein Kopf pulsierte. Sein Blut kochte. Er konnte nicht mehr klar denken und sah nur noch ihre appetitliche, unbedeckte Schulter und ihre honigblonden Haare, die wie ein Wasserfall über ihren Rücken fielen und roch nur noch den süßen Duft ihrer Haut. Diesen Duft, den er für immer in seiner Erinnerungen behalten würde. Er konnte seinem Trieb nicht wiederstehen.
Er wusste genau, dass seine wirren, lockigen Haare, sein brauner Stoppelbart und seine zerrissene, schmutzige Kleidung dem Mädchen Angst mache würden. Er dachte nicht lange nach und handelte impulsiv. Schnell wie der Blitz streckte er seine Arme aus und hielt Nina mit beiden Händen fest. Mit seiner rechten Hand bedeckte er ihren Mund und ihre Nase, die linke Hand legte er auf ihren Hals. Er hielt sie so fest er konnte und hoffte, sie würde bald ohnmächtig werden.
Ninas Instinkte setzten aus. Sie vergaß, dass sie einst gelernt hatte, wie sie sich wehren könnte. In diesem Moment ging es nicht mehr ums Leben, sondern ums Überleben. Sie kämpfte und versuchte sich loszureißen. Sie strampelte mit den Beinen, klammerte sich an seinen Händen fest und zog sie nach unten, so fest sie konnte, um Luft zu bekommen. Ihre Adern traten hervor, als sie um ihr Leben kämpfte. Aber sie konnte sich nicht befreien. Die fremden, schmutzigen Hände waren zu stark. Sie hatte das Gefühl, dass die starken Hände sich umso mehr um ihren Hals klammerten, je mehr sie gegen sie ankämpfte.
Langsam verließ Nina die Kraft. Ihre Hände glitten nach unten. Sie strampelte nicht mehr und versuchte auch nicht mehr zu entkommen. Die Umgebung verdunkelte sich. Das Leben verdunkelte sich. Sie schloss ihre Augen und brach zusammen. Aber sie war nicht gänzlich ohnmächtig, sie bekam noch mit, was um sie herum geschah. Sie fühlte die Sonne auf ihrer Haut, fühlte, dass sie auf den Boden gelegt wurde und fühlte die abgestorbenen Blätter, die ihren Rücken kitzelten.
In diesem Moment, als er sie nicht mehr festhielt, hätte sie versuchen können wegzulaufen, aber sie wollte es nicht. Sie hatte Angst, dass sie dann auch der letzte Hauch ihres Lebens verlassen würde. Sie blieb also. Bald fühlte sie nichts mehr und fiel in Ohnmacht.
Endlich konnte er sich sein Rehkitz schnappen. Er dachte nicht darüber nach, dass man ihn bemerken könnte oder, dass das Mädchen noch ein Kind war. Er folgte seinen quälenden Trieben.
Er kniete nieder, öffnete seine Hose und hob das Mädchen hoch. Er drückte sie gegen einen Baum, legte seine Hände auf ihre Hüfte und fing an. Er wollte keine Zeit verlieren. Er hielt sich nicht zurück und erledigte schnell, was erledigt werden musste. Es dauerte nicht lange, bis er alles loswurde, was ihn quälte. Nachdem er fertig war, beharrte er noch eine Weile in seiner Position, um sich der Realität nicht sofort wieder stellen zu müssen. Er beobachtete sein Opfer und ihre zarten Gesichtszüge. Er kniete ein letztes Mal nieder, um die Unschuld des Mädchens noch einmal einzuatmen. Dies war der Moment, in dem Nina aufwachte. Es fiel ihr nicht leicht, ihre Augen zu öffnen, ihre Wimpern fühlten sich zu schwer an. Ihr war noch schwindlig, aufgrund des fehlenden Sauerstoffs. Sie hatte immer noch Angst.
Der fremde Mann stand schnell auf und verschwand zwischen den Bäumen. Nina war allein. Sie lag da und versuchte ihren Körper wiederzubeleben. Sie machte ein paar tiefe Atemzüge, spürte, wie die frische Luft in ihre Lunge gelang und spürte, wie ihre Adern frisches Blut in ihr Herz pumpten. Sie hörte das Wiedererwachen des Waldes. Das Laub der Bäume rauschte im Wind. Die Vögel fingen wieder an zu zwitschern, als wäre nichts geschehen. Langsam kam Nina wieder zu Kräften und öffnete ihre Augen. Sie setzte sich auf und sah sich um. Mit ihren Händen versuchte sie den Schmutz von ihrem Rücken abzureiben. Sie versuchte damit, das Geschehene möglichst schnell wieder ungeschehen zu machen. Sie war verwirrt. Sie wusste nicht genau, was gerade mit ihr passiert war. Sie konnte sich nur an die starken Händen erinnern, die ihr beinahe das Leben genommen hätten.
Aber der Schmerz, den sie spürte, machte die Situation klar. Ihre Scheide schmerzte. Sie spürte, dass eine flüssige Substanz aus ihr floss. Bisher hatte sie von solchen Situationen nur in der Zeitung gelesen, nur in den Nachrichten gehört. Sie versuchte ihren Schicksalsschlag zu akzeptieren. Weiterzuleben mit dem Wissen, dass sie den Moment, nachdem sie sich schon so lange gesehnt hatte, nicht miterlebt hatte.
Sie setzte sich auf, stützte ihren Kopf in ihre Hände und dachte darüber nach, wie wohl der Mann, der zum ersten Mal in ihren seidig weichen Körper eingedrungen war, aussah. Ein paar Minuten lang schaute sie noch gedankenverloren vor sich hin, bevor sie von dem Gedanken an ihre Eltern wieder nüchtern wurde. Sie hatte keine Ahnung, wie lange sie bewusstlos gewesen war. Ihr war aber klar, dass sie sich nun auf den Weg nach Hause machen musste und, dass sie Niemandem erzählen durfte, was passiert war. Sie stand auf, ging ein paar Schritte und kniete sich neben dem Bach nieder. Genau an die Stelle, an der sie vor kurzem noch als unberührtes Kind gesessen war. Sie tauchte ihre Hände ins Wasser, schöpfte ein wenig heraus und wusch ihr Gesicht und ihren Hals. Während die kleinen Wassertropfen ihren Körper berührten, konnte sie sich noch weiter beruhigen. Sie war jetzt so weit. Sie stand wieder auf und machte sich auf den Weg. Sie ging nach Hause in das Haus, das ihr zuvor so langweilig erschienen war, an diesem Tag jedoch der schönste Ort war, den sie sich vorstellen konnte. Mit jedem Schritt wurde ihr klarer, dass sie denselben Weg, den sie vor ein paar Stunden zurückgelegt hatte, nun als neuer Mensch betrat. Das machte ihr wiederum Angst. Sie hatte Angst vor der Wahrheit. Sie hatte Angst vor den Lügen. Sie wollte nicht, dass ihre Eltern sich zu große Sorgen um sie machten und sie nicht mehr alleine aus dem Haus gehen lassen wollten. Sie wollte aber auch nicht, dass ihr Geheimnis sie zerfraß.
Sie machte ganz kleine Schritte, denn der Schmerz hatte noch nicht nachgelassen. Das störte sie nicht. Was sie vielmehr störte war, dass sie wohl nie erfahren würde, wer der Mann war. Sie würde nie erfahren, wie er aussah oder wie er hieß. Sie würde sich nie daran erinnern können, wie er sie angesehen hatte, als ihn seine Begierde übermannte.
Es gab viele Jungs, die von Nina besessen waren. Ihre selbstsichere Ausstrahlung und ihre Schönheit berührten jeden tief im Herzen. Aber Nina wollte schon immer etwas mehr. Sie wollte einen reifen Mann.
Sie war so tief in ihren Gedanken versunken, dass sie fast am Haus vorbeiging. Als sie bei der Haustür ankam, blieb sie vor ihr stehen und starrte sie an. Sie wusste, dass hinter dieser Tür die Rückkehr in die Realität auf sie wartete. Sie wusste, dass sie es sich nicht anmerken lassen durfte, dass sie nicht mehr dieselbe war.
Als sie das Haus betrat, hörte sie Geräusche, die aus der Küche kamen und scheinbar durch fleißiges Arbeiten verursacht wurden. Ihre Eltern waren schon zuhause. Ihre Mutter war gerade dabei, das Abendessen vorzubereiten. Nina wollte eigentlich versuchten unbemerkt in ihr Zimmer zu schleichen, aber unbeabsichtigt blieb sie vor der Küche stehen. Vor der Küche, in der sie und ihre Eltern sich jeden Abend versammelten. Der viereckige Holztisch und die dazu passenden Holzstühle waren ein Symbol für den Zusammenhalt der Familie.
-Wo warst du? Dein Vater und ich haben uns schon schreckliche Sorgen gemacht. Es ist schon vier Uhr nachmittags und du hast noch nicht mal zu Mittag gegessen. Und wie siehst du denn aus? Dein Kleid ist ganz schmutzig. Du warst schon wieder am Bach. Aber den ganzen Tag lang? Ab mit dir ins Badezimmer, mach dich fertig für das Abendessen - wenn ich bitten darf!
Nina bemerkte erst jetzt, dass ihr Lieblingskleid wirklich voller Schmutz war. Auch einen Blutfleck entdeckte sie, ihre Mutter glücklicherweise nicht. Eilig lief sie ins Badezimmer und zog sich aus. Mit kaltem Wasser versuchte sie den Blutfleck händisch auszuwaschen, bevor ihre Mutter Fragen stellen konnte. Das gelang ihr auch. Anschließend warf sie das Kleid in die Wäsche.
Sie stieg in die Dusche und ließ sich warmes Wasser über ihren ermüdeten Körper, ihr mittlerweile zotteliges Haar, ihren Hals und ihre Brüste fließen. Sie sah, wie der Schmutz an ihrem Körper entlang floss. Am Boden der Dusche sammelten sich der Schmutz, das Blut und die Flüssigkeit, die der Fremde in ihr verteilt hatte. Eine halbe Stunde lang stand sie unter der Dusche. Sie hatte das Gefühl, das Wasser würde nicht nur ihren Körper, sondern auch ihre Seele reinigen.
Als sie fertig war, stieg sie aus der Duschkabine, trocknete ihren Körper mit einem weichen Handtuch, stellte sich vor den Spiegel und föhnte ihre Haare. Nachdem diese getrocknet waren, nahm sie frische Unterwäsche aus der Kommode und zog sich ein T-Shirt aus Baumwolle an. Sie band sich noch schnell ihre Haare zusammen und lief dann hinunter in die Küche, als wäre alles ganz normal.
Ihre Mutter gab sich immer Mühe, köstliches, aber auch gesundes Essen für ihre Familie zuzubereiten, so auch an diesem Tag. Heiße Hühnerbrust, Petersilienkartoffeln, Salat, Kuchen und selbstgemachter Apfelsaft. Die köstlichsten Speisen waren aufgetischt.
Bevor sie sich setzte, hatte Nina gar nicht gemerkt, dass sie großen Hunger hatte. Es schien, als wäre sie in ihren Gedanken hängen geblieben. Aber ihre Gedanken verflogen abrupt und sie aß. Sie aß, als hätte sie tagelang nichts mehr gegessen. Sie konnte ihren Blick nicht vom Tisch abwenden.
-Geht es dir gut? Du wirkst traurig. Bloß nicht krank werden. Du weißt schon, dass du in der Schule wichtige Tests vor dir hast. Es wäre nicht schön, wenn du etwas verpassen würdest.
Ninas Mutter sah ihre Tochter besorgt an, während diese, ohne mit der Wimpern zu zucken dasaß und emotionslos die Gabel in ihren Mund nahm.
-Nein Mutter, mir geht es gut. Ich werde in der Schule nicht fehlen. - Nina schaute nicht in die Augen ihrer Eltern, nicht einmal als sie diesen gewöhnlichen, alltäglichen Satz über ihre Lippen ließ.
Sie fühlte sich stark und erwachsen. Stark und erwachsen genug, um ihr Geheimnis für sich zu behalten.
-Na gut! Wenn du fertig bist, kannst du in dein Zimmer gehen. Ruh dich aus. Ich bin mir sicher, dass du viel gewandert bist. - versuchte ihre Mutter Nina zum Sprechen zu bringen.
-Ja sehr viel. - offenbarte Nina. Das war der einzige Satz, den sie an diesem Tag an ihre Mutter richtete. Sie stand auf, schob ihren Stuhl an den Tisch und ging in ihr Zimmer.
Sie ließ sich umgehend auf ihr frisch gemachtes Bett fallen. Die beigefarbene Bettwäsche war schlicht, spiegelte jedoch die Fürsorglichkeit ihrer Mutter wieder, auch wenn das Nina gewöhnlich erschien. Sie war an diese Fürsorge gewöhnt. Das Wasser aus dem Hahn erschien ihr gewöhnlich. Die frische Luft in ihrem Garten erschien ihr gewöhnlich.
Sie deckte sich zu und starrte die Decke an. Sie konnte das Klappern des Geschirrs aus der Küche noch eine Weile hören. Danach kehrte Stille im Haus ein.
Nina konnte nicht schlafen. Sie versuchte sich daran zu erinnern, wie sich das Verschmelzen mit dem fremden, mysteriösen Mann angefühlt haben musste. Sie konnte nur noch an ihren Vergewaltiger denken. An seine Leidenschaft, an seine Stärke. Aber ihr Mangel an Erinnerungen machte sie wütend. Sie musste herausfinden, wer er war, um wieder zur Ruhe zu kommen. Sie entschloss sich dazu, jeden Tag zum Bach zu gehen, bis sie ihn wieder treffen würde. Zweifel und Wünsche vermischten sich in Ninas Innerem. Und wenn er nie wieder in den Wald gehen würde? Was wäre, wenn sie ihn nie wieder sehen würde? Das Unwissen und die Neugier betörten Nina. Sie konnte einfach nicht akzeptieren, den Mann nie wieder sehen zu können.
Sie konnte den nächsten Tag kaum erwarten. Sie konnte es kaum erwarten, nach der Schule sofort in den Wald zu gehen, beziehungsweise zu laufen. Sie ertrug den Gedanken nicht, der Mann hätte sie nur ausgenutzt. Was ihr passiert war, konnte kein Zufall gewesen sein.
Aufregung, rascher Herzschlag: Wird er wohl am nächsten Tag da sein? Wird er mich wohl noch einmal berühren wollen? Wird er mich wohl mit derselben Leidenschaft ansehen?
Die Äste taumelten im Wind und klopften gegen die Fenster. Die dunkle Nacht verschlang die Straßen und Häuser. Schwarze Wolken senkten sich, Regen wusch die Ereignisse des Tages weg. Für die, die schliefen, brachte der Regen einen neuen, frischen Anfang und für die, die noch wach waren, floss mit dem Regen ein trauriges Ende davon.
Der Sturm weckte Nina aus ihrem, sowieso schon unruhigen, Schlaf. Sie schaute auf die Uhr. Halb vier. Sie hatte noch viel Zeit zum Schlafen, was sie einerseits beruhigte, weil sie noch sehr müde war, andererseits aber traurig machte, da sie wusste, dass ihr heiß ersehntes Treffen noch lange nicht in Sicht war. Sie schloss die Augen wieder und drehte sich zur Seite. Im Halbschlaf fühlte sie plötzlich eine Hand an ihrem Hals. Sie spürte, wie ihr Körper von dem Fremden festgehalten wurde. Sie erlebte noch einmal genau das, woran sie sich noch erinnern konnte. Aber dieses Mal hatte sie keine Angst mehr und das beunruhigte sie. Sie wollte das, was passiert war, wiedererleben. Sie wollte, dass die fremden, schmutzigen Hände ihr wieder den Atem raubten. Lange konnte sie darüber allerdings nicht nachdenken. Von Müdigkeit übermannt viel sie bald in einen tiefen Schlaf.
Es war sieben Uhr als ihr Wecker sie aus dem Bett klingelte. Schnell zog sie sich an, packte ihre Schulbücher ein und lief in die Küche. Sie wünschte ihren Eltern einen schönen Tag und nahm das Sandwich, das ihre Mutter ihr vorbereitet hatte.
Vor ihrem Haus wartete bereits der Schulbus auf sie, wie jeden Morgen. Sie stieg ein und begrüßte den netten Busfahrer, der ihr zuzwinkerte, so wie jeden Morgen. Sie ging nach hinten, setzte sich und machte es sich bequem.
Der Schultag fühlte sich länger an als sonst. Nina konnte sich nicht konzentrieren. Sie hatte keine Ahnung von ihrem Stundenplan, keine Ahnung, wovon die Lehrer redeten. Sie konnte nur das Ticken der Uhr hören.
Um halb 2 mittags war ihr Schultag vorbei. So wie jeden Tag, holte ihr Vater sie von der Schule ab. Mit seinem schwarzen Jeep, auf den er sehr stolz war, stand er bereits auf dem Schulparkplatz und wartete auf Nina. Sie lief zum Auto und stieg schnell ein. Ihr Vater wunderte sich. Normalerweise musste er ewig auf Nina warten, aber an diesem Tag war sie pünktlich auf die Minute. Warum die Eile? - dachte er sich. Aber er fragte sie nicht. In letzter Zeit sprachen sie nicht viel miteinander. Sie führten einen oberflächlichen Dialog und fuhren los.
Als sie zuhause ankamen, war Nina in Gedanken schon im Wald. Sie begrüßte ihre Mutter und stürmte in ihr Zimmer. Sie hatte keinen Hunger. Sie hatte keine Lust ihre Hausaufgaben zu machen. Weil es draußen windig war, zog sie sich etwas Wärmeres an. Auch ihre Regenjacke zog sie sich über, aber nicht weil es regnete, sondern weil der Wind die Wassertropfen der Nacht auf den Blättern im Wald abblies und sie von den Blättertropfen nicht nass werden wollte. Bevor sie die Treppe hinunterlief, schaute sie sich nicht einmal selbst im Spiegel an. Unten angekommen schlüpfte sie geschwind in ihre Stiefel, schloss die Tür hinter sich und war fort. Sie rannte.
Die Sonnenstrahlen strahlten durch jedes Fenster und schienen in jeder Ecke der Kleinstadt, während Nina gelangweilt auf die Tafel starrte. Die alten Wände der Schule, die mit der Zeit ziemlich vollgekritzelt worden waren, hatten bereits jedes Gesicht der Gegend schon einmal gesehen. Das Backsteingebäude, sowie die Stille in den Gängen, während des Unterrichts, passten genau in das Bild einer gewöhnlichen Kleinstadt.
Es war also Unterricht. Die kleinen Räume der Schule waren voller fleißiger, gelangweilter und verträumter Kinder. Nina konnte sich nur kurze Zeit konzentrieren, obwohl der Lehrer stets bemüht war, motiviert und schwungvoll zu erklären. Ihre Gedanken folgten nicht dem Unterricht, aber auch nichts anderem. Sie dachte an die Mädchen der achten Klasse, von denen die Jungs in der Schule nicht aufhören konnten zu reden. Die Mädchen, die eigentlich schon Frauen waren. Selbstbewusster Gang, grazile Bewegungen, reife Ausstrahlung. Nina wollte genauso sein wie sie. Sie wollte genauso viel Aufmerksamkeit. Sie wollte genauso reif und selbstbewusst sein. In den Pausen versuchte einer nach dem anderen die Mädchen der achten Klasse anzuflirten. Ein paar versuchten es auf die nette, einige auf die freche Art. Für einen anerkennenden Blick der Absolventinnen hätten diese Jungs alles getan.
Nina wollte auch Absolventin sein. Sie spürte eine tiefe Sehnsucht nach Liebe, nach Leidenschaft, nach jemandem, mit dem sie die Welt vergessen konnte, mit dem sie ihre Welt teilen konnte. Aber ohne diesen Jemand hatte sie das Gefühl, sie wäre weniger Wert als diese Mädchen. Durch dieses Gefühl vergingen die Tage sehr langsam, sehr einsam. Sie war ungeduldig. Sie konnte den Tag, an dem junge Männer um sie konkurrierten, kaum erwarten. Jeden Tag stand sie mit der Hoffnung auf, endlich von einem Absolventen angesprochen zu werden. Was er sagen würde, wäre nicht wichtig. Einzig und allein die Tatsache, dass sie angesprochen wurde, würde ihr alles bedeuten. Sie würde sich endlich erwachsen fühlen, erwachsen genug, um den Großen aufzufallen.
Egal wie sehr sich Ninas Eltern bemühten, die Realität vor Nina fernzuhalten und ihr eine lange, glückliche Kindheit zu schenken, Nina gehörte zu jenen Teenagern, die wussten, dass der Sinn des Lebens nicht aus Herumlaufen auf dem Spielplatz, aus ständigem Lernen oder aus dem Gewinnen schulischer Preise bestand. Sie wusste, dass das Einzige, was wichtig war, das war, was sie fühlte. Eine Berührung, die ihre Knie weich werden ließen. Augen, die in ihre Seele blickten und ihr Herz in Flammen aufgehen ließen. Das war es, was im Leben zählte. Nina wartete sehnsüchtig auf ihr Leben als Erwachsene. Sie hatte sich immer vorgestellt, dass dieses Leben aus Freiheit und Liebe bestehen würde. Es machte sie wütend, dass ihre Mutter nie zugelassen hatte, dass Nina das tun konnte, was sie wirklich interessierte. Es machte sie wütend, dass sie nicht auf Partys von Älteren gehen durfte. Es machte sie wütend, dass sie außerhalb der Schule kaum Zeit mit ihren Freundinnen verbringen durfte. Ihre Eltern glaubten, der richtige Weg Nina zu beschützen sei es, sie in eine Schutzhülle zu stecken. Sie ahnten allerdings nicht, dass Ninas Neugier durch diese überfürsorgliche, beschützende Art immer großer wurde. Und dass sie ihre Neugier eines Tages überkommen würde.
Nina hasste ihre Schuluniform, weil sie all ihre Individualität vor der Welt versteckte. Auch ihre Sommersprossen mochte sie nicht besonders. Sie war nur mit ihren honigblonden Haaren zufrieden. Ihre Haare waren ihr Heiligtum. Als sie morgens aufwachte schaute sie nicht gern in den Spiegel, bevor sie sich die Haare gebürstet hatte. Sie bürstete stets sorgfältig jede einzelne Locke. Das gehörte zu ihrer Morgenroutine. Sie trug ihre Haare immer offen, sodass diese sanft ihre Schultern berührten. So muss sich wohl eine sinnliche Berührung an der Schulter anfühlen, die zärtliche Berührung eines Mannes, dachte sie sich.
Morgens fuhr Nina mit dem Schulbus zur Schule und nach der Schule holte ihr Vater sie ab. Nur am Freitag nicht, denn freitags ging sie zur Chorprobe. Sie liebte ihre Chorgruppe. Im Chor konnte sie sie selbst sein. Sie freute sich immer auf die Freitage, an denen sie und die anderen Chormitglieder vor neuen Herausforderungen standen. In der Chorgruppe konnte sie erwachsen sein und ihre eigenen Entscheidungen treffen. Sie glaubte, sie würde alles in ihrem Leben meistern können, wenn sie auch im Chor mit einer guten Leistung glänzte. Für sie war die Chorgruppe wie eine Vorbereitung auf das echte Leben.
Nach einer erfolgreichen Vorstellung organisierten die Chorleiter eine Feier. Die einzige Feier, auf die Nina gehen durfte. Obwohl sie jedes Chormitglied bereits gut kannte, reizte diese Feier sie, da sie dort die Möglichkeit hatte, sich mit den älteren Schülern ihrer Schule zu unterhalten. Allerdings traute sie sich nicht. Auch wenn diese Feiern eher unaufregend waren, blieb sie lieber im Hintergrund und beobachtete das Geschehen. Sie beobachtete, wie die Absolventen mit den Absolventinnen redeten, beobachtete, wie sie einander abenteuerliche Geschichten erzählten, wie sich ihre Finger beim Anstoßen der Gläser berührten. Sie beobachtete die sehnenden Blicke der Absolventen, die hoffnungsvollen Gesten und wie sie die Absolventinnen an der Hüfte oder der Schulter berührten. Zwischendurch streiften die Jungs den Mädchen einzelne Haarsträhnen aus dem Gesicht und blickten ihnen dabei tief in die Augen. Nina sah, wie die Mädchen deshalb weiche Knie bekamen. Zuerst verschlug es ihnen die Sprache, dann färbten sich ihre Wangen rot und anschließend lächelten sie ihr Gegenüber an. Sie mussten wohl fühlen, was sie zuvor noch nie gefühlt hatten. Ein intensives Gefühl, das zwei Menschen verbindet, manchmal auch ein Leben lang. Die Jungs, die sich für Nina interessierten, verstanden dieses Gefühl noch nicht. Genau das war auch der Grund, warum Nina ihr oberflächliches Interesse nicht erwidern konnte. Aber mitanzusehen, dass die älteren Jungs dieses intensive Gefühl verstanden und es genauso fühlen wollten, gab ihr Hoffnung. Dass die Zeit immer weiter verging, gab ihr Hoffnung. Das langsame Erwachsenwerden, gab ihr Hoffnung. Die Hoffnung, dass die langweiligen Alltage irgendwann vorbeigehen würden. Die Hoffnung, dass sie eines Tages jemanden finden würde, mit dem sie ihre Wünsche teilen und mit dem sie ihre Sehnsucht ausleben könne. Die Hoffnung, dass sie ihr wahres Ich früher oder später nicht mehr verbergen müsse. Aber eine Sache verstand sie nicht: Ihre Eltern. Sie verstand nicht, warum sie ihre Freiheit nicht ausschöpften. Sie verstand nicht, warum ihre Eltern ein gemeinsames Abendessen oder einen ruhigen Sonntagsspaziergang so sehr schätzten. Nina hatte fast Mitleid mit ihnen, wenn sie ihren alltäglichen Guten-Morgen-Kuss beobachte, der so ganz ohne Leidenschaft, ohne Liebe war. Nina hatte keine Ahnung, dass genau diese tägliche Ruhe, dieses Gleichgewicht, der Grundstein ihres sicheren Lebens und ihrer gesunden Entwicklung war. Diese Sicherheit war normal für sie, deshalb konnte sie sich schwer vorstellen, wie ein Leben ohne diese Sicherheit wäre. Sie protestierte also gegen dieses langweilige Leben, verbrachte den Tag lieber in ihrem Zimmer und suchte einen Weg, eine Möglichkeit daraus auszubrechen.
Nach dem was passiert war, wurde Martin klar, dass er noch lange im Wald bleiben musste. Er konnte nicht mehr klar denken. Er war gefangen. Er war gefangen von seinen Gefühlen. Er schmeckte noch den Geschmack der weichen Haut auf seinen Lippen, roch den Geruch des unschuldigen Mädchens und das machte ihn verrückt. Seine Gefühle machten ihn blind. Eigentlich hatte er einen Plan, aber nun steuerte ihn nur noch sein Wille und er wollte nur noch dieses Mädchen. Er wollte noch einmal seine Haut berühren, es liebkosen und spüren. Es ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Es war viel zu süß, um nur einmal gekostet zu werden.
Während er zwischen den Bäumen umherging, bemerkte er, wie sich die Schatten der Bäume immer weiter über dem Waldboden erstreckten. Als wäre die Sonne viel weiter entfernt gewesen. Im Wald verging die Zeit wie im Flug. Für Martin jedoch blieb die Zeit stehen. Er irrte umher und tauchte tief in seine Erinnerungen ein. In jeder Sekunde erlebte er die Zeit, die er mit dem Mädchen verbracht hatte, wieder. Nur die Luft, die mittlerweile abgekühlt war, warnte ihn. Es war an der Zeit sich einen Ort zu suchen, an dem er die Nacht verbringen konnte.
Dicke Wolken türmten sich auf, wie strenge Richter, die gerade dabei waren, ihr Urteil zu verkünden. Seine Instinkte unterbrachen Martins Tagträumereien. Er befand sich wieder in der Realität und in seiner Realität stand zu diesem Zeitpunkt das Überleben an erster Stelle.
Bald war es stockdunkel und die Nacht brach herein. Martin hatte seine Suche fast schon aufgegeben, da entdeckte er plötzlich ein morsches Holzhäuschen. Es sah ziemlich verlassen aus, in den Fenstern war kein Glas und die Tür stand einen Spalt offen. Vermutlich war das Häuschen einst die Unterkunft eines Jägers gewesen, bevor es schließlich das Zeitliche segnete. Die Inneneinrichtung war alles andere als heimelig. Sie bestand aus einem alten Holztisch, zwei Schränken, einem kleinen Bett ohne Matratze und verfaulten Blättern, die sich auf dem Boden sammelten. Außerdem roch es miefig und modrig. Martin konnte das noch nicht sehen, es war ja mittlerweile Nacht und somit stockdunkel. Um sich umschauen zu können, musste er also eine Lichtquelle finden.
In seiner Hosentasche fand er ein Feuerzeug und er hoffte stark, dass irgendwo in dem Häuschen eine alte Kerze herumlag. Er suchte in jedem Schrank. Statt einer Kerze fand er eine Menge Altpapier und ein kleines Töpfchen. Er riss ein paar Stücke vom Papier ab und legte sie in dem Topf. Er wusste, dass er die Flamme nicht lange am Leben halten könnte, er musste also schnell sein. Er zündete die Papierstücke an und sah sich blitzschnell um. Er bemerkte, dass die Tür noch offen war, also schob er den Tisch dagegen. So wollte er sich während des Schlafens später sicherer fühlen. Kurz darauf erlosch die Flamme, es war wieder stockfinster und er konnte wieder nichts sehen. Bald gewöhnten sich seine Augen aber an die Dunkelheit. Er fand das Bett und legte sich auf die Holzlatten, die eigentlich als Untergrund für eine Matratze dienten. Dann schlief er.
Es musste noch sehr früh am Morgen gewesen sein, nur ein paar Sonnenstrahlen ließen sich erahnen, als plötzlich ein Ast auf das Häuschen fiel und Martin aufweckte. Draußen regnete es. Er war erleichtert, dass er die Nacht nicht im Freien verbringen musste. Er versuchte aufzustehen, denn sein Magen ätzte vor Hunger. Doch noch bevor er versuchen konnte seine Kräfte zu mobilisieren, wog ihn die Erschöpfung erneut in den Schlaf. Es machte ihn schwach, dass er nicht wusste, wie es weitergehen würde. Sein Körper war wie gelähmt, sein Hunger ließ nach. Er schlief weiter.
Seine graue Stoffhose, die zwar ein bisschen abgenutzt war aber im Großen und Ganzen doch sauber zu sein schien und sein weißes Hemd, das mittlerweile ein paar Flecken hatte, deuteten darauf hin, dass Martin vor ein paar Wochen noch unter normalen Umständen gelebt hatte. Seine langen Fingernägel und sein stoppeliger Bart ließen jedoch durchblicken, dass ihn etwas in seinem Leben vor einiger Zeit aus der Bahn geworfen hatte. Sein Aussehen erinnerte inzwischen an einen Schiffbrüchigen.
Bevor Martin die Nacht in einer alten Hütte mitten im Wald verbringen musste, hatte er ein recht bequemes Leben. Er lebte im geräumigen Haus seiner Eltern.
Für einen 36-jährigen Mann ist es normalerweise eher unangenehm noch bei seinen Eltern zu leben. Da Martins Eltern aber belesen und vermögend waren, hatten sie ständig etwas zu tun oder waren oft auf Reisen. Für Martin fühlte es sich also fast so an, als wohnte er alleine. Er hatte den ganzen Tag eigentlich nichts zu tun, deshalb ging er abends oft ins Casino. Er spielte gerne Poker, auch wenn er nicht immer gewann. Eines Abends spielte er mit seinen alten Freunden. Er hatte fast nichts mehr, was er setzten konnte, so wählte er als Einsatz für die nächste Runde das Haus seiner Eltern.
Er verlor.
Aber es war doch nur ein Spiel, oder?! Er hatte doch nicht alles verloren?! Der Mann, der zuvor noch vor Selbstbewusstsein gestrotzt hatte, wurde plötzlich ganz blass. Seine Freunde schauten ihn spöttisch lächelnd an. Die Verwirrtheit betäubte ihn und seine Angst leitete sein Handeln. Am gegenüberliegenden Ende des Pokertischs lag ein Zigarrenmesser. Es war ein kleines Werkzeug, aber ausreichend für Martins Plan. Mit einer schnellen Bewegung hatte er das Messer innerhalb eines Augenblicks in der Hand. Das Lächeln im Gesicht seiner Freunde verschwand. Voller Wucht rammte er das Zigarrenmesser zwei Mal hintereinander in den Hals des Mannes, der neben ihm gesessen hatte. Alle, die am Tisch saßen, erstarrten. Sie konnten sich nicht bewegen, sie konnten nur dabei zusehen, was ihr Freund anrichtete. Im nächsten Moment schlitze er einem weiteren Mitspieler die Halsschlagader auf. Zwei tote Körper fielen auf den Pokertisch. Die zwei übrig gebliebenen Männer standen hektisch auf und versuchten zu fliehen. Martin packte einen am Kragen und stach erneut zu. Der Mann sah mit an, wie das Blut seinen Körper verließ. Er wusste, dass es bald vorbei war. Der letzte Mann schaffte es aus dem Pokerraum. Er lief durch die Tür, durch den Flur, bis hin zur Straße. Der Schweiß lief ihm über das Gesicht und über den Rücken. Er lief und konnte an nichts anderes denken, als zu entkommen.
Im Pokerraum war es still geworden. Es war nur Martins hastige Atmung zu hören. Mit der Schere in der Hand stand er in der Mitte des Raumes. Er schaute umher, sah die drei toten Körper und begriff, dass seine Entscheidung, seine Tat, ihn nicht gerettet hatte. Ganz im Gegenteil. Er musste verschwinden.
Der Himmel war grau, die vielen Wolken ließen keine Sonnenstrahlen durch. Alles war noch nass vom Regen. Über Nacht hatte sich das kleine Bächlein mit Wasser gefüllt und rauschte nun viel unruhiger als noch am Vortag.
Von Ninas Regenmantel tropfte Regenwasser ab, als sie ankam. An jenem Tag schaute der Wald ganz anders aus, viel düsterer. Sie zog ihren Regenmantel aus, faltete ihn zusammen und legte ihn auf den Boden, genau an die Stelle, wo sie am Tag davor gesessen war. Sie setzte sich und wartete. Eigentlich wusste sie, dass es sinnlos war dort zu sitzen und darauf zu warten, dass sich das, was passiert war, wiederholte. Sie war sich sicher, dass ihr Angreifer an diesem Tag nicht mehr umher schlich. Doch es war still und Stille war genau das, was sie brauchte. Sie schloss ihre Augen und atmete die frische Luft ein und wieder aus. Aber nach einer Weile wurde ihr kalt. Ihr zarter Körper kühlte rasch ab. Doch sie wollte noch nicht gehen. Sie wollte nicht in den Alltag zurück. Allerdings wurde es immer windiger, also entschloss sie sich dazu aufzubrechen. Das bedeutete jedoch nicht, dass sie aufgegeben hatte. Sie konnte nämlich nur noch an den Fremden denken. Ihre Gedanken und ihre Neugier ließen sie nicht ruhen und sie wusste, dass sie nicht zur Ruhe kommen könnte, bis sie ihn gefunden hatte. Sie wollte den Mann finden und das um jeden Preis.
Martin wachte gegen zwölf Uhr mittags auf. Sein Hunger ließ ihn nicht mehr schlafen. Er stand auf und sah sich um. Viel mehr, als das was er am Vortag schon gesehen hatte, befand sich nicht in dem Häuschen. Lediglich ein paar staubige Töpfe kamen ihm neu vor. Generell war das Häuschen nichts als ein Haufen nutzloser Gegenstände und Müll. Wie er es bereits erwartet hatte, fand er in dem Häuschen auch nichts Essbares. Er dachte nicht lange nach, verließ seine Unterkunft und begab sich auf einen neuen Weg ohne Ziel.
Draußen war schlechtes Wetter. Sein dünnes, weißes Hemd konnte ihn nicht ausreichend vor der Kälte schützen und weil er den Wald nicht kannte, wusste er nicht, wo er sich gerade befand. Er entschied sich, zurück zum Bach zu gehen, wo er sich etwas besser orientieren konnte. Er war sich sicher, dass das Mädchen vom Vortag in der Nähe des Bachs wohnen musste. Er war sich sicher, dass er im Zuhause des Mädchens etwas zu essen finden würde, vielleicht sogar ein geheimes Versteck. Möglicherweise würde er dann auch ausfindig machen können, wo er sich befand und wohin er weiterziehen sollte.
Eine Stunde später war er am Bächlein, am Tatort, angekommen. Niemand hätte ahnen können, dass dieser unauffällige Platz am Bächlein ein Tatort war. Es gab keine verdächtigen Hinweise und keine Blutspuren. Er beschloss den Bach entlang zu gehen, doch gerade als er losmarschieren wollte, hörte er ein Geräusch. Jemand kam.
Er hätte nicht daran geglaubt, sein Opfer nach so kurzer Zeit wiederzusehen. Er versteckte sich hinter einem Busch und bewegte sich nicht. Er wartete und beobachtete, ob das Mädchen in Begleitung war, um jemandem den Tatort zu präsentieren, der ihn anschließend untersuchte oder ob es von Freunden oder ihren Eltern begleitet wurde, um ihnen den Ort des Geschehens zu zeigen. Tatsächlich war das Mädchen aber alleine. Es breitete seinen Regenmantel auf dem Boden neben dem Bach aus und setzte sich darauf. Es saß einfach da, genauso wie am Tag zuvor. Martin beobachtete es von hinten. Er bemühte sich sehr, kein Geräusch von sich zu geben. Er wollte nicht, dass das Mädchen ihn sah. Er wartete.
Er beobachtete das Mädchen wie es, in seine Gedanken vertieft, dasaß. Wie es seine Augen schloss und tief ein- und ausatmete. Es sah nicht ängstlich aus. Es strahlte eher Traurigkeit aus. Nach kurzer Zeit bemerkte Martin, dass dem Mädchen kalt geworden war. Es stand langsam auf, sah sich noch einmal um und ging los. Es ging sehr langsam, als wollten seine Füße den nassen Boden des Waldes nicht verlassen, als wollten seine Füße es nicht nach Hause bringen.
Martin zögerte nicht und folgte seinem Rehkitz leise und unbemerkt.
Nina zog ihre Kapuze ab und ihre Haare fielen auf ihren Rücken. Eine Strähne hing ihr ins Gesicht. Sie war nass von der feuchten Luft. Kleine Wassertröpfchen liefen über ihr Gesicht und ihren Hals entlang. Nina bekam Gänsehaut, aber trotz der Kälte konnte sie nicht schneller gehen. Ihre Sehnsucht lähmte ihren Körper.
Ihr Haus war nicht mehr weit entfernt. Ihr Zuhause, indem sie sich in ihrem warmen Zimmer, in ihrem warmen Bett in Tagträumen verlieren konnte. Ihr Zuhause, in dem sie sich sicher fühlte. Aber innerlich fühlte sie sich leer. Keine Emotionen, nur Leere in ihrer Seele. Mit einer Hand öffnete sie das hintere Gartentor, dann schlich sie langsam durch und schloss es anschließend wieder. Vor der Eingangstüre zog sie ihre Stiefel aus, und ging dann, ohne etwas zu sagen, in ihr Zimmer. Ihre Eltern blickten Nina besorgt hinterher. Sie glaubten, dass ihre Tochter mit ihrem ersten Liebeskummer zu kämpfen hatte.
-Ich werde später nach ihr sehen.-sagte Ninas Mutter zu Ninas Vater. Dann fuhren sie mit der Hausarbeit fort.
Martin gefiel, was er sah. Ein nettes Häuschen ohne Fenstersicherung, ohne zu hohem Zaun. Er wartete, bis es dunkel war.
Als auch die letzten Lichter im Haus erloschen waren, kletterte er über den Zaun und begab sich auf die Suche nach einem Ort, an dem er sich verstecken konnte. Er entdeckte ein Kellerfenster im hinteren Teil des Hauses, das offen stand. Er kletterte mit den Füßen voraus durch das kleine Fenster und wunderte sich, warum das Haus mit keinem Schutz vor Einbrechern ausgestattet war. Es gab keinen Wachhund, kein Warngerät und die Fenster standen offen.
Im Keller war es dunkel, er holte also wieder sein Feuerzeug aus der Hosentasche, wie er es bereits in der Hütte getan hatte. Er schaute sich um und begriff, dass er sich im Vorratsraum des Hauses befand. Er hatte großen Hunger, also zögerte er nicht und öffnete rasch einige Konservendosen. Wie ein ausgehungertes Tier aß er eilig und ohne Pause. So lange, bis er satt war. Als er fertig war, stand er auf. Er wollte seine neue Unterkunft besser kennenlernen. Der Kellertür war geöffnet, er befand sich also schnell im Vorzimmer. Der fremde Ort strahlte Ruhe aus. Er hatte das Gefühl, er könne hier bleiben, auch wenn es nur ein paar Tage wären. Doch der Duft und die Wärme dieses Zuhauses riefen Erinnerungen hervor, an die er sich nicht mehr erinnern wollte.
Er schlich die Treppe hoch. Er suchte sein kleines Opfer, sein Kitzchen. Oben angekommen stand er vor drei Türen. Eine Tür führte ins Schlafzimmer der Eltern, eine ins Badezimmer und auf der dritten Tür klebte ein Schmetterling-Sticker. Es war nicht schwer zu erraten, welche Tür ins Zimmer des Mädchens führte.
Er blieb vor der Tür stehen und lauschte. Er wollte sicher sein, dass die Bewohner des Hauses durch sein Eindringen nicht wach geworden waren. Bald war er überzeugt, dass jeder im Haus tief und fest schlief. Es war totenstill. Er legte seine Hand auf die Türklinke und drückte sie behutsam hinunter. Die Tür ging geräuschlos auf und Martin trat ins Zimmer. Es war seine Tür zum Glück.
Im Zimmer war es nicht komplett dunkel. Die kühlen Strahlen des Mondes schienen durchs Fenster. Sie erleuchteten das kleine Zimmer. Auf den Regalen reihten sich Spielzeuge. Auf dem Tisch lagen ein Laptop und ein paar Schulbücher. Auf dem Stuhl häufte sich ein unordentlicher Stapel aus Kleidungsstücken. Die Tür des Kleiderschranks war vollgeklebt mit Stickern von Prominenten. Und im Bett schlief das unschuldige Wesen, sein Rehkitz, mit unbedeckten Beinen und unbedecktem Po.
Martin genoss den Moment. Er freute sich das Mädchen wiederzusehen, das ihm Befriedigung schenkte, auch wenn es das nicht mit Absicht getan hatte. Er beobachtete das Mädchen, sah ihr beim Schlafen zu. Nina befand sich in einem tiefen Schlaf, als sie plötzlich das Gefühl hatte, nicht alleine im Zimmer zu sein. Sie wachte auf, öffnete ihre Augen aber nicht. Sie wusste zweifelsfrei, dass sich jemand mit ihr in ihrem Zimmer befand. Sie wagte es nicht, sich zu bewegen. Ihre Neugier war jedoch zu groß. Sie musste nachsehen, sie konnte nicht anders. Langsam öffnete sie ihre Augen, aber nur einen schmalen Spalt, sodass ihr Gegenüber nicht bemerkte, dass Nina ihre Augen eigentlich geöffnet hatte. Sie schaute sich unauffällig um und bemerkte eine Figur, die in der Mitte des Zimmers stand. Die Figur eines Mannes. Er schaute sie an. Er sah müde aus. Dreckig. Verschwitzt. Nicht gerade vertrauenerweckend. Nina hätte gerne um Hilfe gerufen, aber sie hatte Angst, dass es bereits zu spät sein würde, bis ihre Eltern sie gehört hatten. Nina versuchte langsam weiter zu atmen, als würde sie weiterhin schlafen.
Martin spürte wie sein Begehren mit jedem Blick, den er auf das Mädchen warf, unaufhaltsamer wuchs. Er wollte sie wieder berühren. Er wollte ihre weiche Haut spüren. Wieder einmal trieb ihn seine Lust.
In solchen Momenten verwandelt sich der Mann in ein Tier. Ein Tier, getrieben von Instinkten. Martin wusste genau, dass sein Aufenthalt im Haus schwere Konsequenzen haben könnte. Er wusste, dass er weiter im Wald leben musste, sollte das Mädchen wach werden. Aber er konnte nicht anders. Er bewegte sich zu ihr.
Nina hörte die Schritte, die immer näher kamen. Sie lag immer noch reglos da. Martin war nicht mehr weit von ihr entfernt, Nina konnte seinen Duft, der ihr bereits vertraut war, schon wahrnehmen. In diesem Moment begriff sie, dass der Eindringling kein Fremder war. ER war es. Der Mann, den sie unbedingt noch einmal sehen, den sie kennenlernen wollte. Aufregung und Angst durchfuhren ihren zierlichen Körper. Sie konnte sich nicht mehr auf ihre flache Atmung konzentrieren. Ihre Beine bewegten sich unwillkürlich. Rasch zog sie sie unter die Decke. Martin war zu diesem Zeitpunkt bereits ganz nah und bedeckte Ninas Mund zügig mit seiner rechten Hand. In diesem Moment öffnete Nina die Augen. Voller Verzweiflung blickte sie direkt in die braunen, leuchtenden Augen ihres Angreifers.
Einen Augenblick lang bewegten sich beide nicht. Sie starrten einander nur an. Da Nina sich nicht wehrte, ließ Martin den Druck seiner Hand, die auf Ninas Mund gepresst war, nach und berührte stattdessen seine Lippen mit seinem Zeigefinger.
-Pssst!
Nina konnte ihren Blick nicht von dem Mann wenden. Sie nickte leicht, um ihm zu zeigen, dass sie seiner Bitte nachkommen würde. Langsam zog Martin seine Hand von Ninas Mund und legte seine Handfläche um ihren Hals. Er spürte, wie sich Ninas Zungenbein beim Schlucken bewegte. Seine Handfläche umfasste ihren Hals vollständig. Er übte keinen Druck mehr aus. Mit seiner anderen Hand zog er die Decke von Ninas zartem Körper. Nina machte nach wie vor keine Anstalten sich wehren oder fliehen zu wollen. Martin fühlte sich willkommen und führte seine Bewegungen fort. Mit einem Finger glitt er unter Ninas Unterhose und zog sie ihr aus. Das Mädchen spürte unaufhörliche Lust. Sie entspannte ihre Muskeln und gab sich ihrem Schicksal hin. Die Hand, die um ihren Hals geschlungen war, wirkte nicht bedrohlich, deshalb konnte sie ruhig weiteratmen. Von den sanften Berührungen seiner Finger bekam sie Gänsehaut. Ihr Herz raste wie ein ratternder Zug. Der Mann hatte seine Hose noch an und er wollte sie auch nicht ausziehen. Ninas Eltern hätten ihn jederzeit entdecken können. Deshalb zog er mit einer Hand lediglich den Reißverschluss seiner Hose nach unten. Mit der anderen umfasste er weiterhin den Hals seines Rehkitzes. Nina spreizte ihre Beine automatisch. Vom anhaltenden Druck auf ihrem Hals wurde ihr leicht schwindlig. Sie wollte, dass er endlich in sie eindrang. Sie klammerte sich an den Armen des Mannes fest und wartete auf das Wunder.
Als sie spürte, wie sich ihr Körper mit seinem vereinte, erlebte sie etwas Unbeschreibliches. Überwältigend und wunderschön zugleich. Ein heißes, kribbelndes Gefühl durchfuhr ihren ganzen Körper. Sie fühlte eine Leichtigkeit, als würde ihr Körper verdunsten, sich in der Luft verbreiten. Für sie existierte ihr physischer Körper in diesem Moment nicht mehr. Es gab nichts. Die Welt verschwand, mit all ihren unlösbaren Problemen, mit all den Menschen. In diesem Moment existierte nur dieses übermächtige Gefühl, das sie empfand. Der Mann beugte sich leicht nach vorne und liebkoste das weiche Gesicht des Mädchens mit seiner rauen Zunge, während seine Stöße immer schneller und härter wurden. Mit jedem seiner Stöße verursachte er heftiges Kribbeln in der Gebärmutter des Mädchens. Die rhythmischen Bewegungen führten sie innerhalb weniger Minuten zu einem vulkanartigen Ausbruch. Sie kratzte mit ihren Nägeln seinem Rücken entlang. Die Lust des Mädchens riss Martin mit und sie beide genossen die paar Sekunden des Orgasmus gleichzeitig. Das Kratzen über seinen Rücken und die leichten Berührungen der weichen, dünnen Finger des Mädchens. Sie bezauberte ihn mit ihrer Zerbrechlichkeit.
Nina umarmte den Mann leidenschaftlich, im Glauben, er hätte ihr das schönste Erlebnis ihres Lebens geschenkt. Er glühte vor Wärme und atmete hastig. Ein paar Minuten lang ruhte er sich zwischen den Armen des Mädchens aus. Sie rührten sich einige Momente nicht.