NLP-Practitioner-Lehrbuch - Petra Dannemeyer - E-Book

NLP-Practitioner-Lehrbuch E-Book

Petra Dannemeyer

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Beschreibung

Neurolinguistisches Programmieren (NLP) beschäftigt sich mit unserem subjektiven Erleben, mit effektiver Kommunikation und dem Veränderungspotenzial, über das jeder von uns verfügt. Kurz gefasst: NLP ist eine abenteuerliche Reise zu sich selbst. Petra und Ralf Dannemeyer präsentieren in diesem Grundlagenwerk alle Theorien und Interventionen der Practitioner-Stufe, also der Grundlagen-Ausbildung. Jedes Kapitel umfasst vier Aspekte: 1. eine fundierte Erläuterung des Themas, 2. Fallbeispiele zur Illustration der Theorien, 3. genaue Schritt-für-Schritt-Anleitungen der Interventionen sowie 4. Übungen und Reflexionen für effektives Selbstmanagement. Die Autoren verwirklichen eine ganzheitliche Sichtweise, die Veränderungsarbeit auf den Ebenen von Körper, Geist und Seele ermöglicht. Daher ist dieses Buch zum Selbststudium ebenso geeignet wie zur Vorbereitung und Begleitung einer curricularen Practitioner-Ausbildung. Die Autoren zeigen, wie viel Liebe und Herz dem NLP innewohnen kann.

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Petra Dannemeyer & Ralf DannemeyerNLP-Practitioner-LehrbuchPotenziale entfalten mit Neurolinguistischem Programmieren

Über dieses Buch

Neurolinguistisches Programmieren (NLP) beschäftigt sich mit unserem subjektiven Erleben, mit effektiver Kommunikation und dem Veränderungspotenzial, über das jeder von uns verfügt. Kurz gefasst: NLP ist eine abenteuerliche Reise zu sich selbst. Petra und Ralf Dannemeyer präsentieren in diesem Grundlagenwerk alle Theorien und Interventionen der Practitioner-Stufe, also der Grundlagen-Ausbildung. Jedes Kapitel umfasst vier Aspekte: 

eine fundierte Erläuterung des Themas, Fallbeispiele zur Illustration der Theorien, genaue Schritt-für-Schritt-Anleitungen der Interventionen sowie Übungen und Reflexionen für effektives Selbstmanagement. 

Die Autoren verwirklichen eine ganzheitliche Sichtweise, die Veränderungsarbeit auf den Ebenen von Körper, Geist und Seele ermöglicht. Daher ist dieses Buch zum Selbststudium ebenso geeignet wie zur Vorbereitung und Begleitung einer curricularen Practitioner-Ausbildung. Die Autoren zeigen, wie viel Liebe und Herz dem NLP innewohnen kann.

Dr. phil. Petra Dannemeyer und Ralf Dannemeyer (lic. rer. publ.) krönen mit diesem Lehrbuch das 20-jährige Jubiläum ihres 1996 gegründeten perspektiven-Instituts. Er arbeitete zuvor als Publizist und Wissenschaftsjournalist und verantwortet die Bereiche NLP im Business, in der Organisations- und Teamentwicklung. Sie leitete eine psychologische Familienberatungsstelle und ist Expertin für NLP in Therapie und Pädagogik.

Copyright: Junfermann Verlag, Paderborn 2016

Coverfoto: © Jasmine Wilson & Daniel Scheibel – www.strictlypaper.com

Covergestaltung / Reihenentwurf: Christian Tschepp

Abbildungen im Buchinneren: Christian Berger, www.mindreflection.de

Alle Rechte vorbehalten.

Erscheinungsdatum dieser eBook-Ausgabe: 2016

Satz & Digitalisierung: JUNFERMANN Druck & Service, Paderborn

ISBN der Printausgabe: 978-3-95571-487-1

ISBN dieses E-Books: 978-3-95571-525-0 (EPUB), 978-3-95571-527-4 (PDF), 978-3-95571-526-7 (MOBI).

Dieses Buch dient Menschen, deren Interesse primär dem beruflichen oder persönlichen Wachstum gewidmet ist. Was die Leserinnen und Leser damit in der Praxis anfangen, unterliegt ihrer eigenen Verantwortung. Insbesondere sind die Übungen und Formate nicht als Ersatz für ärztliche oder psychotherapeutische Behandlungen zu verstehen.

Für Gundl. In Liebe und Bewunderung für Dein Lebenswerk.

Für unsere geliebten Kinder Katja und Marcus.
Sie arbeitet mit traumatisierten Kindern. Er führt Sportlerinnen
zu Spitzenleistungen. Beide nutzen dafür die Methodik,
die wir in diesem Buch beschreiben.

Zur Einstimmung: zwei Vorworte in einem

Als ich mich zum ersten Mal mit Neurolinguistischem Programmieren (NLP) beschäftigte …

… war ich einigermaßen verzweifelt. Es war kurz nach der Wende. Ich leitete im Auftrag eines Wohlfahrtsverbandes eine psychologische Beratungsstelle für Familien in Sachsen-Anhalt, in einer der ärmsten Regionen Deutschlands. Die Herausforderung war für mich völliges Neuland. Die Menschen aus dieser Region hatten in den Wirren der deutschen Wiedervereinigung ihre Wahrheiten verloren, ihre Visionen, ihre Orientierung. Und die Folge war: Täglich kamen acht bis zehn Klienten zu mir mit Themen und Schicksalen, die es mir damals schwer machten, meine professionelle Distanz zu wahren.

Ich brauchte unbedingt Methoden, die es mir ermöglichten, gleichzeitig schnell und effektiv mit vielen Menschen zu arbeiten und mich selbst psychisch zu schützen. Damals nahm ich einmal im Monat vier Stunden Supervision bei einem Kollegen in Leipzig in Anspruch. In dessen Regal stand der Tanz zwischen Bewusstsein und Unbewusstsein von Gundl Kutschera. So inspiriert, stieß ich im Buchladen auf Milton Erickson, Richard Bandler und John Grinder, ihre Meisterwerke über die Kurzzeit-Therapie, die Therapie in Trance und – ganz wunderbar! – ihre Struktur der Magie. Der Buchhändler hatte ein ganzes Regal voll solcher Kostbarkeiten aus dem Junfermann Verlag – ich wurde bei meiner Suche nach therapeutischen Impulsen wohl seine beste Kundin.

So kam ich zum NLP.

(P. D.)

… wollte ich ein guter Trainer und Coach sein. Ich baute damals gerade ein Seminar- und Beratungsunternehmen in Hamburg auf. Zugleich besuchte ich Workshops, weil ich mein Portfolio um Themen und Methoden erweitern wollte, mit denen ein Trainer für Unternehmen und Organisationen sich auskennen sollte. Dabei beobachtete ich jede Menge Seminarleiter bei ihrer Arbeit. Ich staunte sehr über das Selbstbewusstsein einiger Kollegen, die ihren Teilnehmern mit lausiger Methodenkompetenz und einem Kenntnisvorsprung von drei Buchseiten erklärten, wie die Welt funktioniert. So wollte ich nie sein!

Doch ich lernte auch viele faszinierende Trainer kennen: Bei ihnen hatte ich am Ende eines Seminars immer das Gefühl, sie hätten das alles für mich gemacht. Und, merkwürdig, die anderen Teilnehmer empfanden genauso. Was war der Unterschied zwischen denen, deren Veranstaltungen man beglückt und voller neuer Impulse verließ, und den mittelmäßigen, die mich langweilten? Das wollte ich wissen!

„Die Guten“, so erfuhr ich, hatten mindestens den NLP-Practitioner absolviert. Sie wussten, wie sie ihre Teilnehmer emotional abholten, sie für die Lerninhalte öffneten und ihnen einen wunderbaren Seminartag bereiteten. Ich lernte zum ersten Mal die Wirkung von Rapport und von hypnotischen Sprachmustern kennen und wie ein gutes Reframing einem ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Das wollte ich auch können!

So kam ich zum NLP.

(R. D.)

1999 saßen wir aufgeregt in der Practitioner-Ausbildung bei Greta Mildenberg und Roger Vaisey in Hamburg und im Master bei denselben Trainern auf einer Finca bei Pollença im Norden Mallorcas. Kurze Zeit später fuhren wir gemeinsam zu den Trainer- und Coaching-Ausbildungen bei Gundl Kutschera in Salzburg und Wien.

Was für eine bewegende Zeit! Wie viele Abenteuer hatten wir zu bestehen auf unserem Weg nach innen – und dann wieder nach außen zu unseren Teilnehmerinnen und Klienten.

Ich erinnere mich an unsere kleinen Streite und Neckereien im NLP-Master. Da trafen mitunter Welten aufeinander. Hier die weichen Psychos mit ihrem Therapeutenvokabular, die über alles reden und irgendwie alles verstehen. Da die coolen Businesstypen, die Strategien für Gewinner fahren und das Leben irgendwie managen wollen. Das waren die Vorurteile, mit denen wir einander begegneten.

Hinzu kam die besondere Atmosphäre dieser abgeschiedenen Finca auf Mallorca. Mit Greta und Roger hatten wir das Glück, bei zwei Trainern zu lernen, die Schlüsselqualitäten des NLP-Masters besonders intensiv trainierten und austesteten: emotionale Stabilität, Stressresistenz, Kompromiss- und Entscheidungsfähigkeit. In einem guten Zustand bleiben, auch wenn etwas oder jemand nervt.1

Kurz nach dieser intensiven Begegnung zur Jahrtausendwende wurden wir privat wie beruflich ein Paar, fügten das Beste aus unseren unterschiedlichen „Welten“ zusammen und machten uns gemeinsam auf zu einer noch immer andauernden Forschungsreise – auf der Suche nach weiteren Impulsen.

Die Fragen, die uns unter den Nägeln brennen, lauten zusammengefasst:

Welche Faktoren sind es, die uns Glück, Optimismus, Vertrauen, Verzeihenkönnen, Gemeinsamkeit, Motivation, eine heitere, lebensbejahende und zupackende Grundhaltung ermöglichen?

Wie entdecken und leben wir unser Potenzial und gestalten unsere Realität?

Wie können Menschen einerseits selbstbestimmt ihre Geschicke lenken und andererseits gute, respektvolle und gleichwertige Beziehungen leben? Wie können wir destruktive Beziehungen schnell erkennen, verbessern oder lösen?

Wie entsteht das Bewusstsein über den Zusammenhang zwischen dem eigenen Wohl und dem Wohl der Mitmenschen und aller Lebensformen? Wie entstehen kollektive Intuition, Weitsicht und Netzwerkintelligenz?

Welche Rolle spielt die Spiritualität in diesem Zusammenhang?

Wie sind körperliche und geistige Gesundheit, gute Kommunikation sowie Selbst- und Sozialkompetenz lehr- und lernbar – und mit welchen Methoden werden dabei die besten Ergebnisse erzielt?

Dieses Buch ist ein Zwischenergebnis unserer gemeinsamen Lern- und Forschungsreise. Es erscheint pünktlich zum 20. Jubiläum unseres 1996 gegründeten perspektiven-Instituts. Das macht uns stolz und glücklich.

Dich, liebe Leserin, lieber Leser, laden wir ein, uns ein Stück zu begleiten. Wir wünschen dir viel Freude und viele neue Erkenntnisse mit diesem Lehrbuch.

Deine Petra Dannemeyer 

Dein Ralf Dannemeyer

PS: Es wird dir schon im Vorwort aufgefallen sein, dass wir einfach „du“ sagen, wie in unseren Seminaren. Das schafft für uns die Nähe und das Vertrauen, die aus unserer Sicht der Nährboden für eine motivierende Lernatmosphäre sind. Oder, um es mit dem Philosophen Martin Buber zu sagen: „Die Beziehung zum Du ist unmittelbar. Alles wirkliche Leben ist Begegnung. Liebe ist die Verantwortung eines Ich für ein Du. Am Anfang steht die Beziehung. Der Mensch wird am Du zum Ich“ (Buber, 1962, S. 79 f.).

PPS: Ein paar Worte zu unserer Genderregelung. Wir finden, dass Formulierungen wie „Teilnehmerinnen und Teilnehmer“, „Klientinnen und Klienten“, „Politikerinnen und Politiker“ Texte in die Länge ziehen, den Lesefluss stören und gestelzt klingen. Andererseits schließt eine rein männliche Formulierung mehr als die Hälfte der Menschheit sprachlich aus (laut Wikipedia kommen weltweit auf 100 Frauen 97 Männer). Deshalb wechseln wir im Text zwischen den Geschlechtern, wählen mal die feminine, mal die maskuline Form. Gemeint sind immer Männer und Frauen.

1  Wir sind von diesem Trainingssetting so überzeugt, dass wir heute ein Seminarzentrum in Ammoudia unterhalten, einem Fischerdorf in einer Bucht des Ionischen Meeres im griechischen Epirus. Hier finden einige unserer Ausbildungen und Workshops statt.

Einführung

Was ist NLP?

„Die Menschen wenden viel mehr Zeit dafür auf, zu lernen, wie man eine Küchenmaschine bedient, als sich beizubringen, wie sie ihr Gehirn benutzen können. Es wird generell nicht viel Wert darauf gelegt, den eigenen Geist in einer anderen als der gewohnten Weise zu verwenden.“

(Richard Bandler, Veränderung des subjektiven Erlebens, S. 21)

Neurolinguistisches Programmieren zielt darauf ab, den Menschen zu befähigen, das Gehirn effektiv und zu seinem Wohle zu nutzen. Das ist das Wesen des NLP. Es weckt jenes ungewohnte Denken, das Voraussetzung für essentielle Veränderungen ist. NLP ist ein Forschungsfeld aus dem Bereich der Verhaltens- und Kognitionswissenschaften. Eingeflossen sind Ansätze, Modelle und Methoden der Sprachwissenschaften, der modernen Systemtheorie, der Psychologie, der Psychotherapie und der Neurobiologie. Gegenstand des NLP ist das Studium subjektiven Erlebens und dessen Veränderbarkeit.

Was die Buchstaben bedeuten

N fürNeuro bezieht sich auf das Gehirn, das alle neuronalen Prozesse (Denken, Fühlen, Handeln usw.) steuert und damit sozusagen die biologische Basis für unsere Individualität, unser Bewusstsein und unsere geistigen Vorgänge bildet: Wahrnehmen, Handeln, Lernen, Erinnern. Die Wahrnehmung wird durch das Nervensystem und die Sinne – Sehen, Hören, Fühlen, Riechen, Schmecken, Gleichgewichtssinn – gefiltert.

L fürLinguistik bedeutet, dass wir hauptsächlich mittels der Sprache unser Erleben intern speichern bzw. nach außen mitteilen können. Dabei wird im NLP die nonverbale Kommunikation ebenso einbezogen wie der sogenannte „innere Dialog“, also die Art und Weise, wie wir mit uns selbst kommunizieren. Über die Sprache bauen wir uns eine Landkarte der Wirklichkeit. Diese kann uns nützen oder uns begrenzen. Über die Sprache sind wir in der Lage, Vorgänge in unserem Gehirn und auch bei anderen Menschen zu beeinflussen.

P fürProgrammieren steht einerseits für die Vernetzung der mehr als 100 Milliarden Nervenzellen in unserem Gehirn, die uns die Wahrnehmung unserer Umwelt ermöglichen und unsere Aufmerksamkeit, Handlungen und Emotionen steuern (Kandel, Schwartz & Jessell, 1996, S. 3) – also für unsere „Programme“. Und andererseits steht das P für unsere Fähigkeit, diese neuronalen Netzwerke zu beeinflussen und damit Gefühle, Verhalten, Generalisierungen über das Leben (unsere sogenannten Glaubenssätze) und unsere Strategien so zu verändern, dass sie uns nützlich sind.

Die Handlungsmodelle des NLP dienen einer Verbesserung der Kommunikation und der persönlichen Entfaltung. Sie ermöglichen es, Ziele zu kreieren, sich selbst und andere besser zu verstehen, belastende Erfahrungen zu verarbeiten und Verhalten zu ändern.

Dazu beschreibt NLP, wie Menschen

sich selbst und ihre Umwelt wahrnehmen,

diese Informationen auf ihre eigene Weise verarbeiten,

auf dieser Grundlage fühlen, denken und handeln,

entsprechend miteinander (verbal und nonverbal) kommunizieren,

lernen und

sich verändern.

NLP basiert auf einem konstruktivistischen Modell. Danach kann der Mensch die Realität nicht vollständig erkennen oder beschreiben. Wie wir Interaktionen, Ereignisse oder unser Selbst subjektiv erfahren, ist vom Beobachter – von uns selbst! – abhängig. Wir wählen auf eine höchst individuelle Weise aus, worauf wir unseren Fokus richten und welche Erfahrung wir auf welche Weise bewerten. Aus der Bewertung von Erfahrungen resultiert unser Bild der Welt, unsere Annahmen darüber, was richtig und was falsch, was gut und was schlecht, was möglich und was unmöglich sei – und damit unsere Emotionen. Diese beruhen nicht auf der Realität, sondern auf einer individuellen Konstruktion der Realität. Daraus folgt denklogisch, dass sie veränderbar sind. Die Frage, wie genau dies geschieht, beantwortet NLP mit einer ausgefeilten Methodik. Diese lernst du in diesem Buch kennen.

Problemrahmen – Zielrahmen: zwei unterschiedliche Schulen

NLP ist eine radikal ziel- und lösungsorientierte Methode. Klingt selbstverständlich? Ist es aber nicht. Zwei völlig unterschiedliche Schulen oder Philosophien lenken das Vorgehen und das Menschenbild in allen möglichen Varianten der Veränderungsarbeit:

Problemrahmen (auch: klinischer Rahmen) oder

Zielrahmen (auch: systemischer Rahmen oder Lösungsrahmen).

In Tabelle 1 sind die Unterschiede zwischen beiden aufgeführt:

Problemrahmen

Zielrahmen (NLP-Rahmen)

Fokus

Das Problem und seine Ursachen.

Das Ziel und sein Lösungsweg.

Grundfragen

Warum ist das so?

Wie ist das Problem entstanden?

Warum trifft es uns?

Was willst du erreichen?

Wie ist der Weg zum Ziel?

Welche Ressourcen brauchst du dafür?

Zeitliche Orientierung

Vergangenheit: Wer ist schuld an dem Problem, wer hat es verursacht?

Zukunft: Welche Hindernisse auf dem Weg zum Ziel sind zu überwinden? Wie genau?

Bewertung des Prozesses

Fehlerorientierung: Welche Fehler wurden gemacht?

Wer hat versagt?

Warum?

Ressourcenorientierung: Was war das Ergebnis der bisherigen Strategie?

Was veränderst du jetzt?

Wie?

Grundannahmen über die Komplexität und den zeitlichen Rahmen

Veränderungsprozesse / therapeutische Prozesse dauern lange und sind eher schwer. Schwierige Probleme und Symptome brauchen viel Zeit.

Veränderung darf schnell gehen und leicht sein (Kurzzeitansatz). Kein Zusammenhang zwischen Problemschwere, Symptomen und Zeit.

Tabelle 1: Problemrahmen – Zielrahmen

Damit wir einander nicht missverstehen: Auch im NLP werden Probleme benannt. Daraus ergeben sich die geeigneten Interventionen. Auch in problemorientierten Schulen (dazu gehören die Psychoanalyse oder die Verhaltenstherapie) werden Ziele benannt und Lösungen angestrebt.

Der Unterschied liegt in folgenden zentralen Fragestellungen:

Von welchen Grundannahmen gehen die Akteure verschiedener Richtungen aus?

Worauf konzentrieren sie sich als Erstes?

Mit welcher Intensität?

Wie viel Zeit wenden sie für die Diskussion von Problemen auf und wie viel Raum geben sie der Reflexion über Lösungen und Strategien?

In welchem Tempo?

In welcher Klarheit und Konsequenz?

Und mit welchem Erfolg?

In den 1960er- / 70er-Jahren, als NLP erfunden wurde (siehe Abschnitt 1.1), war die lösungsorientierte, systemische und konstruktivistische Sichtweise revolutionär. Das hat sich – auch dank NLP – inzwischen zwar geändert. Doch das Problemdenken ist in vielen Bereichen noch heute weit verbreitet, etwa in Therapie, Coaching oder Pädagogik und im Management von Unternehmen und Organisationen. Auch bei Medizinerinnen, Seelsorgern, Mannschaftstrainern im Sport und Juristinnen sehen wir die Auswirkungen dieser problemfokussierten Herangehensweise. Selbst im ganz gewöhnlichen Alltag kannst du leicht beobachten, in welchem Rahmen Menschen das Leben betrachten.

Es scheint eine gewisse Faszination darin zu liegen, Probleme lange und ausführlich zu beschreiben. Für dieses Phänomen gibt es eine einfache Erklärung. Wir Menschen schleppen unsere Plagen meist schon jahrelang mit uns herum, wir kennen unsere treuen Begleiter ziemlich genau. Die mit den Problemen verbundenen Bilder, Töne und Gefühle sind uns vertraut und innerlich sofort präsent, wenn wir nur daran denken. „Das andere“, die Lösung und der Weg dahin, erscheinen uns hingegen diffus: nicht zu sehen, nicht zu hören, nicht zu spüren – irgendwie wie ein Traum. Träumen wir ihn, holt uns die Realität schnell in die reale Welt der Probleme zurück – und wir glauben: diese Realität ist die wahre!

Denn unser Gehirn ist faul. Es will Orientierung, Kontrolle und stabile Ordnungsmuster. Was wir schon immer so gemacht oder gedacht haben, ist als neuronale Autobahn stabil in unserem synaptischen System programmiert. Neues Denken und Handeln kosten hingegen viel Energie, sie sind zunächst nur wie ein schlecht ausgebauter Trampelpfad in unserem neuronalen Wegesystem und wecken Unlust, Ängste und Widerstände.

Hinzu kommt bei vielen Menschen eine grundsätzliche Angst vor Veränderung: Wenn das Leben, wie wir es kennen, vielleicht nicht so toll ist – es ist doch immerhin unser Leben! Es ist uns vertraut und gibt uns Sicherheit. Wenn wir Veränderungen einleiten, gehen unsere Sicherheiten unter Umständen verloren. Die Folge: Viele Menschen und Organisationen streben nach Beständigkeit und meiden Veränderung wie der Teufel das Weihwasser. Für Individuen kann das bedeuten, dass sie sich ein Leben lang an Begrenzungen und Fehlannahmen über das Leben orientieren. Und manches Unternehmen ist darüber in den wirtschaftlichen Ruin gestolpert und hat sich selbst vom Markt gefegt.

Doch wie können wir mit dem Problemdenken Ziele kreieren und unsere Realität verändern? Wie sollte sich der Mensch zu etwas hinbewegen, was er nicht kennt, was er sinnlich nicht wahrnehmen kann? Die Antwort lautet: Gar nicht!

Bisherige „Problemdenker“ können ihre Muster allerdings durch eine radikale Umorientierung im Denken und Handeln in Richtung achtsamer Ziel- und Lösungsorientierung verändern. Bildgebende Studien in der Neurobiologie legen inzwischen nahe, dass sie dabei gleichsam die Strukturen ihres Gehirns verändern (Begley, 2010, S. 232 ff.). Und das bedeutet: Aus neuronalen Trampelpfaden werden Autobahnen. Neue synaptische Verbindungen im Gehirn führen dazu, dass Lösungsdenken zur Routine wird.

NLP verfügt über die Methodik für dieses neue gehirngerechte Denken. Du kannst deinem Denken mit diesem Buch eine neue Richtung geben – oder alles beim Alten lassen.

Problemrahmen oder Zielrahmen – je nachdem, welche Sichtweise du für dein Leben wählst, wird es sich in die eine oder in die andere Richtung entwickeln. Beide Lebensentwürfe unterscheiden sich vollkommen voneinander. Auch Manager, Trainer und Coaches – kurz: alle für Veränderungen in Organisationen verantwortlichen Menschen – treffen diese Wahl. Dabei kommt diese oder jene Strategie heraus – mit ganz und gar unterschiedlichen Ergebnissen.

Wem nützt NLP?

Zuallererst: dir selbst!

Aus unserer Sicht ist NLP zunächst und zuallererst eine abenteuerliche Reise zu sich selbst. Viele unserer Absolventen kommen mitten in einer Krise zu uns – sei es bei Konflikten am Arbeitsplatz oder in der Partnerschaft, nach dem Verlust eines geliebten Menschen oder eines Jobs, bei Streit zwischen Eltern und Kindern oder mit anderen Mitmenschen. Sie erkennen Muster und Ursachen – die sie unbewusst oft selbst gesetzt oder zu lange erduldet haben. Jetzt können sie üben, Veränderungen einzuleiten. Damit werden sie zu selbst-bewussteren, sich selbst besser verstehenden und liebenden Gestaltern ihres Lebens. Moni, eine unserer Absolventinnen, beschreibt ihre Erfahrungen so: „Ich habe mich auf die Reise zu mir selbst gemacht, das war manchmal leicht und manchmal steinig. Ich habe Schätze und Ressourcen in mir gefunden, von denen ich vorher nicht zu träumen gewagt hatte.“

Dabei und daneben wächst eine ganz außergewöhnliche Kompetenz für die praktische Nutzung auf anderen Feldern. NLP bildet das Fundament für Glück, Erfolg und Effektivität im privaten und beruflichen Leben.

Business-NLP für Wirtschaft und Organisationen

Im Bereich Wirtschaft und Organisationen ist NLP die vielleicht am weitesten verbreitete Methodik. Unternehmenstrainer und -coaches arbeiten vielfach mit NLP oder Ableitungen daraus und verschweigen manchmal die Urheberschaft – oder geben ihr Wissen sogar als Eigenentwicklung aus. Viele Personalverantwortliche betrachten das NLP-Zertifikat eines Bewerbers als großen Vorzug: „Diese Leute übernehmen Verantwortung“, sagt Jonny, Geschäftsführer eines Unternehmens mit fast 600 Beschäftigten. Nach seiner eigenen Master-Ausbildung hat er uns beauftragt, für alle Bereichsleiter seines Unternehmens eine zweijährige Weiterbildung in „Organisations- und Veränderungsmanagement mit NLP“ durchzuführen. Denn, so Jonny: „NLP-kundige Mitarbeiter denken in Lösungen statt in Problemen, können gut kommunizieren, sind selbstbewusst und durchsetzungsstark und bringen die Schlüsselqualitäten für eine Führungsposition bereits mit.“ Damit beschreibt Jonny, was NLP fürs Business bringt: Schlüsselqualitäten

für die Kommunikation mit Kollegen, Mitarbeitern, Vorgesetzten, Kunden,

für die Teambildung,

für den Entwurf von Zukunftsstrategien,

für Verkauf und Beratung,

für Verhandlung, Rhetorik und Präsentation,

für die persönliche Work-Life-Balance viel beschäftigter und engagierter Menschen,

für das Coaching,

für die Werteorientierung und zur Schaffung einer guten Unternehmenskultur.

Zugleich wird NLP – das möchten wir nicht verschweigen – in diesem Bereich häufig und heftig kritisiert. Allerdings mutet die Kritik oft sehr gewollt und von fundierten Kenntnissen unberührt an. Im Kern wird hier behauptet, NLP sei unwissenschaftlich und seine Wirkung nicht nachgewiesen (beispielhaft: Kanning, 2013).

Einsatz in Therapie, Pädagogik, Seelsorge und Beratung

Menschen in therapeutischen, pädagogischen oder seelsorgerischen Berufen finden im NLP viele Impulse, Lösungen und Interventionen für die professionelle Begleitung und Beratung ihrer Klienten und Patienten. Deren Schicksale und Erfahrungen wirken sich auf Ärzte, Therapeuten, Pflegepersonal, Lehrer, Pfarrer, Sozialpädagogen und Betreuer emotional mitunter sehr belastend aus. NLP hilft ihnen, sich emotional zu schützen, die professionelle Distanz zu wahren und zugleich empathisch auf die Hilfesuchenden einzugehen. NLP stellt in diesem Bereich überdies einen großen Methodenkoffer zur Verfügung

für die Kommunikation mit Kollegen, Mitarbeitern, Vorgesetzten, Klienten, Patienten, Ratsuchenden, Angehörigen oder auch Zuwendungsgebern,

für Therapie und Beratung in heilenden und helfenden Berufen, für „heilende“ – das heißt: aktivierende – Kommunikation,

für den pädagogischen Alltag als Erzieher, Lehrer, Heimpädagoge oder Trainer in der Erwachsenenbildung (beispielhaft: Dannemeyer & Dannemeyer, 2015),

für eine gesunde Balance von Empathie und Abgrenzung – für den psychischen Selbstschutz.

2007 wurde die Neuro-Linguistische Psychotherapie (NLPt) in Österreich vom Bundesministerium für Gesundheit und Frauen als Therapiemethode anerkannt; die Krankenkassen tragen dort die Kosten. Leider ist Deutschland zurzeit noch nicht so weit, doch integrieren zahlreiche Psychotherapeuten NLP-Interventionen in ihr Repertoire.

Auch hier wirkt NLP: Rechtswesen, Sport, Kunst und Kreativität

Recht und Gesetz – Gerichtsverhandlungen oder Mandantengespräche umfassen verbale und nonverbale Kommunikationselemente. NLP-Sprachmuster lassen sich hier sinnvoll und effektiv nutzen. Juristen müssen überdies nicht selten mit heftigen Emotionen, starren Überzeugungen und verhärteten Fronten umgehen – sowohl bei ihrer Mandantschaft als auch auf der Gegenseite. Anwälte brauchen bei enormer Arbeitsbelastung sowie destruktiver Rhetorik und „dirty Tricks“ vor Gericht ein gutes Selbstmanagement. Auch erfordert die Führung einer Kanzlei oder einer Sozietät emotional intelligentes Führungswissen.

Sport – Ein Sieg entsteht zuerst im Kopf. NLP hilft Sportlern und Trainern, Zugang zu ihren inneren Ressourcen zu finden und den optimalen inneren Zustand (State of Excellence) zu erreichen. Entscheidend ist zum Beispiel, die Qualität der inneren Bilder zu beeinflussen und den inneren Dialog „siegessicher“ für sich zu nutzen. Sport-Mentaltrainer ist eine mögliche Qualifikation, die mit einer guten NLP-Ausbildung erreicht werden kann.

Kunst und Kreativität – Künstlerisch tätige Menschen wie Schauspieler, Musiker, Schriftsteller und Maler können im NLP Strukturen und Strategien der eigenen Kreativität entdecken und gezielt für ihr Schaffen nutzen. Die Kreativitätsmethoden des NLP – zum Beispiel die Disney-Strategie setzen innere Kräfte frei, Ideen, Projekte und Konzepte umzusetzen. Methoden der Zustandskontrolle helfen, kraftraubende Selbstzweifel, die berühmte „Schreibhemmung“ und andere Kreativblockaden ebenso aufzulösen wie die bei Schauspielern und Musikern verbreitete Auftrittsangst.

NLP lernen mit diesem Buch – funktioniert das eigentlich?

Dieses Buch vermittelt dir den Lehrstoff der ersten Ausbildungsstufe. Diese wird allgemein als der NLP Practitioner bezeichnet und an seriösen Instituten mit mindestens 130 Stunden an mindestens 18 Tagen gelehrt.

NLP ist jedoch eine erfahrungsorientierte Methode. Wir halten es für ganz und gar ausgeschlossen, dass jemand zum Könner wird, dessen Wissen nur auf Lektüre basiert. „Dann hätte ich mir den Kauf dieses Buches ja sparen können“, denkst du jetzt vielleicht? Nein, es unterstützt dich auf vielfache Weise – sofern du diese Grundsätze beachtest:

Du kannst dieses Buch als Einführung nutzen. Damit erschließt du dir fundierte

Informationen

über die Theorien, Ideen und Methoden des NLP. Die Übungen vermitteln dir darüber hinaus erste

Erfahrungen

mit seinem Veränderungspotenzial. Du kannst sie sofort für deine persönliche emotionale Freiheit, für dein Glück und deinen Erfolg nutzen, praktisch umsetzen und damit Veränderungen in deinem Leben realisieren – sei es für dich ganz persönlich oder im beruflichen Kontext.

Du kannst das Buch auch als Vorbereitung auf eine NLP-Weiterbildung und als deinen treuen Begleiter

während

deines Practitioners nutzen: Du kannst es vorher durcharbeiten und gut vorbereitet in dein Training starten. Und während der Ausbildung nutzt du es dann zum Nachlesen, Üben und Vertiefen. Das ist unserer Meinung nach der Königsweg zum NLP-Könner.

Wenn du bereits eine NLP-Ausbildung absolviert hast, kannst du dieses Buch zur Wiederholung und Vertiefung nutzen. Denn das NLP-Können will durch Üben und Anwenden gepflegt sein.

Wenn du Therapeut oder Coach bist, kannst du mit diesem Buch dein Können mit effektiven Fragetechniken und ebenso phantasie- wie wirkungsvollen Interventionen erweitern. Einer NLP-Lehrtrainerin schenkt unser Werk Anregungen für das didaktische Konzept ihrer Practitioner-Ausbildung.

Schließlich kann unser Buch als Begleiter für

Peergroups

dienen. In vielen Städten und Regionen treffen sich regelmäßig Teilnehmer und Absolventen von NLP-Ausbildungen zum Üben. Doch manchmal versanden solche Treffen in Small Talk und Problemdiskussionen. Die Lösung: Nehmt euch einen überschaubaren Teil dieses Buches (maximal

eine

Theorie oder

eine

Übung) vor und bearbeitet diese dann intensiv.

Was dieses Buch nicht ist

Wir sind seit vielen Jahren NLP-Lehrtrainer und Lehrcoaches und zertifiziert durch den Deutschen Verband für Neurolinguistisches Programmieren (DVNLP) und die European Association of NLP (EANLP). Deshalb haben wir ein Buch geschrieben, dessen Inhalte sich an dem international anerkannten Ausbildungscurriculum „Practitioner“ des DVNLP2 orientieren. Dennoch erheben wir nicht den Anspruch, das einzig wahre Lehrbuch des deutschen NLP geschrieben zu haben. Es ist unser Lehrbuch und zeigt, wie wir NLP vermitteln. Jede Lehrtrainerin ist frei, ihre eigene Methodik zu kreieren. Jeder Lehrtrainer darf seine eigenen Schwerpunkte setzen. Der eine bevorzugt Inhalte für die persönliche Selbstentfaltung, der andere setzt auf Business-NLP, wieder andere stellen die Anwendung in Therapie, Beratung oder Pädagogik in den Vordergrund. NLP ist so bunt und so vielfältig wie ihre Lehrenden und ihre Anwender.

Gemeinsam ist allen Lehrenden jedoch, dass sie mindestens die Inhalte des Curriculums vermitteln – sofern sie sich durch ihre Mitgliedschaft im DVNLP auf dieses Qualitätskriterium verpflichtet haben.

Dieses Buch ist also ein Grundlagenwerk. Es erfüllt das Curriculum des DVNLP und geht darüber hinaus. Doch keine Kollegin und kein Kollege muss sich daran gebunden fühlen – obwohl wir uns natürlich freuen und stolz darauf wären, wenn sie es in ihren Ausbildungen einsetzten.

Curriculum, Verband, Zertifikat – wer braucht das schon?

Ohne Zweifel: Du kannst NLP einfach so lernen, zum Beispiel mit diesem Buch. Viele Volkshochschulen bieten Einführungen an, und es gibt auch Anbieter, die ohne Bindung an ein Curriculum lehren. Das geschieht oftmals themenzentriert, etwa an den Ärzte- und Zahnärztekammern (NLP und therapeutische Kommunikation oder in der zahnärztlichen Hypnose), in der Lehrerfortbildung (NLP für Lehrer, Schulsozialarbeiterinnen u. a.) oder an den Industrie- und Handelskammern (NLP im Verkauf, im Management, in der Personalführung). Und auch für private Zwecke findet sich ein großes Angebot – von der NLP-Einführung über den Flirtkurs und die Raucherentwöhnung bis zum Motivationstraining. Dabei begegnest du mitunter sehr qualifizierten Trainern, die dir ein hohes Niveau bieten. Mitunter siehst du auch Überflieger, deren Großspurigkeit und Ego in suboptimaler Relation zu ihrem Ausbildungsstand und Können stehen. Leider tummeln sich viele dieser Leute auf dem Markt der psychologischen Seminare und Dienstleistungen.

Mit der Bindung an ein Curriculum und der Zertifizierung erbringen Lehrtrainer des DVNLP einige Beweise:

Sie sind in NLP nach den Kriterien des DVNLP ausgebildet.

3

Sie orientieren sich durch fortlaufende Weiterbildung (mindestens 15 Tage in einem Zeitraum von fünf Jahren) am aktuellen Stand des Wissens. Das ergibt sich aus einem Vertrag zwischen Trainer und Verband.

Sie führen ihre Ausbildungen nach den einschlägigen Curricula durch (Mindestinhalte).

Sie haben sich einem berufsständischen Ethik-Kodex verpflichtet.

4

Sie sind befugt, ihren Absolventen Zertifikate auszustellen, die den erfolgreichen Abschluss einer international anerkannten Ausbildung bescheinigen.

Wie finde ich einen guten Trainer?

Aufgepasst: Die oben aufgeführten Kriterien sind formale Garantien – nicht mehr und auch nicht weniger. Wenn du nach einer guten Lehrtrainerin suchst, sollte dir dies allein nicht ausreichen. Schau auch, ob die „Chemie“ stimmt, welche Erfahrungen sie hat und ob du in ihrer Ausbildung das findest, was du suchst. Hat dein Trainer nur NLP gelernt oder auch Berufserfahrung auf anderen Feldern gesammelt? Vermittelt er NLP als „Technik“ oder als Wertesystem? „Lebt“ er, was er lehrt („Walk what you talk“)? Das alles erfährst du am besten bei einem persönlichen Kennenlernen, zum Beispiel in Schnupper- oder Einführungs-Workshops, und indem du Absolventen befragst. Eine weitere Informationsmöglichkeit ist die Trainer-Datenbank NLP off Limits. Hier bewerten Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre Trainer und kommentieren ihre Erfahrungen.5

Absolventen einer NLP-Ausbildung erhalten ein Zertifikat, das von ihren Lehrtrainern unterschrieben und vom DVNLP mittels eines Siegels bestätigt wird. Möchtest du später deine Ausbildung auf noch höherem Niveau fortsetzen, wird dieses Papier sehr wertvoll. Du kannst damit mehrere Ausbildungsstufen an deine Practitioner-Ausbildung anschließen: Im Master erlernst du NLP auf fortgeschrittenem Niveau. Danach können berufsorientierte Ausbildungen zum Trainer oder Coach folgen. Doch die Voraussetzung für weitere Schritte ist der zertifizierte Abschluss der vorangehenden Ausbildungsstufe.

Neben dem DVNLP gibt es noch einige weitere Organisationen, die sich ebenfalls mit NLP oder NLP-Coaching beschäftigen. Achte bei deiner Auswahl einer Ausbildung also auf die Qualitätskriterien.

Wie dieses Buch konzipiert ist

Jedes Kapitel dieses Buches integriert vier wichtige Aspekte, und wir bitten dich, diese gleichwertig zu betrachten:

Aspekt: eine fundierte theoretische Erläuterung des Themas, formuliert in einem populären wissenschaftsjournalistischen Stil. Das heißt: Die Texte in unserem Grundlagenwerk spiegeln einerseits die gesamte Komplexität des Inhaltes korrekt und präzise wider. Anderseits sind sie so formuliert, dass jeder Leser die Aussagen leicht nachvollziehen kann, auch wenn er nicht über eine universitäre Ausbildung oder wissenschaftliches Zugangswissen verfügt.

Aspekt: Fallbeispiele zur Illustration der Theorien. Alle Fälle stammen aus unserer Praxis. Sie wurden aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes ein wenig „verfremdet“. Sollten dennoch Ähnlichkeiten mit lebenden Personen (Name, Beruf, Problemkontext) auftreten, ist dies unbeabsichtigt.

Aspekt: Genaue Schritt-für-Schritt-Anleitungen zur Übung der beschriebenen Interventionen und Techniken und, wo erforderlich, die dazugehörigen Lösungen.

Aspekt: Übungen und Reflexionen zu deinem Selbstmanagement bzw. zur Selbsterfahrung.

Die Kapitel dieses Buches bauen aufeinander auf und beziehen sich auf den bereits gelernten Stoff. Manchmal wenden wir bereits etwas an, dessen theoretische Grundlagen du erst in einem späteren Kapitel erfährst. Dann lass dich bitte darauf ein und staune, auch wenn du noch nicht richtig verstehst, was vor sich geht. Du wirst am Ende alles sowohl theoretisch als auch praktisch einordnen können.

Innerhalb der Kapitel findest du häufig Querverweise auf andere Themen. Manchmal empfehlen wir dir, etwas aus einem vorangegangenen Kapitel zu wiederholen, damit du den folgenden Stoff besser verstehen und in das Gesamtkonzept einordnen kannst. Manchmal empfehlen wir dir, zur Unterstützung des Gelernten eine bestimmte Musik zu hören oder eine spezifische Kommunikationssituation zu beobachten, zum Beispiel in einem Café, im öffentlichen Nahverkehr oder in einer öffentlichen Debatte. Es lohnt sich, diesen Empfehlungen zu folgen!

In einigen Kapiteln wirst du entdecken, dass wir NLP mit anderen Disziplinen kombinieren, zum Beispiel mit Tai Chi, kunsttherapeutischen Elementen, Improvisationstheater, schamanischen Heilritualen und leicht nachzuvollziehenden Formen der spirituellen Energiearbeit, Kinesiologie, EMDR oder der systemischen Aufstellung. Damit stellen wir den Zusammenhang zwischen Körper, Geist, Seele und dem „Feld“ her. Mit „Feld“ sind die uns umgebenden Systeme gemeint (z. B. Familie, Team, kollektives Unbewusstes, Spiritualität). Dieses Buch integriert also auch diese Themen, die aktuell als Teile des „NLP der neuen Generation“ bezeichnet werden (Dilts, DeLozier & Dilts, 2013; S. 239 ff.).

Diese Zeichen werden dir oft begegnen:

Die Anwendung von NLP will geübt sein. Alle Übungen sind für ein gemeinsames Training geeignet, bei einigen brauchst du Übungspartner, andere kannst du auch allein durchführen. Wir weisen an den entsprechenden Stellen darauf hin. Wovon wir dringend abraten, ist, bei anderen Interventionen durchzuführen, die du nicht selbst an Leib und Seele erlebt hast.

In unseren NLP-Ausbildungen ist die „Demo“ ein Höhepunkt des Seminartages. Dabei benennt eine Teilnehmerin ein Problem, für das sie eine Lösung sucht. Der Trainer arbeitet dann mit ihr, während die Seminargruppe das Vorgehen beobachtet. Danach folgt die dazugehörige Erläuterung des Formats6, und schließlich üben alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Durchführung in Gruppen zu dritt (siehe Kasten oben). In diesem Buch ist das so natürlich nicht möglich. Wir präsentieren dennoch zum besseren Verständnis einige Live-Transkripte, d. h. das wörtliche Protokoll der während einer Intervention gesprochenen Worte. Die Darstellung ist jeweils zweispaltig: Links der Dialog, rechts ergänzende Erläuterungen und Hinweise zum Vorgehen.

Dieses Icon lädt dich ein, ein spezielles Thema auf dein Leben zu beziehen und darüber nachzudenken, was das Gelesene für dich bedeuten kann. UNSER TIPP: Führe dein ganz persönliches Tagebuch! Schreibe deine Gedanken zu jedem Kapitel hinein, deine Lernfortschritte, deine Fragen. Und notiere auch, wenn dir etwas nicht gefallen hat oder eine Übung nicht so recht gelingen wollte.

Hier geht’s zum Bonusmaterial: Wir haben zahlreiche zusätzliche Übungen und vertiefende Informationen auf unserer Website für dich bereitgestellt. Doch keine Sorge: Im Buch ist jedes Thema ausführlich behandelt – unsere Texte im Internet sind ein zusätzliches Geschenk für dich. Du findest das Bonusmaterial im Internet hier: http://www.nlp-perspektiven.de/bonus/.

Dein Zugangscode lautet: Glückscode.

Eine NLP-Intervention kann ein formal-technischer Vorgang sein – doch dann wirkt sie nicht! Wirkung erzielst du erst, wenn du die Idee geistig durchdrungen hast, sodass du flexibel die formalen Schritte mitten im Prozess abwandeln und deinen Stil finden kannst. Das setzt eine eigene Entwicklung voraus, in deren Verlauf du aus den Informationen dieses Buches neues Wissen und neue Fertigkeiten kreierst.

Wir werden täglich mit Informationen überflutet. Suche nach irgendeinem beliebigen Wissensgebiet im Internet – und du bekommst sofort alle Informationen, die es dazu gibt. Informationen? Mitunter nimmst du dabei Meinungen, Lügen oder interessengeleitete Halbwahrheiten als Tatsachen auf – und gibst sie als Wahrheit weiter. Schließlich stand es ja im Internet. Führen diese Informationen zu Wissen? Wissen besteht nach unserer Überzeugung aus drei Elementen:

der überprüfbaren Information,

der Verarbeitung der Information durch einen Abgleich mit der eigenen Erfahrung und

der Neukreation von Wissen, Erfahrungen und Ideen, die aus unserer Schöpferkraft entsteht.

Viele Menschen geben Informationen weiter oder nehmen diese auf und verwechseln dies mit Wissen. Und so geschieht es, dass Informationen immer seltener hinterfragt, sondern als scheinbar gesichertes Wissen übernommen werden. Im Grunde genommen raten wir dir, jede Information, die du in diesem Buch lesen wirst, mit deiner Erfahrung zu kombinieren und daraus Neues zu kreieren. Dann entsteht daraus Wissen, und dann haben wir ein gutes Buch geschrieben, dessen Inhalt du Glauben schenken darfst.

In diesem Buch folgen wir dem Anspruch, aus neuen Informationen echtes Wissen werden zu lassen, durch folgende Kriterien:

Korrekte Wiedergabe der theoretischen Inhalte, Modelle und Ideen des NLP.

Abgleich aller Inhalte mit unseren Erfahrungen inzwischen 20-jähriger Lehr- und Coachingpraxis auf dem Gebiet des NLP. Wir schreiben nichts, was wir nicht selbst mit Leib und Seele erfahren und in der Arbeit mit Einzelpersonen, Teams und Unternehmen bzw. Organisationen angewandt und für wirksam und richtig befunden haben.

Eine klar strukturierte Darstellung der ursprünglichen Formate und Interventionen des NLP (traditionelles NLP), ergänzt durch

einige eigene Weiterentwicklungen unseres Instituts. Dabei begründen wir, was uns bewogen hat, dem traditionellen NLP eine eigene neue Idee hinzuzufügen.

Und nun lass dich von uns entführen auf diese zauberhafte Reise zu den Möglichkeiten zielorientierter Veränderungsarbeit. Werde zum Kapitän deines Lebensschiffes, dessen Ruder du fest in der Hand hältst und dessen Richtung du bestimmst. Das Abenteuer beginnt im folgenden Kapitel mit einer Reise durch die Zeit. Sei gespannt!

Abbildung 1: Kapitän auf dem eigenen Lebensschiff sein

2  Veröffentlicht in seiner bei Redaktionsschluss dieses Buches geltenden Fassung vom 23.10.2009 hier: http://www.dvnlp.de/nlp-ausbildung/uebersicht/practitioner/

3  Die Kriterien für NLP-Lehrtrainer des DVNLP findest du hier: http://www.dvnlp.de/nlp-ausbildung/nlp-ausbilder/lehrtrainer/

4  Den Ethik-Kodex findest du hier: http://www.dvnlp.de/der-dvnlp/ethik-kodex/

5http://www.nlpportal.org/nlpofflimits/

6  Ein NLP-Format ist die Handlungs- oder Schrittabfolge innerhalb einer Intervention, einer Sitzung oder eines Gespräches.

1. Auf dem Zeitstrahl durch die Geschichte des NLP

1.1 Kreativ-wilde Zeiten: die 1960er- / 1970er-Jahre

Während du dieses Kapitel liest, lernst du zugleich ein erstes NLP-Format kennen: eine Timeline-Arbeit. Wir laden dich ein, dich auf ein kleines mentales Abenteuer einzulassen, auch wenn wir das dahinterliegende Konzept erst im Abschnitt 8.2 „Timeline-Arbeit“ vorstellen werden. Du vertiefst die Wirkung, wenn du dazu zwei alte Woodstock-Songs spielst. Falls du sie nicht in deiner Musiksammlung hast, findest du sie leicht auf YouTube7: „If you’re going to San Francisco“ (Scott MacKenzie) und „Give peace a Chance“ (John Lennon). Halte bitte das erste Stück zum Abspielen bereit. Auf unseren Hinweis „Start“ hin kann es dann sofort losgehen. Das zweite Stück spielst du bitte ab, sobald wir dich im weiteren Text dazu auffordern.

So vorbereitet, stelle dir bitte jetzt vor, du könntest auf einem Lichtstrahl durch die Zeit düsen. Du kannst zurück in die Vergangenheit reisen oder voraus in die Zukunft. Du kannst nach Belieben die Richtung wechseln, also dich aus der Vergangenheit direkt in die Zukunft beamen und umgekehrt, Erfahrungen aus der Vergangenheit nutzen, um die Gegenwart besser zu verstehen – und: die Zukunft kreieren. Ja, das geht mit NLP, doch langsam, der Reihe nach.

Zunächst katapultieren wir uns in die späten 60er-, frühen 70er-Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts. Du spazierst über einen weißen Sandstrand und wunderst dich über die gigantischen Wellen, auf denen schwarz gekleidete Surfer waghalsig herumreiten. Solche Kracher hast du noch nicht gesehen. Auch die Menschen am Strand wirken auf dich irgendwie – merkwürdig: Einige laufen halbnackt herum, andere tragen lange, ausladende weiße und bunte Gewänder, Jeans, Lederstiefel. In deiner Nähe hörst du einen Mann zur Gitarre singen (und drückst jetzt auf „Start“):

„If you’re going to San Francisco“

Während du vorbeigehst, singt er gerade den Textteil, der übersetzt etwa so lautet:

„In der ganzen Nation herrscht so eine starke Schwingung – die Leute sind in Bewegung – Da ist eine ganze Generation mit einer neuen Erklärung – Die Leute sind in Bewegung – Wenn du nach San Francisco gehst, trage Blumen in deinem Haar – Wenn du nach San Francisco gehst, wirst du einige sanftmütige Leute treffen – Wenn du nach San Francisco kommst, wirst du den Sommer der Liebe erleben.“

Ein paar Schritte weiter locken dich Percussion-Rhythmen an. Hunderte junge Menschen haben die Musiker in ihre Mitte genommen, hocken am Boden und klatschen im Takt der Trommeln zweimal auf den Boden und einmal in die Hände: Boden – Boden – Hand; Boden – Boden – Hand, bum – bum – klatsch, bum – bum – klatsch. In diesem Takt singen die Musiker einen seltsam anmutenden Text. Jetzt ist die Zeit für das zweite Lied gekommen:

„Give peace a Chance“

„Let me tell you now – everybody’s talking about: revolution, evolution, masturbation, flagellation, regulation, integrations, meditations, United Nations, congratulations …“

Dann setzt das Publikum ein, beendet das Klatschen und grölt:

„All we are saying is give peace a chance,

All we are saying is give peace a chance.“

(Übersetzt etwa: Lasst es mich euch jetzt sagen: Alle reden über Revolution, Evolution, Masturbation, Flagellation, Regulation, Integrationen, Meditationen, Vereinte Nationen, Gratulationen – Alles, was wir sagen, ist: Gebt dem Frieden eine Chance!)

„Verrückte Welt“, denkst du, als ein Mann mit Spitzbart und Cowboystiefeln dich zum Mitmachen einlädt. Du folgst. Etwas unbeholfen noch, verschämt fast klatschst du im Rhythmus der Masse zweimal auf den Boden und einmal in die Hände. Da fixiert der Fremde dich mit seinen Augen und lenkt deinen Blick mit einer Bewegung seiner Hände nach oben, in Richtung Himmel. Plötzlich spürst du einen Ruck in dir, und der fremde Mann schreit: „Go for it, now!“ Dabei zieht er das „now!“ ungewöhnlich in die Länge, etwa „naaaaaau!“. Und du trommelst mit den Händen kraftvoll auf den Boden und klatschst dann in die Hände – bum – bum – klatsch, bum – bum – klatsch – und dann schreist du die Botschaft mit den anderen zusammen in die Welt: „All we are saying is give peace a chance.“

Eine typische Szene der späten 60er-, frühen 70er-Jahre: Die Woodstock-Generation rüttelt an den Grundfesten gesellschaftlicher Vorstellungen. Sie stellt alte Weltbilder in Frage. Der allgegenwärtige Wind der Veränderung findet seinen Ausdruck in künstlerischen Aktionen, (Friedens-)Demonstrationen und das Establishment provozierende Experimente des Zusammenlebens. Der Zeitgeist ist geprägt von Flower-Power, Bewusstseinserweiterung, Spiritualität und Aufbruch.

Die Jugendproteste sind ein weltweites Phänomen. Auch Deutschland ist in dieser Zeit eine kleinbürgerliche und autoritäre Gesellschaft. Im Westen sitzen Nazis in hohen Regierungsämtern, die große Mehrheit der heimgekehrten Väter verweigert ihren Kindern eine ehrliche Antwort auf die Frage nach ihrer Mitverantwortung zwischen 1933 und 1945. Alexander und Margarethe Mitscherlich treffen mit ihrem Werk Die Unfähigkeit zu trauern (Mitscherlich, 2007) den Nerv der jungen Menschen: Sie untersuchen darin die Verantwortung des Einzelnen an politischen Verbrechen. Den Deutschen bescheinigen sie kollektive Mitleidlosigkeit und fehlende Scham für die NS-Gräuel, die gerade mal ein paar Jahre zurückliegen. Zur gleichen Zeit treten die US-Amerikaner in Vietnam die Mitmenschlichkeit mit Füßen. Bilder von Kindern, die durch Napalm verbrennen, oder von einem amerikanischen Soldaten, der einem Vietnamesen eine Pistole an den Kopf hält, werden zu Ikonen des Entsetzens.

Die Jugend verliert den Glauben daran, von den Repräsentanten alter Weltbilder das Richtige lernen zu können. Vor allem in den humanwissenschaftlichen Fakultäten der Universtäten brodelt es. Junge Professoren und ihre Studenten erkennen, dass es ihre Fächer sind, von denen Impulse für ein neues Menschenbild und eine friedvolle Welt ausgehen können – in der Psychologie, in der Pädagogik, in den Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, der Soziologie und in der Politik. An der Universität Hamburg schocken Studenten während der feierlichen Einführung eines neuen, erzkonservativen Rektors die anwesenden Honoratioren. Sie tragen ein Transparent und skandieren lautstark die darauf geschriebene Losung: „Unter den Talaren der Muff von 1000 Jahren“8. Die Universitätsleitung lässt das Orchester lauter spielen – es gibt Bach und Händel –, allein: Die Studenten und der von ihnen ausgehende Sturm der Veränderung ist nicht mehr zu übertönen, nie mehr. Es ist, als ob man plötzlich aufwachte, als ob jemand das Licht angeknipst hätte – und auf einmal ist alles bunt: Langhaarige junge Männer halten Frauen in wallenden und bunten Kleidern im Arm. Auf dem Plattenteller drehen sich die neuesten Songs der Bee Gees, der Beatles, der Rolling Stones („Hey Jude“ auf einer knallroten Schallplatte, wow!), Joan Baez, Bob Dylan, Greatful Dead, The Who, Joe Cocker. Jimi Hendrix schockt das Establishment, indem er mit den Zähnen die Saiten seiner Gitarre zupft und dabei die Geräusche einschlagender Raketen und das Schreien sterbender Soldaten musikalisch mit Klängen der US-amerikanischen Nationalhymne mischt. Dieses schräg klingende Meisterwerk verstört so wie die Ereignisse, auf die es die Aufmerksamkeit lenkt.

In dieser kreativ-wilden Zeit entsteht NLP. Es ist sozusagen ein Kind dieser Zeit. Manche glauben sogar, NLP brauchte diese Zeit so nötig, wie ein Feld satten Humus braucht, damit die Ernte gut wird.

Santa Cruz, südlich von San Francisco. Die Stadt liegt lang gezogen an der Monterey-Bucht, an deren weißem Sandstrand wir nach der ersten Reise auf unserem Lichtstrahl angekommen sind. In der Nachbarschaft leben Persönlichkeiten wie Alfred Hitchcock, Shirley Temple, die Rockgruppen Santana und The Doobie Brothers. Santa Cruz gilt in spirituellen Kreisen als Kraftplatz. Viele Hippies suchen hier Frieden und Glück. Der Mann, der dich eben mit seinem „Go for it – now“ zum Mitmachen motiviert hat, heißt Richard9.

Richard Wayne Bandler, geboren 1950, ist ein typisches Blumenkind mit langen Haaren, Spitzbart, Cowboystiefeln. Er liebt die legendäre Westcoast-Musik dieser Zeit und spielt selbst Gitarre, Schlagzeug und Piano. Richard studiert zunächst Philosophie, Logik, Computerwissenschaften und später Verhaltenswissenschaften an der University of California in Santa Cruz. Seine Leidenschaft gilt der humanistischen Psychologie und der Frage, welche Faktoren dazu führen, dass Menschen sich verändern. Durch seine Bekanntschaft mit Robert S. Spitzer, dem Präsidenten des Verlagshauses Science & Behavior Books (Palo Alto), lernt er schon früh einige Koryphäen auf dem Gebiet der Psychologie persönlich kennen und saugt deren Wissen und Können auf. Ab 1972 – immer noch als Student – gibt er bereits gestalttherapeutische Seminare und Gruppensitzungen. Mal kassiert er dafür fünf Dollar, mal eine Essensmarke für die Mensa. Seine Methoden sind bizarr, verrückt – und erfolgreich.

Robert Frank Pucelik10, geboren 1945, ist ein mehrfach traumatisierter Mann. Er hat die Eskapaden eines ständig betrunkenen Vaters in seiner Kindheit erlebt. Überlebt hat er als Soldat die Hölle des Vietnamkrieges. Genau deshalb studiert er Psychologie: Er will traumatisierten Menschen helfen. Auch er leitet schon als Student gestalttherapeutische Gruppen. Es kommen vor allem ausgebrannte und drogenabhängige junge Leute – so viele in diesen Jahren sind auf ihrem LSD-Trip „hängen geblieben“. Bandler und Pucelik werden Freunde, bieten bald gemeinsame Gruppen an und erzielen gute Erfolge. Allein: Sie können niemandem strukturiert erklären, wie ihre Arbeit funktioniert. Sie machen einfach und haben Erfolg – jedoch keine „Grammatik“.

John Grinder, geboren 1939, Linguistikprofessor in Santa Cruz. Er wird der akademische Supervisor für Bandlers und Puceliks Gestalttherapiegruppen. Er soll beobachten und analysieren, was da genau vor sich geht. Zwar ist Grinder ein absoluter Neuling auf dem Gebiet der Psychotherapie. Doch er vereint zwei exzellente Fähigkeiten. Erstens nimmt er als Beobachter jedes noch so kleine Detail wahr. Mit dieser für ihn einst vielleicht überlebenswichtigen Gabe erkennt der ehemalige Undercoveragent des CIA Muster im Verhalten von Menschen. Zweitens hat sich der Linguistikprofessor intensiv mit Sprache beschäftigt. Seinen Dr. phil. bekam er für Untersuchungen über die auf Noam Chomsky zurückgehende Schule der Transformationsgrammatik. Die Fragestellung seiner Habilitation: Zeigen sich gedankliche, mitunter unbewusste Prozesse in der Sprache eines Menschen? Und, wenn ja, wie genau?

1.2 Ganz weit zurück: eine Zeitreise zu den Vorbildern und Impulsgebern

1.2.1 Erfahrung, Sprache und die Theorie des Als-ob

Vor einer Antwort auf diese Frage setzen wir uns zunächst wieder auf unseren Lichtstrahl und reisen noch ein Stück weiter in die Vergangenheit – zunächst in die frühen 1960er-Jahre. Avram Noam Chomsky, Linguist, politischer Aktivist und einer der meistzitierten Wissenschaftler der Welt (Hartung, 2011), beschreibt in seiner generativen Transformationsgrammatik Aspekte der menschlichen Sprachfähigkeit. Chomskys Arbeiten helfen den NLP-Erfindern, viele Aspekte der Funktionsweise des menschlichen Geistes besser zu verstehen. John Grinders Auseinandersetzung mit Chomskys generativer Transformationsgrammatik und seine daraus resultierenden außerordentlichen sprachwissenschaftlichen Kenntnisse sollen später Grundlage für die Entwicklung eines Fragemodells werden, welches im NLP zur gezielten Sammlung von Informationen über das subjektive Erleben von Menschen genutzt wird. Du wirst das daraus weiterentwickelte Metamodell der Sprache kennenlernen.

Um besser zu verstehen, worauf Chomsky – und damit letztlich das NLP – aufbaut, müssen wir auf unserem Lichtstrahl noch weiter zurückdüsen, in das Jahr 1933. Alfred Habdank Skarbek Korzybski, ein polnisch-amerikanischer Ingenieur und Linguist, begründet eine philosophische Richtung namens „Allgemeine Semantik“ und beschreibt diese in seinem bahnbrechenden Hauptwerk Science and Sanity (Korzybski, 1995). Seine Erfahrungen als Offizier im Ersten Weltkrieg sind dafür prägend. Er ist schockiert über die Diskrepanz zwischen der psychischen Entwicklung der Menschen und ihren technischen Möglichkeiten. Genauer: Er meint, dass die technische Möglichkeit zu töten die Achtung des Menschen vor dem Leben außer Kraft setze, und sucht nach einer Begründung für dieses seltsame Phänomen.

Vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs emigriert er in die USA, wo er 1938 das Institute for General Semantics gründet. Bis zu seinem Tod 1950 forscht er an den Zusammenhängen zwischen sprachlichen und neurologischen Prozessen und entwickelt ein neues therapeutisches Modell namens „Neurolinguistisches Training“ – das Vorläufermodell des heutigen NLP.

Korzybski zufolge lebt der Mensch in zwei Welten: in der Welt der Sprache und der Symbole einerseits und in der Welt der Erfahrung andererseits. Die Sprache bezeichnet Korzybski als eine Abstraktion der Erfahrung. Die Abstraktion nennt er „Landkarte“, während die Erfahrung „Landschaft“ heißt. Landkarte und Landschaft, so Korzybski, können niemals identisch sein – und das hat schwerwiegende Folgen: Wenn die sprachliche Welt die Welt der Erfahrung nicht adäquat abbildet, wird der Mensch von einer falschen Landkarte in die Irre geleitet. Das menschliche Gehirn ist fähig, allein auf die Landkarte zu reagieren und das dargestellte Gelände vollständig zu vergessen. Dann hält der Mensch etwas Falsches für richtig. Gravierende Fehlentscheidungen und unermessliches Leid können die Folge sein. Seine Hauptaussage ist heute die wichtigste Grundlage des NLP: „Die Landkarte ist nicht die Landschaft, aber wenn die Landkarte der Struktur der Landschaft ähnlich ist, dann ist sie brauchbar“.11

Wir wollen auf unserem Lichtstrahl noch weitere Philosophen besuchen, um die Grundidee des NLP zu verstehen. Dazu düsen wir ans Ende des 19. Jahrhunderts und besuchen den Tübinger Philosophen, Theologen und Kant-Forscher Hans Vaihinger. In seinem Hauptwerk, Die Philosophie des Als Ob (Vaihinger, 2013), begründet er eine sehr lebenspraktische Erkenntnistheorie. Seine Ausgangsthese: „Das menschliche Vorstellungsgebilde der Welt ist ein ungeheures Gewebe von Fiktionen voll logischer Widersprüche, d. h. von wissenschaftlichen Erdichtungen zu praktischen Zwecken bzw. von inadäquaten, subjektiven, bildlichen Vorstellungsweisen, deren Zusammentreffen mit der Wirklichkeit von vornherein ausgeschlossen ist.“ Vaihinger stellt die Frage, wie es zu erklären sei, dass Menschen ausgehend von diesen falschen Annahmen und unlogischen Widersprüchen dennoch zu richtigen Ergebnissen gelangen können. Vaihinger wörtlich: „Wieso erreichen wir oft Richtiges mit bewusst falschen Annahmen?“ Die Antwort: Das geschieht dann, wenn eine falsche Annahme praktisch eine nützliche Fiktion darstellt. Dann wird sie nicht durch ihren Wahrheitsgehalt, sondern ausschließlich durch den Erfolg begründet, der sich bei ihrer Anwendung einstellt. Astrid Lindgren übersetzt dieses Ergebnis seriöser Forschung später in einem Kinderreim: „Ich mach mir die Welt, widde widde, wie sie mir gefällt“ (Pippi Langstrumpf). Doch – Spaß beiseite: Die Philosophie des Als-ob wird zu einem weiteren Kerngedanken des NLP, dessen Anwendung du vor allem im Kapitel 7 „Die Kunst, Ziele zu erreichen“ kennenlernst.

1.2.2 Die Palo-Alto-Gruppe, der Konstruktivismus und das Denken in Systemen

Chomskys Transformationsgrammatik, Korzybskis neurolinguistisches Training und Vaihingers Philosophie des Als-ob – mit diesen Ressourcen ausgestattet setzen wir uns wieder auf unseren Lichtstrahl und reisen zurück in die Zukunft. Doch wir machen Ende der 60er-Jahre noch einmal einen Zwischenhalt im kalifornischen Palo Alto und blicken hier auf die Ereignisse bis 1978. Palo Alto ist eine Stadt im Silicon Valley, gerade mal 42 Meilen von Santa Cruz entfernt, wo um 1978 das NLP erfunden wird. Später lassen sich in der Nachbarschaft von Palo Alto Unternehmen der Hochtechnologie wie Apple, Intel, Google, Facebook, Adobe, eBay nieder. Auf dem Gebiet der Psychologie wird Palo Alto bekannt durch das im Jahr 1959 gegründete Mental Research Institute (MRI). Hier haben sich einige Psychiater, Psychologen und Sozialarbeiter zur „Palo-Alto-Gruppe“ zusammengetan. Sie forschen zunächst auf dem Feld der Schizophrenie, später zu den Themen Kommunikation, Psychotherapie und Familientherapie. Auf unserer Reise besuchen wir vor allem drei Mitglieder der Palo-Alto-Gruppe: Gregory Bateson, Paul Watzlawik und Virginia Satir. Ihr Vermächtnis für das NLP sind:

die Kybernetik,

der Konstruktivismus und

das systemische Denken bzw. die systemische Familientherapie.

Doch der Reihe nach:

Gregory Bateson beschäftigt sich unter anderem mit der Wissenschaft Kybernetik, das heißt mit der Steuerung einfacher und komplexer Systeme. Ein System in diesem Sinne kann ebenso ein Lebewesen mit seinen Organen und Zellen sein wie auch Regierungen, Staaten, Maschinenteile, Behörden, Unternehmen und Organisationen – für die Betrachtungen der Systemtheorie ist einerlei, welche Art von System untersucht wird.

Beispiel: Der Motor deines Autos ist so ein System. Sobald du den Zündschlüssel drehst, beginnen Informationen zu fließen, die im Ergebnis dein Fahrzeug bewegen. Zerlegst du dagegen den Motor und wirfst seine einzelnen Bestandteile wild durcheinander, so liegt vor dir kein „System“ mehr, sondern ein „Haufen“ seiner Einzelteile.

Wichtig ist also,

dass unter den Komponenten eines Systems Informationen ausgetauscht werden (= Kommunikation) und

dass sich das Verhalten des Systems aus der Kommunikation zwischen seinen Elementen ergibt. Tritt irgendwo eine Veränderung auf, so pflanzt sich diese Information innerhalb des Kommunikationsnetzes fort – was Veränderungen in den anderen Elementen bewirkt.

Dieser Prozess (genannt: Rückkoppelung oder Feedback) verläuft vielleicht in einfachen technischen Systemen linear und damit planbar. Dann bewirkt ein Ereignis A ein Ereignis B, das ein Ereignis C verursacht, welches das Ereignis D bewirkt usw. Doch wenn nur ein Systemteil anders reagiert als erwartet oder das Ereignis D direkt auf das Ereignis A zurückwirkt, reagiert das System zirkulär. Es zeigt ein Verhalten, das sich mit linearem Denken nicht verstehen lässt (Watzlawik, Beavin & Jackson, 1990). Und genau dies ist typisch für menschliche und zwischenmenschliche Systeme.

Schlüsselelement der humanwissenschaftlichen Anwendung kybernetischer Prinzipien ist also die Kommunikation. In der Kommunikation mit sich selbst und mit anderen formt sich die Art wahrzunehmen, zu fühlen, zu denken und zu handeln. Nur in der Kommunikation ist es möglich, seine Annahmen über sich selbst und die Welt (die Landkarte) zu konstruieren, aufrechtzuerhalten oder zu verändern.

Bateson arbeitet eng mit Paul Watzlawik zusammen, der sich 1961 der Palo-Alto-Gruppe anschließt. Watzlawik beschäftigt sich intensiv mit dem sogenannten radikalen Konstruktivismus. Das ist eine Position der Erkenntnistheorie mit einer bemerkenswerten Grundaussage, auf die schon Alfred Korzybski sinngemäß hingewiesen hat: Irgendwo da draußen mag es eine objektive Realität geben, allein – der Mensch ist nicht in der Lage, sie vollständig zu erkennen. Was ein Individuum für die Realität hält, ist immer nur eine Konstruktion aus Sinnesreizen und Gedächtnis. Objektivität im Sinne einer Übereinstimmung von wahrgenommenem (konstruiertem) Bild und Realität ist unmöglich: Was der Mensch wahrnimmt, ist keine Wahrheit. In dieser Aussage, dass jede Wahrnehmung vollständig subjektiv sei, besteht die Radikalität (Kompromisslosigkeit) des radikalen Konstruktivismus (ausführlicher bei: Watzlawik, 2005; von Glasersfeld, 1997).

Das ist die nächste Säule des NLP: Es geht nicht um Wahrheit und Objektivität, sondern um die Strukturen subjektiver Erfahrung. Ein Mensch konstruiert sein Bild der Welt und vom eigenen Ich Stück für Stück aus den sinnesspezifischen Erfahrungen. Während er diese durchläuft, entwickelt er sein Verhalten und seine Emotionen. Veränderung kann also nicht an einer „Wahrheit“ ansetzen, sondern an der individuellen Konstruktion derselben, an der „Landkarte“.

1.2.3 Die Entdeckung der Beziehungsfalle

1957 liest Virginia Satir in Chicago einen wissenschaftlichen Artikel aus der Palo-Alto-Gruppe über Schizophrenie und die sogenannte Double-Bind-Hypothese. Die Familientherapeutin, die auf unserer weiteren Reise auf dem Zeitstrahl schon sehr bald große Bedeutung erlangen wird, ist begeistert. Hier beschreiben Experten, was sie in der Arbeit mit ihren Klienten täglich erlebt – und sie haben eine wissenschaftliche Erklärung dafür gefunden.

Die Double-Bind-Theorie (ausführlich bei Watzlawik, Beavin & Jackson, 1990, S. 194 ff.) beschreibt destruktive Kommunikationsmuster, die auf Dauer traumatisierend wirken können. Ein einfaches Beispiel: Eine Mutter holt ihr Kind aus dem Kindergarten ab. Es sieht sie schon von weitem, flitzt in ihre Richtung, lacht und breitet dabei erwartungsfroh die Arme aus. Die Mutter jedoch macht keine Anstalten das Kind aufzufangen, sondern weicht zurück. Das Kind bemerkt dies und stoppt daraufhin in seinem Lauf, das fröhliche Lachen entweicht seinem Gesicht und es nähert sich langsam und mit hängenden Schultern der Mutter. Darauf fragt diese: „Freust du dich denn gar nicht?“

Das ist die „Double Bind“ (übersetzt „Doppelbindung“, sinngemäß: Beziehungsfalle, Zwickmühle): Ein Beteiligter sendet zugleich zwei Botschaften, die einander widersprechen. Das Kind in unserem Beispiel nimmt wahr, dass die Mutter sich nicht freut. Die Mutter verneint diese Wahrnehmung jedoch und wirft dem Kind vor, sich nicht zu freuen – obwohl es doch bis eben alle Zeichen von Freude gezeigt hat. Wenn das Kind diese schräge Kommunikation jetzt aufklären wollte („Ich habe mich doch gefreut, aber du nicht“), so würde es zwar seinen eigenen Sinnen trauen, jedoch die Mutter verärgern. Will es das vermeiden, muss es seine eigene Wirklichkeitswahrnehmung verzerren. Es muss seine Wahrheit leugnen.

Solche Beziehungsfallen begegnen uns massenhaft im Alltag. In der Familie, in Beziehungen, im Beruf, in der Politik oder in der Nachbarschaft sorgen sie für Missverständnisse, Konflikte und Leid. Trotzdem bleiben die meisten von uns dabei gesund. Gefährlich wird es, wenn zwei Bedingungen hinzukommen:

Abhängigkeit – In unserem Beispiel ist das Kind abhängig, das heißt, es hat keine Möglichkeit, der Botschaft seiner Mutter zu widersprechen, die Situation zu verlassen oder gar die Beziehung zu beenden. Das ist typisch für asymmetrische Beziehungen: etwa Eltern ↔ Kind, Lehrer ↔ Schüler, Chef ↔ Mitarbeiter.

Ständige Wiederholung – Wenn dieses Muster zu einer chronischen Erscheinung wird, können Double Binds auf Dauer traumatisierend wirken. Dann traut der Mensch seinen eigenen Wahrnehmungen nicht mehr, glaubt, dass er immer irgendwie „falschliegt“ und nimmt unter Umständen auch freundliche Signale nicht mehr wahr. So entsteht oft eine Bindungsangst, die zu Schwierigkeiten führt, stabile Beziehungen zu anderen Menschen, vor allem zu Lebenspartnern, aufzubauen.

Virginia Satir hat bei ihren Patienten mehrfach einen Zusammenhang zwischen dieser Art destruktiver Kommunikation in der Familie und einer psychischen Erkrankung gesehen. Ihr erster Fall betrifft eine schizophrene junge Frau – und danach begegnet ihr dieses Phänomen immer wieder. In Palo Alto hat man dafür einen Namen und eine Erklärung! Deshalb schließt sie sich der Palo-Alto-Gruppe an und gründet eine Ausbildungsabteilung für Familientherapie. Was sie einbringt – Erfahrungen mit den Folgen inkongruenter Kommunikation in der Familie und dem therapeutischen Umgang damit –, wird später eine weitere Grundlage des NLP.

1.2.4 Die antiken Wurzeln: Platon, Sokrates und die Gefangenen in der Höhle

Wenn wir auf unserem Zeitstrahl noch viel weiter in die Vergangenheit nach Wurzeln und Impulsgebern des NLP suchen, landen wir im antiken Griechenland, etwa beim Orakel von Delphi (5. Jahrhundert v. Chr.). Die Inschrift „Erkenne dich selbst“ verweist auf den Sinn der teilweise in Trance durchgeführten Rituale in dieser Kultstätte: die Auflösung individueller Probleme und Fragestellungen durch die Auseinandersetzung mit der eigenen inneren Persönlichkeit. Die Erkenntnis der „Innenwelt“ diente damit als Zugang zur Problemlösung in der „Außenwelt“. Bedeutende Philosophen, Theologen und Mediziner haben sich über Jahrhunderte hinweg aus verschiedenen Perspektiven mit dem Erleben und dem Verhalten von Menschen befasst – es würde den Rahmen dieses Buches sprengen, sie alle zu erwähnen. Die für uns interessanteste Quelle ist um 390 v. Chr. datiert. Der Philosoph Platon entwickelt ein „Schichtenmodell der Seele“ und unterscheidet, wie heute ein gut ausgebildeter NLP-Practitioner, zwischen Wahrnehmung und Wirklichkeit (NLP: zwischen Landkarte und Landschaft). Er zitiert in seinem Werk Politeia (7. Buch, Platon, Vreska, 1982) das Höhlengleichnis seines Lehrers Sokrates. Es könnte eine NLP-Lehrgeschichte sein:

Sokrates beschreibt Menschen, die ihr ganzes Leben als Gefangene in einer unterirdischen, höhlenartigen Behausung verbracht haben. Sie sitzen da und sind so festgebunden, dass sie ihre Köpfe nicht drehen, also nur nach vorn auf die Höhlenwand blicken können. Daher wissen sie nichts von der Existenz eines Ausgangs, der sich hinter ihnen befindet. Sie können nicht einmal die anderen Gefangenen sehen – nur die Wand.

Hinter ihnen erleuchtet der Schein eines Feuers, das sich oben auf der Erde befindet, die Höhle. Die Gefangenen sehen zwar das Licht, das die Wand beleuchtet, sowie ihre Schatten, nicht aber, woher das Licht kommt. Sie können außerdem schemenhaft beobachten, wie Menschen vor dem Ausgang irgendwelche Gegenstände tragen – der Schein des Feuers projiziert diese Szenerie als Schattenbilder an die Wand vor ihnen. Diese Menschen reden mitunter. Das hallt als Echo von der Höhlenwand zurück, sodass die Gefangenen glauben, die Schatten würden sprechen.

Was die Gefangenen an der Höhlenwand sehen und hören, stellt ihre gesamte Wirklichkeit (NLP: ihre Landkarte) dar. Sokrates stellt Vermutungen darüber an, was wohl geschähe, wenn einer der Gefangenen losgebunden würde.

Selbstreflexion

Bevor du weiterliest, überleg und schreib auf: Was würde geschehen, wenn ein Gefangener aufstehen, zum Ausgang schauen und sich all dem, was draußen wirklich geschieht, zuwenden könnte? Denke weiter darüber nach, was dies für Veränderungsprozesse im Leben des Gefangenen auslösen würde.

Sokrates kommt zu dem Ergebnis, dass der Gefangene so schmerzhaft vom Licht geblendet und verwirrt wäre, dass er die neue Situation zunächst für weniger real halten würde als den vertrauten Schatten. Er würde fliehen und seine gewohnte Position wieder einnehmen wollen, denn er wäre noch davon überzeugt, dass seine gewohnte Wirklichkeit die wahre Wirklichkeit ist. Seinem Befreier würde er zunächst nicht glauben.

Zurück in der alten Position, so Sokrates, „würden dann seine Augen förmlich eingetaucht werden in Finsternis. Und wenn er nun wieder … wetteifern müsste in der Deutung jener Schattenbilder, … würde er sich da nicht lächerlich machen und würde es nicht von ihm heißen, sein Aufstieg nach oben sei schuld daran … und schon der bloße Versuch, nach oben zu gelangen, sei verwerflich?“ Wenn er also seine Mitgefangenen befreien wollte, würden diese sich wehren, weil sie die Gültigkeit ihrer Wahrheit der neuen Erkenntnis vorzögen.

Sokrates schließt daraus, dass das Ziel philosophischer Bildung die Kunst der Umlenkung sei. Die Seele solle aus der Dunkelheit der Höhle ins Licht geführt werden. Er forderte von denen, die Erkenntnis genießen durften, wieder zu den Mitmenschen in der Höhle hinabzusteigen und deren Seelen aus der gewöhnlichen Verirrung zum Wahren „umzulenken“.

Denke an Sokrates Höhlengleichnis, wenn du dich in diesem Buch mit der Bedeutung des Axioms „Die Landkarte ist nicht die Landschaft“ und mit Veränderung von Glaubenssätzen beschäftigst.

1.3 Noch mal in die 1960er / 1970er: NLP entwickelt sich

Zurück auf dem Lichtstrahl von unserer jetzigen Station aus gesehen in die Zukunft, in die späten 60er-, frühen 70er-Jahre: Richard Bandler, Frank Pucelik und John Grinder hast du hier, an dieser Stelle unserer Zeitreise, bereits kennengelernt. Richard Bandlers und Frank Puceliks Leidenschaft gilt der Frage, wie bestimmte „Zauberer“ in der Psychotherapie ihre Klienten so beeinflussen, dass Zwänge, heftige Ängste und psychosomatische Beschwerden in kurzer Zeit geheilt werden. Warum schaffen das einige Therapeuten, während die große Mehrheit diese Erfolge nicht erzielt? „Gute“ wie „schlechte“ Therapeuten verfügen doch über die gleichen theoretischen Erkenntnisse der psychologischen Wissenschaften – was also ist der Unterschied, der den Unterschied macht?

John Grinders Hypothese dazu: Neben der Sprache ist auch die nonverbale Kommunikation maßgeblich für den Erfolg einer Therapeut-Klient-Beziehung. Die Frage ist nur, wie genau dies geschieht. Gelingt es, ein allgemeines Modell über Kommunikation, subjektives Erleben und Veränderung zu kreieren? Gibt es nachvollziehbare Beweise dafür, welche Kommunikationsstrukturen auf welche Art veränderungswirksam sind? Regiert der Zufall, oder gibt es eine „Struktur der Magie“?

Ein wissenschaftliches Forschungsprojekt ist geboren. Grinder, Bandler und Pucelik analysieren die Arbeit dreier Startherapeuten:

Virginia Satir, die innovative Schöpferin der systemischen Familientherapie, die du ja bereits kennengelernt hast,

Fritz Perls, genialer Begründer der Gestalttherapie,

Milton Erickson, legendärer Meister der Hypnose.

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