Nordfeuer - Sandra Dünschede - E-Book

Nordfeuer E-Book

Sandra Dünschede

4,7

Beschreibung

Die Menschen in Nordfriesland leben in Angst und Schrecken. Ein Feuerteufel treibt sein Unwesen. 14 Brände hat er bereits gelegt - fünf davon allein in Risum-Lindholm. Der Polizei fehlt jede Spur. Dann fällt die Grundschule im Dorf dem Brandstifter zum Opfer und im Lehrerzimmer des abgebrannten Gebäudes stößt die Feuerwehr auf eine verkohlte Frauenleiche. Die Menschen in Nordfriesland leben in Angst und Schrecken. Die Kriminalpolizei geht von einem Unfall aus, doch Kommissar Dirk Thamsen und seine Freunde Haie, Tom und Marlene vermuten, dass ein Trittbretttäter dahinter steckt, der einen Mord vertuschen will …

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Seitenzahl: 370

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Sandra Dünschede

Nordfeuer

Kriminalroman

Personen und Handlung sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen

sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Besuchen Sie uns im Internet:

www.gmeiner-verlag.de

© 2012 – Gmeiner-Verlag GmbH

Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch

Telefon 0 75 75/20 95-0

[email protected]

Alle Rechte vorbehalten

1. Auflage 2012

Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt

Herstellung: Julia Franze

Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

unter Verwendung des Fotos von: © biloba / photocase.com

›Eine feurige Liebeserklärung an ›meinen Norden‹ –

Prolog

»Wohltätig ist des Feuers Macht, wenn sie der Mensch bezähmt, bewacht.«

Friedrich Schiller ›Lied von der Glocke‹

*

Feuer: Chemisch gesehen eine Oxidationsreaktion mit Flammenbildung. Voraussetzungen: brennbarer Stoff, Oxidationsmittel wie z.B. Sauerstoff aus der Luft und Hitze.

In der Hitze verbinden sich die Moleküle des Brennstoffs mit dem Sauerstoff. Dabei wird Wärme freigesetzt und eine Kettenreaktion ausgelöst. Das Feuer brennt, bis eine der Voraussetzungen – Brennstoff, Sauerstoff oder Hitze – nicht mehr da ist.

Feuer:Eine chemische Reaktion; und doch soviel mehr.

In der Geschichte der Menschwerdung einer der wichtigsten Entwicklungsschritte. Kaum eine Kultur oder Zivilisation ist vorstellbar ohne die Zähmung des Wildfeuers, die Bewahrung und Erzeugung von Feuer. Für Wärme. Für Licht. Und zum Schutz.

Doch all dies war ihm nicht in den Sinn gekommen, als er das Streichholz entzündet und auf das verschüttete Benzin hatte fallen lassen. Er wollte weder Wärme noch Licht erzeugen. Seine Motivation war einzig und allein Angst – panische Angst. 

1.

Er schreckte auf, noch ehe überhaupt etwas zu hören war. Seine Sensoren waren momentan derart auf Empfang gestellt, da brauchte es keine Sirenen, die ihm verkündeten, dass erneut ein Haus in Flammen stand. Wie zur Bestätigung ertönte das ohrenbetäubende Signal, das die Menschen in Angst und Schrecken versetzte.

Eilig schwang Haie sich aus dem Bett und tastete sich im Dunkeln zum Schlafzimmerfenster. Ein Blick hinaus schmälerte die Sorge, sein Haus oder das seines Nachbarn könne brennen. Ein Reetdach war leicht entzündlich. Gerade jetzt, wo es wochenlang nicht geregnet hatte.

Er schlüpfte in seinen gestreiften Morgenmantel und ging hinüber ins Wohnzimmer. Ein prüfender Blick durch das Fenster, aber auch auf dieser Seite des Hauses schien alles in Ordnung zu sein.

Als Kind hatte er miterlebt, wie die Scheune auf dem Nachbargrundstück abgebrannt war.

Innerhalb nur weniger Minuten hatten die lodernden Flammen das reetgedeckte Dach vollends in Besitz genommen und mit brutaler Gewalt das gesamte Bauwerk zerstört. Die Feuerwehr hatte den Brand zunächst nur eindämmen und erst löschen können, als kaum noch brennbare Substanz vorhanden gewesen war. Haie war damals etwa vier Jahre alt gewesen. Das Feuer hatte ihm eine Heidenangst eingejagt. Diese züngelnden Flammen, das ächzende Gebälk der Scheune. Wie Stimmen aus dem Jenseits hatten die Geräusche des Feuers geklungen. Unheimlich. Gruselig. Nächtelang hatte er nicht mehr richtig schlafen können, immer wieder die Hitze des Feuers auf seiner Haut gespürt und das laute Stöhnen der Flammen gehört. Vielleicht kam daher auch sein beinahe übersinnliches Gespür für die Brände im Dorf. Die letzten Male war er, wie heute, schon vor dem Sirenengeheul wach geworden.

Seit etlichen Wochen trieb ein Brandstifter in Nordfriesland sein Unwesen. Allein in Risum-Lindholm waren fünf Häuser dem Feuerteufel zum Opfer gefallen. Weitere Brände hatte es in Langenhorn, Klanxbüll, Leck und in Bredstedt gegeben. Insgesamt vierzehn Mal hatte der Brandstifter bereits zugeschlagen und heute Nacht anscheinend erneut.

Haie griff zum Telefonhörer und wählte Toms Nummer. Es dauerte eine Weile, bis der Freund sich meldete.

»Alles in Ordnung bei euch?«

»Mhm, wieso?«

»Na, es brennt schon wieder im Dorf. Hörst du nicht die Sirenen?«

Eigentlich eine überflüssige Frage. Tom wohnte direkt neben einem Haus, auf dessen Dach sich ein Signalhorn befand. Selbst durch den Telefonhörer konnte Haie den ohrenbetäubenden Krach vernehmen. 

»Ja, aber bei uns ist alles in Ordnung. Marlene hat schon einen Kontrollgang gemacht.«

Haie war erleichtert, die Freunde ebenfalls in Sicherheit zu wissen. Man wusste schließlich nicht, wen es als nächsten traf. Ein bestimmtes Muster schien der Brandstifter nicht zu verfolgen, sodass jeder zum Opfer werden konnte. Auch Haie oder seine Freunde.

»Und in der Nachbarschaft?«

»Nee, auch alles ruhig. Wer weiß, wo dieser Verbrecher wieder …« Tom stockte mitten im Satz.

»Was ist?«

»Das glaub ich jetzt nicht«, murmelte Tom in den Hörer.

»Was?« Haie trampelte von einem Fuß auf den anderen.

Sein Herz pochte plötzlich schneller. »Was ist?«, hakte er nach.

Er hörte ein Rascheln, dann die belegte Stimme seines Freundes.

»Die Schule brennt.«

Dirk Thamsen war noch gar nicht im Bett gewesen, als der nächtliche Anruf kam. Er hatte lange ferngesehen und war gerade auf dem Sofa eingenickt, als ihn das schrille Piepsen des Telefons weckte.

»Ja, Thamsen?«

Er lauschte kurz der Stimme am anderen Ende, ehe er sagte: »Gut, ich mache mich sofort auf den Weg.«

Leise schlich er in Timos Zimmer und versuchte, ihn aufzuwecken. »Ich muss weg«, flüsterte er und hoffte, sein Sohn bekam die Aktion überhaupt mit. So schlaftrunken, wie der Junge nickte, als er ihm sagte, er solle auf dem Handy anrufen, falls etwas sei, hatte er allerdings wenig Hoffnung.

Vorsichtshalber schrieb er deshalb zusätzlich einen Zettel, den er auf den Küchentisch legte. Er hatte immer ein ungutes Gefühl, wenn er die Kinder allein ließ. Aber mitten in der Nacht konnte er auf die Schnelle, wenn er zum Einsatz musste, eben auch niemanden herbitten. Und letztendlich war das ja auch nicht wirklich notwendig. Timo war mittlerweile sehr selbstständig, trotzdem blieb zumindest immer der Hauch einer Sorge, wenn Dirk Thamsen das Haus verließ.

Und das war in den letzten Wochen leider öfter der Fall gewesen.

Insgesamt vierzehn Mal war er nachts zu einem Brand gerufen worden. Und diese Serie schien nicht abzureißen. Sie hatten bisher noch keine Spur vom Feuerteufel – jedenfalls keine wirkliche. Der Brandstifter ging derart geschickt vor, hinterließ keine Hinweise auf seine Person, folgte keinem Muster – unmöglich vorherzusagen, wo er das nächste Mal zuschlagen würde.

Mittlerweile hatte man sogar die SOKO, der auch Thamsen angehörte, um einen Profiler aufgestockt, aber der tappte ebenfalls nach wie vor im Dunkeln und hatte bisher nur eine eher vage Analyse bezüglich des Täters stellen können.

Er hatte das Ortsschild Risum-Lindholms erreicht und bog von der B5 in die Dorfstraße ein, deren Verlauf er bis kurz hinter dem SPAR-Markt folgte.

Die Grundschule lag ein Stück außerhalb des Dorfes Richtung Herrenkoog. Thamsen konnte jedoch schon gleich hinter der nächsten Kurve die Blaulichter der Feuerwehr ausmachen.

Er musste den Wagen ein wenig entfernt am Straßenrand parken und den Rest des Weges zu Fuß gehen. Zu viele Schaulustige hatte es bereits zur Unglücksstelle getrieben, die alle möglichst nah an der Schule gedrängt auf dem Schulhof standen. Einer seiner Kollegen unternahm verzweifelte Versuche, die neugierige Meute in einem entsprechend sicheren Abstand zum Feuer zu halten.

Der rechte Seitenflügel des Gebäudes stand beinahe komplett in Flammen. Die Feuerwehr bemühte sich angestrengt, den Brand einzudämmen, damit er nicht auf den überdachten Durchgang und womöglich noch auf die Turnhalle übergriff.

Thamsen kämpfte sich zum Gruppenführer durch, der am Eingang des Gebäudes stand und Anweisungen gab, als er plötzlich seinen Namen hörte und jemand an seinem Ärmel zupfte.

»Kommissar Thamsen!«

Er drehte sich um und blickte in das gerötete Gesicht von Haie Ketelsen. Sie kannten sich seit einigen Jahren. Der Hausmeister der Schule hatte ihn zusammen mit seinen beiden Freunden Tom und Marlene bei einigen seiner letzten Fälle unterstützt. Und das nicht nur, weil er die Opfer der Verbrechen zum Teil persönlich gekannt hatte, sondern vielmehr weil er durch seine unzähligen Kontakte im Dorf für Thamsen tatsächlich eine wahre Ermittlungshilfe dargestellt hatte. Natürlich waren die privaten Ermittlungen und Alleingänge der drei Freunde grenzwertig, wenn nicht sogar unverantwortlich, doch er musste zugeben, dass er ohne deren Unterstützung den einen oder anderen Fall nicht so schnell hätte aufklären können.

Und auch jetzt witterte er die Chance, Haie Ketelsen könne helfen. Immerhin kannte er das Gebäude wie seine Westentasche. Ihm würden wahrscheinlich die kleinsten Hinweise am ehesten ins Auge fallen.

»Herr Ketelsen«, erwiderte er daher, »wusste ich doch, dass ich Sie hier finden würde. Sie können gleich mal mitkommen.«

Er schnappte den Hausmeister beim Arm und zerrte ihn durch die Menge bis zur Absperrung.

»Moin, Wolfgang«, grüßte er den Kollegen. »Lässt du uns mal eben durch?« Der andere Polizist nickte und ließ sie schnell passieren, um gleich darauf wieder einen schaulustigen jungen Mann zurückzudrängen. Thamsen schüttelte seinen Kopf. Wie unvernünftig doch einige Leute waren. Nicht genug, dass sie sich durch ihre Neugierde selbst in Gefahr brachten. Sie behinderten gleichzeitig die Arbeit der Feuerwehr und Polizei. Aber das schien ihnen völlig egal zu sein.

Der Gruppenführer der Feuerwehr, Lutz Jörgensen, war vollends damit beschäftigt, Anweisungen über ein Funkgerät zu erteilen. Die Feuerwehrmänner befanden sich verteilt um den Seitenflügel der Schule und bekämpften den Brand. Einen Innenangriff hatte Lutz Jörgensen als unnötiges Risiko empfunden und daher nicht angeordnet. Schließlich befanden sich keine Personen im Gebäude; eine Menschenrettung war daher nicht notwendig.

Nach einem weiteren Befehl wandte er sich an Thamsen.

»Moin, Dirk. Scheint ganz so, als hätte unser Freund wieder zugeschlagen. Wie es aussieht, ist der Brand im hinteren Teil des Flügels ausgebrochen und dann auf die Klassenzimmer übergesprungen.«

»Im Lehrerzimmer«, entfuhr es Haie erstaunt. Jörgensen musterte ihn und blickte anschließend fragend zu Thamsen.

»Das ist Herr Ketelsen. Der Hausmeister der Schule«, beeilte Thamsen sich Haies Anwesenheit zu erklären.

»Ah, gut«, nickte der Gruppenführer. Sein Funkgerät knackte, dann war eine abgehackte Stimme zu hören.

»Hier hinten ist der Brand gelöscht. Wir kommen jetzt weiter zum Eingangsbereich.« Lutz Jörgensen bestätigte die Vorgehensweise.

»Wir kriegen das schneller in den Griff, als zunächst gedacht. Der Brand wurde diesmal recht früh gemeldet.«

»Von wem?«, fragte Thamsen.

»Hier beim Kindergarten wohnen noch zwei Familien. Die eine Frau war wohl noch mal spät mit dem Hund draußen und hat durch die Bäume die Flammen hinter dem Fenster gesehen.«

»Ach, Frau Stein«, nickte Haie, »die hat Gott sei Dank immer ein wachsames Auge.«

»Vielleicht ist ihr auch vor dem Brand etwas Verdächtiges aufgefallen. Oder Ihnen, Herr Ketelsen?« Thamsen blickte ihn hoffnungsvoll an.

»Der Täter wird sich sicherlich den Tatort für sein nächstes Feuer gut angeschaut haben. Haben Sie jemanden bemerkt?«

Haie versuchte, sich die letzten Tage ins Gedächtnis zu rufen und kratzte sich zur Unterstützung am Ohr. Eigentlich war alles wie immer gewesen. Natürlich hatte er besonders darauf geachtet, dass alle Türen und Fenster verschlossen waren, wenn er die Schule verließ. Aber das war ja nach den letzten Ereignissen im Dorf nur selbstverständlich. Nach einem Unbekannten, der das Gelände beobachtete oder gar ausspionierte, hatte er allerdings nicht Ausschau gehalten.

»Tut mir leid, aber da sollten Sie tatsächlich noch einmal Frau Stein befragen. Mir ist jedenfalls nichts aufgefallen.«

»Mhm«, entgegnete Thamsen. Er war enttäuscht.

Ein weiterer Feuerwehrmann trat plötzlich neben den Gruppenführer. »Wir sind dann soweit und können reingehen.«

»Okay«, bestätigte Lutz Jörgensen. »Aber nur Dieter, Lars und du. Habt ihr eure Atemschutzgeräte parat?«

Der andere nickte und hob gleichzeitig die Maske in die Höhe. Sie hatten in den vergangenen Wochen Routine im Einsatz gewonnen. Leider.

»Die Jungs gehen jetzt rein und schauen, ob der Brandherd auch vollständig abgelöscht ist. Das kann aber einen Moment dauern.«

Thamsen nickte und blickte sich um. Die Gruppe der Schaulustigen war zwar etwas kleiner geworden, nachdem der Brand beinahe gelöscht war, trotzdem harrten immer noch eine Menge Leute rings um die Grundschule aus, um das Geschehen zu verfolgen. Nicht ausgeschlossen, dass der Brandstifter sich unter ihnen befand.

»Sind Ihre Freunde auch hier?«

»Da drüben.« Haie hob kurz die Hand und winkte Tom und Marlene zu, die sein Zeichen erwiderten.

»Dann gehen Sie bitte zu ihnen und mischen sich ein wenig unter das Volk. Ich möchte wissen, ob sich ein Fremder oder irgendjemand unter den Schaulustigen befindet, der Ihnen verdächtig erscheint.«

»Sie glauben, der Täter ist hier?«

Thamsen zuckte mit den Schultern. »Nicht auszuschließen, oder?«

Haie ging langsam zurück und musterte dabei die Leute hinter der Absperrung. Die meisten von ihnen kannte er. Schließlich war er in diesem Dorf aufgewachsen, wie viele der anderen auch. Und in so einem kleinen Ort da wusste man auch beinahe alles voneinander. Nicht wie in der Großstadt, wo viele nicht einmal den Namen ihres Nachbarn kannten, geschweige denn, wie er aussah. Nein, hier im Dorf achtete man aufeinander und das war zumindest meistens auch gut so.

»Und, was hat Thamsen gesagt? Wie schlimm ist es? Handelt es sich wieder um den gleichen Täter?« Die Freunde waren neugierig, was Haie erfahren hatte. Dass es sich bei dem Feuer um Brandstiftung handelte, davon gingen sie aus.

»Noch kann man nichts sagen. Aber«, Haie senkte seine Stimme, »er hält es nicht für unwahrscheinlich, dass sich der Feuerteufel unter den Schaulustigen aufhält.«

»Du meinst, der Täter ist hier?« Marlene schaute den Freund mit großen Augen an.

»Warum denn nicht? Ist doch nichts Ungewöhnliches, wenn ein Täter zum Tatort zurückkehrt. Vielleicht gibt ihm das einen ganz besonderen Kick, wenn er sieht, wie die Feuerwehr gegen die lodernden Flammen kämpft. Zum Beispiel der da in der blauen Jacke«, Haie deutete mit einem kaum wahrzunehmenden Kopfnicken Richtung Bushaltestelle. »Den kenne ich nicht. Habe ich noch nie gesehen.«

Ebenso wie Thamsen wussten die beiden Freunde natürlich, dass Haie beinahe jedes Gesicht in Risum-Lindholm geläufig war und musterten daher den Fremden eingehend.

»Weiß nicht«, beurteilte Marlene nach einer Weile, »aber der sieht mir irgendwie zu harmlos aus.«

»Wieso, wie sieht denn ein Brandstifter deiner Meinung nach aus?« 

»Gute Frage, aber der ist es nicht. Muss ja außerdem nicht unbedingt ein Fremder sein. Könnte genauso gut jemand von hier sein.«

Damit hatte Marlene allerdings recht. Eigentlich war jeder aus dem Dorf verdächtig. Zumindest fast jeder, denn die Besitzer der niedergebrannten Häuser konnte man vermutlich ausschließen. Nur wem traute man solch abscheuliche Verbrechen zu?

2.

»Dirk, kannst du mal kommen?«

Lutz Jörgensen sah ihn mit einem eigenartigen Blick an, den Thamsen nicht deuten konnte. Nachdem die Männer mit dem Löschen des Feuers im Inneren der Schule begonnen hatten, war eine halbe Ewigkeit vergangen. Jedenfalls kam es ihm so vor.

Die Menschenmenge hatte sich inzwischen drastisch dezimiert, und als auch noch der Gruppenführer im Gebäude verschwand, wandten sich die letzten Schaulustigen ab und gingen nach Hause.

Bis auf Haie Ketelsen mit seinen Freunden sowie den Direktor der Schule waren nur noch seine Kollegen und die Feuerwehr vor Ort. Wie gerne wäre auch Thamsen endlich in sein kuscheliges Bett geklettert. Denn trotzdem die letzten Tage bereits sommerlich warm gewesen waren, die Nächte blieben nach wie vor empfindlich kalt. Hinzu kam sein völlig übermüdeter Zustand, der ihn zusätzlich mehr als frösteln ließ.

Er folgte Lutz Jörgensen zum Eingang. Bereits im Windfang, und obwohl das Licht ihrer Lampen recht schwach war, sah man das katastrophale Ausmaß des Feuers. Der gesamte Flur war kohlrabenschwarz, Löschwasser tropfte von der Decke und lief in wahren Bächen die Wände hinab.

Obwohl die Flammen vollständig gelöscht waren, hingen überall noch dicke Rauchschwaden in der Luft, die in seine Lunge drangen und einen beißenden Schmerz verursachten. Er hustete.

»Hier, nimm die Maske.«

Der Gruppenführer reichte ihm ein Atemschutzgerät und half ihm dabei, es anzulegen. Thamsen wunderte sich, warum sie nicht warten konnten, bis die Schule tatsächlich begehbar war, denn zusätzlich zu dem Rauch spürte er die im Gebäude gefangene Hitze des Feuers, als sie sich dem Brandherd näherten. Er begann zu schwitzen, wagte aber nicht, seine Fragen zu stellen. Lutz Jörgensens Miene wirkte wie versteinert. Am Ende des Gangs blieb er stehen und drehte sich zu ihm um.

»Is’ kein schöner Anblick.« Der Gruppenführer wartete, bis er neben ihn trat und leuchtete dann mit der Lampe in den Raum.

Thamsen konnte zunächst nicht recht erkennen, auf was der Lichtkegel fiel und richtete daher seine Leuchte ebenfalls auf die Mitte des Raums.

Ihm stockte der Atem. So etwas hatte er in seiner Laufbahn als Polizist noch nicht gesehen.

Zwischen mehreren Brandrückständen lag zusammengekauert ein menschlicher Körper. Ohne Haare. Total ausgemergelt. Kohlrabenschwarz.

Er spürte, wie sein Magen plötzlich rebellierte und zog sich eilig die Maske vom Gesicht. Doch das verschlimmerte alles nur. Denn zum grausamen Anblick der Leiche kam nun auch noch der Geruch von verbranntem Fleisch. Thamsen würgte.

»T’schuldigung«, presste er eilig hervor und rannte zurück zum Eingang.

Seine Kollegen und der Direktor der Schule schauten ihm verdutzt hinterher, als er an ihnen vorbeipreschte. Er schaffte es gerade noch um die Ecke des Gebäudes, ehe er sich übergeben musste.

Als der Brechreiz nachließ, atmete er ein paar Mal tief ein und aus, ehe er zurückging. In dem überdachten Durchgang gab es eine kleine Trinkhalle. An der Wand waren mehrere Wasserhähne aus Messing über einem gemauerten Becken installiert. Er trank gierig einige Schlucke, spülte sich kräftig den Mund aus. Doch der säuerliche Geschmack blieb.

»Sagen Sie«, wandte er sich an den Direktor der Schule, »ist es möglich, dass sich jemand im Gebäude befand?« Der Leiter, Herr Mohn, zuckte mit den Schultern.

»Wie meinen Sie das?«

»Na, ja«, Thamsen hatte ja selbst keine Ahnung, warum sich jemand mitten in der Nacht in der Schule aufgehalten haben sollte.

»Vielleicht ist jemand eingeschlossen worden. Aus Versehen.«

Der ältere Mann schüttelte energisch den Kopf.

»Ausgeschlossen. Sämtliche Lehrkörper verfügen über einen eigenen Schlüssel.« Er räusperte sich. »Außerdem überprüft Herr Ketelsen jeden Abend noch einmal das Gebäude. Da kann niemand mehr drin gewesen sein. Auch nicht aus Versehen. Nicht war, Herr Ketelsen?«

Anscheinend fühlte der Schulleiter sich in seiner Ehre verletzt. Hier hatte schließlich alles seine Ordnung. Dafür sorgte er schon, und Haie bestätigte das nickend.

»Wie kommen Sie überhaupt darauf?«

Als Antwort auf diese Frage, fuhr der Wagen des örtlichen Bestatters auf den Schulhof.

Wer hat den denn gerufen, wunderte sich Thamsen und winkte gleich ab, als der Mann aus dem Wagen stieg und auf sie zukam.

»Das dauert hier noch. Erstmal muss die Spurensicherung ran, bevor die Leiche abtransportiert werden kann.«

»Leiche?«

3.

»Also, ich kann mir immer noch nicht erklären, wie da jemand in der Schule sein konnte.«

Haie saß in der Küche der Freunde und ließ sich von Marlene einen Tee eingießen.

Thamsen hatte die drei nach Hause geschickt.

»Sie können hier momentan eh’ nichts ausrichten«, hatte er zu ihnen gesagt und versprochen, sich zu melden, sofern ihre Unterstützung benötigt wurde.

»Vielleicht ist jemandem schlecht geworden oder ist sogar umgekippt«, mutmaßte Tom. Irgendeine Erklärung musste es schließlich für die Leiche im Lehrerzimmer geben.

»Unmöglich. Ich hab’ doch wie immer meinen Kontrollgang gemacht. Da war keiner mehr.«

»Und wenn noch einmal jemand zurückgekommen ist?«, warf Marlene ein.

Haie rührte in seinem Tee.

»Aber wer soll das denn gewesen sein? Herr Heinrich und Frau Sperber waren vorhin da. Die habe ich gesehen. Und Frau Moosbach ist auf Kur. Die kann es auch nicht gewesen sein.«

»Und was ist mit dem Referendar, von dem du erzählt hast?«

»Hm«, Haie fuhr sich durchs Haar. Holger Leuthäuser war ein netter junger Mann. Leider ein wenig chaotisch. Vielleicht hatte er etwas im Lehrerzimmer liegen lassen und war nach Haies Rundgang noch einmal zurückgekehrt, um es zu holen.

»Möglich.«

»Wie schrecklich.« Marlene schlang fröstelnd die Arme um ihren Körper. Sie hatte den angehenden Lehrer einige Male getroffen, als sie Haie von der Arbeit abgeholt hatte. Ein sehr sympathischer Mann. Und die Kinder liebten ihn. Mehrmals hatte sie beobachtet, wie eine Gruppe von Jungen und Mädchen um ihn herumgesprungen war, als sie auf dem Schulhof gewartet hatte. Die Vorstellung, Holger Leuthäuser könnte bei dem Feuer umgekommen sein, war entsetzlich.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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