Normandie - Hilke Maunder - E-Book

Normandie E-Book

Hilke Maunder

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Beschreibung

Die Netflix-Serie „Lupin“ hat die Normandie zu einem touristischen Hotspot gemacht. Bei den 50 Tipps in diesem Buch treffen Sie garantiert keine Massen, sondern erleben die zahlreichen Facetten einer Normandie, die hinter jeder Biegung neue Erlebnisse und Überraschungen bereithält. Und vor allem eines ist: „insolite“, wie die Franzosen sagen – ursprünglich, authentisch und wunderschön. Die Landpartie durch die andere Normandie beginnt im steten Auf und Ab der Vélomaritime, führt zu den Leinenfeldern des Vallée du Dun, zu zottigen Bisons im Hinterland von Dieppe und tief hinein ins Bauernland des Pays de Bray, Heimat des ältesten Käses der Normandie. Im Tal der Seine schmücken Irisblüten auf hellem Reet die Giebel alter „chaumières“, und Störche brüten im Marais Vernier. Über die Höhen vom Perche geht es hin zur Normannischen Schweiz mit ihren Schluchten und Bergen, die Gesicht zeigen und die Erdgeschichte offenlegen. Die Landpartie durch die Normandie endet am Couesnon, der schuld daran ist, dass heute der Mont-Saint-Michel zur Normandie gehört, und nicht, wie einst, zur Bretagne. Entdecken Sie 50 Juwelen abseits der Massen in den schönsten Ecken der Normandie. Bienvenue!

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Hilke Maunder

NORMANDIE

IMPRESSUM

Normandie

50 Tipps abseits der ausgetretenen Pfade

Hilke Maunder

© 2022 360° medien

Nachtigallenweg 1 I 40822 Mettmann

360grad-medien.de

Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung sowie Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Der Inhalt des Werkes wurde sorgfältig recherchiert, ist jedoch teilweise der Subjektivität unterworfen und bleibt ohne Gewähr für Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität.

Redaktion und Lektorat: 360° medien

Satz und Layout: Marc Alberti

Gedruckt und gebunden:

LD Medienhaus GmbH & Co. KG I Feldbachacker 16 I 44149 Dortmund

www.ld-medienhaus.de

Bildnachweis: siehe Seite 256

ISBN: 978-3-96855-410-5

Hergestellt in Deutschland

360grad-medien.de

Hilke Maunder

NORMANDIE

VORWORT

Bienvenue en Normandie! 30.150 Quadratkilometer ist die französische Region groß und damit etwas größer als das Bundesland Brandenburg und etwas kleiner als NRW. Ihre fünf Départements stehen für Vielfalt. Seine-Maritime, Eure, Calvados, Orne und Manche besitzt jeweils ganz eigene faszinierende Landschaften, Städte und Dörfer. Überschaubar ist das Land im Nordwesten Frankreichs. Im französischen Ranking landet die Normandie daher nur auf Platz neun der Regionen – ist sie doch nicht einmal halb so groß wie Okzitanien. Rund 3,4 Millionen Menschen leben dort – und dies vor allem in der Hauptstadt Rouen, im Seine-Tal sowie in den Hafenorten und Seebädern der Küste am Ärmelkanal. Frankreichs höchste Klippen fallen dort im Norden der Normandie ins Meer.

Südlich der Seine-Mündung mit dem modernen Welterbe Le Havre säumen hellgelbe, breite Sandstrände die Blumenküste. Sie enden an der Orne und setzt sich jenseits der Mündung mit der Perlmuttküste fort. Sie war gleich zweimal Schauplatz der Weltgeschichte. An ihren breiten Stränden, über die heute die Strandsegler jagen, starteten die Alliierten am 6. Juni 1944 den längsten aller Tage: den D-Day. Die größte Landeoperation aller Zeiten besiegelte die deutsche Niederlage im Zweiten Weltkrieg und befreite Europa vom Nazi-Regime. Aus dem Hinterland der Landungsküste stammte der Normannenherzog Wilhelm, der in der Schlacht von Hastings am 14. Oktober 1066 mit dem Sieg über Harold II. zum englischen König aufstieg. In Caen, Falaise und vielen anderen Orten dieses Landstrichs sind seine Spuren bis heute allgegenwärtig.

Landein ist die Normandie bis heute oftmals noch sehr ursprünglich und bäuerlich. Im Pays de Caux erstrecken sich die Flachsfelder bis an den Horizont und verwandeln das Kalkplateau im Mai in ein blaues Blütenmeer. Nach der Ernte feiern die Dörfer des Vallée du Dun alljährlich im Juli beim Festival du Lin ihre Leinen-Kultur.

Nicht Leinen, sondern der Handel mit exotischen Waren wie Elfenbein machte Dieppe reich. Aus Elefanten- und Nilpferd-zähnen, die die Kapitäne aus Dieppe von ihren Reisen mitbrachten, schufen örtliche Elfenbeinschnitzer wie Pierre André Graillon filigrane Skulpturen, Schmuck und Schiffsmodelle. Hoch über der Küste erzählt das Schlossmuseum von jenen Zeiten, in denen der Elfenbeinhandel noch legal und sehr einträchtig war.

1824 eröffnete Marie Caroline, Herzogin von Berry und unerschrockene Schwimmerin, in Dieppe das „Zentrum für Warmbäder“ Frankreichs. In einem kleinen Holzbau direkt am Strand standen einige Badewannen, und Bademeister aus England halfen den Kranken, ihr Meeresbad zu nehmen. Das Eintauchen ins Meer wurde damals besonders für Depressive, Asthmatiker und Schwindsüchtige empfohlen. Sogar gegen Tollwut sollte das Seewasser helfen. Bereits 1835 kurten 400 Gäste in Dieppe. Prachtvolle Seebäder wie Deauville, Trouville und Cabourg entstanden. Die Normandie wurde schick – und ein Vorort für Pariser.

Mit der Eisenbahn kam auch ein Mann, der in der Normandie einen neuen Malstil schuf: Claude Monet. Frühmorgens stellte er seine Staffelei am Hafen von Le Havre auf, hielt den Sonnenaufgang in gefühligen Farben fest – und begründete mit „Impression. Soleil lévant“ 1872 den Impressionismus. Seine neue Heimat fand er in Giverny in einer alten Apfelpresse. Inspirationsquelle wurde sein Garten – heute ein Welterbe wie der Mont-Saint-Michel, dem legendären Klosterberg zur Normandie. Freuen Sie sich auf Ihre Entdeckungen abseits bekannter Ziele!

Hilke Maunder

INHALTSVERZEICHNIS

WILLKOMMEN IN DER NORMANDIE

TOP TEN DER SEHENSWÜRDIGKEITEN

KURIOSES & BESONDERHEITEN

ÜBERALL IN DER NORMANDIE

  1.Auf den Spuren der Impressionisten

  2.Die Straße der Abteien

  3.Das Craft Beer der Normandie

  4.Pêche à Pied: der normannische Nationalsport

  5.La Vélomaritime

  6.Die Normannische Käsestraße: das Quartett

  7.Sentier Littoral: die Küste entlang!

SEINE-MARITIME

  8.Harfleur: der einstige Haupthafen der Normandie

  9.Le Havre: Hangar Zéro

10.Le Havre: Jardin du Silence

11.Villequier: Cidre fürs Rind!

12.Base OTAN: der Butt an der Klippe

13.Bruneval: der erste Sieg.

14.Le Tilleul: Kleinod voller Überraschungen

15.Fécamp: frisch geräuchert

16.La Véloroute du Lin: im Flachs-Land

17.Saint-Aubin: der große Sand

18.Jardin Shamrock: das Hortensien-Paradies

19.Varengeville: das Festival „Grandeur Nature“

20.Urban Trail Dieppe: Sightseeing sportlich

21.Muchedent: bei den Bisons

22.Forêt Eawy: Wald voller Wunder

23.Val Ygot: Hitlers Wunderwaffe im Wald

24.Pays de Bray: Käse und Keramik

EURE

25.Château d’Harcourt: Lehrstunde im Arboretum

26.La Seine à Vélo

27.Rouen: das Museumsviertel

28.Lyons-la-Forêt: Idyll im Wald

CALVADOS

29.Marais Vernier: ein normannisches Mosaik

30.Honfleur: auf den Spuren von Eugène Boudin

31.La Route du Cidre: Paraderoute des normannischen Cidre

32.Château de Crèvecoeur: Zeitreise beim Landadel

33.Arpents du Soleil: das erste Weingut der Normandie

34.La Brèche au Diable: die Teufelsschlucht

35.Falaise: zu Hause beim Eroberer

ORNE

36.Perche: die Heimat des Goldenen Pferdes

37.Saint-Céneri-le-Gérei: grandioses Mini-Dorf

38.Sées: himmlische Glücksfälle

39.Putanges: Perle im Tal der Orne

40.La Roche d’Oëtre: teuflische Felsen

MANCHE

41.Geoparc Normandie-Maine

42.Le Mortainais: magisches Wasserreich

43.Saint-Lô: das Musée du Bocage Normand

44.La Maison du Biscuit: schlemmen, ganz nostalgisch

45.Saint-Pierre-Église und das Val de Saire

46.Jullouville: das Rennen im Schlick

47.Carteret: Traumstrand am Heideland

48.Nez de Jobourg: das Kap der Ziegen

49.Baie d’Écalgrain: schönste Bucht des Cotentin

50.Îles Chausey: Europas größter Archipel

REGISTER

BILDNACHWEIS

Hinweise: Während der Recherche zu diesem Buch änderten Lokale und Besucherattraktionen aufgrund der Corona-Pandemie immer wieder ihre Arbeitsweise. Darum wurde bei den Service-Informationen auf die Angabe von Öffnungszeiten verzichtet. Allen Normandie-Reisenden sei empfohlen, sich aktuell vor Ort bzw. auf den aufgeführten Internetseiten zu informieren.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf eine geschlechtsneutrale Differenzierung verzichtet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter. Die verkürzte Sprachform beinhaltet keine Wertung.

Blumengeschmückt: die Markthalle von Lyons-la-Forêt

WILLKOMMEN IN DER NORMANDIE!

Die Klippenküste von Le Tilleul

Die Normandie gehört zu den beliebtesten Urlaubsregionen in Frankreich. Malerische Dörfer und Städte, grandiose Landschaften und eine vielseitige wie köstliche Küche sorgen für Ferienglück. Ihre überschaubare Größe – Platz neun im Landesranking – sorgt für abwechslungsreiche Eindrücke ohne lange Fahrerei. Dafür stehen die fünf normannischen Departements. . Nördlich der Seine gehören dazu das seeseitige Département Seine-Maritime und das weiter landein liegende Département Eure im Nordwesten des Pariser Beckens. Südlich der Seine gehören dazu die Départements Manche, Orne und Calvados und die Basse-Normandie. Die alte Unterscheidung in Haute- und Basse-Normandie wurde mit der Neuordnung der Regionen 2016 hinfällig, lebt aber in den Köpfen der Menschen weiter.

Zwischen Le Tréport und der Seinemündung bei Le Havre bricht das Kalkplateau des Pays de Caux steil in den Ärmelkanal ab. Bis zu 110 Meter hoch sind die weißen Klippen der Alabasterküste – und damit die höchsten Frankreichs. Wind und Wellen haben bizarre Felsformationen geschaffen: Bögen und Brücken, schroffe Nadeln und runde Löcher im Kalk. Weltberühmt – und überlaufen – sind die Felsen von Étretat. Doch im Nachbarort Le Tilleul sind sie mindestens genauso schön. Und menschenleer – denn hin geht es nur zu Fuß, per Rad oder hoch zu Ross. An der Alabasterküste liegt auch Fécamp. Ab dem 16. Jahrhundert war es der Heimathafen einer bedeutenden Hochseeflotte. Sie fischte vor den Küsten von Neufundland/Kanada nach Kabeljau. Monatelang waren die Seeleute unterwegs. In der einstigen Fischfabrik erzählt heute das Musée des Pêcheries vom einst so ertragreichen Wirtschaftszweig, der an der Überfischung zugrunde ging. Mit zwei Langustenfischern, von Ehrenamtlichen restauriert, legt dort ein verschmitzter Skipper mit eindrucksvoll langem Schnauzbart mit seiner Mannschaft zu Ausflugsfahrten an der Côte d‘Albâtre ab. An Land heißt er offiziell Lionel. Doch an Bord will er nur „Asterix“ genannt werden. Unter seiner Regie können Landratten und Freizeitskipper Segel hissen, Deck schrubben und Festmachen. Wer eine Auszeit braucht, darf sich unterm Klüverbaum ins Netz legen: Pause hoch über dem Meer!

Der Brotfisch der Küste war einst der Hering. Heute ist Mathieu in vierter Generation der letzten Heringsräucherei von Fécamp. Mit jungen Ideen hat er das alteingesessene Familienunternehmen zu einer trendigen Adresse gemacht, bei der es nicht nur besten Fisch gibt, sondern auch gute Küche und regelmäßige Events. Menschen wie Mathieu und Asterix werden Ihnen in der Normandie überall begegnen, sobald Sie abseits der eingetretenen Pfade in der Region unterwegs sind. Und Landschaften, die Staunen lassen.

Dicht an dicht bedecken Kiesel meterdick die Strände der Alabasterküste. Doch in Saint-Aubin ist alles anders. Nach einem schmalen Kieselsaum kitzelt feinster Sand die Fußsohlen. Der kleine Badeort besitzt den einzigen echten Sandstrand der Côte ­d’Albâtre. Dieses kleine Idyll darf im Buch als Geheimtipp nicht fehlen. Schwarze Bänder leuchten in der weißen Kreide. Wie mit dem Lineal gezogen sehen die Schichten aus Silex aus. Sie sind die Stein gewordenen Zeugnisse alter Schachtelhalmwälder, die regelmäßig überflutet wurden, abstarben und sich unter Druck zu Feuerstein verdichteten. Nur im Pays de Caux werden bis heute damit Häuser gebaut. Keine Steine der Natur, sondern Trümmerschutt und Zement waren die Baumaterialien für den Wiederaufbau von Le Havre. Unter Federführung des Belgiers Auguste Perret (1874 bis 1954) entstand in den 1950er-Jahren der alte Seinehafen im kühlen Stil der klassizistischen Moderne wieder neu. Das Wort von der „doppelten Zerstörung“ machte die Runde. Heute gehört Le Havre zum Weltkulturerbe – und schenkt sich bis 2023 ein neues Wahrzeichen: den 55 Meter hohen Tour Alta.

Am anderen Ufer der Seine ist im Herbst die Apfelernte in vollem Gange. Uralte Apfelsorten werden im Calvados und des Pays d’Auge angebaut und verarbeitet. Die meisten Äpfel wandern in die Herstellung von Cidre. Bereits Araber und Römer kannten Cidre. Im 12. Jahrhundert erreichte das berauschende Getränk die Normandie, wo sich Boden und Klima hervorragend zur Kultur des Apfelbaums eignen. Rasch wurde Cidre zum täglichen Getränk der einfachen Leute – denn sauberes Trinkwasser war damals eine Rarität. Heute ist die Normandie mit ihren zehn Millionen Apfelbäumen der größte Cidre-Produzent Frankreichs. Vom bretonischen Konkurrenten unterscheidet sich der normannische Apfelwein durch einen höheren Anteil an süßlichen Äpfeln.

Keinen Cidre, sondern kühlen Auxerrois füllt Gérard Samson in die Flasche. Der einstige Notar betreibt das erste Weingut der Normandie. Wenige Meter weiter lagern Kühe unter alten knorrigen Bäumen. Die „vaches normandes“ mit ihrem geflecktem Fell und ihrem typischen Augenring liefern die Milch für vier köstliche Käse, die allesamt das europäische Qualitätssiegel AOP tragen: Pont-l’Évêque, Livarot, Camembert – und Neufchâtel.

Bei einer Landpartie durch die Normandie kommt man auch immer wieder an stattlichen Landsitzen und Schlössern vorbei. Um finanziell überleben zu können, haben viele Besitzer ihr Anwesen geöffnet, locken mit Ritterspielen oder Blumenfenstern, Kunsthandwerkermärkten, kulinarischen Events oder Geisternächten. In einer Handvoll Schlösser kann man auch übernachten: Bienvenue au château!

Das Gros der Besucher kennt von der Normandie nur ihre Küsten, an denen sich die kreidebleiche Steilküsten mit Sandstränden, malerischen Buchten und stürmischen Granitkaps abwechseln, und das Seine-Tal. Das Hinterland ist noch ein Terrain für Entdecker – vom Pays de Bray mit seiner Töpfertradition bis zur Suisse Normandie. Steile Felswände säumen dort den Flusslauf der Orne. Hervorspringende Felsen und Überhänge prägen die Schluchten der Vire. Aus den Hügelketten der Perche stammt der über Frankreichs Grenzen hinaus bekannte Kaltblüter „Percheron“. Als uralte Formation zieht sich der Amorikanische Gebirgsstock quer durch den Süden der Normandie – und lässt die nahe Bretagne ahnen. Und genau dort an der Grenze schenkte ein launischer Flusslauf der Normandie ihr fulminantes Finale: den Mont-Saint-Michel. Bei Baubeginn war er noch bretonisch. Dass er heute in der Normandie liegt, hat der Couesnon zu verantworten. Immer wieder hat der Fluss seinen Lauf gewechselt. „Le Couesnon dans sa folie mit le mont en Normandie“ – der Couesnon hat in seinem Wahn den Berg in der Normandie versetzt, erzählt der Volksmund. Kein Geringerer als Erzengel Michael soll einst dem Bischof Aubert von Avranches den himmlischen Auftrag erteilt hat, eine Kapelle auf dem Berg mitten im Meer zu errichten – im Jahr 708. Seitdem ist sie Pilgerziel. Und als Welterbe im Sommer tagsüber hoffnungsvoll überlaufen. Doch am Abend entfaltet der Berg, der wieder eine Insel ist, seine unglaubliche Magie.

Sées mit seiner Kathedrale

TOP 10

DER SEHENSWÜRDIGKEITEN IN DER NORMANDIE

1Le Mont-Saint-Michel: Silbern bedeckt das Meer die Couesnon-Bucht. Im Dunst erhebt sich, „unglaublich fremd und schön, wie ein Traumpalast“ der Mont-Sait-Michel. Was Guy de Maupaussant schwärmen ließ, wurde in einem enormen Renaturierungsprojekt wieder hergestellt: die Insellage des Klosterberges an der Grenze zur Bretagne, wo er einst errichtet worden war. Doch: „Le Couesnon dans sa folie a le mont en Normandie“ – der Grenzfluss Couesnon hat seinen Lauf so geändert, dass das Weltkulturerbe schließlich in der Normandie lag. Seit 2009 steuert ein Staudamm den Wasserfluss. Der Berg bleibt so auch künftig in der Normandie – und ist dort das meistbesuchte Wahrzeichen. ot-montsaintmichel.com

2Die Cité de la Mer von Cherbourg: Wo einst die Passagiere der „Queen Elizabeth“ und anderer Atlantikliner abgefertigt wurden, präsentiert die Cité de la Mer das Atom-U-Boot „Le Redou-table“, das Aquarium Abyssal und einen Spaziergang auf dem Meeresboden. Bereits das Foyer macht mit seinen Tauchbooten, die in geheimnisvolle Tiefen vordrangen, Lust, mehr über die Unterwasserwelt und die Seefahrt zu erfahren. Der interaktive Titanic-Parcours lässt jene vier Tage vom Zwischenstopp in Cherbourg bis hin zur Nacht, in dem das Schiff während der Überfahrt unterging, hautnah nacherleben. citedelamer.com

3Der Teppich von Bayeux: Am 7. Juni 1944 war Bayeux die erste Stadt Frankreichs, die von den Alliierten befreit wurde. Das wertvollste Zeugnis einer früheren Schlacht verbrachte jene Jahre gut verborgen in den Kellergewölben des Pariser Louvre und kehrte erst 1948 nach Bayeux zurück: der älteste erhaltene Wandteppich des Mittelalters. In 58 Szenen illustriert die „Tapisserie de la Reine Mathilde“, besser bekannt als „Teppich von Bayeux“, die Eroberung Englands durch den Normannenherzog Wilhelm. 68,38 Meter lang und 52 Zentimeter hoch ist der erste „Comic Strip“ der Geschichte. Im Musée de la Tapisserie de Bayeux lässt sich das Weltkulturerbe bewundern. bayeuxmuseum.com/la-tapisserie-de-bayeux

4Die Landungsstrände: Westlich der Ornemündung beginnt die Côte de Nacre (Perlmuttküste). An ihren weiten Strände begann 1944 die Befreiung von der Nazi-Diktatur. Am frühen Morgen des 6. Juni 1944 landeten die ersten alliierten Truppen in Ranville-Bénouville. Wie die Offensive erlief, zeigen acht chronologische Themenrouten durch die Départements Calvados, Manche und Orne. Museen und Memorials lassen zwischen Sword Beach in Ouistreham, Juno Beach in Courseulles-sur-mer, Gold Beach in Arromanches, Omaha Beach in Colleville-sur-mer, Utah Beach in Sainte-Marie-du-Mont und der Pointe du Hoc in Cricqueville-en-Bessin all jene Schlachten aufleben, die den Krieg beendeten und die Welt veränderten. normandie-tourisme.fr

5Die „Planches“ von Deauville: „Sehen und gesehen werden“ ist das Motto auf den „Planches“, der 1921 mit Holzbrettern angelegten Strandpromenade von Deauville. Ihr Hingucker sind weiß gestrichene Badekabinen berühmter Stars wie Harrison Ford, Gloria Swanson, Burt Lancaster oder Kirk Douglas, deren Namen die trennenden Handgitter zieren. Damals wie heute geben sich Stars und Sternchen aus Hollywood beim Festival des amerikanischen Films ein Stelldichein am berühmtesten Badeort der Côte Fleurie mit ihren breiten Sandstränden am Ärmelkanal. Volkstümlicher sind die „planches“ von Trouville, dem Seebad am anderen Ufer der Touques, die beide Badeorte trennt. indeauville.fr

6Der Vieux-Port von Honfleur: Erst malte Eugène Baudin, dann auch sein Schüler Claude Monet die alte Hafenstadt am linken Ufer der Seinemündung, und viele Maler und Touristen folgten ihnen: Honfleur ist besonders am alten Hafenbecken mit seinen schieferverkleideten Häusern unglaublich malerisch. Das pittoreske Ambiente mit alten und neuen Seglern, dem einstigen Stadttor „La Lieutenance“, Salzspeichern und schönen Lokalen direkt an der Kaikante begeistert das ganze Jahr die Besucher. Mehrere Museen am alten Hafen entführen in die Vergangenheit. Über die alten Dächer erhebt sich der separate Glockenturm der Église Saint-Cathérine – die größte Holzkirche Frankreichs ist ein weiterer Hingucker! ot-honfleur.fr

7Das Quartier Perret von Le Havre: „Mein Beton ist schöner als Stein“: Nicht alle teilten die Ansicht von Auguste Perret, unter dessen Federführung in den 1950er-Jahren das kriegszerstörte Le Havre im kühlen Stil der klassizistischen Moderne neu entstand. Das Wort von der „doppelten Zerstörung“ machte die Runde. Perrets Kritiker sind heute verstummt. 50 Jahre später erhielt Perrets Vision die weltweite Anerkennung: 2005 wurde sein Quartier Perret ins UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen. Schulen, Hafenanlagen und Wohnhäuser schuf Perret. Doch kein Bau ist ihm so gut gelungen wie das bis heute höchste Gebäude von Le Havre: die Église Saint-Joseph mit ihrem 106 Meter hohen Turm. Wie Perret auch das private Wohnen revolutionierte, verrät das Apartement témoin Perret. unesco.lehavre.fr

8Die Kreisklippen von Étretat: Dramatik pur! Abrupt stürzen an der Côte d’Albâtre Europas höchste Klippen kreidebleich ins Meer. Wind und Wellen haben faszinierende Felsformationen geschaffen: Klippen und Kalknadeln, Bögen und Brücken sowie andere bizarre Formen. Doch nirgendwo entlang der Alabsterküste hat diese Naturkulisse die Menschen so fasziniert wie bei Étretat. Monet und Courbet bannten die Felsen auf die Leinwand, Normannen-Dichter Guy de Maupassant sah in der 70 Meter hohen Felsnase L’Aiguille vor der Porte d’Aval einen Elefanten, der den Rüssel ins Wasser steckt. 1905 machte Maurice Leblance die „hohle Nadel“ zum Titel seiner Meistergauner-Serie um Arsène Lupin, der rund 120 Jahre später von Netflix zum Star der Kultserie „Lupin“ mit Omar Shy aufstieg. Seitdem brummt es richtig in Étretat. lehavre-etretat-tourisme.com

9Das alte Rouen: Die einstige Hauptstadt der Normandie und der heutigen Haute-Normandie wird auch „Stadt der 100 Kirchtürme“ genannt. Die Skyline dominiert der 151 Meter hohe Glockenturm der Kathedrale. 24-mal hat der Impressionist Claude Monet das Gotteshaus in wechselndem Licht auf die Leinwand gebannt. Auf nur 130 Meter Höhe bringt es der Turm der einstigen Abteikirche Saint-Ouen. Bei der Église Saint-Maclou liegt der Aître Saint-Maclou. Die Friese der Fachwerkhäuser schmücken Totentänzer und Totenschädel – im Mittelalter wurden dort die Pestopfer verscharrt. Rund um den Hof liegen die schönsten Straßen der Altstadt: die Rue Damiette mit Antiquitätenläden, die fachwerkgeschmückte Rue Martainville und die Rue Saint-Romain. Die Rue du Gros-Horloge ist die Einkaufsstraße der Altstadt – und berühmt für ihre ungewöhnliche Riesenuhr: Sie besitzt nur einen Zeiger! rouentourisme.com

10Das Malerdorf Giverny: 1883 – der Maler war damals 43 Jahre alt – machte Monet bei einer Zugfahrt Station in Giverny, verliebte sich in den Ort und lebte für 43 Jahre dort, bis er 1926 auf seinem Anwesen verstarb. Seine Leidenschaft galt neben der Malerei und dem Kochen besonders seinem Garten. Er ließ sich vom Seerosenteich inspirieren, malte die japanisch inspirierte Brücke und liebte die Kletterrosen. Monets Haus und Garten sind heute ein Besuchermagnet. Mit Monet kamen weitere Künstler nach Giverny. Die Entwicklung der Künstlerkolonie dokumentiert seit 2009 das Musée des Impressionistes – ebenfalls ein Muss beim Besuch von Giverny! fondation-monet.com

KURIOSES & BESONDERHEITEN

IN DER NORMANDIE

Trou normand: Aus den mehr als 2000 Apfelsorten der Normandie wird das berühmte normannische „Lebenswasser“ gebrannt: der Calvados. Bernsteinfarben bis cognacbraun räumt der samtige Cidrebrand zwischen den Gängen eines Menüs den Magen auf und schafft Platz für die Desserts – „faire un trou normand“ nennen dies die Einheimischen. Seinen spanischen Namen verdankt der Apfelbrand einem Schiffsunglück. Als 1588 die Armada gegen England segelte, zerschellte ein Schiff namens „El Calvador“ an der normannischen Küste und gab dem Landstrich seinen Namen.

Normannischer Schrank: Zu den wichtigsten Möbeln in einem normannischen Haushalt gehörte jahrhundertlang der Schrank („armoire normande“). Er war nicht nur ein wichtiges Möbel zum Verstauen, sondern besaß neben seinem repräsentativen auch einen hohen emotionalen Wert. Meist brachten junge Frauen ihn mit in die Ehe, die darin ihre Aussteuer aufbewahrt hatten. Im neuen Heim wurde er nicht im Schlafzimmer des Bräutigams aufgestellt, sondern nahm den besten Platz in der guten Stube ein, da er auch ein Symbol für den sozialen Rang der Braut darstellte. 1956 jedoch bekam der Möbelname eine völlig neue Bedeutung. Bei den Dreharbeiten von „Und ewig lockt das Weib“ nannte Brigitte Bardot ihren 1,91 Meter großen, blauäugigen und blonden Schauspielerkollegen einen „armoire normande“. Es war: Curd Jürgens.

Lokales Geld: L’Agnel heißt es: Schäfchen. Und wer es hat, hat seine Schäfchen im Trockenen. Denn das ist das Ziel der lokalen Währung. Mitte November 2015 in Rouen gestartet, gelten die kleinen Scheine in 5, 10, 20 und 50 Agnel längst auch in vielen anderen Orte der Départements Seine-Maritime und Eure. L’Agnel ist nicht die einzige Komplementärwährung zum Euro. Hinter dem normannischen RolloN steht sogar die gesamte Region. Sie hat eine App entwickelt, die das regionale Geld ausschließlich in der virtuellen Welt wirken lässt. Dort entwickelt der RolloN, der 1:1 den Wertgehalt des Euro hat, eine größere Dynamik als die offizielle Währung. Während jeder Euro eine Interaktion von zwei bis vier Mal bewirkt, sorgt der RolloN sechs bis acht Mal für Geschäftsaktivitäten und Umsatz. Ob L’Agnel oder RolloN: Die alternativen Zahlungsmittel beleben nachhaltig die Wirtschaft vor Ort. Und schützen so lokales Know-how und Savoir-vivre. monnaie-agnel.fr

Frankreichs ältestes Gasthaus: 1345 eröffnete Raoul Leprévos an der Place du Vieux-Marché sein Lokal „La Couronne“. Die traditionsreiche Auberge ist das älteste Gasthaus Frankreichs. Im Laufe der Jahrhunderte hat sich La Couronne zu einem der besten Gourmetrestaurants Europas entwickelt. In jüngerer Zeit erlangte das La Couronne dank Julia Child internationalen Ruhm. 1948 hatte die legendäre US-amerikanische Köchin in La Couronne gespeist und Austern auf der halben Schale, Seezunge in Butter-Petersilien-Sauce und einen grünen Salat bestellt. Das Essen hatte Julia so sehr begeistert, dass sie sich entschloss, ihr Leben ganz und gar der Lehre der französischen Küche zu widmen. La Couronne ehrt die Köchin bis heute mit einem Julia-Child-Menü. Hollywood machte daraus einen Kultfilm: „Julie und Julia“ mit Meryl Streep und Amy Adams in den Hauptrollen. lacouronne-rouen.fr

Kuscheln in der Kastanie: „Perché dans le Perche“ nennt sich eine ungewöhnliche Unterkunft. Mit viel Geschick und Know-how haben Claire Stickland und Ivan Payonne in Bellou-le-Trichar um eine 200 Jahre alte Kastanie ein Baumhaus gesetzt. Die 40 Quadratmeter große Wohnfläche verteilt sich auf ein Schlafzimmer mit Doppelbett, einen Salon mit Kochnische sowie ein Duschbad mit WC. Ebenfalls in den Ästen liegt die 25 Quadratmeter große Terrasse mit superschnellem WLAN in den Wipfeln. Tagsüber schweift der Blick auf die hügeligen Landschaften des regionalen Naturparks Perche. Nachts erklärt auf Wunsch ein Mitarbeiter der Sternwarte das funkelnde Firmament. perchedansleperche.com

Die Porte d'Aval von Étretat

Überall in der Normandie

Kirche Saint-Georges-de-Boscherville in Saint-Martin-de-Boscherville

Überall in der Normandie

1.Auf den Spuren der Impressionisten

2.Die Straße der Abteien

3.Das Craft Beer der Normandie

4.Pêche à Pied: der normannische Nationalsport

5.La Vélomaritime

6.Die Normannische Käsestraße: das Quartett

7.Sentier Littoral: die Küste entlang!

1.AUF DEN SPUREN DER IMPRESSIONISTEN

Scharenweise zogen die französischen Impressionisten ab 1860 in die Normandie und malten dort „en plein air“, unter freiem Himmel. Möglich wurde die Befreiung der Kunst von den Fesseln der Stadt erst durch zwei Erfindungen: die Bahn und die Ölfarbe aus der Tube. Jetzt konnten die Künstler „sur le motif“ arbeiten, unter freiem Himmel direkt am Sujet. Claude Monet malte am Strand von Sainte-Adresse und im Hafen von Le Havre. Camille Pissarro entdeckte die Hafenstädte Rouen und Dieppe, Eugène Boudin das malerische Honfleur. Und heute? Da begeistert die Normandie auch Freizeitmaler mit ihren Motiven.

Zu den ersten Freiluftmalern zählte auch Eugène Boudin, der seine Staffelei in seiner Heimatstadt Honfleur aufstellte. Zu seinen Lieblingsmotiven gehörten die Straßen der normannischen Hafenstadt wie die Rue Haute oder Rue Varin. Und immer wieder die Église Sainte-Cathérine, die größte Holzkirche Frankreichs. Im historischen Stadtzentrum führt heute der Rundgang „Auf den Spuren der Impressionisten“ zu 14 Ansichten, die Maler wie ihn inspirierten. Der erklärte Lieblingsplatz des „Königs des Himmels“ war jedoch die Ferme Saint-Siméon, wo er gemeinsam mit Gustave Courbert, Eugène Isabey und Johan Barthold Jongkind malte. Und genau dort wurde er Lehrmeister eines talentierten Jungen, der später über ihn sagen sollte: „Wenn ich male, dann nur für Eugène Boudin, weil ich ihn verehre.“

Auf den Spuren von Claude Monet

Die Boudin-Büste in Honfleur

Geäußert hat dies Claude Monet, der Begründer des französischen Impressionismus. In Boudin fand er sein Vorbild. An der Mündung der Seine malte Claude Monet 1872 ein Seestück, das zum Namensgeber der neuen Bewegung wurde: „Impression, soleil levant" (Impression, Sonnenaufgang) – der Impressionismus war geboren. Zu sehen ist der Hafen von Le Havre im Morgendunst. Auf dem Wasser spiegelt sich das Licht der aufgehenden Sonne. Kleine, kurze Pinselstriche lassen die Luft flimmern. Boote und Masten sind mit schnellen Pinselstrichen hingeworfen, wie skizziert. Wichtiger als die Objekte war die Stimmung, eingefangen in den Farben Violett, Blau und Orange. Bei einem spektakulären Kunstraub wurde Monets Gemälde 1985 aus dem Pariser Musée Marmottan Monet entwendet – erst fünf Jahre später kehrte es wieder in die Sammlung zurück. Le Havre indes erhielt 2007 dank einer Schenkung von Senn-Foulds mit dem Musée Malraux die zweitgrößte Sammlung impressionistischer Werke Frankreichs nach dem Museum d'Orsay in Paris. Wo in Le Havre und seinem noblen Villen-Vorort Sainte-Adresse die berühmten Werke der impressionistischen Malerei entstanden, zeigen die neun Schautafeln von „La Promenade Impressionniste“ mit Abbildungen der Originale. Der Rundgang beginnt am Handelshafen und endet am Strand von Sainte-Adresse.

Das Musée Malraux in Le Havre