Nornhie - Jennifer Birkenkamp - E-Book

Nornhie E-Book

Jennifer Birkenkamp

0,0

Beschreibung

Für Jugendliche und Erwachsene! Genauso wie andere, hat Emily seit ihrer Geburt Kräfte, von denen sie selbst nichts weiß. Emily wächst deshalb ganz normal auf, bis die Wissenden entscheiden, sie mit nach Nornhie zu nehmen, damit sie dort ihre Fähigkeit erlernt. Nach anfänglicher Unsicherheit, lässt sich Emily darauf ein und lernt in Nornhie ganz neue Seiten an ihr kennen. Neben ungewöhnlichen Wesen und neuen Freunden, erkennt sie nach einiger Zeit auch, warum sie nach Nornhie kommen sollte - um zusammen mit ihren neu gewonnenen Freunden Nornhie von den Robus und der Dunkelheit zu befreien, deren zerstörerische Kraft immer näher zu kommen scheint. Aber nur, wenn sie alle zusammen ihre Kräfte einsetzen, besteht laut den Wissenden, eine Chance, Nornhie und auch ihre eigene Welt zu retten. Aber warum gibt es Momente, in denen Emily an allem zweifelt und sich fragt, ob Arus und die Wissenden nicht etwas anderes im Schilde führen? Und kann sie das alles so überzeugen, dass sie Nornhie treu bleibt?

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 187

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Für meine geliebte Tochter, die jeden Tag zu etwas ganz Besonderem macht und mich immer wieder neu inspiriert.

Inhaltsverzeichnis

Der Besuch

Die Reise

Die Ankunft

Das Kennenlernen

Die erste Unterrichtsstunde

Einhornunterricht

Einzelstunden

Der Ausflug

Luzerno

Verteidigung

Einhornreitstunde mit Luzerno

Kräuterstunde

Der Plan

Aufbruch zu den Bergen

Die Robus

Unvernunft

Der Abschied

Die Abreise

Der Besuch

Es ist ein sommerlicher Tag in dem kleinen Dorf Rusville. Im Haus Nummer 5 in der Straße Ravens, spielen die Kinder der Familie Rimbach im Garten.

>>Ich zähle bis zehn und dann suche ich euch<<, sagt George und fängt an zu zählen.

George ist das älteste der fünf Kinder der Familie Rimbach. Er hat schwarzes kurzes Haar und ist 15 Jahre alt. Seine anderen vier Geschwister, die dreizehnjährigen Drillinge Jolie, Jonas und Bobby sowie Emily, mit zwölf Jahren die Jüngste, laufen umher und suchen sich jeweils ein Versteck. Emily läuft schnell ins Haus und versteckt sich im Bad, in der Hoffnung, dass ihr Bruder sie hier nicht findet und sie von allen das beste Versteck hat.

Emily hat kurze, dunkelblonde, gelockte Haare. Sie trägt meistens eine Klammer im Haar, damit sie ihr nicht ins Gesicht fallen. Zudem hat sie tiefblaue Augen, die, im Gegensatz zu dem Rest ihrer Familie, sehr herausstechen.

George hat aufgehört zu zählen und fängt an, die anderen zu suchen. Schnell findet er Jolie, Jonas und Bobby im Gartenhaus. Es war kein Hexenwerk für ihn, sie zu finden, da sie sich häufig immer das gleiche Versteck suchen. Dann macht er sich auf die Suche nach Emily.

Nachdem er sie im Garten nicht finden kann, geht er ins Haus und sucht zunächst in der unteren Etage nach ihr. Emily hört, wie er die Treppe ins Obergeschoss nach oben steigt. Das Bad, in dem sich Emily versteckt, liegt direkt gegenüber der Treppe.

Emily ist ganz aufgeregt und entfernt sich einen Schritt von der Badezimmertür, als sie plötzlich gegen den Badezimmerschrank stößt. Auf diesem befindet sich ein Zahnputzbecher, der sofort anfängt, sich zu drehen und beinahe herunterfällt.

>>Wenn er jetzt fällt<<, denkt Emily, >>dann hört George das bestimmt und wird mich dann direkt finden!<< Sie hört, wie George immer näher zum Badezimmer kommt.

>>Psst, sei bitte leise. Sonst findet er mich<<, flüstert Emily dem Becher zu.

Plötzlich bleibt der Becher in der Drehbewegung stehen. Emily ist total überrascht. Was war denn das? Kann es sein, dass sie mit dem Becher sprechen kann? Oder kann sie ihn beeinflussen? Sie schaut sich diesen jetzt genauer an. Er steht wirklich auf einer Ecke, so als hätte jemand die Zeit angehalten.

>>Was für ein Quatsch. Das ist einfach nur Glück, dass er nicht umgefallen ist<<, denkt sie sich und stellt den Becher leise hin, damit er nicht doch noch umfällt. Schnell versteckt sie sich unter dem Wäscheständer.

George will gerade die Badezimmertür öffnen, als es plötzlich an der Tür klingelt. Er lässt von der Tür ab und geht wieder die Treppen herunter, um zu schauen, wer geklingelt hat.

Emily ist wie immer sehr neugierig und kriecht aus ihrem Versteck hervor, um ebenfalls zu schauen, wer da zu Besuch kommt.

Auf dem Weg ins Erdgeschoss, setzt sie sich auf die Treppe und hört, wie ihre Eltern jemanden an der Tür herzlich begrüßen und hereinbitten.

>>Hallo Charlotte, Hallo Rudolf. Gut seht ihr aus. Ich habe bereits drei eurer Kinder im Garten gesehen. Die sind wirklich schon sehr groß geworden.<<

>>Ja, das sind sie wirklich<<, antwortet Charlotte, Emilys Mutter, dem Herrn an der Tür.

Charlotte ist eine sehr liebenswürdige Mutter. Sie hat rotbraune Haare und ist Hausfrau, um sich immer bestens um ihre Kinder kümmern zu können. Emilys Vater, Rudolf, ist Geschäftsmann bei einer großen Versicherungsagentur. Er trägt immer gerne einen Anzug, auch am Wochenende.

Emily weiß gar nicht, ob sie ihn jemals ohne Anzug gesehen hat. Sie muss kurz schmunzeln, als sie ihn wieder in einem schwarzen Anzug an der Tür stehen sieht, obwohl er am heutigen Samstag gar nicht arbeitet.

Sie möchte den Mann an der Tür unbedingt sehen, aber ihre Eltern versperren ihr die Sicht. Sie kann nur erkennen, dass dieser sehr helle Kleidung und einen großen, weißen Hut trägt.

>>Charlotte, Rudolf, ich bin aus einem äußerst wichtigen Grund hier und ich muss dringend mit euch sprechen!<<

>>Natürlich. Komm doch gerne rein. Wir gehen besser in die Küche, dort können wir ungestört reden<<, sagt Rudolf mit verständnisvoller Stimme.

Schnell verschwinden Charlotte, Rudolf und der geheimnisvolle Mann in der Küche.

>>Da bist du ja!<< George steht plötzlich neben Emily.

Emily erschreckt sich kurz, fängt dann aber an zu lachen.

>>Ich hatte ein super Versteck und du hast mich nicht gefunden.<<

>>Ich wurde einfach nur gestört von der Türklingel, sonst hätte ich dich bestimmt noch gefunden!<<

>>Das glaube ich nicht. Sag mal, George, weißt du, wer das ist, der mit Mama und Papa spricht?<<

>>Nein, keine Ahnung. Der Typ ist total komisch. Ich habe ihm die Tür aufgemacht und er kannte sogar meinen Namen. Ich kann mich aber nicht daran erinnern, dass ich ihn jemals gesehen habe. Naja, er wollte eben Mama und Papa direkt sprechen und meinte, es sei total wichtig. Keine Ahnung. Aber Erwachsene machen manchmal ja immer ein großes Ding aus etwas, was dann später gar nicht so wichtig ist. Komm, lass uns lieber weiterspielen. Die anderen warten schon im Garten.<<

>>Ich komme gleich nach. Geh ruhig schon mal vor!<<

>>Okay, wie du meinst!<< George rennt wieder zurück zu den anderen in den Garten.

Emily hingegen möchte aber unbedingt wissen, wer der Besuch ist. Sie schleicht sich zur Küche und lauscht an der Tür.

>>Es ist wirklich wichtig, dass sie mit mir kommt. Wir versuchen im Moment alle sechs Kinder zu finden, um sie mit uns zu nehmen. Wir befinden uns in einer Notlage und nur die Kinder können uns noch helfen, da sind sich die Wissenden einig. Sonst ist alles verloren! Die Kinder wissen nichts von ihren Fähigkeiten. Daher müssen wir sie erst darin ausbilden, bevor sie diese richtig einsetzen können. Und jetzt ist es an der Zeit. Wir können nicht länger warten!<<

>>Aber sie ist doch noch so jung! Sie kann doch nicht für so lange Zeit wegbleiben! Sie braucht uns doch! Was ist, wenn ihr etwas passiert?<<, fragt Charlotte aufgeregt.

>>Wir wussten ja, dass es irgendwann soweit sein würde. Sie werden bestimmt gut auf sie Acht geben<<, versucht Rudolf seine Frau zu beruhigen.

>>Sie wird ja erst einmal ihre Ausbildung beginnen. Der Einsatz ist erst nach erfolgreicher Ausbildung geplant. Vorher wäre es zu gefährlich für die Kinder und wir wollen sie ja auch nicht in Gefahr bringen. Wir möchten nicht, dass unsere letzte Hoffnung auch noch stirbt. Sie wird nach einem halben Jahr immer für sechs Wochen wieder nach Hause kommen. Denn die Liebe der Familien ist für die Kinder ebenso wichtig wie die Ausbildung. Sonst haben auch die Kinder keine Chance.<<

>> Gut, aber wie bringen wir es ihr bei? Sie weiß ja noch nichts von alle dem<<, fragt Charlotte.

>>Ich glaube, sie weiß schon mehr, als wir denken.<<

Der geheimnisvolle Besuch schaut zur Küchentür. Charlotte geht zur Tür. Emily erschreckt sich, als sich die Tür öffnet.

>>Emily, was machst du denn hier?<<, fragt Charlotte.

>>Ich … ich … ich wollte nur …<< Emily weiß nicht, was sie sagen soll.

>>Wenn du schon hier bist, dann kannst du auch reinkommen und unseren Besuch begrüßen<<, sagt Charlotte und nimmt Emily an die Hand.

Sie führt sie zum Küchentisch, an dem der Mann mit dem weißen Hut sitzt und einen Kaffee trinkt. Emily sieht ihn jetzt zum ersten Mal richtig. Sowohl sein weißes Gewand als auch sein weißer, großer Hut stechen ihr direkt ins Auge. An seinem rechten Ringfinger trägt er einen Ring mit einem weißen Einhorn. Seine Augen sind tiefblau, so wie ihre eigenen.

Der Besuch steht auf und reicht ihr die Hand.

>>Emily, ich freue mich dich endlich wieder zu sehen.<<

>>Hallo. Kennen wir uns?<<, fragt Emily.

>>Du kannst dich bestimmt nicht mehr daran erinnern, denn du warst bei unserem ersten Besuch noch sehr klein. Bitte entschuldige daher, dass ich mich noch nicht vorgestellt habe. Mein Name ist Erusius Orina.<<

>>Hallo. Ich bin Emily.<< Sie reicht ihm ebenfalls die Hand und schaut die ganze Zeit in seine Augen. Sie sehen ganz genauso aus wie ihre.

>>Setzen wir uns doch alle<<, sagt Rudolf und zeigt auf die leeren Stühle am Küchentisch. Emily setzt sich neben ihre Mutter, damit sie den Besuch besser beobachten und begutachten kann. Die Neugierde ist ihr in die Wiege gelegt worden und somit kommt sie nicht umhin, den Besuch direkt auszufragen.

>>Was machen Sie eigentlich? Und gerade bei uns? Und warum tragen Sie diese weißen Sachen? Und was meinten Sie eben mit den sechs Kindern? Und …<<

>>Emily, lass unseren Besuch doch erstmal Luft holen<<, sagt Charlotte mit einem Lächeln.

Erusius lacht.

>>Du bist immer noch so neugierig, wie schon damals. Das ist aber auch gut so. Ich trage diese Kleidung, weil diese mich da, wo ich herkomme, beschützt und mir eine Tarnung verleiht. Und ich bin hier, weil ich dich fragen möchte, ob du Lust hast, mit mir eine Reise zu unternehmen. In mein Land. Ich werde dich mit meinen anderen Freunden und Kollegen ausbilden und dir Sachen zeigen, die du nie für möglich hältst. Du wirst Fähigkeiten bekommen, die dich zum Staunen bringen werden. Zusammen mit anderen auserwählten Kindern, werdet ihr gemeinsam eure unterschiedlichen Fähigkeiten einsetzen, um das Land, aus dem ich komme, zu retten. Aber vorher müsst ihr erstmal ausgebildet werden, bevor ihr das, was unser Land zerstört, hoffentlich besiegen könnt. Sonst wäre das zu gefährlich. Danach werden wir alle zusammen dagegen kämpfen und es hoffentlich besiegen. Aber das wirst du alles noch bei uns lernen. Ich würde mich freuen, wenn du heute direkt mit mir kommen würdest und wir direkt weiterreisen. Wir dürfen keine Zeit verlieren!<<

Emily schwenkt ihren Blick zunächst zu Erusius und dann zu ihren Eltern.

>>Und ihr wisst das auch, dass ich weg soll, um bei einer so verrückten Sache mitzumachen?<<

>>Nein, wir wollen nicht, dass du weggehst. Bitte verstehe doch, nur ihr sechs Kinder könnt das Land retten. Das ist wirklich wichtig! Wir wussten schon lange, dass es irgendwann soweit sein würde. Aber wir haben es dir zu deinem eigenen Schutz bis heute noch nicht gesagt<<, antwortet Rudolf mit eindringlicher Stimme.

Für Emily klingt das alles unglaubwürdig. Kurzerhand steht sie von ihrem Stuhl auf.

>>Möchtet ihr mal meine Meinung dazu hören? Ich glaube, ihr schaut viel zu viele Actionfilme! Und ich dachte, ich wäre das Kind hier, aber ganz ehrlich, soll das euer Ernst sein? Ich soll einfach mit einem Fremden losziehen ohne euch und dann irgendwas Komisches lernen mit irgendwelchen Fähigkeiten, wo selbst ich nicht weiß, ob ich diese überhaupt besitze? Wisst ihr, wer dieser Eris oder …<<

>>Erusius heiße ich.<<

>>Okay, wer dieser Erusius überhaupt ist? Sorry, aber da mache ich nicht mit! So etwas Verrücktes.<<

Emily läuft aus der Küche und rennt nach oben in ihr Zimmer. Sie schließt ihre Zimmertür und setzt sich auf ihr Bett.

>> Glauben die auch selbst, was die da reden? Irgendwelche Fähigkeiten und ich soll mit dem Verrückten mitgehen. Ich glaube, dieser Erusius hat Mama und Papa eine Gehirnwäsche verpasst. Ne, sorry, das können die gerne allein machen.<<

Plötzlich klopft es an der Zimmertür und Charlotte kommt in ihr Zimmer. Sie setzt sich zu Emily auf ihr Bett.

>>Emily, bitte hör doch mal. Ich bin auch nicht begeistert und ganz ehrlich, ich kann mir jetzt vorstellen, wie du darüber denkst. Du hörst solche komischen Sachen und denkst auch, alle wären verrückt geworden. Ich würde genauso reagieren, wenn ich an deiner Stelle wäre. Aber schau doch mal, du bist doch ein sehr hilfsbereiter Mensch. Und in diesem Land brauchen die Leute deine Hilfe. Und zwar ganz dringend! Und wenn jemand Hilfe braucht, dann bist du doch immer für diejenigen da, oder nicht?<<

Emily nickt.

>>Aber Mama, wie soll ich denen denn helfen? Ich bin doch nur ein gewöhnliches Mädchen. Ich habe doch gar keine Fähigkeiten! Ich glaube, ich bin die Falsche und nicht die, die er sucht. Vielleicht irrt er sich ja.<<

>>Die Fähigkeiten, die du hast, wirst du ja noch lernen. Dir sind doch bestimmt die blauen Augen von Erusius aufgefallen, oder?<<

>>Ja. Das war schon sehr gruselig, denn die sehen genauso blau aus, wie meine.<<

>>Na siehst du. Somit brauchst du keine Angst zu haben, denn irgendwie gehört er zur Familie. Ich mache dir einen Vorschlag. Du gehst nochmal zu Erusius und sprichst mit ihm allein. Und wenn du dann mit ihm gesprochen hast, dann triffst du eine Entscheidung nur für dich, ob du mit ihm mitgehen möchtest oder nicht.<<

>>Na gut, Mama. Aber wenn ich nicht will, ist das dann auch in Ordnung?<<

>>Niemand kann dich zwingen, mit ihm zu gehen. Du hilfst ja keinem, wenn du von dir selbst aus nicht helfen möchtest und deine Fähigkeiten nicht lernst.<<

Charlotte nimmt ihre Tochter in den Arm und drückt sie ganz fest. Emily will ihrer Mutter, aber auch sich selbst, einen Gefallen tun und Erusius nochmal eine Chance geben. Daher geht sie wieder zurück in die Küche, um jetzt mit Erusius allein sprechen zu können. Rudolf, der immer noch bei Erusius in der Küche sitzt, steht von seinem Stuhl auf.

>>Dann lass ich euch mal kurz allein reden.<<

Er gibt Emily einen Kuss auf die Stirn, bevor er die Küche verlässt und die Tür hinter sich schließt, damit Erusius und Emily ungestört reden können. Emily setzt sich an den Tisch gegenüber von Erusius. Sie schaut ihn sich nochmals ganz genau an, seine blauen Augen, die weißen Anziehsachen – alles doch recht merkwürdig, findet sie.

>>Schön, dass du dich doch nochmal entschlossen hat, mit mir zu reden, Emily.<<

>>Das haben Sie eher meiner Mutter zu verdanken, die mir nochmal zugeredet hat. Aber bevor ich selbst eine Entscheidung treffe, ob ich mitkomme oder nicht, möchte ich erst einmal mehr darüber wissen, wohin wir fahren und was ich da machen soll. Und was für Fähigkeiten meinen Sie? Ich habe keine Fähigkeiten!<<

>>Alles kann ich dir hier in eurem Haus nicht beantworten, aber ich kann dir so viel bereits sagen: Wir reisen in ein Land, wo nichts so ist wie hier. Es ist alles hell. Alle tragen helle Kleidung, so wie ich. Es gibt Einhörner und Wesen, die du noch nie gesehen hast. Wir werden zu einer Burg fahren, in der wir euch ausbilden werden. Das ist noch der einzige Ort, wo ihr sicher seid! Alles andere, bis auf ein einziges Dorf vor den Bergen, wird bereits belagert. Wir müssen gemeinsam versuchen, die anderen Fugis zu retten, bevor es zu spät ist! Ein bisschen Zeit bleibt uns aber noch, die es uns erlaubt, euch noch ausbilden zu können.<<

>>Die Fu… was?<<

>>Die Fugis. So nennen wir die Personen, die in meinem Land und in dem Dorf Fuga leben.<<

>>Und Einhörner? So etwas gibt es doch gar nicht!<<

Erusius lacht.

>>Du wirst dich noch wundern, was es alles gibt, was du nicht dachtest oder nicht kennst.<<

>>Nun gut, nehmen wir mal an, ich würde das glauben. Aber was für Fähigkeiten soll ich denn haben?<<

>>So genau kann ich dir das nicht sagen, da du dies bei der Ausbildung erst selbst herausfinden musst. Jeder von euch sechs Kindern hat eine unterschiedliche Fähigkeit, die er einsetzen kann. Die Ausbildung wird euch dabei helfen, diese zunächst herauszufinden und dann auch richtig einsetzen zu können. Ich sag es mal so, ist dir in deiner Kindheit bis jetzt vielleicht irgendwas ungewöhnlich vorgekommen, zum Beispiel etwas, das passiert ist, oder eine Situation, die du vielleicht selbst beeinflussen konntest?<<

Emily überlegt kurz und erinnert sich an den Zahnputzbecher von heute im Badezimmer.

>>Naja, aber das war alles einfach nur Zufall. Zum Beispiel ich habe vorhin mit meinen Geschwistern Verstecken gespielt und ich habe mich im Badezimmer versteckt. Als mein Bruder die Treppe heraufkam, bin ich aus Versehen an den Badezimmerschrank gestoßen, wobei ein Zahnputzbecher beinahe umgefallen wäre! Ich wollte nicht, dass er fällt oder noch lauter wird und habe diesen dann angeschaut und geflüstert, dass er leise sein soll. Und dann blieb er auf einer Kante stehen und hat sich nicht mehr bewegt. Aber das war Zufall! Ein anderes Mal war da ein Hund, der hat einen kleinen Hasen angebellt. Der Hase tat mir total leid, weil der sich aus Angst nicht vom Fleck bewegt hat. In dem Moment habe ich mir gewünscht, dass der Hund doch bitte den Hasen in Ruhe lassen soll und mit dem Bellen aufhört. Kurz darauf war der Hund direkt leise und schaute zu mir, als ob er meine Gedanken lesen konnte. Dann ließ er von dem Hasen ab und ging total lieb weiter, als wäre nichts gewesen! Das fand ich komisch, aber das hat bestimmt nichts mit mir zu tun.<<

Erusius ist erstaunt, als er das hört.

>>Mhmm… deine Fähigkeiten scheinen schon sehr ausgeprägt zu sein. Mehr als ich dachte. Aber Emily, diese Reaktionen der Gegenstände und der Tiere beeinflusst du mit deinen Gedanken. Das ist ein Teil deiner Fähigkeiten, die du auch bewusst einsetzen kannst, wenn du es lernst, damit richtig umzugehen. Das ist kein Zufall.<<

Emily weiß zum ersten Mal nicht, was sie sagen soll.

>>Emily, höre mir zu, ich will dich nicht zwingen, mit mir zu kommen, aber die Fugis brauchen dringend deine Hilfe, sonst werden bald alle sterben! Mein Land wird von dem, ich nenne es mal, Bösen, besetzt werden und auch eure Welt wird später darunter leiden. Somit müssen wir alle retten, nicht nur die Fugis, sondern auch die Menschen. Ich weiß, du kannst dir das jetzt noch nicht vorstellen. Aber vielleicht kann ich dich ja davon überzeugen, wenn du erstmal nur ein halbes Jahr mitkommst und dir alles anschaust. Dann kannst du doch immer noch für dich entscheiden, ob du wiederkommen und helfen möchtest!<<

Emily überlegt kurz.

>>Mhmm… anschauen kann ich es mir ja. Neugierig bin ich ja schon …<<

Emily ist sich trotzdem unschlüssig, ob sie dem allen einfach so Glauben schenken kann. Aber wenn es wirklich wahr sein sollte, dann wäre es schon toll, das alles mal zu sehen. Besonders die Einhörner, sollte es die wirklich geben.

>>Okay, ich werde es mir ansehen und dann nach einem halben Jahr entscheiden, ob ich weiter mitmache. Ich kann aber nicht versprechen, dass ich nicht nach einem halben Jahr nichts mehr damit zu tun haben möchte. Und ich komme nur mit, weil meine Eltern Sie wohl kennen und Ihnen vertrauen! Ich weiß immer noch nicht, warum, denn, ganz ehrlich, wenn mir jemand etwas von Fugis und Einhörnern erzählt, dann, Entschuldigung, aber dann denke ich eigentlich, dass dieser jemand nicht mehr alle Tassen im Schrank hat und ganz dringend Hilfe braucht!<<

Erusius lacht und freut sich, dass Emily zumindest erstmal für ein halbes Jahr mitkommen möchte.

>>Das ist eine weise Entscheidung und ich danke dir schon jetzt, Emily.<<

>>Gut, dann fahren wir heute schon los?<<

>>Ja, wir müssen gleich los. Aber du hast natürlich noch Zeit, deine Sachen zu packen und dich von deinen Geschwistern und Eltern zu verabschieden.<<

>>Okay. Dann gehe ich mal in mein Zimmer und packe die Sachen. Ich werde aber eben Mama und Papa noch Bescheid geben, dass ich mitkommen werde.<<

>>Okay. Ich werde so lange hier auf dich warten. Aber Emily, bitte erzähle deinen Geschwistern zu deren Schutz nichts von dem, was ich dir erzählt habe. Sag ihnen einfach, du fährst in eine andere Schule für ein halbes Jahr oder so.<<

>>Na gut, ich denke mir etwas aus. Dann bis gleich.<<

Emily läuft in ihr Zimmer und packt ihre Sachen. Sie weiß gar nicht so recht, was sie einpacken soll. Ein halbes Jahr ist lang. Ob es da wohl eine Waschmaschine gibt, um ihre Kleidung zu waschen?

Sie holt ihren großen Koffer aus der hintersten Ecke ihres Zimmers heraus und packt Oberteile, Hosen, Unterwäsche, Schlafsachen, ihr Kuschelkissen, Waschutensilien und zwei Paar Schuhe ein. Ein Paar Turnschuhe und ein Paar Trekkingschuhe, denn man weiß ja nie, was einen in dem halben Jahr erwartet. Vielleicht werden sie ja auch mal weite Wege gehen müssen oder Berge erklimmen. Emily hat eigentlich gar keine Vorstellung davon, was sie erwartet, und welche Sachen sie einpacken soll. Aus diesem Grund packt sie ihren Koffer einfach mal so, als würde sie in den Urlaub fahren.

Nachdem sie alles eingepackt hat, schließt sie den Koffer und geht zu Charlotte und Rudolf, die im Wohnzimmer auf sie warten.

>>Und, hast du dich entschieden?<<, fragt Charlotte.

>>Ja, ich werde für ein halbes Jahr mitgehen und mir alles anschauen. Wenn es mir nicht gefällt, dann fahre ich nie wieder hin. Ich werde mich erst nach dem halben Jahr entscheiden, ob ich wirklich dabei sein möchte.<<

>>Das ist eine gute Entscheidung. Ich bin stolz auf dich Emily<<, sagt Rudolf und legt seinen Arm um ihre Schultern. Emily nimmt daraufhin Charlotte und Rudolf ganz fest in ihre Arme. Auf der einen Seite ist sie traurig, so lange von ihrer Familie getrennt zu sein, aber auf der anderen Seite ist sie auch neugierig, was sie erwarten wird in dem mysteriösen Land, von dem ihre Eltern und Erusius ihr erzählt haben.

Die Reise

Emily steht mit ihrem vollgepackten Koffer an der Haustür neben Erusius. Ihre Eltern und Geschwister stehen ihr gegenüber, um sich noch von ihr zu verabschieden, bevor ihre große Reise beginnt.

Jetzt wird Emily erst einmal klar, wie lang sie von ihrer Familie weg sein wird, denn ein halbes Jahr ist wirklich eine lange Zeit. So lang war sie eigentlich noch nie von ihren Eltern und Geschwistern getrennt. Ihr wird bewusst, wie sehr sie doch alle vermissen wird.

>>Ihr werdet mir alle sehr fehlen<<, sagt Emily und umarmt alle nochmals mit Tränen in den Augen.

>>Du uns auch, mein Schatz<<, antwortet Charlotte. Auch ihr kullern Tränen die Wangen herunter, während sie ihre Tochter fest in den Armen hält. Sie drückt Emily noch Proviant und eine Flasche Wasser in die Hand.

>>Sie wird bei uns auch genug zum Essen und zum Trinken bekommen. Mach dir keine Sorgen, Charlotte. Ich werde auf eure Tochter gut aufpassen, als wäre sie meine eigene<<, sagt Erusius, als er das besorgte Gesicht von Charlotte sieht.

>>Ich verstehe immer noch nicht so ganz, wohin du fährst. Ich dachte, du kennst den Mann gar nicht …<<, flüstert George Emily ins Ohr, während er sie zum Abschied umarmt.

>>Noch nicht, aber ich werde ihn bestimmt noch besser kennenlernen während meiner Ausbildung<<, antwortet Emily.

>>In was für einer Ausbildung denn?<<

>>Ähm … also…<< Emily weiß nicht, was sie darauf antworten soll.