Notfall Klinikpersonal - MSc, Jens Grüne - E-Book

Notfall Klinikpersonal E-Book

MSc, Jens Grüne

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Beschreibung

Die Rahmenbedingungen in den Kliniken sind seit vielen Jahren kritisch zu betrachten. Die Arbeitsanforderungen steigen stetig an und der Personalmangel nimmt massiv zu. Hierdurch kann die Versorgung der PatientInnen immer weniger gewährleistet werden. MitarbeiterInnen in den Kliniken befinden sich zunehmend in einer Arbeitsüberforderung, die zu erhöhtem Stress, Burnout und Konflikten führt. Die Grenzen der physischen und psychischen Überlastungen sind schon lange erreicht. Die Corona-Pandemie hat dieses potenziert. Es besteht akuter Handlungsbedarf, um die Rahmenbedingungen und die Ressourcen in den Kliniken zu verändern. Der Notfall Klinikpersonal wurde zu lange von der Gesellschaft und der Politik missachtet. Es ist mehr als deutlich, dass das Gesundheitswesen sukzessive kollabiert. In diesem Buch werden die Faktoren Stress, Burnout und Konflikte unter wissenschaftlichen Perspektiven betrachtet. Inhalte: - Stress und Ursachen - Burnout und Folgen - Konflikte in Kliniken - Generationskonflikte - Auswirkungen von Covid19 - Lösungsansätze - uvm.

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Seitenzahl: 114

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Jens Grüne

Notfall Klinikpersonal

Stress, Burnout und Konflikte in Kliniken

© 2021 Jens Grüne

Umschlag, Illustration: Jens Grüne

Lektorat, Korrektorat: Steffi Kaiser

Verlag & Druck:

tredition GmbH

Halenreie 40-44

22359 Hamburg

ISBN

 

Paperback

978-3-347-29975-7

Hardcover

978-3-347-29976-4

e-Book

978-3-347-29977-1

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1. Einleitung

2. Definition Stress

2.1 Stressmodelle

2.1.1 Biologische Stressmodelle

2.1.2 Soziologische Stressmodelle

2.1.3 Stressoren in Kliniken

2.1.4 Psychologische Stressmodelle

2.1.5 Ressourcenfokussierte Stressmodelle

2.1.6 Arbeitsweltbezogene Stressmodelle

3. Burnout

3.1 Definition Burnout

3.2 Diagnose von Burnout

3.3 Symptome von Burnout

3.4 Ätiologie des Burnout

3.5 Burnout-Modelle und -Theorien

3.5.1 Phasenmodell nach Freundenberger

3.5.2 Phasenmodell nach Maslach & Jackson

3.5.3 Ressourcentheoretische Perspektive

3.5.4 Gerechtigkeitstheorie

4. Stress und Burnout in Kliniken

5. Konfliktmanagement

5.1 Definition Konfliktmanagement

5.2 Konfliktanalyse

5.3 Konfliktarten

5.4 Einstufung nach Konfliktfaktoren

5.5 Eskalationsstufen nach Glasl

5.6 Konfliktmanagementmethoden

5.6.1 Konstruktive Konfliktbearbeitungsansätze

5.6.2 Strategiemodell der Eskalationsstufen

5.6.3 Das Werte- und Entwicklungsquadrat

6. Konflikte in Kliniken

7. Ergebnisse der Interviews in den Kliniken

8. Ansätze zur Reduzierung von Stress und Burnout

9. Generationskonflikte in Kliniken

10. Corona-Krise (COVID-19)

11. Lösungsansätze

12. Ausblick

Literaturverzeichnis

Vorwort

Vor dem Hintergrund zunehmender Herausforderungen im Gesundheitswesen z. B. durch Personalmangel und zu hohe Arbeitsbelastungen in Verbindung mit dem demografischen Wandel, sehen sich Beschäftige und Kliniken mit wachsenden Zahlen von Stress und Burnout konfrontiert. Parallel dazu steigt die Anzahl der Konflikte, was zu weiteren negativen Folgen führen kann. Das Ziel des vorliegenden Buches ist es, zu beleuchten, wie Einflüsse, die in Kliniken zu Stress und Burnout führen, durch die Anwendung von Konfliktmanagementmethoden vonseiten des ärztlichen Fachpersonals und der Pflegedienstleitungen reduziert werden können. Um diese und weitere Fragen zu beantworten, werden anhand von wissenschaftlicher Faktoren die Themen Stress, Burnout und Konflikte erläutert und mittels Interviews mit ExpertInnen, d. h. mit ärztlichem Fachpersonal und Pflegedienstleitungen sowie Pflegekräften, überprüft.

Die Auswertung zeigt auf, dass es viele Stressfaktoren in Kliniken gibt und die Ursachen für Burnout u. a. an Stressoren sowie an spezifischen Verhaltensweisen auszumachen sind. Zudem ist das Konfliktpotenzial in Kliniken sehr hoch, was u. a. an der Vielzahl von Schnittstellen mit verschiedenen Berufsgruppen liegt.

Die Ergebnisse belegen, dass die ÄrztInnen und Pflegedienstleitungen noch kein ausreichendes Wissen über Konfliktmanagementmethoden haben. Die befragten Pflegekräfte sind sich einig, dass ein effektiver Umgang mit Konflikten seitens der Führungskräfte zur Reduzierung von Stress und Burnout führen kann.

Um eine solche Reduzierung zu erreichen, müssen die verantwortlichen Führungskräfte durch zielführende Schulungen und Coaching die Methoden für adäquates Konfliktmanagement erlernen. Zudem zeigen die Untersuchungen, dass die Themen aktuell und relevant sind. Es besteht daher ein akuter Handlungsbedarf, um die hohen Belastungen aufgrund von Stress, Burnout und Konflikten in Kliniken zu reduzieren.

Ich möchte mich Ihnen kurz vorstellen:Mein Name ist Jens Grüne. Ich bin Kommunikationspsychologe (FH) und Master of Science (MSc) in Kommunikation- und Betriebspsychologie. Seit Jahren arbeite ich freiberuflich als Trainer und Coach in zahlreichen Kliniken in Deutschland. In meiner vorherigen Laufbahn war ich über 20 Jahre im Rettungsdienst tätig. Unter anderem als Ausbilder / Dozent und Prüfer sowie als Betriebsleiter. Hierdurch konnte ich zahlreiche Erfahrungen in vielen verschiedenen Kliniken sammeln und verstehe die medizinischen Abläufe und deren Fachkommunikation sehr gut. Dieses Wissen hilft mir seit Jahren in meiner Tätigkeit als Trainer und Coach in den Kliniken.

Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, das ärztliche Fachpersonal, Pflegekräfte und Funktionsdienste sowie Geschäftsführer zu unterstützen, um die Belastungen in den Klinken zu reduzieren. Diese Arbeit ist für mich eine Herzensangelegenheit, weil in allen Kliniken hervorragend ausgebildete und sehr motivierte MitarbeiterInnen jeden Tag eine herausragende Arbeit leisten. Jedoch auf Grund der meist schlechten Rahmenbedingungen und internen Belastungen an ihre persönlichen Grenzen geraten.

Zudem bekommen die MitarbeiterInnen leider häufig nicht mehr die Anerkennung und Wertschätzung aus der Gesellschaft die ihnen gebühren sollte.

Das vorliegende Buch soll dazu beitragen, die aktuellen Belastungen in den Kliniken zu beleuchten und somit zu einem besseren Verständnis führen. Zudem sollen Lösungsansätze aufgezeigt werden, die dabei helfen können, die hohen psychischen und physischen Belastungen zu reduzieren. Hierzu werden zum einen wissenschaftliche Gesichtspunkte aufgezeigt und zum anderen persönliche Erfahrungen aus meiner Arbeit beschrieben.

Ihr

Jens Grüne, MSc

1. Einleitung

Die Arbeits- und Lebenswelt der Menschen befindet sich heutzutage im ständigen Wandel. Neben den positiven Effekten, wie z. B. technologischem Fortschritt, gibt es auch große Herausforderungen, die sowohl das Individuum als auch die Gesellschaft belasten. Die einzelnen Gesellschaftsmitglieder sind erhöhtem Stresspotenzial ausgesetzt, was zu vermehrten psychischen Erkrankungen führt. Dies betrifft insbesondere die Branche Gesundheitswesen: Die Kliniken sind überlastet und das Personal ist erhöhtem Stress ausgesetzt, was zu vermehrten Konflikten und in der Gesamtheit zu Burnout führen kann.

Der Anstieg bei den psychischen Erkrankungen wird unter anderem belegt durch den Gesundheitsreport der DAK. Gerade die Branche Gesundheitswesen liegt mit einem Krankenstandswert von 4,7 Prozent an der Spitze und somit deutlich über dem Durchschnitt aller Branchen.1 Die TK-Stressstudie zeigt, dass die Arbeit als Stressursache auf Platz eins steht.2 Die Burnout-Werte für MitarbeiterInnen in Kliniken haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Bereits die NEXT-Studie aus dem Jahr 2005 zeigt dieses auf. Das Pflegepersonal in Kliniken ist täglich mit verschiedensten Stressoren konfrontiert, die zu emotionaler Erschöpfung und damit zu Burnout führen können.3 Nach einer Studie von Becka et al. sind 41% der befragten Pflegekräfte teilzeitbeschäftigt, weil sie eine Vollzeitbeschäftigung als zu stressig bzw. belastend empfinden. In keinem anderen Berufsfeld wurde bei dieser Befragung die Arbeitsbelastung als so hoch eingestuft.4 Konflikte können aufgrund sozialer Stressoren entstehen und durch Konflikte wiederum kann Stress entstehen.5

Der Bereich Konflikte am Arbeitsplatz wird z. B. durch die DGFP-Studie: „Psychische Beanspruchung von Mitarbeitern und Führungskräften“ dargestellt.6 Eine weitere Studie, „Konfliktmanagement - Von den Elementen zum System“, zeigt, dass zwischen den Wünschen und den Ansprüchen von Unternehmen, bezogen auf das interne Konfliktmanagement und dessen tatsächlichen Umsetzungen, eine signifikante Diskrepanz besteht.7

Um Konflikte zu bearbeiten, zu reduzieren oder aufzulösen, benötigen Führungskräfte - ärztliches Fachpersonal und Pflegedienstleitungen - im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht Methoden des Konfliktmanagements. Dies können z. B. Konfliktbearbeitungsansätze nach Müller-Fohrbordt (1999) oder Eskalationsstufen nach Glasl sein (2013). Die ÄrztInnen und Pflegedienstleitungen sollten die Fähigkeit zu einer adäquaten Konfliktanalyse haben. „Eine Verbesserung des Konfliktverhaltens von Einzelnen, von Gruppen und von Organisationen kann zunächst nur dadurch erreicht werden, dass zwischen dem Auftreten des Konfliktes und dem Suchen der Lösung eine ausführliche Analysephase stattfindet“.8 Zu den Bereichen der psychischen Arbeitsbelastungen in Form von Stress und Burnout gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Studien. Zum Beispiel den iga.Report 329 oder die oben genannte DGFP-Studie. Die Studie RN4CAST zeigt auf, dass 30% der Pflegekräfte in Kliniken unter emotionaler Erschöpfung leiden, bei 15% wurde bereits Burnout festgestellt.10

Die Situation der Beschäftigten im Gesundheitswesen zeigt auf, dass zwischen den Jahren 2000 und 2015 die Zahl der Beschäftigten um 27 % gestiegen ist.11 Das Gesundheitswesen zählt somit zu den stärksten Wachstumsbranchen in Deutschland.

Im Jahr 2015 waren insgesamt 5,3 Millionen Menschen im Gesundheitswesen beschäftigt. 2,8 Millionen Beschäftigte sind in medizinischen Gesundheitsberufen tätig.12

Im Jahr 2016 standen insgesamt 1951 (2015: 1956) Krankenhäuser und rund 498.700 Betten für die stationäre Versorgung der Bevölkerung Deutschlands zur Verfügung.13 Gerade in den westlichen Ländern sind die Belastungen dort aufgrund von psychischem Druck sehr hoch.14

„Die Organisation der Arbeitszeiten ist im Pflegeberuf von großer Bedeutung, da es durch Wochenend-, Bereitschaftsund Nachtdienste, unvorhersehbares „Einspringen“ und Unregelmäßigkeiten zu körperlichen wie auch psychosozialen Belastung für die Pflegenden kommt“.15 Der bereits erwähnte Arbeit-Familie-Konflikt steht in Zusammenhang mit den Arbeitszeiten. Ist hingegen eine Zufriedenheit mit den Arbeitszeiten gegeben, reduziert das die Entstehung von Burnout. Unzufriedenheit in Bezug auf die Arbeitszeiten führt häufig zu dem Wunsch, den Beruf zu verlassen.15 Der Pflegebereich in Deutschland befindet sich in einer angespannten Situation: Aufgrund der demografischen Entwicklung, d. h. des zunehmenden Anteils älterer Menschen, erhöht sich die Zahl der Pflegebedürftigen. Somit erhöhen sich auch die psychischen Anforderungen an das Pflegepersonal, die viele Pflegekräfte aufgrund der eigenen Belastungen nicht mehr ausgleichen können und als Folge davon früher den Beruf verlassen.16

Einen wichtigen Faktor bezüglich der zunehmenden Arbeitsbelastung, stellt der Personalmangel im Gesundheitswesen dar. Die Studie der PwC „112 – und niemand hilft“ legt dar, dass der Personalmangel im Gesundheitswesen bis zum Jahr 2030 noch erheblich zunehmen wird.17

„Um diesem Umstand entgegenzuwirken, ist es von großer Bedeutung, den Gesundheitszustand der Pflegenden zu ermitteln, um diesen mit geeigneten Konzepten der Arbeitsgestaltung zu unterstützen“.18 Pflegekräfte sind aufgrund psychischer Störungen häufiger in stationärer Behandlung als der Durchschnitt der Bevölkerung.19

„Der Beruf als Pflegekraft stellt ein erfüllendes, aber auch forderndes Tätigkeitsfeld dar. Gekennzeichnet ist die Tätigkeit z. B. durch körperliche Anstrengungen und psychische Belastungen, Schichtarbeit und Arbeitsprozesse […]. Dies kann langfristig zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen“.20

2. Definition Stress

„Der Begriff ,Stress‘ (lat. strictus: straff) wurde aus dem Englischen übernommen und bedeutet im technisch-physikalischen Kontext Druck, Belastung oder Spannung“.21 Cannon beschreibt in seiner Stresstheorie, dass das Stammhirn auf alles überraschende Neue reflexartig reagiert und es zwei Alternativen gibt: fliehen oder kämpfen. Die Organe werden auf Flucht oder Aggression durch die Ausschüttung von Adrenalin und Noradrenalin in Breitschaft gesetzt.22 Wie Lazarus und Folkman darstellen, wurde Stress im wissenschaftlich- medizinischen Zusammenhang erstmals 1944 im Index der „Psychological Abstracts“ benannt.23

Einer der ersten Stressforscher war Hans Selye (1953). Aufgrund seiner Forschungen in diesem Bereich wurde der Begriff Stress bekannt. Selye beschreibt Stress als ein spezielles Syndrom, welches aus unspezifischen Veränderungen innerhalb eines biologischen Systems besteht - das allgemeine Anpassungssyndrom (AAS). Nach Selye besteht die Stressreaktion aus drei Phasen:

1. Alarmreaktion (körperliche Reaktion auf einen Stressor).

2. Widerstandsphase (Halten des Körpers auf „Normalniveau“ durch erhöhten Widerstand).

3. Erschöpfungsphase (Zusammenbruch der Abwehr).

Weiter unterscheidet Selye zwischen Distress (negativem Stress) und Eustress (positivem Stress).24

Lazarus und Folkman beschreiben Stress als einen unangenehmen Erregungszustand, der entsteht, wenn man das Gefühl hat, dass die äußeren Anforderungen die eigenen Ressourcen übersteigen.23

Lazarus stellte zudem die transaktionale Stresstheorie auf. Hierbei fügt er den Faktor der kognitiven Bewertung mit ein, bei dem er in eine primäre (Stresssituation subjektiv relevant oder bedrohlich) und sekundäre Bewertung (Ressourcen zur Bewältigung vorhanden) unterscheidet.23

Die verschiedenen Definitionen von Stress haben gemein, dass „die Anforderungen der Umwelt die adaptive Kapazität eines Organismus stark in Anspruch nehmen oder übersteigen; dies führt zu psychologischen und biologischen Veränderungen, die die Personen dem Risiko einer Krankheit aussetzen können“.25

2.1 Stressmodelle

Wie bereits in Kapitel 2 erwähnt, ist der Begriff Stress nicht einheitlich definiert. Um das Thema Stress nachvollziehbar zu beschreiben, ist es hilfreich, zunächst die einzelnen Stressmodelle zu unterscheiden. Hierzu gibt es verschiedene Sichtweisen von Stress. Entsprechend der jeweiligen Perspektive der stresstheoretischen Modelle können unterschiedliche Ansätze aufgezeigt werden. Die für dieses Buch relevanten stresstheoretischen Modelle werden im Folgenden herausgegriffen und beschrieben.

2.1.1 Biologische Stressmodelle

Bei den biologischen Stressmodellen handelt es sich um die körperliche Reaktionen, die als Antwort auf die Stressoren folgen.21

Vertreter der biologischen Stressmodelle sind beispielsweise Cannon (1932) und Selye (1953). Eine solche biologische Stressreaktion läuft im Körper aufgrund unterschiedlicher Systeme ab.

Da der Körper auf Stressoren reagiert, kommt es bei Bedrohung zu einer Stressreaktion, die verschiedene körperliche Reaktionen hervorruft: Zunächst werden Stresshormone (z. B. Adrenalin und Kortisol) freigesetzt, die dafür sorgen, dass mehr Energie für den Körper zur Verfügung steht und der Körper in der Lage ist zu kämpfen oder wegzulaufen, d. h. eine Kampf- oder Flucht-Reaktion zu zeigen.26 Bei der Stressreaktion sind vor allem das limbische System im zentralen Nervensystem, der Kortext sowie das Stammhirn beteiligt. Es kommt zu einer Aktivierung des sympathischen Nervensystems und der Sympathikus-Nebennierenmark-Achse.21 Der Sympathikus ist Teil des vegetativen Nervensystems und Antagonist des parasympathischen Nervensystems. Die Aufgabe beider Systeme besteht in der Regulierung der inneren Organe. Selye entwickelte das allgemeine Adaptionssyndrom, das sogenannte GAS (general adaption syndrome). Hierbei unterscheidet Selye drei Phasen:

1. Alarmreaktionsphase:

Während dieser Phase reagiert der Körper auf den Stressor, d. h. durch körperliche Erregung wird vermehrt Energie frei - gesetzt und der Organismus wird durch das „Fight-or-Flight-Syndrom“ geschützt. Zusätzlich kommt es zu einer Steigerung des Sympathikus. Diese Alarmreaktion wird im Verlauf des Lebens häufig wiederholt.24

2. Resistenzphase:

Diese Phase wird auch als Widerstandsphase bezeichnet. Es besteht eine hohe physische Erregung, die in einer Resistenz gegenüber dem Stressor mündet. Das parasympathische System steuert jetzt dagegen und es folgt eine Reduzierung der Symptome der Alarmreaktion. Kommt es im weiteren Verlauf zu einer Anpassung an den Stressor, kann der Körper sich regenerieren. Gelingt die Anpassung nicht, kommt es zur Überforderung. Hält die Überforderung länger an, führt dies zur Erschöpfungsphase.24

3. Erschöpfungsphase:

Die Erschöpfungsphase kann Krankheiten (z. B. Depressionen) bis hin zum Tod nach sich ziehen. Die Fähigkeit, auf den vorhandenen oder auf neue Stressoren zu reagieren, ist reduziert.24 Bei einer chronischen Belastung werden die Stresshormone über längere Zeit ausgeschüttet, was zu Störungen im Bereich des Herz-Kreislauf-Systems, des Stoffwechsels und des Immunsystems führen kann. Weiter können Lern- und Gedächtnisstörungen auftreten.26

2.1.2 Soziologische Stressmodelle

Im Vordergrund der soziologischen Stressmodelle steht der Stressor. Hierbei wird angenommen, dass die unterschiedlichen Stressoren spezifische Stressreaktionen hervorrufen. Dabei bedarf es verschiedener Verhaltensoptionen, um mit diesem Stressor umzugehen. Stressoren können positiv (z. B. Sport) oder negativ sein (z. B. Krankheiten). Die soziologischen Stressmodelle definieren Stress nach beobachteten Reiz-Reaktions-Beziehungen und nicht durch den Reiz oder die Reaktion allein betrachtet.21 Stressoren lassen sich in drei Ebenen unterteilen.27

Tab. 1: Eigendarstellung: Ebenen der Stressoren (in Anlehnung an Anderson, 1991)

 

Stressoren der Ebene I:

Stressoren der Ebene II:

Stressoren der Ebene III:

 

chronische Stressoren

wichtige Lebensereignisse

tägliche Ereignisse

Stressoren aus dem sozialen und gesellschaftlichen Bereich. Z. B. Rassismus, Lärm, Armut etc.

Stressoren durch Lebensereignisse („live events“). Z. B. Scheidung, Schulabschluss, Heirat etc.

Stressoren auf der sog. Mikroebene. Z. B. Verkehr, häufige Unterbrechungen, Stress mit Vorgesetzten.