Nur Blut und Asche - Emilia Frey - E-Book

Nur Blut und Asche E-Book

Emilia Frey

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Beschreibung

Der Krieger Lykos liebt seinen Heerführer Periander. Doch es ist eine Verbindung, die nicht sein darf im antiken Griechenland. Sie macht Lykos angreifbar, was der Kampfgefährte Prinz Agon kompromisslos ausnutzt. Er stiftet Lykos zum Verrat an, als Preis dafür, das Geheimnis der verbotenen Beziehung zu bewahren. Wie soll Lykos sich entscheiden? Agons Absichten sind undurchsichtig. Was will er wirklich? Inmitten der Kriegswirren um Troja hat Lykos seinen schwersten Kampf zu bestreiten: die Liebe Perianders nicht zu verlieren. Ein gefährliches Ringen beginnt.

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Emilia Frey

Impressum

© dead soft verlag, Mettingen 2016

http://www.deadsoft.de

© the author

Cover: Irene Repp

http://www.daylinart.webnode.com/

Bildrechte:

© Lieres – fotolia.com

© Vachom – fotolia.com

1. Auflage

ISBN 978-3-96089-007-2

ISBN 978-3-96089-008-9 (epub)

Inhalt:

Nur Blut und Asche

Ich erwache in Perianders Armen. Obwohl die Nachtluft etwas Kühlung brachte, ist meine Haut klamm und verschwitzt. Perianders Hitze tut ihr Übriges. Ich weiß nicht, was mich geweckt hat, doch in der Luft liegt eine vibrierende Unruhe, die mich aus dem Schlaf gerissen haben muss.

Periander erwacht, als ich mich aus seinen Armen schäle. „Wohin gehst du?“, murmelt er verschlafen. Seine Lider glänzen bläulich in der Dunkelheit. Im letzten Kampf hat er sich eine Wunde zugezogen, eine leichte, die ihn aber trotzdem erschöpft. Ich streiche über den fast verheilten Wundrand an seinem Arm. Er zuckt zurück, lächelt aber.

„Ich kann nicht schlafen“, sage ich. „Ich gehe kurz raus.“

Er brummt etwas, der zurückkehrende Schlaf macht seine Worte undeutlich.

Draußen vor dem Zelt zeichnet sich noch nicht einmal das Grau des Morgens am Horizont über dem Meer ab. Die Wellen flüstern über den Sand. Vereinzelte Feuer flackern im Lager, die Silhouetten der Wachposten zeichnen sich gegen den blauschwarzen Himmel ab. Es riecht nach Meersalz, Tang und dem Rauch der Feuer.

Ich gehe zum Strand, bade die verschwitzten Beine im Wasser, bis zum Rand meiner Tunika, die kurz über den Knien endet.

Jemand ruft meinen Namen, leise, kaum lauter als das Murmeln der Wellen. „Lykos!“

Ich wende den Kopf, sehe nichts.

„Lykos, hier!“

Jetzt erkenne ich den Schatten, der auf dem Wasser treibt: Jemand schwimmt im Meer! Ich kneife die Augen zusammen, um meine Sicht zu schärfen.

Ein blasses Gesicht, weiß wie das Mondlicht. Vom Lager weht das unruhige Wiehern eines Pferdes herüber. Ich schlüpfe aus meiner verschwitzten Tunika und wate ins Wasser. Es ist angenehm kühl, schwarz wie Kohle schwappen die Wellen gegen meinen nackten Bauch.

Bald bin ich so tief im Wasser wie der, der mich rief. Die Wellen schlagen sanft gegen mein Kinn, so dass ich den Kopf etwas aufrichte, um kein Wasser in den Mund zu bekommen.

Er schwimmt auf mich zu und ich erkenne ihn: Agon.

Der Blick aus seinen ungewöhnlich dunklen Augen, die das nächtliche Schwarz des Meeres widerzuspiegeln scheinen, hält mich fest. Er lächelt. In diesem Lächeln liegt das Bewusstsein, dass er jung ist und schön.

Er schwimmt zu mir heran, stellt sich auf den festen Grund.

„Ich habe die Götter gebeten, dich zu wecken.“ Er lächelt. Seine feuchten Locken umgeben sein Gesicht wie eine Krone aus Dunkelheit.

Wie zufällig berühren seine kalten Finger unter Wasser meinen Bauch. Er kennt meine Vorlieben und obwohl er sie meines Wissens nicht teilt, neckt er mich.

„Sie haben deinem Wunsch entsprochen“, sage ich in einem Tonfall, der ihn erkennen lässt, was ich ihm mitteilen möchte: Was hast du ihnen im Gegenzug geboten?

Er lächelt kryptisch, auch seine Augen geben keine Antwort. „Meine Männer“, sagt er und sieht mich von unten herauf an, „werden morgen den Kampf verweigern.“

Scharf ziehe ich den Atem ein. „Agamemnon wird euch auspeitschen lassen.“ Nur mit Mühe halte ich meine Stimme im Zaum.

Agon lächelt, doch seine Augen blicken ernst. „Nicht“, sagt er bedeutsam, „wenn auch Perianders Männer den Kampf verweigern.“

Mein Blick gleitet zum Lager, als könnte ich zwischen den dunklen Silhouetten Perianders Zelt ausmachen.

Periander ist lediglich der Prinz einer kleinen Insel; doch das genügt, um ihm ein eigenes Zelt zu erlauben. Ich hingegen, als nur einer seiner Männer, müsste das Zelt mit fünf anderen Kriegern teilen. Dass ich stattdessen bei Periander schlafe, ist ein offenes Geheimnis. Aber weil sie ihren Prinzen nicht gegen sich aufbringen möchten, halten unsere Männer den Mund. Keine Andeutungen, keine Neckereien.

Agon ist anders. Er ist kühn genug, meine Beziehung zu Periander als Waffe einsetzen zu wollen.

„Ich soll ihn überreden?“, frage ich vorwurfsvoll.

Agon rückt näher, ich spüre, wie seine Füße Sand und Schlamm vom Grund aufwirbeln. Das Wasser gerät in Bewegung, berührt mich wie kalte Hände. Wenn er noch näher kommt, wird er spüren, dass seine jungenhafte Gestalt noch immer fähig ist, mich zu erregen.

Weil er kleiner ist als ich, spricht er immer noch von unten herauf, das Gesicht gedreht. Ich kann die Wärme seiner Lippen erahnen.

„Er vertraut dir mehr als jedem anderen. Du wirst ihn überzeugen können“, haucht er mir entgegen.

„Periander ist Agamemnon treu ergeben“, wehre ich heiser ab. Meine Stimme ist schon im Begriff, mich zu verraten. Agon lächelt und zeigt mir so, dass er mich durchschaut. Jetzt kommt er noch näher. Meine Knie zucken, weil sie sich bewegen möchten, vorwärts, hin zu Agon. Nur mein Wille steht noch zwischen ihm und mir. Er weiß gar nicht, welche Gefahr ihm droht.

„Aber dir ist er treuer ergeben, nicht wahr?“, sagt Agon leise, sanft. Seine Hand, die unter Wasser nach meiner sucht, streift meine Hüfte.

Ich schaudere. Mein Mund ist trocken, ich schmecke das Meersalz auf meinen Lippen.

Bei uns Griechen ist es üblich, dass ein Älterer einen Jüngeren als Schüler und Geliebten erwählt. An den Älteren werden pädagogische Ansprüche gestellt. Als Periander damals mich aussuchte, war ich ein Junge und hatte keine Ahnung von der Welt. Periander zeigte sie mir, durch sanfte Gesten und zärtliche Worte. Bis ich begriff, dass er mich wirklich liebte, war es längst zu spät; auch meine Liebe hatte sich ihn als Ziel gewählt. Pädagogik spielte längst keine Rolle mehr. Obwohl Periander inzwischen Frau und Kinder hat, weiche ich nicht von seiner Seite und er lässt mich auch nicht fort. Doch wohingegen die Griechen eine Liebe zwischen Älterem und Jüngerem akzeptieren und sogar gutheißen, verdammen sie die Liebe zwischen erwachsenen Männern. Ein Mann, der sich wie eine Frau erobern lässt, ist eine Schande.

So, wie Agon mich jetzt ansieht, weiß ich nicht, ob er mich nur verführen will, weil es seinen Zwecken dient, oder ob er Angst hat, seine Vorlieben zuzugeben.

„Periander wird um Helena kämpfen wie jeder gute Grieche“, gebe ich rau zur Antwort. Ich will Agon fortschieben, aber wenn ich ihn berühre, wird er spüren, dass ich vor unterdrücktem Verlangen zittere. Ich versuche mit aller Kraft, meine verräterischen Gefühle zu unterdrücken. An Periander und seiner Liebe zu mir will ich keinen Verrat begehen.

„Fordere etwas von mir als Preis“, verlangt Agon. Seine Stimme ist entschlossen, rau und verführerisch.

Ich schlucke. „Nein.“

„Alles, was du willst“, bietet er mir an. Er ist nur der Sohn eines Prinzen, dessen alter Vater zu geizig ist, dem Fährmann die Silberstücke zu bezahlen; doch ich weiß, dass die Männer seines Vaters weder diesem noch seinem Großvater treu sind, sondern ihm, Agon. Weil er schön ist, geschaffen für Heldensagen, mutig wie Herakles und fast so strahlend wie Achilles, der unseren Kriegern Mut gibt.

„Fordere, Lykos!“, verlangt er.

Ich sehe ihn an, erblicke das entschlossene Funkeln seiner Augen. Die Feuer der Rebellion brennen darin; er will seinen König verraten, nach Hause zurückkehren. Er ist bereit, seine Männer dafür zu opfern, wenn es sein muss. Und er ist bereit, seinen Stolz wenigstens für eine Nacht dafür hinzugeben.

Ich zügle mich mit fast übermenschlicher Anstrengung. „Ich teile deinen Zorn, Agon“, sage ich, sein Name brennt auf meinen Lippen, „und wie du will ich nach Hause zurückkehren. Agamemnon ist ein gehörnter Ehemann, der sein Volk opfert, um seine Frau zurückzugewinnen. Auch ich erkenne, dass es nur ein Vorwand ist, um seine Machtgier zu verstecken. Ich bin auf eurer Seite, die ihr eine Rebellion anzetteln wollt. Du weißt, dass ich schon einiges riskiert habe, indem ich mit Worten Unmut unter den Männern säe. Aber noch ist es nicht Zeit für offenen Widerstand. Wir brauchen mehr Verbündete, deren Unterstützung wir uns sicher sein können.“

Agon lauscht mir schweigend, doch in seinen Augen blitzt Spott. „Du warst schon immer ein gewandter Redner, Lykos. Deshalb habe ich dich gern als Verbündeten“, sagt er schließlich mit milder Herablassung. „Du magst einen niederen Rang haben, aber deine Ehre ist groß.“

Ich wende halb das Gesicht ab, um seinen offensichtlichen Schmeicheleien ein Ende zu setzen. Doch er übergeht meine Abwehr.

„Aber die Götter Trojas zürnen uns. Unsere Männer sterben. Achilles, unser Held, ist der Einzige, der die Götter noch besänftigt. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt.“

 „Nein“, sage ich.

Er starrt mir zornig in die Augen. „Du willst nicht?“

„Nein“, wiederhole ich.

„Agamemnon wird nicht erfreut sein zu hören, dass unter seinen Soldaten Frauen sind.“ Jetzt schimmert Grausamkeit auf Agons hübschem Gesicht.

Ich erstarre. „Du wirst ihm nichts verraten!“, drohe ich.

Agon lächelt spitz. „Bist du sicher? Noch hast du die Wahl und ich bin noch immer bereit, etwas dafür zu zahlen. Entscheidest du dich falsch, bist du derjenige, der bezahlen wird.“

Und Periander, denke ich voller Furcht. Wut wallt in mir auf und macht meine mühsame Selbstbeherrschung zunichte. Ich hebe die Hände aus dem Wasser und packe wild Agons Gesicht. Er zuckt ein bisschen, doch dann lächelt er und starrt mir höhnisch entgegen.

„Kein Wort über Periander und mich!“, zische ich. Unter Agons Haut scheint eine eiskalte Flamme zu glühen. Wie Eis kriecht seine Kälte in meine Finger.

„Du wirst Periander also überreden? Selbst er wird einsehen, dass sieben Jahre Krieg sich für eine Frau nicht lohnen.“

Sieben Jahre, denke ich. Die Zeit, die wir Troja nun schon belagern. Und jeden Tag sterben Griechen, jeden Tag könnte Periander sterben. Ich bin nur einer von vielen, sage ich mir, der nach Hause zurückkehren will. Soll dieser Paris Helena behalten!

„Du wirst schweigen, wenn ich ihn überrede, seine Männer morgen nicht in den Kampf zu schicken?“, versichere ich mich.

Das Wasser schwappt gegen meine Handgelenke.

„Ich werde schweigen“, verspricht Agon.

„Schwöre es!“, verlange ich.

Agon lacht spöttisch auf. „Vor den Göttern? Mit Blut?“ Er will den Kopf schütteln, doch meine Hände halten ihn zu fest. „Nein“, sagt er und das Kopfschütteln liegt in seinem harten Tonfall, „ich schwöre nicht bei den Göttern. Aber ich schwöre. Ein Schwur unter Männern, die sich ebenbürtig sind.“

Ich forsche in seinen Augen nach der wahren Bedeutung dieser Worte. Denn er wird einmal ein Prinz sein und ein König und ich niemals mehr als ein Soldat.

„Einverstanden“, höre ich mich sagen. Wenn sie die Rädelsführer des Aufstandes herauskriegen, werden sie mich auspeitschen, nicht Periander. Aber wenn sie herausbekommen, was ihn und mich verbindet, wird er der Erste sein, der leidet.

Agon lächelt, ich spüre die Bewegung seiner Lippen auf meinen Handflächen.

„Lass mich den Schwur besiegeln“, raunt er und lächelt verrucht.

Ich will zurückweichen, aber er hat schon meine Handgelenke umklammert, löst sich aus meinem Griff und presst seinen kalten Mund auf meinen. Reflexhaft weiche ich aus, sodass seine Lippen nur meinen Mundwinkel berühren. Mein Körper aber verrät mich; ich umschlinge Agons Nacken, ziehe ihn heran. Hüfte an Hüfte stehen wir da und ich wäre ein Narr, meine Erregung jetzt noch leugnen zu wollen. Er spürt sie ganz sicher.

Er lächelt in den Kuss und selbst jetzt bemerke ich die Grausamkeit in ihm. Eine schnell zupackende, unerbittliche Kraft. Er macht sich von mir los, fast gewaltsam, weil ich ihn so fest halte.

„Genug, Lykos“, sagt er, die Stimme ein bisschen heiser. Sein Blick gleitet über die Wellen zum Strand; hat uns jemand beobachtet?

Ich spüre meinen Herzschlag bis hinauf in die Schläfen. Ich schmecke Meersalz im Mund und weiß, dass es nicht vom Wasser, sondern von Agons Lippen stammt.

Er wendet sich ab, aber über die Schulter gesprochen, erinnert er mich: „Leiste gute Arbeit, Lykos. Die Ehre deines Herrn hängt davon ab.“ Er gibt den Worten einen spöttischen Klang, sodass ich genau weiß, was er meint.

Ich knirsche mit den Zähnen, die Wut tobt in meinem Bauch wie ein Feuer. Ich warte, bis Agon über den Strand davongeht, dann wate auch ich zurück an Land.

Ich streife mir die Tunika über, deren Stoff mir klamm an der feuchten Haut klebt, gehe über den rauen Sand zurück zu Perianders Zelt. Niemand bemerkt mich, die Wachen behalten die feindliche trojanische Seite im Blick.

Als ich mich auf den Rand unseres Lagers setze, wacht Periander erneut auf. Die Falten zwischen den Augen, die zunehmendes Alter und Sorgen dort hineingegraben haben, vertiefen sich.

„Warst du im Meer?“, fragt er schlaftrunken, will sich aufsetzen. Ich lege ihm die kühlen Hände auf die Brust. Er trägt keine Tunika, seine Haut ist feucht vom Schweiß.

„Nur kurz“, sage ich, beuge mich zu ihm hinunter und umschließe seine Lippen mit meinem Mund. Er lacht heiser, erwidert den Kuss.

„Du schmeckst nach Salz.“ Er lächelt. „Komm her.“ Er zieht mich in seine Arme und ich fühle mich wie ein Verräter. Er küsst mir das Salz von den Lippen, das auch auf Agons Lippen war.

Seine Hände wandern unter meine Tunika, streicheln meinen Rücken, erspüren die festen, vom Kampf gestählten Muskeln. Ich spüre die Schwielen seiner Hände rau auf meiner Haut.

„Periander“, wispere ich, löse mich halb von ihm, stütze die Arme neben seinem Körper auf. Er soll jetzt nicht mein ganzes Gewicht tragen; ich fühle mich schwer vor Schuld.

„Was hast du, Geliebter?“, fragt er. Eromenos ist das Wort, das er gebraucht; der, der geliebt wird; jemand, der die Liebe nicht unbedingt erwidert.

Ein Stich durchzieht meine Brust. Ich will mich an ihn schmiegen, in ihm versinken, gedankenlos. Mich seiner Liebe hingeben, geliebt werden und lieben.

Doch ich habe eine andere Aufgabe. Ich muss ihn schützen, denn unsere Liebe bedroht ihn auch. Und Agon könne jederzeit zum Verräter werden. Außer ich halte den Schwur.

„Es wird morgen einen Aufstand geben“, sage ich mit schwacher Stimme.

Er runzelt die Brauen, doch die Zärtlichkeit weicht nicht aus seinen Augen.

„Woher weißt du das?“, fragt er und kann das Misstrauen nicht zügeln.

„Vertrau mir einfach“, gebe ich zurück und wieder spüre ich den Hauch des Verrats, der mir im Nacken sitzt wie eine schwarze Spinne. Ich spüre ihre Beine über meine Haut krabbeln, klebrig und eiskalt.

Er richtet sich auf, sodass auch ich zurückweichen muss. Ich sitze auf seinem Schoß, eine vertraute Position, und alles in mir will ihn an mich ziehen, ihn liebkosen, bis ihm der Atem stockt.

„Worin hast du dich verstrickt?“, fragt er und ich erkenne seinen Tonfall; so spricht er mit seinen Soldaten, so sprach er damals mit seinem dreijährigen Sohn, als dieser im Streit mit Steinen nach einem Gleichaltrigen warf. So sprach er mit seiner Frau, als sie in ihrer Eifersucht versuchte, mich zu töten.

Wie die wach gewordene Erinnerung spüre ich jetzt die kleine Narbe unter meinem Schlüsselbein, wo ihr plötzlich gezogenes Messer mich verletzte, bevor ich ihre Handgelenke packen konnte.

Als sähe Periander dieselbe Erinnerung, liebkost Perianders rauer Daumen die weiche Haut der Narbe.

„Bitte, Periander …“, murmele ich.

„Und worum willst du mich nun bitten?“, fragt er. Er konnte schon immer alles von meinem Gesicht ablesen.

„Chrysanders Männer werden den Kampf verweigern“, erkläre ich ihm. „Schicke auch deine Männer nicht in den Kampf und Agamemnon wird endlich bemerken, dass seine Soldaten nicht mehr hinter ihm und seiner kopflosen Jagd auf diese verdammte Hetäre stehen.“

In meiner Wut geht mein Tonfall mit mir durch. Mühevoll zügle ich mich und verstumme.

„Chrysander?“, fragt er. Sein Blick sagt: Agon.

Ich nicke schwach. Seine Hand wandert höher, seine Finger spüren den Puls, der an meinem Hals klopft.

„Was hast du damit zu tun?“, fragt er.

„Nichts“, behaupte ich. „Ich habe … mit einem von Chrysanders Männern gesprochen. Er hat mir erzählt, dass er Befehl erhalten habe, den Kampf zu verweigern.“ Die Lüge brennt mir auf der Zunge wie Gift.

„Ich bin unserem König treu ergeben“, wehrt Periander ab. „Du kannst mich nicht darum bitten.“ Er ist wütend, obwohl seine Stimme ruhig ist. Doch die Hitze seiner Wut brennt unter seiner Haut. Seine Hand umschlingt meinen Nacken, wie früher, als ich ein Junge war.

„Bitte …“, flehe ich, aber sein harter Kuss erstickt meine Worte. Einen langen Moment kann ich nicht sprechen.

Er öffnet den Gürtel meiner Tunika, befreit meinen Körper vom Stoff wie der Frühling die Blüten befreit. Ich kann der fordernden Intensität seiner Berührungen nichts entgegensetzen. Mit keuchendem Atem versuche ich ihm klar zu machen: „Wenn auch unsere Männer sich weigern … wird Agamemnon die Verantwortlichen … nur schwer bestrafen können … bis er herausfindet, wer alles angezettelt hat und eine gerechte Strafe verhängen kann …“

Periander hält inne. „Still, Lykos“, sagt er mit sanfter Gewalt. In seinen Augen erkenne ich die Liebe, das Verlangen, die Zärtlichkeit. Doch ich erkenne auch seine Überlegenheit, die mir klar macht, dass ich, obwohl sein Geliebter, auch einer seiner Soldaten bin.

Ich blinzle in die Finsternis des Zeltes, nur das schwache Licht der fernen Feuer und das noch schwächere Licht des Mondes wirft einen dumpfen Schimmer auf Perianders Gesicht.

Er sinkt zurück, zieht mich über sich, hält mich umschlungen. Mein Widerstand bricht, obwohl die Spinne des Verrats sich noch in meinen Nacken beißt.

Perianders Hände streicheln über meinen Körper wie Flammengarben, ich erzittere unter ihrer Kraft. Sie rufen das Verlangen in mir wach wie einen urtümlichen Geist, der in jedem Mann lebt, seit Anbeginn der Zeit.

Ich umschlinge ihn, meine Zunge teilt seine Lippen. Seine Hitze dringt in mich wie mein Kuss in ihn. Wir ersticken unsere heiseren Laute, um niemanden auf uns aufmerksam zu machen. In aller Heimlichkeit bricht sich unsere Leidenschaft Bahn, geflüsterte Zärtlichkeiten, stumme und wilde Küsse.

Er bäumt sich von unten gegen mich auf, seine harten Muskeln halten mich fest.

Ich stöhne in seinen Mund, er lächelt. Gedanken kreisen in meinem Kopf, ein Schwur wie fernes Flüstern, doch alles ist nur eine Erinnerung und machtlos gegen Perianders Liebe, den Wahnsinn unserer Zweisamkeit. Ich verstehe nicht, wie die Flammen der Leidenschaft mich immer und immer wieder überfluten können wie am ersten Tag. Doch Liebe ist ein Machwerk der Götter und niemand maßt sich an, die Götter zu verstehen.

Er ist bereit, flüstert es mir zu mit einem Kuss; ich versenke mich in ihm, in seiner Hitze, seinem ganzen Wesen. Ein Schauer schüttelt meinen Körper, von innen kommend wie eine machtvolle Flut. Wellen branden gegen mein Inneres, Liebesglut in meinem ganzen Körper, die mich ausbrennt. Perianders verschleierter Blick hält mich fest, er atmet keuchend mit geöffnetem Mund, ich ersticke ihn halb mit einem Kuss, doch lange halte ich es nicht aus.

Als die Wonne mich überflutet, möchte ich schreien, wie noch am Morgen im Kampf der Trojaner schrie, als mein Speer seinen Leib durchbohrte. Ich möchte weinen, diesen verzehrenden Liebeswahnsinn hinausschluchzen. Stattdessen werfe ich nur den Kopf in den Nacken, spüre Perianders harten Griff, der an meinen Locken zerrt. Ich bebe, von unten nach oben durchfährt es meinen ganzen Körper, ich bäume mich auf, wie die Erde sich unter einem Erdbeben aufbäumt, entzweireißt, Erdmassen spaltet.

Schweiß und Hitze klebt unsere Körper aufeinander, als ich mit leisem, schwachem Atemholen auf Perianders Brust sinke, jetzt schmecke ich das Salz seiner Haut auf meinen Lippen.

Er murmelt wirre Worte in mein Haar, schwimmende Liebkosungen ohne Sinn. Sein Herz pocht trommelnd unter meinem Ohr. Ich spüre den seltsamen Schmerz der Liebe in den Schenkeln, bis hinab zu den Knien. Mein Herzschlag pocht in meinem Bauch, der auf seinem liegt.

„Keine Frau vermag, was du vermagst, Liebster“, sagt er. Jetzt nennt er mich philotatos, der am meisten geliebte von allen.

Ich will das nicht hören, seine Vergleiche; ich habe keinen Vergleich. Mein ganzes Leben habe ich nur ihn geliebt.

Aber das sage ich nicht; denn ich habe ihn verraten und im Abklingen der Leidenschaft wird es mir wieder klar. Ich sehe Agons kalte Augen und weiß, dass es nun, da ich Periander nicht überreden konnte, an mir ist, zu handeln. Werden seine Männer auf mich hören? Werde ich sie rechtzeitig dazu bringen können, den Kampf zu verweigern?

Periander streicht mir zärtlich die verschwitzten Locken aus der Stirn. Ich schmiege mein Gesicht in seine Hand, spüre das lebendige Pochen unter seiner Haut.

Werde ich ihn verraten können? Erneut?

***

Als ich erwache, herrscht bereits reges Leben im Lager. Ich höre das Klirren von Rüstungen und Waffen, das Wiehern der Pferde, die Stimmen der Männer. Periander ist schon fort.

Ich verfluche mich für meinen von der Liebe erschöpften Schlaf. Panik brennt in meinen Gliedern.

Ich springe auf, stürme aus dem Zelt. Perianders Soldaten haben sich in kleinen Gruppen versammelt, sie tragen bereits Rüstungen, Helme und Waffen. Ich schaue mich um, als Theodoron, einer der Männer, mir die Hand auf die Schulter legt.

„Suchst du Periander?“, fragt er.

Ich weiche seinem forschenden Blick aus, das Herz klopft mir in den Schläfen. „Wo ist er?“, frage ich.

„Agamemnon hat eine Zusammenkunft einberufen. Es gibt Unruhen unter den Soldaten, wusstest du das?“ Er beugt sich vor und berichtet mir alles: Am Morgen waren Chrysanders Männer auf der provisorischen Agora des Lagers aufmarschiert und Agon hatte Agamemnon zu einer Unterredung gefordert. Doch statt diesem hatte sich Menelaos bereit erklärt, ihn anzuhören; wohl aus Respekt vor Agons Vater Chrysander.

„Was macht Periander dort?“, frage ich angespannt, obwohl ich die Antwort zu kennen glaube. Und Theodoron bestätigt es mir.

„Wie alle anderen Prinzen und Befehlshaber wird er wohl beteuern, nichts mit den Unruhen zu tun zu haben.“

„Und das hat er auch nicht“, sage ich entschlossen.

Theodoron lächelt scheinbar freundlich. „Du musst es wissen, Junge“, meint er und setzt mich absichtlich im Alter herab.

Ich bin inzwischen fast zwanzig, ein Mann. Periander ist zwölf Jahre älter als ich. Würden sie herausfinden, dass er mich liebt, obwohl ich inzwischen ein Mann bin, würden sie ihm den schlimmsten aller Vorwürfe machen: Er sei kinaidos