Nuvayla 2 - Meryem H. Akgün - E-Book

Nuvayla 2 E-Book

Meryem H. Akgün

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Beschreibung

Angeführt von dem Halbdrachen Kaleb verlässt Nuvay in Begleitung ihrer beiden Freunde Nakim und Sîmon ihr kleines Dorf tief unter der Erde und begibt sich auf eine gefährliche Reise, um ihre dunkle Herkunft aufzudecken. Auf der Suche nach Antworten erleben die vier manch Überraschung. Die Begegnung mit den weisen Zauberern verändert ihre Sicht auf die Welt. Sie erfahren, dass sich die Dinge ganz anders abgespielt haben, als ihnen erzählt wurde. Und schließlich entpuppt sich ihr Aufbruch in die Vergangenheit zugleich als Reise zum König des Universums.

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Copyright © Main Donau Verlag, Berlin, 2021

Es ist nicht gestattet, Teile dieses Buches zu scannen, in PCs oder auf CDs zu speichern oder in PCs/Computern zu verändern oder einzeln oder zusammen mit anderen Vorlagen zu manipulieren, es sei denn mit schriftlicher Genehmigung des Verlags.

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Redaktion: Noah Sattler

Satz & Cover: Onur Alka

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Linemarketing GmbH

Wilhelmstr. 26–30 Haus 24 – 13593 Berlin

www.deinbuchshop.de

ISBN: 978-3-946871-45-3

1 | Die Welt ist nicht größer als das Fenster, das du ihr öffnest

Die Reise hatte begonnen, fuhr es Nuvay durch den Kopf, während der Wind weich um ihre Haare und über ihre Haut strich. Es frischte langsam auf. Sie flogen hoch über den Bergen, unter ihnen zog träge die Landschaft vorbei und über ihnen schwebte noch der Himmel. Die Sonne ging allmählich unter, so lange flogen sie schon. Ab und zu hatten sie einige Pausen eingelegt, um die Beine zu vertreten, doch die meiste Zeit verbrachten sie in der Luft. Ihr Tag verging ziemlich ereignislos, bis auf die Momente, an denen sich Kaleb seltsam verhielt. Einmal hatte er sich plötzlich an einen Berg geklammert und dort länger als eine viertel Stunde verharrt und ein anderes Mal hatte er sich in die Baumkrone des Waldes unter ihnen geworfen. Nuvay hatte deswegen sicherlich immer noch einige Äste und Blätter in den Haaren. Bei beiden Malen hatte Kaleb einen Drachen oder mehrere in der Ferne gewittert.

Nuvay war mit ihren Gedanken und mit ihrem Geist oft noch beim Abschied. Das letzte Bild hatte sich ihr ins Gedächtnis gebrannt, denn es blitzte immer und immer wieder vor ihrem inneren Auge auf und erweckte aufs Neue die Trauer in ihr. Den anderen ging es wahrscheinlich genauso.

Ihr Magen knurrte, was ihre Gedanken von vorhin verdrängte, und sie verzog ihr Gesicht. Sie hatten seit heute Morgen nichts mehr gegessen. Ihnen war einfach nicht nach Essen zumute gewesen, doch so langsam fing ihr leerer Magen an, sich zu melden. Simôn bewegte sich und sie hörte ihn von hinten sagen:

»Ich glaube, dass reicht für heute. Wir sollten vielleicht endlich eine Pause einlegen.« Seine Stimme war rau, vermutlich vom Schweigen. Sie spürte seinen Atem an ihrem Nacken und es jagte ihr einen leichten Schauer über den Rücken. Nach all der Kälte erwachte eine wohlige Wärme in ihrer Brust. Sie nickte.

»Kaleb?«, fragte Simôn. Kaleb grunzte und auch sein Grunzen klang rauer als sonst.

»Wir sollten uns langsam einen sicheren Platz für die Nacht suchen. Wir sind hungrig und müde.«

Er nickte, sagte aber nichts. Dafür drehte er abrupt nach links und Nuvay musste sich erschrocken festhalten.

»Langsam, Drache!«, brummte Nakim von hinten. »Kannst es wohl kaum erwarten uns loszuwerden.«

Kaleb lachte heiser und Nuvay lächelte. Das war nach dem Abschied heute das erste Lächeln in ihrem Gesicht. Sie hatte vermisst, wie selbst ein kleines Lächeln diese sanfte Freude in ihrer Brust erwachen ließ. Langsam flogen sie nach unten und landeten vorsichtig auf einer Waldlichtung. Als Nuvays Füße wieder den weichen Erdboden berührten, kam es ihr immer noch so vor, als würden sie fliegen. Ihre Beine fühlten sich so weich an und sie knickte ein.

»Alles okay mit dir?«

Nakim stand neben ihr und sah auf sie herab. Die Hände in seinen Hosentaschen. Helfen war ja noch nie so seine Stärke gewesen. Nuvay nickte ihm zu und setzte sich auf den Boden. Sie streckte ihre Beine aus.

»Es geht«, sagte sie leise.

»Na ja, nach Gehen sieht’s mir hier gerade nicht aus.«

Nakim grinste schief. Sie erwiderte das Lächeln und sagte etwas lauter: »Ha, ha« Dabei fing sie an, ihre Beine zu massieren. »Sie sind halt nicht dran gewöhnt, so lange in einer Position zu verharren.«

»Sie sind einfach nur schwach!«, meinte Nakim. Nuvay verdrehte die Augen.

»Wie auch immer, Nakim. Wie auch immer.«

Sie blickte zu Kaleb auf. Er hatte es sich hinter ihr auf dem Boden bequem gemacht und redete mit Simôn. Sie konnte nicht verstehen, über was sie sich unterhielten. Dann erhob sich Kaleb und Simôn griff nach seiner Tasche und kramte darin herum. Nakim beobachtete sie ebenfalls.

»Was steht da an?«, fragte er Nuvay. Sie zuckte mit den Schultern.

»Hab’s nicht verstanden.«

»Na ja, juckt mich eh nicht«, sagte Nakim und setzte sich zu Nuvay.

»Was fragst du dann?«

»Darf ich nicht?«, entgegnete er genervt. Nuvay wollte darauf etwas erwidern, doch sie musste sich gestehen, dass es wahrscheinlich nichts nützen würde, sich hier und jetzt mit Nakim anzulegen. Er war eindeutig schlecht gelaunt, was im Grunde verständlich war. Sie sollte ihm seine schlechte Laune nicht übelnehmen. Ihre Tante hätte das auch nicht gewollt. Ob sie sich gerade Sorgen machte? Bestimmt. Sie seufzte noch einmal und sah auf den Boden.

»Uns und ihnen geht’s gut. Sie machen sich schon keine allzu großen Sorgen. Immerhin bin ich bei euch!«

Nuvay sah überrascht zu Nakim auf. Wie machte er das bloß immer? Er war manchmal Angst einflößend. Es war schon seltsam, wie oft er doch wusste, an was sie gerade dachte. Sie lächelte ihn freundlich an.

»Ich glaub, dass macht ihnen vielleicht sogar die größten Sorgen.«

Das Lächeln wandelte sich zu einem Grinsen und er kniff die Augen zu Schlitzen. Dann lächelte er wieder freundlich und sah erneut zu Simôn. Weiter ging er auf das Gespräch mit Nuvay nicht ein und zeigte somit, dass er ebenso erwachsen handeln konnte. Sie folgte seinem Blick. Kaleb hatte irgendetwas in der Schnauze und ging in den Wald. Simôn wandte sich zu ihnen und kam auf sie zu. Nuvay lächelte ihn an. Er erwiderte ihr Lächeln. Nakim schien sichtlich genervt:

»Was gibt’s so blöd zu grinsen? Wir sind ziellos mitten in der Wildnis mit einem Drachen!«

Simôn setzte sich unbeirrt zu ihnen.

»Sei nicht immer so stinkig.«

»Stinkig? Ich kann ihm nicht trauen, weil er vielleicht ein Drache ist!«

»Also ich vertraue ihm«, meinte Simôn.

»Ich auch.« Nuvay nickte Simôn eifrig zu.

»Ihr beide werdet auch als Erste draufgehen!«, ging Nakim dazwischen.

»Und um genau das zu verhindern, sollten wir erst einmal etwas zu essen auftreiben.« Simôn wollte sich erheben. Nuvay handelte schneller und machte ihm ein Zeichen, sitzen zu bleiben.

»Ich mach das schon! Ich mach was zu essen.«

Verwundert sah Simôn sie an. Nakim musste das kommentieren:

»Seit wann kannst du denn etwas zu essen machen?«

Nuvay rollte genervt mit den Augen.

»Tante hat mir einiges gezeigt, bevor wir aufgebrochen sind! Ich hab mir gedacht, einer muss ja wohl kochen können.«

In dem Augenblick sah Nuvay Kaleb in seiner menschlichen Gestalt aus dem Wald kommen.

»Warum? Simôn kann kochen!«, entgegnete Nakim. Nuvay war überrascht. Simôn lächelte leicht verlegen. Nakim fuhr unbeirrt fort:

»Und ich kann’s auch. Zumindest Fleischgerichte.«

Nuvays Kinnlade klappte runter, als sie das hörte.

»Bin ich die Einzige hier, die nicht kochen kann?!« Ihr Wissen beschränkte sich größtenteils auf die Theorie und ihre Erfahrung auf das gemeinsame Kochen mit ihrer Tante. Das war doch nicht möglich! Kaleb war zwischenzeitlich bei der Gruppe angekommen und fügte enthusiastischer, als vielleicht nötig, hinzu:

»Ich kann auch nichts kochen! Weiß auch nicht, wozu man das braucht.« Sein Grinsen wurde stärker. »Das Fleisch muss frisch, blutig und mit Haut und Haaren sein!« Seine Augen blitzten auf und er leckte sich über die Lippen. »So schmeckt es am besten! Das Kochen verdirbt doch nur alles!«

Hätte Nuvay etwas im Magen gehabt, wäre es jetzt sicherlich hochgekommen. Sie verzog wie auch Nakim angeekelt das Gesicht. Simôn jedoch musste lachen.

»Danke. Das muntert mich jetzt wirklich auf.« In Nuvays Züge mischte sich nun neben dem Ekel auch noch Trostlosigkeit. Das Leben war manchmal deprimierend. Mit einem Drachen in einen Topf gesteckt zu werden, war nicht gerade ein Highlight.

»Das macht doch nichts, Nuvay. Du hast doch schon angefangen zu lernen, und den Rest bring ich dir bei.« Simôn lächelte sie aufmunternd an.

Nuvay war etwas beschämt.

»Ich hab dir immer gesagt, setz dich wie ein zivilisiertes Weibsbild in die Küche und lern was, anstatt wie eine Verrückte Drachen zu beobachten«, warf ihr Nakim genervt vor. Warum genau er jetzt genervt antwortete, war Nuvay ein Rätsel.

»So was nennt man spannen, glaub ich«, verbesserte Kaleb ihn grinsend. Dafür bekam er einen giftigen Blick von Nuvay. Er solle bloß den Mund halten.

»Siehste! Jetzt sehen dich diese Drachen schon als Spannerin an!«, warf Nakim ihr vor. Nuvay schnaubte wütend.

»Ich geh jetzt!«, sagte sie schroff.

»Warte, ich komm mit!«, sagte Simôn und erhob sich.

»Ja, sonst benutzt du noch eine falsche Zutat. Man weiß nie bei Anfängern. Hier will keiner wegen deinen Kochkünsten schon am ersten Tag draufgehen.«

Für dich benutze ich eine ganz bestimmte Zutat und das wird sicherlich kein Anfängerfehler sein, dachte sich Nuvay mürrisch.

»Nein! Ich geh alleine!«, rief sie ihnen nach und stampfte weiter davon. Die drei Jungs schauten verdutzt, wie sie von dannen zog.

»Sie ist wütend«, sagte Kaleb nach einer Weile.

»Wie kommst du denn darauf?«, spöttelte Nakim.

»Das war wohl nicht sehr nett«, bemerkte Kaleb.

»Sie wird’s überleben«, Nakim versuchte zwar hart zu klingen, doch einen schuldbewussten Unterton konnte er nicht verbergen.

Simôn seufzte: »Ihr seid beide nicht normal. Ehrlich.«

Kaleb grinste schief.

Nakim zuckte mit seiner Schulter:

»Sie ist ein Mädchen und sie wird schon drüber hinwegkommen!«

»Wirklich? Können Mädchen das so leicht?«, fragte Kaleb.

»Wo hast du das jetzt wieder her, Nakim?«, warf ihm Simôn vor.

»So was kannst du nicht wissen! Du bist n Wattebausch!«, entgegnete ihm Nakim.

»Was ist ein Wattebausch?«, fragte Kaleb wieder.

»Damit hat dir Gimmi immer den Schweiß abgetupft … Immerhin besser als ein hohler Klotz«, antwortete Simôn.

»Legst du dich gerade mit mir an?!«, Nakim baute sich vor ihm auf.

»Ach so, diese weichen Dinger … Ja, stimmt … Du hast eine sehr weiche Haut, Simôn!«, bemerkte Kaleb.

»Er meint damit, dass ich schwach und nicht mutig genug bin. Meine Haut hat nichts damit zu tun, Kaleb. Und ja, wenn es sein muss, lege ich mich mit dir an, Nakim!« Simôn warf ihm einen entschlossenen Blick zu.

Nakim musterte Simôn für einige Momente. »Als ob du gegen mich den Hauch einer Chance hättest, du Qualle, du!«, sagte er dann und ließ von ihm ab.

»Und was ist eine Qualle?«, fragte Kaleb weiter.

Simôn seufzte wieder. »Erzähl ich dir später.«

»Unsere erste Nacht fängt ja gut an«, flüsterte Kaleb.

»Ist es nicht gefährlich, dass wir Nuvay einfach so in freier Natur herumlaufen lassen? Was, wenn ein Drache kommt?«, Simôn schien sichtlich besorgt.

Kaleb schüttelte den Kopf.

»Die rieche ich meilenweit im Voraus! Das Gute an Drachen: wir stinken einfach bestialisch nach Rauch und Feuer! Und meine Nase ist doppelt so stark wie normale Drachennasen. Ich bin ein Halbdrache«, erklärte er weiter, als er die fragenden Gesichter seiner Gefährten sah, »nicht solche Mischlinge wie ihr. Zur Hälfte Drache. Zur Hälfte Mensch. Ich bin stärker als beide.«

Nakim konnte seinen Sarkasmus wieder einmal nicht zurückhalten. »Seid ihr deshalb fast ausgerottet worden?«

Diese Frage hatte Kaleb sichtlich verletzt. Lauter und aggressiver als ursprünglich gewollt, antwortete er ihm: »Sie haben uns nie Zeit gelassen, uns richtig zu vermehren! Das war die größte Angst! Von Drachen und Menschen! Dass wir zu viele und somit zu mächtig werden.«

Nakim schwieg.

Simôn erlebte einen dieser seltenen Momente, in denen Nakim für sein vorlautes Maulwerk ein schlechtes Gewissen hatte.

Das Abendessen lief doch nicht so, wie Nuvay es sich erhofft hatte. Kaleb musste noch einmal seine Gestalt wechseln und sich dann auf die Jagd machen, denn bis auf einige wenige Wurzeln hatte Nuvay nichts Essbares gefunden. Er brauchte nicht lange und kam mit einem erlegten Reh zurück. Die Hälfte verschluckte er roh und die andere Hälfte überließ er ihnen.

»Jetzt könnt ihr damit machen, was ihr wollt. Mir reicht das vorerst«, fügte er noch hinzu.

Also nein, Halbdrachen sind nun mal immer noch zur Hälfte Drachen, ging es Nuvay durch den Kopf, und Drachen sind Tiere. Simôn half ihr dabei, das Fleisch zu verarbeiten, sogar Nakim packte mit an. Wahrscheinlich war dies seine Entschuldigung für vorhin. Nuvay nahm es schweigend an. Als sie zu kochen begannen, verzog er sich aber schnell wieder.
Einen Teil des Fleisches benutzten sie, um einen Eintopf zu kochen. Die Wurzeln, die Nuvay gefunden hatte, verwendeten sie ebenfalls dafür. Am Ende roch es sogar ziemlich appetitlich. Den Rest des Fleisches brieten sie im Feuer. Diese Aufgabe übernahm zum größten Teil Simôn. Er schien zu wissen, was er da tat. Dabei hatte er Nuvay immer wieder angeleitet und irgendwie hatte sie sich ein wenig wie bei ihrer Tante gefühlt. Der einzige Unterschied bestand darin, dass Simôn sie nicht so kalt und schroff hin und her kommandierte wie ihre Tante. Er tat es viel liebevoller und freundlicher.

Es war dunkel. Der Sternenhimmel funkelte über ihnen wie ein Meer aus kleinen Glühlampen. Es schienen unendlich viele Glühlampen zu sein, nicht so wie an der Decke der Höhle, in der ihr Dorf lag. Nuvay hatte es einmal geschafft, sie alle zu zählen. Es waren 1114. Doch der Himmel, der sich ihr nun zeigte, überbot alles, was sie je zuvor gesehen hatte. Sie fand keine Worte, um das zu beschreiben, was dieser unendlich scheinende Nachthimmel in ihr auslöste. Mal abgesehen davon, war es ein schier unmögliches Unterfangen, all diese Sterne zu zählen. Ob irgendjemand oder irgendetwas wusste, wie viele es waren? Das war mal eine interessante Frage.

»Nuvay? Willst du vielleicht noch etwas vom Eintopf?«, fragte Simôn und riss sie aus ihren Gedanken.

Sie schüttelte den Kopf. »Nein, danke.«

Nakim, Simôn und sie saßen am Lagerfeuer. Kaleb war permanent auf der Hut vor eventuellen Gefahren. Diese konnten andere Drachen, aber auch gefährliche Tiere sein.

Nuvay fiel auf, dass Kaleb, nachdem er das halbe Reh verzehrt, nein, heruntergeschlungen hatte, kein Interesse an ihrem Essen gezeigt hatte. Sie fragte sich, wie er das Essen ihrer Tante so wortlos zu sich genommen hatte. Ob es ihm überhaupt geschmeckt hat?

»Ich will noch mehr!«, sagte Nakim und bediente sich am Eintopf. Er hatte schon immer sehr viel gegessen, wobei sie sich auch oft fragte, wohin all das Essen bei ihm wohl verschwand. Er hatte kein Gramm zu viel an seinem Körper. Abgemagert war er auch nicht. Er war immerhin zwei Meter groß und von Natur aus auch kräftig gebaut. Wahrscheinlich verträgt man einfach mehr, wenn man größer ist. Sie hatte mal gehört, dass Muskeln viel Energie verbrauchen.

»Unsere erste Nacht hier draußen«, sagte Simôn und setzte sich etwas bequemer hin. »Ob es von jetzt an immer so laufen wird?«

»Du meinst, du kochst und wir essen?!«, entgegnete Nakim und schielte dabei zu Nuvay. Sie erwiderte seinen Blick missbilligend. Daraufhin musste Nakim laut auflachen. Ja, wenn er satt war, dann war seine Laune gleich wieder noch unerträglicher als sonst.

»Ich hab mitgeholfen!«

»Sogar sehr viel«, ergänzte Simôn lächelnd und irgendwie auch stolz.

»Siehste! Sogar sehr viel!«, sie sah vorwurfsvoll zu Nakim.

Der grinste und schüttelte den Kopf. »Wenn du meinst.«

»Viel wichtiger ist doch jetzt, wie lange das noch so weitergehen wird.«

Nuvay sah zu Kaleb herüber, der auf einem kleinen Hügel saß. Um seine weißen Haare tänzelte das Mondlicht und es kam Nuvay so vor, als würde er strahlen. Sie hatte wahrscheinlich noch nie ein so schönes Wesen gesehen. Das musste sie sich eingestehen. Doch Kaleb sah traurig aus. Es war wieder diese tiefe, undefinierbare Trauer, die sie schon öfters in seinen Augen gesehen hatte und ihr Angst machte. Diesen Drachen näher zu erforschen, erschien ihr wie ein schrecklich aufregendes Abenteuer. Jedoch fürchtete sie sich vor dem, was sich ihr alles offenbaren könnte und wahrscheinlich auch würde. Er sah zu ihnen auf und plötzlich verschwand die Trauer aus seinen Zügen und er lächelte. Er erhob sich langsam und lief auf sie zu. Bei ihnen angekommen, setzte er sich zwischen Simôn und Nuvay.

»Das war dann wohl mein Stichwort«, seufzte er erschöpft.

Nuvay musste grinsen. »Ich hoffe, die Frage wird dich nicht allzu sehr überfordern.«

In Kalebs Lächeln mischte sich Besorgnis. Er atmete tief ein und aus, bevor er fortfuhr:

»Also, mich überhaupt nicht. Aber ich glaube, die Antwort wird euch vermutlich nicht gefallen.«

»Wie meinst du das?«, fragte Simôn.

»Super! Ich wusste, dass hier irgendwas faul ist!«, ging Nakim sofort dazwischen und setzte sich genervt auf. »Schieß los! Was für ne Scheiße erwartet uns?«

Kaleb musste wieder grinsen.

»So ruhig? Ich dachte, dass ich allein schon dafür Prügel von dir kassieren würde.«

»Wirst du auch gleich und jetzt spann uns nicht auf die Folter und schieß los!«

Dieser Junge und sein Gemüt waren einfach schwer einzuschätzen, dachte Nuvay. Könnten jederzeit platzen.

Kaleb seufzte ein weiteres Mal und dann fing er an zu erzählen:

»Also. Wir sind jetzt aufgebrochen …«

»Schwör!«, ging Nakim dazwischen.

»Lass ihn doch mal ausreden, Nakim!«, warf Nuvay ein.

»Was denn! Dann soll er nicht bei der Schöpfungsgeschichte beginnen!«

»Leute! Wir fangen wieder an zu streiten. Könnten wir das mal lassen? Das bringt jetzt niemandem was«, mahnte Simôn. Nuvay und Nakim sagten nichts mehr. Beide wussten, dass er ja auch Recht hatte.

»Ich rede mal einfach weiter«, setzte Kaleb erneut an. »Wir sind also aufgebrochen …« Dafür kassierte er einen genervten Blick von Nakim. »Und unser Ziel ist …wie soll ich sagen … na ja, genau da liegt wohl das Problem! Weil ich euch die Wahrheit nicht sagen kann, habe ich versprochen, euch dorthin zu bringen, wo ihr Antworten finden werdet. Und zwar über Simôns Mutter, Samina, und Nakims Vater, Namar …« Kaleb schwieg für eine Weile. Nakim und Simôn wurden sichtlich nervös, als Kaleb die Namen ihrer Eltern aussprach. Genau das war das Ziel dieser überstürzten und seltsamen kleinen Reise, die, so wie es aussah, vielleicht doch nicht so klein sein würde.

»Jetzt kommen wir zu dem Teil, der euch nicht gefallen wird.«

Kaleb räusperte sich leicht und fuhr mit seiner rechten Hand um seine weißen, strubbeligen Haare.

»Ich hab Làlà und Mina zwar gesagt, ich wüsste, wo unser Ziel liegt.«

Er sah unsicher in die Runde. Die Blicke waren gespannt auf ihn gerichtet.

»Na ja … Um ehrlich zu sein, tue ich es nicht.« Er verzog schuldbewusst sein Gesicht.

»Ich wusste, dass er uns verarscht!«, rief Nakim laut aus.

»Kaleb! Warum sagst du uns so etwas nicht einfach mal vorher!«, sagte auch Nuvay lauter als beabsichtigt. Sie war fassungslos! Waren sie jetzt aufgebrochen, ohne zu wissen wohin?

»Ich habe keine Ahnung. Da kann ich auch nichts für«, sagte Kaleb.

Nakim fluchte leise vor sich hin.

»Wie hast du es dir denn vorgestellt, Kaleb. Wir sind aufgebrochen. Du hast dir doch sicherlich was dabei gedacht?«, fragte Simôn.

Kalebs Augen leuchteten auf.

»Jepp! Natürlich hab ich mir was dabei gedacht. Danke, Simôn!«

Er nickte und fügte hinzu: »Wenigstens einer, der nicht an meinem Verantwortungsbewusstsein zweifelt.« Er sah beleidigt zu Nuvay hinüber. »Ich weiß natürlich, wo wir zu suchen oder eher zu fragen haben, um an unser Ziel zu gelangen!«

Er grinste breit. Seine weißen Zähne strahlten und er sah wie ein kleiner Junge aus, der es geschafft hatte, seine Hausaufgaben ganz allein zu erledigen.

Simôn zuckte mit den Schultern. Wahrscheinlich hatte er sich das von Kaleb abgeguckt. Dann lehnte er sich nun wieder bequem zurück. »Gut, dann gibt es im Grunde kein Problem.«

»Natürlich ist das ein Problem! Der Junge sagt gerade, dass er mit uns in der freien Wildnis eine Schnitzeljagd veranstalten will und für Simôn ist das natürlich nichts Besonderes!«, gab Nakim wütend von sich. »Hier lauern ja auch nirgends irgendwelche Drachen oder sonstige wilden Tiere! Nein!«

Nuvay wusste gerade nicht, zu wem sie halten sollte. Irgendwie hatten beide Recht. Simôn grinste ihn ruhig an.

»Wer Rosen mag, wird sich mit ihren Dornen arrangieren müssen.«

»Was soll n das jetzt heißen?«

Nakims Blick bohrte sich in Simôn hinein.

Nuvay seufzte und antwortete für Simôn.

»Wer sein Ziel erreichen möchte, muss auch Hindernisse in Kauf nehmen«, erklärte sie ihm.

»Das ist mir auch klar!«, entgegnete er wütend.

»Dann frag nicht so sinnlos!«, gab Nuvay zurück.

Noch bevor Nakim ihr erwidern konnte, mischte sich Simôn ein: »Keine Angst, Nakim. Kaleb wird uns schon unversehrt hin und dann wieder zurückführen. Mach dir also keine Sorgen. Ich vertraue ihm.« Simôn lächelte Nakim an.

Nuvay schielte auf Kaleb und sah, was sie erhofft hatte. Kaleb schaute auf seine Hände und schmunzelte stolz in sich hinein. Nuvay unterdrückte ein Grinsen. Eine schöne Basis des Vertrauens hatten die beiden Jungs da aufgebaut. Simôn erntete dafür zwar einen kalten, immer noch bösen Blick von Nakim, aber immerhin blieb es dabei.

»Na schön!«

Er hob seine Hände in die Lüfte. »Ich werde es auch versuchen! Aber bilde dir ja nichts drauf ein, Drache!« Dabei zeigte er drohend mit seinem Zeigefinger auf ihn.

Nuvay verdrehte die Augen. Immer musste sich dieser Junge so aufspielen.

Kaleb grinste und schüttelte den Kopf.

»Niemals«, fügte er hinzu.

»Ich vertraue keinem Drachen!«

»Okay«, sagte Kaleb ganz besonnen und klatschte in die Hände. »So. Wenn das jetzt geklärt wäre, dann können wir uns einer bestimmten Person zuwenden.« Er sah sie einzeln an. »Sie müsste wissen, wo genau unser Ziel liegt.«

»Du meinst, wir werden diese Person nach dem Weg fragen?«

Nakim verschränkte seine Arme vor der Brust.

»Ja, sozusagen«, antwortete Kaleb.

»Nett. Weißt du auch, wo sich diese Person befindet, oder müssen wir erst irgendwelche anderen Typen finden, die uns dann sagen, wo wir sie finden könnten?«

Simôn seufzte: »Nakim, das versteh ich jetzt nicht unter jemandem vertrauen.«

»Was verstehst du denn schon«, gab Nakim forsch zurück.

Kaleb räusperte sich: »Sie befindet sich ungefähr eine Woche Flugzeit von hier entfernt. Wir werden über einen Ort fliegen, den die meisten Drachen meiden. Dieser Ort ist zwar etwas gefährlich, aber wenn ihr immer bei mir bleibt, dürfte nichts passieren.«

»Was genau meinst du?«, hakte Nuvay nach. Kaleb leckte sich unsicher über seine Lippen.

»Luk Uhray«, sagte er in einer fremden Sprache.

Nuvay sah ihn überrascht an »Ist das ein Name der Zauberer?«

Kaleb nickte und fügte hinzu: »Der Königswald. Ein Ort, der in seiner vollen Größe den König preist.«

»Welchen König?«, ging Simôn dazwischen.

»Meinst du unseren König, den König der Welten? Den König der Könige?«, Nuvay wusste nicht viel über den König. Sie behandelten ihn kurz in der Schule und ab und zu erfuhr sie von den Dorf­ältesten einiges über ihn, jedoch kannte sie ihn nicht wirklich und hatte noch nie davon gehört, dass er einen Wald hätte.

»Ihm gehört ein Wald?«, fragte sie naiv. Kaleb sah sie zunächst überrascht, dann ironisch an.

»Ihm gehört alles … Er ist der König der Welt«, sagte er und verkniff sich ein Lachen. Plötzlich schämte sich Nuvay für ihre Aussage. Das stimmte nun auch wieder.

Kaleb schüttelte den Kopf und erzählte weiter: »Es ist ein ganz besonderer Wald. Ihr werdet es merken, sobald wir da sind, und aus diesem Grund haben ihn die Zauberer den Königswald genannt. Man sagt, alles in diesem Wald zeigt die Größe und die Stärke des Königs und man könne ihn dort besonders stark spüren.«

»Man kann ihn spüren?«, fragte Simôn neugierig.

»Die Zauberer können es«, antwortete er.

»Ich dachte, die Zauberer haben eine andere Religion oder so«, mischte sich Nuvay ein. Kaleb schüttelte wieder den Kopf. Die Scham in ihr verwandelte sich zunehmend in Frustration. Warum bekam sie immer ein Kopfschütteln?

»Nein. Wie jeder auf dieser Welt glauben sie auch an den König. Bloß ist ihr Glaube an ihn ein wenig anders. Ihre Praxis ist anders. Ihr Wissen ist anders.«

»Du weißt viel über die Zauberer, oder?«, wollte Simôn wissen. Kaleb blickte auf den Boden und war sichtlich getroffen.

»Ein wenig«, meinte er dann. Es wurde still. Nakim schniefte verdrießlich. Nuvay sah ihn an und musste lächeln. Nakim bemerkte dies und schnauzte sie sofort an:

»Was gibts da zu grinsen?!«

Nuvay antwortete lachend: »Du siehst süß aus, wenn du diesen schmollenden Blick aufsetzt!«

Simôn ahnte schon, was nun folgen würde: »Nuvay? Warum …«

Doch bevor er zu Ende reden konnte, platzte es aus Nakim heraus: »Verdammt, du Weibsbild! Sag das deinem Wattebausch von Mann dort und nicht mir! Is ja widerlich!« Er verzog angeekelt sein Gesicht und stand ruckartig auf. »Ich bin raus! Schleimt euch meinetwegen gegenseitig an, ich mach da nicht mit!« Ohne ein weiteres Wort riss er einen brennenden Stock aus dem Lagerfeuer, und ging, ihn als Fackel nutzend, fluchend davon. Simôn erhob sich ebenfalls.

»Ich folge ihm lieber. Sicher ist sicher.«

Nuvay bereute schon ihre Aussage und sah schuldbewusst zu Simôn. »Soll ich auch mit?«

Er schüttelte den Kopf und lächelte sie an. »Bleib du hier bei Kaleb.«

Nuvay seufzte.

Simôn nahm sich ebenfalls eine Fackel aus dem Lagerfeuer und lief Nakim hinterher. Stille. Nuvay musste an Nakims Gestik und Mimik von vorhin denken und biss sich auf die Unterlippe. Er sah mit den verschränkten Armen und diesem Gesichtsausdruck einfach nur süß aus.

Kaleb grinste sie an, als sie zu ihm aufblickte. »Er sah aber so knuffig aus«, verteidigte sie sich leise.

»Du weißt wirklich, wie man ihn zur Weißglut bringt.«

Nuvay überlegte kurz und dann zuckte sie mit ihren Schultern, genauso wie Kaleb immer, und grinste zurück:

»Ach, da muss man nicht viel wissen.« Sie streckte leicht ihre Zunge heraus. »Es ist eher schwieriger, ihn nicht wütend zu machen. Das ist tatsächlich eine sehr große Herausforderung!«

»Ja, mag schon sein«, stimmte Kaleb ihr zu. Beide verfielen wieder in ein kurzes Schweigen.

»Zu wem geht es denn jetzt eigentlich? Wer ist die besagte Person?«

Kalebs Grinsen wurde wieder breiter, doch seine blauen Augen nahmen einen leichten trüben Ton an, der so gar nicht zu seinem Grinsen passte. Sie sah ihn irritiert an. Das konnte im Grunde nichts Gutes bedeuten.

»Na ja«, fing er langsam an, »wie kann man sie am besten beschreiben?«

»Sie? Heißt das, wir gehen zu einer Frau?«, fragte Nuvay neugierig.

»Nein, glaub mir. Dass sie eine Frau ist, macht die Sache wirklich nicht besser.«

Sie sah ihn weiter fragend an.

Er seufzte. »Denn ich muss dir leider sagen, dass sie eine der furchterregendsten und schrecklichsten Hexen ist, die auf dieser Welt noch ihr Dasein fristen!«

Nuvays Augen weiteten sich und sie musste schlucken. Eine Hexe!

»Sie ist grausam. Furchterregend. Mächtiger König! Schon allein, wenn ich an sie denke, jagt sie mir einen Schrecken ein.« Kaleb unterstrich seine Worte mit einem deutlichen Zittern des Körpers. Wahrscheinlich lief ihm tatsächlich ein Schauer über den Rücken.

Nuvay war irritiert.

»Das klingt gefährlich. Ist es denn sicher bei ihr? Also könnte uns etwas passieren?« Kaleb musste darüber nicht lange nachdenken.

»Nein. Ich pass schon auf, dass euch nichts passiert!«, er lächelte kurz, »Dafür bin ich ja da. Also ihr braucht keine Angst vor ihr zu haben. Ihr hattet ja bislang noch nie was mit ihr zu tun.«

»Das macht mir schon ziemlich Angst, Kaleb. Ich hoffe, dass ist dir klar.«

Kaleb lachte, antwortete aber nicht.

»Was macht sie so furchtbar?«

Kaleb verzog das Gesicht und weitete die Augen.

»Das willst du gar nicht wissen.«

Sie sah ihn genervt an. Wieso immer diese ausweichenden Antworten?

»Was denn?«, erwiderte Kaleb, »Du könntest jetzt nicht mehr schlafen. Warum sollte ich dir deine erste Nacht im Freien verderben? Und dabei sind heute die Sterne so wunderschön.« Er sah auf und lächelte.

Ein strahlendes Meer voller kleiner, großer, unterschiedlicher Lichter funkelte am Himmel. Es schien, als strahlten die Sterne um die Wette. Doch keiner war dabei so aufdringlich, dass er die Gesamtharmonie störte. Unsere Nachtlampen, dachte Nuvay. Sie musste ebenfalls lächeln. Wer die da wohl hingehängt hatte? In ihrem Dorf kümmerten sich die Elektriker darum, also Xouna und seine Arbeiter. Sie sah zu Kaleb und bemerkte, dass er sich von den Sternen abgewandt hatte und sie beobachtete. Sie räusperte sich, konnte aber nicht verhindern, dass sie leicht rot anlief.

»Was gibts?«, fragte sie ihn schroff. Seine blauen Augen leuchteten für einen kurzen Augenblick schon fast stärker als die Sterne, dann lächelte er verlegen und seine weißen Zähne kamen zum Vorschein.

»Die Strahlen der Nacht stehen dir«, antwortete er leise. Nuvay wurde rot. Dabei strahlte er selbst wie ein Stern.

»Danke«, sagte sie noch leiser, »An dir sehen sie aber auch nicht schlecht aus.«

Kaleb grinste sie breit an. Sie erwiderte ihm mit einem ebenso breiten Lächeln. Dann sahen beide wieder auf zum Nachthimmel. Nuvay ließ jedoch die Frage von vorhin nicht los.

»Kaleb?«

»Hmm.« Sein Blick war immer noch auf die Sterne gerichtet.

»Weißt du eigentlich, wie viele Sterne es gibt?«

Er blickte weiter die Sterne an.

»Nein. Woher sollte ich das wissen?«

Sie zuckte mit ihren Schultern.

»Weiß nicht. Weißt du von jemandem, der das vielleicht wissen könnte?«

Kaleb überlegte kurz und musste dann etwas schmunzeln:

»Das kann nur einer wissen«, flüsterte er.

Ihre Neugier war geweckt. Gab es wirklich jemanden, der das wusste? Sie beugte sich zu ihm vor.

»Wer?«, hakte sie weiter nach. Kalebs Schmunzeln wurde zu einem Grinsen.

»Stell dich nicht so dumm. Du müsstest alleine draufkommen. Finde es selber heraus!«, erwiderte er.

»Boah, Kaleb! Das nervt, wenn du das machst! Und du machst es immer!« Sie griff wütend nach einem Stück Holz und warf es in seine Richtung. Er wich ihm mit Leichtigkeit aus.

»Man merkt, dass du seine Cousine bist«, sagte er dann tonlos.

»Ich geb dir gleich Cousine, du Nervensäge!«

»Wehe, du stehst jetzt auf und gehst irgendwo alleine hin!«

»Von so ner Säge wie dir lass ich mir nichts sagen!« Sie griff genervt nach ihrem Rucksack und begann darin zu kramen. Kaleb beobachtete sie aufmerksam. Wahrscheinlich dachte er, dass sie nach einer Pfanne suchte, um sie ihm über die weiße Rübe zu braten. Sie hielt kurz inne und musste ein Lachen unterdrücken. Das Bild, das nun vor ihrem geistigen Auge aufblitzte, war urkomisch. Um Kaleb im Glauben zu lassen, dass sie stinksauer war, vergrub sie ihren Kopf ganz tief in der Tasche.

»Erstick nicht beim Suchen!«, stichelte Kaleb.

Sie ignorierte ihn.

»Siehst du so überhaupt noch was?«, versuchte er es weiter.

Endlich spürte sie die vertraute weiche Oberfläche. Sie hatte gefunden, wonach sie gesucht hatte und zog es heraus. Es war eine dünne Decke. Kaleb lehnte sich entspannt zurück, beobachtete sie aber weiterhin. Nur gab es nicht mehr viel zum Beobachten. Sie warf sich die Decke über die Schultern und legte sich auf den Boden. Ohne ein weiteres Wort schloss sie ihre Augen und versuchte diesen ersten Tag zu beenden.

»Gute Nacht«, hörte sie Kaleb noch sagen. Auch das ignorierte sie und antwortete ihm nicht.

2 | Die Absicht ist die Seele der Tat

Nuvay hörte ein leises Geflüster, doch ihre Augenlider waren so schwer, dass sie sie nicht öffnen wollte und konnte. Sie kam so langsam zu sich und spürte einen leichten Druck auf ihrer Brust. Sie zuckte mit ihrer linken Hand und wollte sich gerade erheben, da spürte sie, wie ihr Körper ganz sanft wieder heruntergedrückt wurde.

»Nuvay, beweg dich nicht!«

War das etwa Simôns Stimme? Sie versuchte, die Augen zu öffnen. Sie brannten. Mit viel Mühe konnte sie aber gerade mal etwas blinzeln. Erkennen konnte sie wegen der Dunkelheit trotzdem nichts.

»Wasch denn?«, murmelte sie verschlafen und schmatzte auf. Ihr Hals war trocken.

»Einfach – nicht – bewegen!« Das war jetzt unverwechselbar Nakims Stimme mit dem befehlerischen Unterton, den er sicherlich von seiner Mutter hatte. Da konnte sie nur gehorchen.

»Es scheint tief und fest zu schlafen.« Das war wieder Simôns Stimme.

»Ich schlafe nicht …«, erwiderte Nuvay müde.

»Wer redet schon von dir! So verschlafen bist du dämlicher als sonst!« Das war eindeutig Nakim. Warum aber waren die beiden Jungs noch wach und warum musste sie leise sein? Und über was redeten diese Jungs? Wer oder was war »es«? Simôn war da, also brauchte sie sich keine Sorgen machen, dachte sie. So versuchte sie wieder einzuschlafen.

»Was machen wir jetzt?«, fragte Simôn. Der Ton in seiner Stimme war anders als sonst.

»Ich hol es da weg!«, mischte sich Kaleb ein.

Natürlich. Zwischen diesen seltsamen Idioten hatte nur noch Kaleb gefehlt.

»Träum weiter! Denkste ich lass zu, dass du sie da begrapschst?«

Warum wollte Kaleb Nakim angrapschen? Diese Jungs waren doch schon eigen.

»Was ist denn los mit euch?« Sie wollte ihren Kopf anheben, aber wurde diesmal etwas unsanfter heruntergedrückt.

»Wenn du dich noch einmal bewegst, werde ich dir alle Knochen einzeln brechen!« Nuvay öffnete genervt die Augen. Also langsam reichte dieser Humbug! Unbändige Wut kam in ihr auf und wollte sie schon übermannen, als sie Simôns Stimme hörte.

»Nuvay? Ich werde ihm echt helfen, wenn du dich nochmal bewegst!«, meinte er bestimmend. Das war neu! Wenn Simôn das sagte, dann hatte das etwas zu bedeuten. Die Wut verschwand genauso schnell, wie sie gekommen war. Sie bekam eine Gänsehaut. Was war denn los? Nakim hatte sie in der Zwischenzeit wieder losgelassen.

»Dann muss Nakim es machen«, sagte Kaleb wieder.

»Nein, Mann! Ich grapsch ihr da nicht hin!«, fuhr ihn Nakim an.

»Nicht so laut, Nakim! Du weckst das Ding noch auf!«, versuchte Simôn die anderen zu warnen.

»Das Ding schläft fester als Nuvay!! Was schon ein Wunder an sich ist!«

»Gefällt ihm wohl dort.«

»Schsschsch! Nicht so laut!«

»So was kann in der ersten Nacht auch nur diesem bekloppten Mädchen passieren. Warum ziehst du so viel Unheil an?«

Nuvays Augen gewöhnten sich langsam an die Dunkelheit. Sie konnte links von sich Simôns Silhouette ausmachen und der Klotz rechts musste wohl Nakim sein. Kaleb konnte sie jedoch nicht sehen.

»Okay, Nakim. Jetzt beruhig dich wieder! Du bist mit ihr verwandt, also musst du es tun!«, versuchte Simôn Nakim zu überreden.

»Nein, Mann! Niemals!« Seine Stimme wurde zum Ende hin höher. Das bedeutete wohl, dass er es tatsächlich niemals tun würde, was immer sie jetzt auch vorhatten.

»Gut, dann mach ich es!«, ging ihm Kaleb dazwischen und dann sah Nuvay, wie sich Nakims Klotzsilhouette bewegte, und sie hörte einen dumpfen Aufschlag.

»Au! Das tat weh!«, klagte Kaleb.

»Du verdammtes Tier! Ich hab gesagt: Nein!«

»Leute, ich komm grad wirklich nicht mit«, sagte Nuvay leise.

»Ist nicht so schlimm«, meinte Simôn und wandte sich den beiden zu, »Jungs, jetzt hört auf damit!«

»Was denn, er hat angefangen!«, entfuhr es Kaleb etwas lauter.

»Deine Mudda hat angefangen! Idiot!«

»Was hat sie denn damit zu tun?«

»Komm einfach nicht auf dumme Gedanken, du Tier!«

Nuvay seufzte und wollte sich aufrichten, als sie plötzlich innehielt. Ein Blitz der Erkenntnis schlug bei ihr ein. Sie spürte es. Sie konnte es spüren. Sie verstand nun alles. Ihre Müdigkeit war wie weggeblasen, der trübe Schleier um ihren Verstand davongerissen. Das Gewicht auf ihrer Brust zuckte und bewegte sich. Sie wurde nervös.

»Leute …«, ihre Stimme zitterte und sie versuchte, so wenig wie möglich ihre Brust dabei zu bewegen. Ein kalter Angstschauer ergriff sie.

»Was ist daran dumm, ihr Leben retten zu wollen?«

»Drache?«

»Was, Drache?«

»Treib es ja nicht zu weit! Du weißt ganz genau, was ich damit meine!«

»Leute … Da bewegt sich was …« Die Angst übermannte sie immer weiter. Ihr Herzschlag beschleunigte sich und mit jeder noch so kleinen Bewegung, die sie auf ihrer Brust spürte, wurde sie noch panischer. Sie wollte gar nicht wissen, was sich da auf ihrer Brust gemütlich gemacht hatte. Sie wollte gar nicht darüber nachdenken, was passieren könnte.

Jedoch konnte sie die Gedanken, die nun durch ihren Kopf rasten, nicht kontrollieren. War es eine Schlange, die da auf ihrer Brust lag? Ein Skorpion? Eine giftige Echse? Ein giftiger Frosch? Eine Tarantel? Irgendeine giftige Spinnenart? Und dieses Vieh könnte sie beißen, anknabbern, abnagen, stechen, verbrennen, kratzen, pieken, zwicken, ätzen, räuchern oder was auch immer. Es war dunkel. Sie konnte nichts sehen, doch jeden Augenblick hätte etwas passieren können!

Kalter Angstschweiß lief ihr den Nacken entlang. Sie hörte die Stimmen, die um sie herum in einen Streit verwickelt waren, schon gar nicht mehr. Ihr Körper erstarrte. Sie atmete langsam ein, hielt die Luft, solange sie konnte, an und atmete dann wieder langsam aus. Ihr Herz hämmerte gegen die Brust und das machte ihr bloß noch mehr Angst. Sie befürchtete, dass ihr Herzklopfen das Wesen auf ihrer Brust wecken könnte. Die Schweißperlen, die ihr den Rücken entlangliefen, schienen kein Ende zu haben. Sie horchte, witterte, wartete auf eine kleine Bewegung, die vielleicht ihr Tod sein würde …

Ein Zucken. Sie zuckte ebenfalls. Und dann ein weiteres Zucken auf ihrer Brust und dann brannten ihr alle Sicherungen durch. Sie kreischte, so laut ihre Lungen es erlaubten:

»Leute, es bewegt sich!« Der Schock fuhr ihr durch Mark und Bein. Alle um sie herum verstummten. Selbst der Wind hielt inne. Sie hörte eine Bewegung und plötzlich war das Wesen erwacht. Es sah sich um. Es sah, dass alle Blicke auf es gerichtet waren. Nun bemerkten alle, dass es sich bei dem unbekannten Wesen um eine kleine Schlange handelte. Sie ließ sich jedoch trotz des Geschreis und der Blicke nicht weiter aus der Ruhe bringen und kroch gemächlich von Nuvays Brust herunter. Sie ließ sich dabei alle Zeit der Welt. Nuvay hielt die Luft an. Sie war nicht die Einzige, die gerade nicht atmen konnte. Endlich am Boden angekommen, kroch sie gemütlich weiter und gähnte sogar dabei. Ein Stein so groß wie das Drachengebirge in der Nähe ihrer Höhle fiel ihr vom Herzen und sie atmete endlich durch.

»Hä, was war denn das jetzt?«, fragte Kaleb perplex.

Simôn lächelte glücklich und sichtlich erleichtert. »So kann’s auch kommen.«

Nakim rümpfte die Nase. »Zumindest musste sich niemand an Nuvay vergreifen!«

Nuvay warf einen wütenden Blick in die Runde.

»Ihr seid doch alle bescheuert! Und was, wenn das Vieh mich gebissen hätte?«

»Du wärst als Jungfrau gestorben«, meinte Nakim trocken.

Nuvay klappte die Kinnlade herunter. Dann spürte sie, wie die Wut in ihr aufkochte, und diesmal würde auch Simôn sie sicherlich nicht mehr beruhigen können. Diesmal hatte die Wut Verstärkung mitgebracht: die Entrüstung, die Empörung und die Enttäuschung. Nuvay stand urplötzlich auf und sprang Nakim an. Er kam ins Wanken und stürzte mit Nuvay, die sich an ihn geklammert hatte und auf ihn eintrat und einschlug, auf den Boden. Dabei warf sie ihm die schlimmsten Fluchwörter an den Kopf, die sie kannte.

[Da auch Kinder diese Zeilen lesen, werden wir einmal von einer genauen Schilderung absehen. Doch kann ich sagen, dass vielen vielleicht die Ohren davon abgefallen wären oder in unserem Fall die Augen.]

Nakim ließ alles ohne Gegenwehr über sich ergehen. Vermutlich machten ihm die Schläge nichts aus. Nuvay war halt trotz alledem ein dürres Mädchen.

»Krass!«, sagte Kaleb ehrfurchtsvoll, »So wütend habe ich sie noch nie erlebt!«

»Irgendwann musste sie es ja rauslassen«, meinte Simôn.

»Dem König sei Dank, dass sie es nicht auch noch an uns rauslässt. Woher kennt sie all diese Wörter?«, fragte Kaleb weiter. Er sah leicht beängstigt aus.

»Das frage ich mich auch gerade«, sagte Simôn.

»Vielleicht sollten wir uns lieber die Ohren zuhalten. Ich glaube, sie legt jetzt erst richtig los.« Kaleb verzog das Gesicht und sprach leicht verträumt weiter: »Und trotz alledem sieht sie immer noch wunderschön aus.«

Simôn sah ihn überrascht an.

Kaleb grinste verlegen: »Ah ja! Schau sie dir an! Wie eine Kriegerin!« Er lachte auf.

»Wenn du meinst. Für mich sieht sie eher aus wie … hmm …«, Simôn überlegte kurz. »Wie ein wütendes Drachenmädchen«, sagte er dann. Er sah zu Kaleb, der den Kopf schüttelte:

»Nein, du kennst die Drachenmädchen nicht. Die sind viel furchteinflößender.« Kaleb schluckte. »Glaub mir. Die machen einem richtig Angst.«

Simôn musste auflachen. »Du solltest endlich deine Angst gegenüber der Damenwelt besiegen!«

»Du meinst der Drachendamenwelt. Das ist leicht gesagt. Du weißt ja gar nicht, wie schlimm sie sein können.«

Simôn lächelte, hob seine Hand und verwuschelte ihm seine strohigen, weißen Haare. Sie waren genauso hart wie seine, fiel ihm auf.

»Kopf hoch, Drache! Du bist kein Junge mehr, sondern ein Mann … mal in Nakims Worten ausgedrückt. Auch wenn dieser Mann da gerade verdroschen wird.«

»Ist nett von ihm, dass er nichts macht.«

»Ja, Frauen schlägt er nicht mehr. So viel Ehre hat er sich in all den Jahren erarbeitet.«

»Du meinst, das war mal anders?«

»Und wie! Ich weiß gar nicht mehr, wie oft ich Nuvay vor Nakim beschützen musste. Nachdem sein Vater verschwunden ist, fing er an … fürsorglicher zu werden, sag ich mal.«

»Na ja, etwas Gutes hatte es dann doch.«

»Wahrscheinlich.«

»Ich mag ihn eigentlich. Nakim, meinte ich jetzt, nicht seinen Vater.«

»Ich mag ihn auch. Unter all diesem protzigen Getue ist er im Grunde ein richtig guter Mensch. Nur hat er Angst … zu viel Angst.«

»Mag schon sein. Aber wer hat die denn nicht?«

Simôn antwortete nicht. Er sah zu Kaleb. Sein Blick war traurig auf Nuvay und Nakim gerichtet und Simôn konnte noch etwas anderes darin erkennen. Er musste überlegen.

Ja, wer hat schon keine Angst? Und er spürte die seine in sich.

Simôn öffnete die Augen. Die warmen, frühen Sonnenstrahlen blendeten ihn so stark, dass er sie wieder zukneifen musste. Sie schmerzten und tränten. Es war das erste Mal in seinem Leben, dass er im Freien geschlafen hatte und die Sonne ihn weckte. Daran musste er sich definitiv noch gewöhnen. Er murmelte einige unverständliche Wörter und richtete sich dann auf. Der Boden war hart. Niemals hätte er gedacht, dass es so wehtun würde, auf dem harten Boden zu schlafen. Seine Glieder schrien schmerzend auf. Schlaf hatte er diese Nacht nicht wirklich finden können. Daran müsste sein Körper sich wohl ebenfalls gewöhnen. Mit der einen Hand rieb er sich das linke Auge, das immer noch Schwierigkeiten hatte, die Sonnenstrahlen zu verarbeiten, während das andere Auge seine Begleiter überflog. Kaleb lag eingerollt zu seiner Rechten. Er schien tief und fest zu schlafen. Seine weißen Haare lagen zerstreut über seinem blassen Gesicht. Es erweckte den Eindruck von tiefer Seligkeit in Simôn, doch glaubte er zu meinen, dass Kaleb allein bei einem falschen Astknacken aufhorchen konnte und dies auch tun würde. Nakim lag ausgestreckt auf dem Rücken und hatte seine Decke bis über seinen Kopf gezogen – anscheinend störten ihn die Sonnenstrahlen auch – darum lagen aber jetzt seine Füße frei, was ihm jedoch nichts auszumachen schien. Wahrscheinlich hatte er gerade schön warme Füße. Als Simôn dann die Abwesenheit einer Person bemerkte, zuckte ein Schreck durch seinen Körper. Nuvays Platz war leer. Er sah sich schnell um.

»Nakim?«, sagte er barsch. Er knurrte leise unter seiner Decke. Warum musste dieser Junge auch immer solch tierische Geräusche von sich geben? Sein Blick fiel plötzlich auf eine kleine Himbeere, die links von ihm lag. Er sah sie irritiert an. Wie kam die denn dahin? Er sah sich um. Weit und breit waren keine Himbeerbüsche. Dann ging ihm ein Licht auf. War das vielleicht von Nuvay? Er hob es auf und sah den kleinen Zettel, den die Himbeere unter sich verbarg. Da stand eine Nachricht von Nuvay in ihrer unverkennbaren Handschrift. Ein Stein fiel ihm vom Herzen, als er ihre kleine Notiz las.

»Bin kurz weg. Keine Panik!«

Simôn atmete erleichtert auf. Er zog seine Beine an und legte seine Arme um seine Knie. Ein unbewölkter Tag sollte sie heute erwarten. Es schien nicht allzu spät zu sein. Wahrscheinlich neun Uhr.

»Nakim?«, sagte er dann noch einmal. Er knurrte wieder und murrte irgendwas in seine Decke hinein.

»Nakiim?«

»HMM?«, kam es lauter und genervter aus der Decke heraus.

Simôn musste ein Lachen unterdrücken. »Nuvay ist nicht hier«, sagte er matt und erschrak, als Nakim sich wie vom Blitz getroffen aufrichtete und erschrocken umsah.

»Wie, sie ist weg?« Er sah ziemlich furchterregend aus mit seinen strubbeligen Haaren und seinen verzerrten Gesichtszügen.

Auch Kaleb war nun wach und schaute die beiden an. »Sie ist nicht weg!«, sagte er dann und fuhr fort: »Sie hat jedem von euch eine Himbeere und eine Nachricht hinterlassen. Sie zieht ein wenig durch die Gegend. Keine Angst, ich kann sie noch riechen!«

Nakim hob die Himbeere auf und sah den Zettel. Er öffnete ihn, las die Notiz und beruhigte sich wieder. »Mann, hab ich n Schreck bekommen!«, sagte er seufzend.

Simôn schielte auf den Zettel von Nakim. »Steht bei dir dasselbe?«

Er zeigte ihm den Zettel. Und ja, darauf stand dasselbe. Doch dann bemerkte Simôn, dass auch auf der Rückseite des Zettels von Nakim etwas stand. Er drehte die Hand von Nakim ganz vorsichtig um und beide lasen, was Nuvay auf die Rückseite geschrieben hatte. »Hab dich beim Schlafen auf die Wange geküsst.«

Simôn sah grinsend zu Nakim und hätte fast laut losgelacht, hätte er sich nicht vor einigen Schlägen gefürchtet.

»Was?« Nakim wurde rot, ob vor Wut oder Scham, konnte Simôn gerade nicht ausmachen. Nakim zerknüllte den Zettel und schmiss ihn demonstrativ weg. Damit hatte er seinen Standpunkt dargelegt.

Simôn ließ sich von Nakim nicht aus der Ruhe bringen. Er nahm seinen Zettel und schaute auf die Rückseite, ob auch er eine zusätzliche Nachricht hatte. Und ja, sie hatte auch für ihn noch etwas geschrieben.
»Du bist süß, wenn du schläfst.« Simôn konnte ein breites Grinsen nicht unterdrücken. Nakim schielte auf den Zettel von Simôn. Er runzelte die Nase und kommentierte es mit »Du Lappen!«.

Das ließ Simôn kalt. »Ah ja, du hast den Kuss bekommen.«

»Halt den Mund!«, befahl Nakim forsch.

Simôn griff bloß nach seiner Himbeere und warf sie sich in den Mund. Sie schmeckte köstlich und er lächelte beim Kauen genüsslich.

»Was soll ich damit machen?«, hörte Simôn Kaleb sagen. Er sah zu ihm hin und erkannte, dass Kaleb eine Beere in die Luft hielt.

»Wie wäre es mit Essen, Kaleb?«, antwortete Simôn und erhob sich langsam. Seine Glieder gehorchten ihm nur widerwillig. Sie waren schwer und schmerzten bei jeder Bewegung.

»Ich bin doch kein Vogel!«. Kaleb verzog das Gesicht und warf der Himbeere einen solchen Blick zu, dass jeder wildfremde Mensch erkannt hätte, was ihm gerade durch den Kopf ging: Wie kann man so etwas nur essen?

»Iss sie trotzdem. Eine vitaminreiche Himbeere wird dich schon nicht umbringen«, meinte Simôn.

»Ich brauch keine Vitamine. Ich bin ein Drache.«

Simôn musste lächeln. Der Junge und sein Drachenego waren wirklich eine Welt für sich. Kaleb sah die Himbeere noch eine Weile an. Er schien schwer zu überlegen. Letztlich seufzte er ergeben und warf sie sich in den Mund. Er kaute auf ihr herum und verzog das Gesicht.

»Bäääh, das schmeckt … süß!«

»Schlucks einfach runter«, forderte Simôn ihn auf. Kaleb schluckte und streckte seine Zunge heraus.

»Wie könnt ihr so was freiwillig essen?«

»Ich mag’s … Schmeckt doch lecker.«

»Sie sind süß!« Kaleb sah ihn verständnislos an. »Wie kann das lecker schmecken?«

Simôn blickte ebenso unverständlich zurück.

»Weißt du, was wirklich lecker schmeckt?«, fragte ihn Kaleb dann und grinste dabei aufgeregt. Simôn schüttelte den Kopf und ahnte schon, dass jetzt etwas Ekelhaftes folgen würde.

»Augen! Frische Tieraugen!«, Kaleb leckte sich die Lippen.

Das übertraf nun doch Simôns Erwartungen. Ihm wurde Übel.

»Junge, lass dich dringend mal therapieren!«, warf Nakim ein.

Kaleb wollte gerade etwas erwidern, da fiel ihm ein bekannter Geruch auf. Er drehte sich prompt um und sagte zu den Anwesenden: »Nuvay kommt!«

»Wird auch langsam Zeit«, war Nakims Antwort. Er hatte schon angefangen, seine Schlafsachen zusammenzupacken.

Kurz darauf kam auch Nuvay schon aus einem Busch heraus. Ihre dunklen Haare lagen offen und nass über ihrer rechten Schulter. Sie hatte rote Wangen und lächelte freudig in die Runde. Sie strahlte wie die Sonne. Vielleicht kam es Simôn auch nur so vor? Sie trug ein Bündel Kleider bei sich.

Nuvay hätte nie gedacht, dass ein gutes Bad ihre Laune so anheben könnte. Früh war sie schon von den warmen Strahlen der Sonne geweckt worden. Sie hatten ihr Energie geschenkt und sie motiviert aufzustehen und etwas zu unternehmen. Erst hatte sie sich Kalebs Einverständnis eingeholt und ist dann etwas durch die Gegend gelaufen. Schon bald hatte sie eine wunderschöne Wasserquelle mit sehr vielen Himbeersträuchern entdeckt. Dass die Jungs noch schliefen, hatte sie ausnutzen wollen und war schnell ins Lager zurückgekehrt, um die Himbeeren und die Notizen zu hinterlassen. Anschließend hatte sie nach frischen Sachen gekramt und sich beeilt, weil sie an dieser wunderschönen Wasserquelle noch ein kleines Bad nehmen wollte.

Nun stand sie frisch und mit lauter Tatendrang vor ihren Reisegefährten. Sie lächelte sie an, begab sich jedoch wortlos zu ihrer Tasche und packte ihre Sachen. Als sie wieder aufsah, bemerkte sie Nakims Blick. Er schien verärgert. Er musste ihre Nachricht gelesen haben, dachte Nuvay. Sie verkniff sich ein Lachen. Nach der Aktion gestern Nacht hatte er das verdient! Doch sie hatte ihn nicht wirklich geküsst. Das hätte sie sich nie getraut. Ein kalter Schauer jagte ihr den Rücken herunter. Schon allein die Vorstellung, dass Nakim aufstehen und sie dabei erwischen könnte, war schrecklich. Wer weiß, was er ihr in so einem verschlafenen Zustand alles antun könnte? Sie schüttelte ihren Kopf, um diese düsteren Gedanken loszuwerden, und sah wieder auf zu Nakim. Er hatte die Augen zusammengekniffen.

»Dieses Mal lass ich es dir durchgehen. Jetzt sind wir quitt! Das nächste Mal bezahlst du mit deinem Leben!« Dabei stopfte er seine Decke demonstrativ aggressiver als nötig in den Rucksack. Nuvay wich leicht zurück.

»Was auch immer!« Hin oder her, das, was sie entdeckt hatte, musste sie den anderen unbedingt zeigen. »Ich muss euch was zeigen! Kommt mit!«, sagte sie in die Runde und sah sie strahlend an.

»Den Wasserfall, den du gefunden hast?«, fragte Kaleb.

»Jetzt verrat doch nicht gleich alles!«, fuhr Nuvay ihn an und blies ihre Backen auf.

Kaleb zuckte mit seinen Schultern: »Tschuldigung.«

»Macht nichts!«, sagte Nuvay und lächelte ihn an. Heute wollte sie sich ihre Laune von nichts und niemanden verderben lassen. Dann griff sie nach der Hand von Kaleb und wollte ihn zu dem besagten Ort lotsen, als Nakim dazwischenging: »Keiner geht Händchen haltend mit ihr irgendwo hin!«

Nuvay sah ihn ausdruckslos an. »Okay.«

Dann ließ sie Kaleb wieder los, stemmte ihre Hand in ihre Hüfte und machte mit ihrem Kopf Andeutungen, dass sie ihr folgen sollten.

»Na los! Wer den schönsten Ort auf Erden sehen will, der folge mir jetzt!«, sagte sie und schlug sich stolz auf die Brust. Anschließend drehte sie sich um und marschierte los, wobei sie sich wirklich wie ein Soldat bewegte.

»Mir nach, Fußvolk!«, rief sie freudig aus.

»Übertreib nicht, Nuvay«, hörte sie Nakims mahnende Stimme hinter sich. Sie schluckte und lief wieder normal.

»Du solltest aufhören, ihr alles zu verbieten, Nakim«, sagte Simôn.

»Wer bist du? Ihre Mutter?«, schoss Nakim zurück.

»Mann! Du nervst heute wieder!«, moserte Simôn, wendete sich dann Nuvay zu und fragte sie: »Wo genau ist deine Entdeckung?«

»Gleich hier links und dann immer gerade aus!«, sagte sie stolz und begleitete ihre Wörter in der Luft mit ihren Händen.

»Hast du wegen der vielen Schlangen oder anderer gefährlicher Tiere im Wasser denn auch aufgepasst?«, hörte sie Kaleb fragen.

Sie verzog kurz ihren Mund und blickte schnell wieder weg. »Hab keine gesehen«, fügte sie dann schnell piepsig hinzu und beschleunigte dabei ihre Schritte. Sie wäre auch nicht im Traum darauf gekommen, auf so etwas zu achten. Von weit her hörte sie schon das wohlige Plätschern des Wassers.

»Hast du überhaupt nachgeschaut?«, hakte Kaleb noch mal nach.

Es kam keine Antwort.

»Nuvay, du bist manchmal dumm wie Brot!«, fuhr Nakim sie wieder an. Bei dem kleinsten Fehler ihrerseits fiel er über sie her. Woher er auch immer diese pädagogische Ader hatte, seine Kinder taten ihr jetzt schon leid.

Die Geräusche des Wassers waren nun ganz nah. Der Geruch von feuchtem Gras lag schon in der Luft.

»Da ist es!« Sie blieb auf der Stelle stehen und drehte sich theatralisch nach hinten. Dabei achtete sie penibel darauf, nicht zu übertreiben, damit sie sich nicht wieder einen blöden Spruch von Nakim einfing. Sie standen vor einer Blätterwand. Nakim und Simôn wechselten fragende Blicke. Sie sah grinsend zu ihnen, hob ihren Arm und drückte den Blättervorhang zur Seite. Ein kleiner, geradezu traumhafter Wasserfall zeigte sich den Zuschauern.

»Wow«, sagte Kaleb, »das sieht ja wunderschön aus!«

Simôn löste sich als Erster aus der Starre, in die der Anblick alle versetzte. Er ging an Nuvay vorbei und tätschelte sie freundschaftlich und sanft auf den Kopf. Eine wohlige Wärme stieg in ihr auf.

»Wundervoller Fund!«, sagte Simôn und lächelte. Sein Blick war dabei wie verzaubert auf den Wasserfall gerichtet. Dann bückte er sich leicht und durchschritt den Blättervorhang. Als Nächstes bewegte sich Kaleb. Er grinste Nuvay an und versuchte wie Simôn, Nuvay am Kopf zu tätscheln. Dabei ahmte er alle Bewegungen von Simôn nach. Jedoch war sein Tätscheln nicht so sanft wie Simôns zuvor, eher etwas unbeholfen. Nuvay blinzelte irritiert und erwiderte dann sein Lächeln. Kaleb verschwand ebenfalls auf die andere Seite des Blättervorhangs. Seltsamer Bursche, ging es ihr noch einmal durch den Kopf. Es blieb nur noch Nakim übrig. Sie schluckte, als endlich auch er losging. Er hielt auch kurz vor ihr an und legte ebenfalls seine Hand auf ihren Schopf. Nur tätschelte er sie nicht, wie die beiden anderen zuvor, sondern sah sie mit einem drohenden Blick von oben herab an. Sein Griff wurde etwas fester.

»Bete, dass nichts Gefährliches da drinnen herumschwimmt!«

Nuvay lachte nervös. Das war eindeutig kein Lob, sondern eine Drohung. Die Wärme, die eben noch in ihr aufgestiegen war, wich einer Kälte. Sie versuchte so gut es ging, sich nichts anmerken zu lassen, und hielt ihr schiefes Grinsen aufrecht. Nakim lief durch die Blätter und verschwand aus ihrer Sicht. Nuvay seufzte schwer. Warum war dieser Junge bloß immer so grob, taktlos und aggressiv?

»Das hab ich gehört!«, hörte sie ihn von der anderen Seite sagen. Sie zuckte zusammen. Meinte er jetzt ihre Gedanken oder ihr Seufzen? Wahrscheinlich beides. Nein, sicherlich beides! Sie fühlte sich unwohl in seiner Nähe.

Sie atmete tief ein, sammelte ihren zerstreuten Mut zusammen und lief ebenfalls durch. Die Blätter waren noch ein wenig feucht, wahrscheinlich vom Morgentau. Beim Vorbeilaufen wurde sie ein wenig nass. Sie strich sich gerade die Wassertröpfchen aus ihrem Gesicht, als ihr Blick stolz auf ihrem Fund haften blieb. Es war ein nicht allzu großer Wasserfall, vielleicht dreimal so groß wie Nakim. Entlang des fallenden Wassers war sanftes, dunkelgrünes Moos auf dem Gestein. Es leuchtete in der Morgensonne wonnig auf und zauberte ihr ein Lächeln ins Gesicht. Das Wasser war wundervoll klar und spiegelte freudig die Sonnenstrahlen wider. Das Auffangbecken, in welches das Wasser plätscherte, und das Flussbett, in das sich das Wasser anschließend ergoss, waren von Pflanzen und Blumen in unterschiedlichen Grüntönen umgeben. Schicht für Schicht legten sie sich um das Wasser, aber berührten es nicht. Kleine bunte Fische schwammen in den zarten Strömungen. Sie waren nicht gefährlich. Zumindest hatten sie Nuvay nichts getan. Sie hoffte, dass sie sich auch an keinem der drei Jungen vergreifen würden. Sie schritt zum Wasser und steckte ihre Füße hinein. Es war angenehm kühl. Sie musste lächeln. So stellte sie sich ein Teil vom Himmelsgarten vor. Natürlich war das Bild nur perfekt mit ihren Füßen darin. Sie lächelte verträumt, als sie Simôns Stimme hörte.

»Los, Wettrennen zum Wasserfall!«, und dabei zog er sich sein Oberteil aus und knüpfte gerade seine Hose auf, als sich Nakim einmischte:

»Pah, träum weiter, wenn du denkst, dass du gewinnst!«

Er lachte auf und zog sich in einem Schwung ebenfalls sein Oberteil aus, warf es auf den Boden und machte sich nun an seiner Hose zu schaffen.

So wie sie heute Morgen in Ruhe gebadet hatte, wollte sie auch die Jungs nicht stören oder sie in Verlegenheit bringen. Also dachte sie, dass es eine gute Idee wäre, sie eine Weile allein zu lassen.

Simôn lachte ebenfalls. Er beeilte sich. Nakim hatte sich schon von seiner Hose befreit und sprintete in seiner Unterhose zum Wasserfall. Doch dann blickte Nakim kurz nach hinten, um zu schauen, wo der Drache abgeblieben war. Schockiert von dem, was er sah, rutschte er aus und landete mit einem lauten Plumps im Wasser. Simôn verfolgte seinen Blick und erkannte, dass Kaleb gerade dabei war, seine Unterhose auszuziehen.

»Ähm, Kaleb, nein!«, sagte er noch, als sich Nakim wieder blitzartig aus dem Wasser erhob. Er sah nach unten, wobei er mit seinem Finger auf Kaleb zeigte. »Junge! Das da will niemand sehen!«

Kaleb hielt inne – seine Unterhose hatte er noch nicht heruntergezogen – und sah Simôn an. Seine blauen Augen leuchteten fragend auf. Simôn sah ihn missmutig an. Wann würde er es endlich lernen?

»Lass es einfach an«, sagte er dann seufzend und auch ein wenig verlegen. Kaleb blies seine Backen auf.

»Noch nicht einmal beim Baden?«, fragte er enttäuscht.

»Untersteh dich, Junge!«, keifte Nakim ihn an.

Simôn bewegte sich währenddessen unauffällig zum Wasserfall.

»Boah, ist das ätzend!«, klagte Kaleb.

»Ja, ja, überspring die Leier! Was können wir dafür, wenn dir dein Schamgefühl abhandengekommen ist!«, entgegnete Nakim. Simôn bewegte sich noch einige Schritte weiter. Langsam, damit es niemandem auffiel. Immer einen Schritt nach dem anderen, tiefer in das kühle Wasser hinein.

»Was soll ich mit so einem Ding?«, erwiderte Kaleb und meinte anscheinend sein Schamgefühl.

»Es verhindert, dass ich dir weh tu!«, antwortete Nakim mit drohenden Fäusten. Simôn glitt immer weiter über das weiche Moos unter seinen Füßen. Das Wasser stand ihm nun bis zu den Knien. Er beobachtete die beiden aufmerksam und konnte sich ein Grinsen nur schwer verkneifen.

»Als ob du …«, fing Kaleb mit einer angehobenen Augenbraue an. Dann glitt sein Blick aber zu Simôn und er hielt abrupt inne. Nun folgte Nakim Kalebs Blick und musste breit grinsen.

»Du Fuchs, du!«

Simôn lachte und dann liefen alle drei wie auf Kommando los. Kaleb stürzte sich kopfüber ins Wasser. Simôn hatte einen leichten Vorsprung, den Nakim und Kaleb aber schnell aufholten. Sie waren nun tiefer im Wasser, sodass sie nicht mehr laufen konnten. Wettschwimmen war angesagt. Es lagen noch einige Meter vor ihnen bis zum Wasserfall, da wurde Simôn plötzlich am Knöchel gepackt und ruckartig nach hinten gezogen, wobei er Wasser schluckte. Tiefer und tiefer wurde er ins Wasser gedrückt. Plötzlich spürte er, wie jemand auf seine Unterschenkel trat, dann auf seine Oberschenkel und er wurde noch tiefer ins Wasser gedrückt. Die gleichen Füße spürte er dann auf seinem Rücken und zuletzt auf seinem Kopf, die ihn tief bis zum Boden des Flusses drückten. Jetzt übertrieb Nakim aber, dachte Simôn, als er sich wieder aufrichtete und an die Wasseroberfläche schwamm. Er holte tief Luft und sah, wie sich vor ihm ein weißer Schopf zum Wasserfall vordrängte.

»Simôn, reiß ihm seine dürren Beine raus! Dieses Tier darf nicht gewinnen! Niemals!«, hörte er Nakim sagen, der gerade an ihm vorbeischwamm und Kaleb ins Wasser drückte. Nur gab sich Kaleb nicht so schnell geschlagen wie vielleicht Simôn. Er konnte nicht genau sehen, was Kaleb tat, doch wahrscheinlich hatte er sich im Wasser gedreht und zog nun seinerseits Nakim ins Wasser. Simôn nutzte diese Situation aus und schwamm weiter. Sollten die beiden sich doch prügeln. Sowohl Nakim als auch Kaleb tauchten kurz an der Wasseroberfläche auf, um einander zu beleidigen.

»Du Drecksbalg!«, hörte Simôn Nakim rufen.

»Guck dich mal an!«, gab ihm Kaleb zurück und dann ging ihr Gefecht für kurze Zeit unter Wasser weiter. Simôn war nur noch einen Meter vom Wasserfall entfernt.

Nakim peitschte mit Kaleb auf den Schultern aus dem Wasser. »Wenn ich du wäre, dann würde ich aufgeben!«, schrie er und warf Kaleb wieder mit einem lauten Klatscher ins Wasser zurück. Kaleb tauchte schnell wieder auf und sah Nakim abwertend an.

»Und wenn ich du wäre, wäre ich hässlich!«