Obsidian: Shadows. Finsterlicht (Obsidian-Prequel) - Jennifer L. Armentrout - E-Book
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Obsidian: Shadows. Finsterlicht (Obsidian-Prequel) E-Book

Jennifer L. Armentrout

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Beschreibung

Das Prequel zu Obsidian – für alle, die nicht genug bekommen können von den Lux Dawson will selbst über sein Leben entscheiden. Und das geht nur außerhalb der Lux-Enklave, weg von seiner Familie. Er hat einen Plan, doch dann taucht Bethany an seiner Schule auf und wirft alles über den Haufen. Es ist Liebe auf den ersten Blick – und eine unmögliche Beziehung. Denn Dawson hütet nicht nur sein eigenes Geheimnis, sondern das seiner ganzen Rasse. Bethany darf nie erfahren, was Dawson und seine Geschwister wirklich sind. Trotzdem kann er sich nicht von ihr fernhalten. Und riskiert mehr als ihrer beider Leben. Alle Bände der unwiderstehlichen Bestsellerserie: Obsidian. Schattendunkel Onyx. Schattenschimmer Opal. Schattenglanz Origin. Schattenfunke Opposition. Schattenblitz Alle Bände der dazugehörigen Oblivion-Serie: Oblivion 1: Lichtflüstern (Obsidian aus Daemons Sicht erzählt) Oblivion 2: Lichtflimmern (Onyx aus Daemons Sicht erzählt) Oblivion 3: Lichtflackern (Opal aus Daemons Sicht erzählt) Alle bisher erschienenen Bände der Spin-off-Serie »Revenge«: Revenge. Sternensturm Rebellion. Schattensturm Redemption. Nachtsturm

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Jennifer L. Armentrout: Shadows. Finsterlicht

 

Dawson will selbst über sein Leben bestimmen, zusammen mit seinen Geschwistern Daemon und Dee. Außerhalb der Lux-Gemeinschaft gilt dafür eine strikte Regel: keine enge Bindung zu einem Menschen. Doch dann taucht Bethany an der Schule auf und wirft alles über den Haufen. Es ist Liebe auf den ersten Blick – und eine unmögliche Beziehung. Denn Dawson hütet nicht nur sein eigenes Geheimnis, sondern das seiner ganzen Spezies. Beth darf nie erfahren, was die Lux wirklich sind. Trotzdem kann er sich nicht von ihr fernhalten. Und riskiert dabei seine Zukunft ... und ihr Leben.

Das Prequel zu »Obsidian« – für alle, die nicht genug bekommen können von den Lux.

Wohin soll es gehen?

 

  Buch lesen

  Danksagung

  Viten

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  Leseprobe

 

Für alle, die glauben

Prolog

Ein Schatten glitt über die eisigen Hügel, zu schnell, um irdischer Herkunft zu sein. Dass kein Körper dazugehörte, war ein eindeutiger Hinweis auf sein Wesen und auch darauf, wohin er sich jetzt bewegte. Und das war direkt auf Dawson Black zu.

Na super.

Ein Arum.

Allein bei dem Wort breitete sich ein metallischer Geschmack in seinem Mund aus. Dieser Arsch jagte ihm nach wie ein Junkie seiner Lieblingsdroge. Normalerweise waren sie immer zu viert unterwegs. Da einer von ihnen aber bereits in der vorigen Nacht hatte dran glauben müssen, blieben noch drei dieser öligen Bastarde – von denen einer ihn jetzt ins Visier nahm.

Dawson rappelte sich hoch, streckte sich und klopfte sich den Schnee von der Jeans. Die Arum waren ihnen viel zu nahe gekommen. Eigentlich sollten er und die Seinen hier im Schutz der Felsen sicher sein, weil diese die einzigartige Energie abschirmten, die von ihnen ausging und sie von den Menschen unterschied. Doch dieses Mal hatten die Arum sie trotzdem gefunden. Sie befanden sich nur noch einen Steinwurf entfernt von dem, was er mit seinem Leben beschützen würde. Was für ein Dreck. Er musste etwas unternehmen. Und das hieß, zwei der drei ausschalten, sodass der Letzte ein wenig angefressen sein würde. Sie wollten spielen? Okay, sollten sie haben.

Er trat auf die Lichtung und genoss den scharfen Wind, der ihm das Haar aus der Stirn blies. Das erinnerte ihn daran, wie es sich anfühlte, auf den Seneca Rocks zu stehen und ins Tal zu schauen. Dort oben war es immer arschkalt.

Die Augen zu schmalen Schlitzen verengt, zählte er von zehn abwärts. Bei fünf schloss er sie ganz, ließ seine menschliche Hülle fallen und ersetzte sie durch pure Energie in Form von blau pulsierendem Licht. Die menschliche Form abzulegen war, als würde man zu enge Kleider ausziehen und nackt sein. Freiheit – keine echte Freiheit, denn sie waren nun mal nicht wirklich frei, aber es kam dem schon am nächsten.

Als er bei eins angelangt war, hatte der Arum die Kuppe des Hügels bereits hinter sich gelassen und schoss auf ihn zu wie eine Kugel aufs Gehirn. Dawson wartete bis zum letzten Augenblick, ehe er aus der Schussbahn hechtete, sich drehte und die Energie hervorrief, auf die es der Arum abgesehen hatte. Kein Wunder. Das Zeug war wie eine Atombombe in der Glasflasche. Einmal abgeworfen brauchte man auf den Rums nicht lange zu warten.

Er feuerte einen ordentlichen Strahl davon auf den Arum und traf ihn dort, wo vermutlich die Schulter saß. In seiner wahren Form war der Arum nicht mehr als ein dichter Schatten, aus dem ölige Arme und Beine wucherten, doch offensichtlich war das energiegeladene Geschoss nicht ins Leere gegangen. Der Arum wurde herumgeschleudert, aber schon im nächsten Moment kam etwas Tiefschwarzes und Glitschiges auf Dawson zu. Er wich dem Projektil aus, das nicht annähernd so kraftvoll war wie seins. Eher wie Napalm. Es brannte höllisch, aber es würde sehr viele solcher Treffer brauchen, bevor ein Lux zu Boden ging. Natürlich hatten die Arum deshalb einen anderen Weg, um ihre Gegner zu töten.

Gib auf, Kleiner, höhnte der Arum, während er sich in den Nachthimmel schraubte. Du kannssst mich nicht besssiegen, aber ich verspreche, ich werde esss kurz und schmerzlos machen.

Innerlich rollte Dawson mit den Augen. Klar – ähnlich schmerzlos, wie das letzte Eis im Haus zu essen und dann seiner Schwester gegenüberzutreten.

Pfeilschnell bewegte er sich über die Lichtung und jagte einen Energiestrahl nach dem nächsten auf den Arum. Viele gingen daneben. Der blöde Kerl hatte sich oben in die Bäume zurückgezogen – die perfekte Tarnung.

Halb so wild, damit konnte er umgehen.

Er hob die in Licht getauchten Arme und grinste, als die Bäume zu schwanken begannen. Ein donnerndes Geräusch schallte durchs Tal, während sich die Bäume aus dem Boden lösten. Sie schossen nach oben, sodass die kräftigen, schlangenähnlichen Wurzeln sichtbar wurden, an denen dicke Erdbrocken hingen. Dann breitete er die Arme aus, die Bäume stürzten um und der ölige Bastard kam zum Vorschein.

Hab dich, rief Dawson.

Er schoss eine weitere Energieladung ab, die den Arum mitten in die Brust traf. Wie ein Torpedo fiel er vom Himmel und flackerte dabei zwischen seinen Formen. Als Dawson das Outfit des Kerls sah, musste er lachen. Dieser Möchtegern-Bösewicht steckte in Lederhosen, wie ein Sänger von den Village People.

Der Arum landete ein paar Meter weiter auf dem unebenen Boden und zuckte noch einige Male, bevor er reglos liegen blieb. In seiner wahren Form war das Ding riesig. Unförmig und mindestens drei Meter lang. Und es … roch nach Metall? Nach kaltem, scharfkantigem Metall. Seltsam.

Dawson näherte sich dem Arum, um sicherzugehen, dass dieser auch wirklich tot war, bevor er sich auf den Weg nach Hause machte. Es war spät. Und am nächsten Tag war Schule –

Der Arum bäumte sich auf. Hab dich.

Und wie er Dawson erwischte.

Der Arum fiel über ihn her wie eine Plage. Verdammt. Für einen kurzen Moment verlor Dawson seine Form und steckte wieder in Jeans und Shirt. Sein schwarzes Haar fiel ihm in die Augen, während sich der Schatten in einem bedrohlichen Tempo näherte. Dicke Tentakel fuhren aus und erhoben sich wie Kobras, ehe sie sich in Dawsons Bauch bohrten.

Zum ersten Mal in seinem Leben schrie er wie am Spieß. Der Arum hatte ihn wirklich voll erwischt.

Ein Brennen schwappte durch Dawsons Körper wie entflammtes Benzin, als der Arum ihn aussog. Sein Licht – sein Lebenselixier – begann heftig zu flackern und warf einen bläulichen Schein auf die dunklen, laublosen Äste über ihnen. Er konnte seine Form nicht mehr halten. Mensch, Lux, Mensch, Lux. Er bestand nur noch aus … Schmerz. In großen Schlucken saugte der Arum die Kraft aus Dawson heraus.

Er würde sterben.

Er würde auf diesem eisigen Boden sterben, der noch tot vor Kälte war. Er würde sterben, bevor er die menschliche Welt wirklich erlebt hätte, und zwar ohne all die Regeln, die ihn einschränkten. Er würde sterben, bevor er überhaupt erfahren hätte, was Liebe war. Wie sie sich anfühlte und schmeckte.

Das war so beschissen ungerecht.

Verdammt, falls er es hier lebendig rausschaffte, würde er das Leben in vollen Zügen genießen. Und er würde es schaffen, verflucht noch mal.

Der Arum nahm noch einen ordentlichen Schluck, bei dem sich Dawsons Rücken krampfhaft bog. Seine Augen waren weit geöffnet, doch er sah … nichts. Dann erhellte ein rötlich weißes Licht seine Welt, das mit Überschallgeschwindigkeit zwischen den reglosen Bäumen hindurchschoss.

Bruder.

Der Arum zog sich zurück und versuchte seine menschliche Form wieder anzunehmen. Denn in seiner wahren Form war er verwundbarer und hätte gegen ihn keine Chance. Kein Arum hätte eine Chance.

Dawson war sich sicher, dass der Arum den Namen dieses Lichts kannte, dass er ihn schon voller Angst geflüstert hatte. Er verschluckte sich an einem trockenen kehligen Lachen. Seinem Bruder würde das gefallen.

Weißes Licht krachte in die Schattengestalt, was den Arum ein Stück zurückschleuderte. Die Bäume zitterten, der Boden bebte, und er wurde herumgewirbelt wie ein Paar Socken in der Waschtrommel. Das Licht nahm Kampfhaltung ein – entschlossen ihn zu beschützen und sein Leben für die Familie zu geben.

Grellweiße Lichtblitze schossen an Dawsons Kopf vorbei und trafen den Arum. Ein klagender, hoher Schrei durchbrach die Stille der Nacht. Ein Todesschrei. Wie er dieses Geräusch hasste. Wahrscheinlich hätte er darauf warten sollen, als er sich dem Arum zuvor genähert hatte. Schnee von gestern.

Jetzt, da er nicht mehr ausgesogen wurde, spürte er seine Gliedmaßen langsam wieder. Ein stechender Schmerz breitete sich in seinem Körper aus. Er setzte sich auf, doch seine Form flackerte noch immer. Aus dem Augenwinkel sah er, wie sein Bruder den Arum in die Ecke trieb und in seine menschliche Form wechselte. Kühn. Unverfroren. Er würde den Arum mit seinen Händen umbringen. Angeber.

Und so geschah es. Er zückte einen Obsidian-Dolch, warf sich auf den Arum und brummte etwas Bedrohliches, bevor er die Klinge tief in seinen Bauch rammte. Ein Gurgeln beendete einen weiteren Schrei.

Als der Arum in rauchige Schattenstücke zerbarst, versuchte sich Dawson darauf zu konzentrieren, wer er war – was er war. Er schloss die Augenlider, die in seiner wahren Form nicht vorhanden waren, und stellte sich seinen menschlichen Körper vor. Die Erscheinungsform, die er bevorzugte, wofür er sich eigentlich schämen müsste, es aber nie tat.

»Dawson«, rief sein Bruder und eilte zu ihm. »Geht’s dir gut, Mann?«

»Es könnte nicht besser sein!«

»Jag mir nie wieder so einen Schrecken ein, verdammt. Ich dachte –« Daemon sprach den Satz nicht zu Ende und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. »Ich meine es ernst. Erschrick mich nie wieder so.«

Dawson rappelte sich ohne Hilfe auf, schwankte ein wenig, blieb dann aber auf zitternden Beinen stehen. Er blickte in Augen, die aussahen wie seine eigenen. Worte waren nicht nötig, auch kein Dank.

Nicht, solange es da draußen noch mehr von denen gab.

Kapitel 1

Die Schüler strömten in die Klasse, gähnten und rieben sich die Augen vor Müdigkeit. Der Schnee schmolz auf ihren Parkas und Pfützen sammelten sich auf dem abgewetzten Boden. Dawson streckte die Beine und legte sie auf den Stuhl vor sich. Bedächtig kratzte er sich am Kinn und beobachtete, wie Lesa die Klasse betrat, gefolgt von Kimmy, die jammernd das Gesicht verzog, weil der Schnee angeblich ihre Frisur ruiniert hatte.

»Es ist nur Schnee«, sagte Lesa und verdrehte die Augen. »Du bist doch nicht aus Zucker.«

Kimmy strich sich über das blonde Haar. »Ich fühle mich aber wie ein begossener Pudel.«

»Hör halt auf zu kläffen.« Lesa setzte sich und holte die Englischhausaufgabe aus der Tasche.

Von hinten war ein leises Glucksen zu hören und Dawson grinste. Dieses Mädchen hatte echt Humor.

Kimmy zeigte Lesa den Mittelfinger, stolzierte zu ihrem Platz und schaute Dawson dabei so eindringlich an, als wollte sie ihn auf der Stelle verschlingen. Leicht verkrampft lächelte er zurück, obwohl er wusste, dass er darauf nicht hätte eingehen sollen. Seit sich Kimmy von Simon getrennt hatte, versuchte sie noch angestrengter als sonst, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

Oder hatte sich Simon von ihr getrennt?

Dawson wusste es nicht, und es interessierte ihn auch nicht, trotzdem gelang es ihm nicht, sie komplett zu ignorieren. Während Kimmy ihre Tasche im Zebra-Look auf den Tisch stellte, lächelte sie ihn noch eine gefühlte Ewigkeit weiter an, bevor sie sich endlich abwendete.

Er schüttelte sich, denn er hatte das sichere Gefühl, soeben visuell belästigt worden zu sein – und zwar auf eine eher unschöne Art.

Wieder kam das Glucksen von hinten und dann so leise, dass nur er es hören konnte: »Charmeuuur …«

Er streckte die Arme nach hinten und schlug seinem Bruder grinsend auf den Mund. »Halt’s Maul, Daemon.«

Dieser stieß seine Hände weg. »Spielverderber …«

Dawson schüttelte den Kopf und lächelte. Viele Leute, vor allem Menschen, verstanden Daemon nicht so wie seine Schwester und er. Kaum jemand konnte ihn so zum Lachen bringen wie Daemon. Und noch weniger konnten ihn mehr nerven. Aber wann immer Dawson etwas brauchte oder Arum in der Nähe waren, war Daemon der Mann der Stunde.

Oder der Lux. Egal.

Der Lehrer, ein korpulenter älterer Mann, kam mit einem Stapel Blätter unter dem Arm in die Klasse geschlendert, was bedeutete, dass sie ihre Tests zurückbekamen. Ein beinahe einhelliges Stöhnen ging durch die Klasse. Nur Daemon und er blieben stumm. Sie wussten, dass ihre Ergebnisse perfekt waren, ohne dass sie irgendetwas dafür getan hätten.

Dawson rollte einen Stift zwischen den ausgestreckten Handflächen und seufzte. Dieser Dienstag würde ein weiterer langweiliger Tag werden, an dem sich eine Unterrichtsstunde an die nächste reihte. Viel lieber wäre er jetzt im Wald unterwegs, trotz des Schnees und der eisigen Kälte. Seine Abneigung gegen Schule war aber nichts im Vergleich zu Daemons. Manche Tage waren schlimmer als andere, aber für Dawson machten die Mitschüler die Schule doch einigermaßen erträglich. In dieser Hinsicht war er wie seine Schwester – ein Alien mit sozialer Ader.

Er grinste.

Kurz bevor es klingelte, huschte ein Mädchen mit einem gelben Zettel in der Hand in die Klasse. Er wusste sofort, dass dieses Mädchen nicht von hier kam. Schon allein die Tatsache, dass sie trotz der Minusgrade nur einen Pullover und keine dicke Jacke trug, verriet sie. Sein Blick wanderte zu ihren Beinen – schöne, lange, wohlgeformte Beine – und zu den Ballerinas an ihren Füßen.

Nein, sie kam eindeutig nicht von hier.

Sie reichte dem Lehrer den Zettel, hob den Kopf und ließ den Blick über die Klasse schweifen.

Mit einem hörbaren Wums stellte Dawson die Füße auf den Boden.

Wow, sie war … sie sah verdammt gut aus.

Und er wusste, wovon er redete. Als die Lux die menschliche Form annahmen, hatten sie beim genetischen Lotto den Jackpot gewonnen. Doch wie sich bei diesem Mädchen die einzelnen elfenhaften Merkmale zu einem Gesamtkunstwerk zusammensetzten, war einzigartig. Ihr schokoladenbraunes Haar fiel ihr über die Schultern und ihre Wangen hatte eine gesunde Farbe. Es wirkte, als hätte sie viel Zeit in der Wintersonne verbracht – kürzlich erst, so wie sie schimmerte. Die gepflegten Augenbrauen betonten ihre leicht schrägen braunen Augen mit den dichten Wimpern, aus denen sie freundlich in die Klasse schaute. Ihr Blick traf kurz seinen, dann ließ sie ihn zu seiner Schulter wandern. Sie blinzelte mehrfach, als sähe sie verschwommen.

Diese Reaktion erlebten Daemon und er öfter, wenn jemand sie zum ersten Mal zusammen sah. Sie waren schließlich identisch. Schwarzes, welliges Haar, der gleiche durchtrainierte Körper, beide deutlich über einen Meter achtzig groß. Auch im Gesicht unterschieden sie sich nicht: hohe Wangenknochen, volle Lippen und außerordentlich leuchtend grüne Augen. Abgesehen von den Lux konnte sie niemand auseinanderhalten, was sie gern zu ihrem Vorteil nutzten.

Dawson knirschte mit den Zähnen, bis ihm der Kiefer wehtat.

Zum ersten Mal wünschte er sich, kein Ebenbild zu haben. Er wollte angeschaut werden – ihn sollte sie sehen und nicht sein Spiegelbild neben ihm. Ein Bedürfnis, das ihn selbst vollkommen überraschte.

Doch dann trafen sich ihre Blicke wieder und sie lächelte.

Seine Finger fühlten sich plötzlich wie gelähmt an und der Stift glitt ihm aus der Hand, rollte über den Tisch und fiel klappernd zu Boden. Seine Wangen begannen zu glühen, aber seine Lippen reagierten auf ihr Lächeln, und es fühlte sich weder aufgesetzt noch gezwungen an.

Daemon kicherte, beugte sich vor und stellte seinen Fuß auf den Stift. Bis über die Ohren rot vor Scham fischte Dawson ihn unter Daemons Schuh hervor.

Mr Patterson sagte etwas zu ihr und sie wandte sich dem Lehrer lachend zu. Dawson spürte den heiseren Ton bis in die Zehenspitzen und setzte sich aufrechter hin. Ein Prickeln breitete sich an seinem Körper aus.

Als es zum zweiten Mal klingelte, ging sie direkt auf den Platz vor ihm zu. Ach, vergiss den Wald, durch den Schnee zu rennen wäre jetzt doch nicht so cool. Der heutige Dienstag würde alles andere als langweilig werden.

Sie begann in ihrer Tasche zu wühlen – nach einem Stift, nahm er an. Ihm war klar, dass es die ideale Gelegenheit gewesen wäre, um das Eis zu brechen. Er könnte ihr einfach einen Stift anbieten, Hallo sagen und dann sehen, wie es weiterginge. Doch er saß wie angewurzelt auf seinem Platz, hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, sich vorzubeugen, um zu riechen, welches Parfum sie trug, und der Befürchtung, wie der vollkommene Freak rüberzukommen.

Er rührte sich nicht.

Und … starrte auf ihre Haare, die sich über die Stuhllehne ergossen.

Dawson kratzte sich am Hals und seine Schultern zuckten. Wie hieß sie überhaupt? Und warum interessierte es ihn so sehr? Es war schließlich nicht das erste Mal, dass er sich zu einem menschlichen Mädchen hingezogen fühlte. Ja, viele Lux ließen sich mit ihnen ein, immerhin gab es doppelt so viele männliche wie weibliche Lux. Auch er hatte es schon getan. Und sogar sein von der Überlegenheit ihrer Spezies überzeugter Bruder, wenn es mit seiner Lux-Freundin mal wieder nicht so gut lief, aber trotzdem …

Das Mädchen drehte sich ein Stück, schaute über die Schulter und ihre Blicke trafen sich.

Dann passierte etwas Seltsames. Er spürte die Last der letzten Jahre von sich abfallen. Jahre geprägt von Umzügen, immer wieder neu geschlossenen und verlorenen Freundschaften. Jahre, in denen er andere seiner Spezies, die ihm etwas bedeuteten, durch die Hand der Arum oder des VMs, des Verteidigungsministeriums, hatte sterben sehen. Jahre, in denen er versucht hatte, bei den Menschen dazuzugehören, ohne dass es je wirklich gelungen wäre. All das … fiel von ihm ab.

Benommen von der plötzlichen Leichtigkeit konnte er sie nur anstarren. Er kam sich vor wie ein Idiot. Aber sie starrte ihn ebenfalls an.

Kurz schaute das Mädchen woanders hin, doch die warmen, whiskeybraunen Augen kehrten schnell wieder zu ihm zurück. Ihre Mundwinkel zogen sich leicht nach oben und formten ein kleines Lächeln, ehe sie sich wieder zurückdrehte.

Daemon räusperte sich und kippte seinen Tisch nach vorn. »Was denkst du gerade?«, fragte er Dawson.

Meistens wusste Daemon, was er gerade dachte. Genau wie Dee. Sie waren nicht nur Drillinge, sie standen sich auch näher als die meisten anderen Lux. Im Moment aber war sich Dawson ziemlich sicher, dass Daemon keinen Schimmer hatte, was er gerade dachte. Sonst wäre er garantiert schon vom Stuhl gefallen.

Dawson atmete hörbar aus. »Nichts – ich denke gar nichts.«

»Okay«, erwiderte sein Bruder und setzte sich zurück. »Hab ich mir gedacht.«

Als es klingelte, nahm Bethany Williams ihre Tasche und verließ schnurstracks den Klassenraum. Die Neue zu sein war ätzend. Man hatte keine Freunde, mit denen man sich unterhalten oder zur nächsten Stunde gehen konnte, und war umgeben von Fremden. Allerdings passte es dazu, dass sie hier in einem ihr fremden Haus mit ihrem Onkel zusammenlebte, der für sie ebenfalls ein vollkommen Fremder war.

Sie musste ihren nächsten Kurs finden und blickte auf den Stundenplan. Mühsam versuchte sie zu entziffern, was auf dem schlechten Ausdruck stand. Raum 20 … 3? Oder 208? Super. Zum Sterben kamen Drucker offensichtlich nach West Virginia.

Sie warf sich die Tasche über die Schulter und wich einer Gruppe Mädchen aus, die sich vor dem Englisch-Klassenraum versammelt hatte. Es war nicht unwahrscheinlich, dass sie auf dieses unglaublich heiße Duo warteten, mit dem Bethany gerade im Unterricht gesessen hatte. Meine Güte, in ihrem ganzen Leben in Nevada war ihr noch niemand untergekommen, der so gut aussah, und dann gleich zwei davon.

Wer hätte das gedacht, dass West Virginia mit solch scharfen Typen aufwartete?

Und diese Augen, sie waren … wow. Ein leuchtendes, unverfälschtes Grün, das an eine frische Frühlingswiese erinnerte. Einzigartig.

Hätte sie das gewusst, hätte sie ihre Eltern angefleht, schon viel früher herzuziehen, allein wegen dieses Anblicks. Sofort schämte sie sich für den Gedanken. Ihre Familie war hier, weil ihr Onkel krank war, weil er Hilfe brauchte und nicht –

»He, warte mal.«

Die ihr unbekannte tiefe Stimme eines Jungen verursachte ein Prickeln auf ihrem Rücken. Sie wurde langsamer, sah sich über die Schulter um und blieb dann abrupt stehen.

Es war die eine Hälfte des unglaublich heißen Duos. Er hatte ihr nachgerufen, oder? Jedenfalls blickten diese einzigartigen Augen direkt in ihre Richtung und er grinste sie mit seinen vollen, fast schon zu perfekten Lippen an. Plötzlich überkam sie dieses krasse Bedürfnis, sein Gesicht mit den neuen Ölfarben zu malen, die ihre Mutter ihr gekauft hatte. Sie verdrängte den Gedanken und zwang sich, ihre Lippen zu bewegen.

»Hi«, piepste sie. Heiß, richtig heiß …

Als der Typ grinste, spürte sie ein kurzes Flattern in der Brust. »Ich wollte mich vorstellen«, sagte er und schloss zu ihr auf. »Ich heiße Dawson Black. Ich bin –«

»Du bist der Zwilling, der hinter mir in Englisch saß.«

Die Überraschung stand ihm ins Gesicht geschrieben. »Woher weißt du das? Die meisten können uns nicht auseinanderhalten.«

»Dein Lächeln.« Die Röte stieg ihr ins Gesicht und sie hätte sich dafür am liebsten geohrfeigt. Dein Lächeln? Wow. Kurz blickte sie auf ihren Stundenplan und stellte fest, dass sie in den zweiten Stock musste. »Der andere hat nicht ein einziges Mal gelächelt, während der kompletten Stunde.«

Er grinste wieder. »Ja, er macht sich Sorgen, dass er durchs Lächeln früher Falten bekommt.«

Bethany lachte. Echt witzig gekontert. Gefällt mir. »Und du machst dir deswegen keine Sorgen?«

»O nein, ich möchte würdevoll altern. Ich freue mich darauf.« Sein Grinsen war lässig, was seine Augen, die unmöglich echt sein konnten, noch mehr zum Leuchten brachte. Es mussten Kontaktlinsen sein. »Darum ist Cocoon auch mein Lieblingsfilm«, redete er weiter.

»Cocoon?« Sie brach in Gelächter aus und sein Grinsen wurde breiter. »Ich glaube, das ist der Lieblingsfilm meiner Urururgroßmutter.«

»Ich glaube, ich würde deine Urururgroßmutter mögen. Sie hat einen guten Geschmack.« Er griff um sie herum und öffnete einen Flügel der schweren Doppeltür vor ihnen. Die anderen Schüler wichen ihm aus, als wäre er eine wandelnde Abrissbirne. »Da kann man nichts mit falsch machen. Ewige Jugend. Aliens. Glitzernde Hüllen im Pool.«

»Zurückgelassene Artgenossen?«, kommentierte sie und schlüpfte unter seinem ausgestreckten Arm hindurch – einem Arm mit deutlich sichtbarem Bizeps, der den Stoff des Pullis dehnte. Sie errötete und wandte sich schnell ab, um die Treppe hinaufzugehen. »Du stehst also auf solche alten Schinken?«

Sie merkte, wie er mit den Schultern zuckte. Während sie das Treppenhaus erklommen, in dem es nach alten Socken und Schimmel roch, blieb er an ihrer Seite, sodass andere Leute kaum vorbeikamen. Als sie den ersten Absatz erreicht hatten, blickte er auf das Blatt in ihrer Hand. »Welchen Kurs hast du jetzt?«

Sie hielt den Stundenplan hoch und rümpfte die Nase. »Ähm … Geschichte in Raum …«

Er nahm ihr den Zettel aus der Hand und überflog ihn kurz. »208. Und heute ist dein Glückstag.«

Da konnte sie nur zustimmen. Immerhin unterhielt sich gerade ein Typ wie er mit ihr. »Warum das?«

»Aus zwei Gründen«, sagte er und gab ihr den Stundenplan zurück. »Wir haben Kunst zusammen und dann noch die letzte Stunde – Sport. Vielleicht ist es ja auch einfach mein Glückstag.«

Wahnsinnig heiß. Witzig. Und er wusste, was ein Mädchen hören wollte. Volltreffer. Er hielt ihr die nächste Tür auf und sie fügte »Gentleman« zu ihrer Liste hinzu. Dann biss sie sich auf die Lippe und überlegte, was sie darauf sagen könnte. »Welchen Kurs hast du als Nächstes?«, fragte sie schließlich.

»Bio im Erdgeschoss.«

Stirnrunzelnd sah sie sich um. Wie nicht anders zu erwarten, wurden sie angestarrt. Hauptsächlich von Mädchen. »Und warum bist du dann im zweiten Stock?«

»Weil ich es so wollte.« Er sagte es so sachlich, als wäre er gewohnt immer zu machen, was er wollte.

Er suchte ihren Blick, und irgendetwas in seinen Augen ließ sie sich selbst – und ihre Umgebung – plötzlich überdeutlich wahrnehmen. Keine Frage, ihre Mutter würde sie sofort auf eine Mädchenschule schicken beim bloßen Anblick eines Typen wie Dawson. Er gehörte zu der Sorte Jungs, die eine Spur aus gebrochenen Herzen hinter sich herzog, die so lang war wie der Mississippi. Sie sollte wirklich zusehen, dass sie so schnell wie möglich den nächsten Unterrichtsraum fand, denn das Letzte, was Bethany jetzt gebrauchen konnte, war ein gebrochenes Herz.

Doch sie rührte sich nicht vom Fleck. Auch er bewegte sich nicht. Es war … intensiv. Intensiver als das erste Mal, als sie einen Jungen geküsst hatte. Spektakulär daran war, dass sie sich nicht einmal berührten. Sie kannte ihn nicht mal.

Mit trockenem Mund trat sie zur Seite, weil sie plötzlich ein dringendes Bedürfnis nach Platz hatte. Ja, das tat gut. Aber sein stechender Blick folgte ihr unter halb gesenkten Lidern.

Ohne die Augen von ihr zu lösen, zeigte er über seine Schulter auf eine Tür. »Das ist Raum 208.«

Okay. Sag etwas, oder nick wenigstens, du dumme Gans. Im Moment wirkte sie sicher nicht gerade beeindruckend. Und was ihr schließlich über die Lippen kam, war entsprechend. »Sind deine Augen echt?«

Ahh, peinlicher ging’s nicht.

Dawson blinzelte, als würde ihn die Frage überraschen. Was eigentlich nicht sein konnte. Das wurde er doch bestimmt ständig gefragt werden. Sie hatte noch nie Augen wie die der Zwillinge gesehen. »Jep«, antwortete er langsam. »Die sind echt.«

»Oh … also, sie sind echt hübsch.« Ihre Wangen begannen zu glühen. »Echt schön, meine ich.« Schön? Sie sollte den Mund halten.

Er grinste wieder bis zum Anschlag. Sie mochte es. »Danke.« Er legte den Kopf schief. »Und … lässt du mich wirklich im Ungewissen?«

Aus dem Augenwinkel fiel ihr ein großer Blonder auf, der aussah wie einem Jugendmagazin entsprungen. Als er Dawson erblickte, blieb er so abrupt stehen, dass ein anderer Typ in ihn hineinrannte. Der Große entschuldigte sich, ohne jedoch den Blick von Dawson abzuwenden. Und seine Augen waren blau, wie Kornblumen. Keine ihrer Ölfarben hätte auch nur ansatzweise die Intensität dieses Blaus wiedergeben können. Genauso wie sie auch Dawsons Grün nie gerecht werden könnten.

»Äh, was?« Sie konzentrierte sich wieder auf Dawson.

»Wie du heißt? Du hast mir deinen Namen noch gar nicht gesagt.«

»Elizabeth, aber alle nennen mich Bethany.«

»Elizabeth«, wiederholte er, als würde er den Klang testen. »Und hat Bethany auch einen Nachnamen?«

Verlegen umklammerte sie den Riemen ihrer Tasche fester. »Williams – mein Nachname ist Williams.«

»Also, Bethany Williams, so leid es mir tut, aber ich muss dich jetzt verlassen.« Oha, er klang ehrlich bestürzt. »Für den Moment jedenfalls.«

»Dan-«

»Nicht nötig.« Als er sich entfernte, glitzerten seine Augen im Licht. Faszinierend. »Wir sehen uns bald wieder. Da bin ich mir sicher.«

Kapitel 2

Für Bethany sahen alle Straßen um Petersburg herum gleich aus. Drei Mal verpasste sie die Kreuzung zu ihrem neuen Zuhause – einem umgebauten alten Bauernhaus. Nur ein einziger kleiner weißer Pfeiler wies auf die schmale Straße hin, die irgendwo zwischen den Bäumen abging. Sie war bebaute Vorstädte gewöhnt und fühlte sich hier ganz und gar nicht in ihrem Element. Sogar das Navigationssystem hatte sich einige Kilometer zuvor verabschiedet.

Grrr.

Zum Glück hatte sie Schneeketten. Sonst hätte ihr Wagen den Schotterweg, der zu dem Bauernhaus führte, nie geschafft. Die Landschaft war allerdings schön – die schneebedeckten Berge am Horizont, die dicken Ulmen und die sanften weißen Hügel. Sie konnte es kaum erwarten, das alles auf einer Leinwand zu verewigen.

Genauso, wie sie ein weiteres Projekt am liebsten sofort begonnen hätte. Obwohl es wahrscheinlich keine gute Idee war, ihn zu porträtieren. Das war fast wie Stalken, sie kam sich vor wie eine Besessene. Und was wäre, wenn ihre Mutter wieder heimlich ihre Bilder anschaute? Sie bekäme einen Herzinfarkt.

Kalter Schneeregen schlug Bethany ins Gesicht, als sie in der Einfahrt aus dem Wagen stieg. Auf dem Weg am Porsche ihres Onkels vorbei wäre sie fast auf dem Hosenboden gelandet. Ärzte verdienten offenbar wirklich gut. Sie stellte ihre Tasche in der Tür ab und wurde von kindlichem Gekicher und dem Duft von frisch gebackenen Keksen begrüßt. Sie schüttelte den Schneeregen ab und trat ein.

»Bethany?« Die Stimme ihrer Mutter drang schrill wie ein Wecker an ihr Ohr – wie ein besonders nerviger Wecker. »Zieh die Schuhe aus!«

Bethany verdrehte die Augen, trat ihre durchnässten Ballerinas von den Füßen und stellte sie mit den Spitzen auf den Teppich. Ha. Nimm das, Mom. Zufrieden mit ihrer kleinen Rebellion folgte sie dem süßen Geruch in die Küche, die so auch bei Masterchef stehen könnte.

Ihre Mom kochte für ihr Leben gern. Genauso gern putzte sie. Und während sie das tat, wachte sie mit Argusaugen über Bethany. Man brauchte sie nur anzusehen, um zu wissen, warum ihre Mom so unglaublich viel Wert auf die Tugendhaftigkeit ihrer Tochter legte.

Jane Williams war jung. Nachdem sie mit sechzehn einen Abend zu viel gefeiert hatte, war sie sehr jung Mutter geworden. Ihren leiblichen Vater hatte Bethany nie kennengelernt und auch nie wirklich das Bedürfnis verspürt. Ihr Vater war derjenige, der sie großgezogen hatte – nur er zählte.

Ihre Mutter war wild entschlossen zu verhindern, dass Bethany den gleichen Fehler beging. Das hatte zur Folge, dass sie wie ein Detektiv im sozialen Umfeld ihrer Tochter herumspionierte. Aber nun, da Bethany letzten Monat selbst sechzehn geworden war, hoffte sie darauf, dass ihre Mom mit der Zeit ein wenig lockerer werden würde.

Sie bearbeitete am Küchentisch in einer Schüssel Teig und Beths zwei Jahre alter Halbbruder sah ihr dabei zu. In Phillips Gesicht hing fast mehr Teig, als noch in der Schüssel war, aber er schien seinen Spaß zu haben. Als er zu ihr aufblickte, wurde ihr einmal mehr bewusst, wie anders als sie er mit seinem roten Haarschopf und den vielen Sommersprossen aussah. Die einzige Gemeinsamkeit waren die braunen Augen.

Und die Vorliebe für rohen Keksteig.

Eilig lief Bethany um den Tisch herum und stahl sich einen Batzen Teig aus der Schüssel. »Lecker«, schwärmte sie und hielt ihn Phillip mit zum Spaß weit aufgerissenen Augen hin.

Kichernd griff er danach, und feuchte Krümel fielen zu Boden. O nein. Das war ein absolutes No-Go in dieser Küche.

Ihre Mutter seufzte und einige dunkle Strähnen rutschten aus ihrer Hochsteckfrisur. »Jetzt guck dir an, was du wieder angestellt hast, Elizabeth.«

Bethany schob sich den Rest der süßen Masse in den Mund und griff nach der Küchenrolle, die auf der Edelstahl-Arbeitsplatte stand. »Das wird den Boden schon nicht ruinieren, Mom.«

Während Bethany die Krümel aufwischte, streckte Phillip die speckigen Arme nach ihr aus. Nachdem sie die Tücher in den Müll geworfen hatte, hob sie ihn aus dem Kinderstuhl. Sie setzte ihn sich auf die Hüfte und tanzte mit ihm durch die Küche.

Lächelnd presste sie die Stirn gegen seinen roten Kopf. »Und? Wie geht’s meinem kleinen Dickerchen?«

Er prustete vor Lachen, aber ihre Mutter seufzte, während sie eine kleine Teigkugel auf das Backblech klatschte. »Könntest du ihn bitte nicht so nennen?«

»Warum nicht?« Grimassen schneidend wirbelte Bethany um den Küchentisch herum. »Unser kleines Dickerchen mag es, kleines Dickerchen genannt zu werden, weil er ein kleines Dickerchen ist.«

Ihre Mutter musste lächeln. »Wie war dein erster Schultag?«

Bethany lehnte sich zurück und wich Teigspritzern aus, die größtenteils aus Phillips Mund kamen. Igitt. »Es war okay. Die Schule ist viel kleiner, dafür haben sie aber richtig geilen Kunstunterricht.«

»So etwas sagt man nicht!«, mahnte ihre Mutter. »Sind deine Mitschüler nett?«

Richtig geil, sagte sie tonlos zu Phillip.

»Geil«, wiederholte er.

Bethany nickte und ließ ihn zum Spaß ein Stück über den Arm nach hinten kippen. »Joa, die scheinen ganz cool zu sein.« Einer ganz besonders, aber das wollte sie jetzt nicht weiter ausführen. »Weißt du, was cool ist, Dickerchen?«

»Hmm!«, erwiderte er und bekräftigte es mit einem Nicken.

Grinsend blieb sie neben ihrer Mutter stehen und stupste sie mit der Hüfte an. Ein Stück Teig fiel auf den Tisch. »Hast du mit Dad geredet? Gefällt ihm sein neuer Job in Fairfax?«