Ohne Hintern wäre ich sexy - Sandra Hausser - E-Book

Ohne Hintern wäre ich sexy E-Book

Sandra Hausser

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Beschreibung

Hilfe, Klassentreffen! Auch Diana Frank bekommt eine Einladung zu einem Wiedersehen mit ihren früheren Mitschülern. Doch mit besagter Einladung flattern auch zwei große Probleme ins Haus, die es vorher zu lösen gilt: Denn während es an potenziellen Begleitern mangelt, herrscht an einer ganz anderen Stelle ein Überschuss: an Dianas Hinterteil. In den verbleibenden vier Wochen setzt Diana alles in Bewegung, um beide Herausforderungen zu bewältigen und vor den Augen der anderen bestehen zu können...und tritt dabei von einem Fettnäpfchen ins nächste. »Ohne Hintern wär ich sexy« - Zum Schmunzeln und Mitfühlen! Begeisterte Leserstimmen: »...ich habe das Buch in einem Rutsch gelesen, lesen MÜSSEN!« »Mehr, als euch diese kurzweilige, Liebe-volle, lustige und oft auch sehr hintersinnige Geschichte ans Herz zu legen, kann ich nicht tun. Das Buch hat mich amüsiert und wirklich gut unterhalten.« »Die Verrücktheiten bringen einen zum Lachen und der Humor ist wundervoll. Ich habe es super gern gelesen!« »Einfach toll und erfrischend.« »Ohne Hintern wär ich sexy« ist ein eBook von feelings –emotional eBooks*. Mehr von uns ausgewählte romantische, prickelnde, herzbeglückende eBooks findest Du auf unserer Facebook-Seite: www.facebook.de/feelings.ebooks Genieße jede Woche eine neue Liebesgeschichte - wir freuen uns auf Dich!

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Sandra Hausser

Ohne Hintern wäre ich sexy

Roman

Knaur e-books

Über dieses Buch

Hilfe, Klassentreffen!

Auch Diana Frank bekommt eine Einladung zu einem Wiedersehen mit ihren früheren Mitschülern. Doch mit besagter Einladung flattern auch zwei große Probleme ins Haus, die es vorher zu lösen gilt: Denn während es an potenziellen Begleitern mangelt, herrscht an einer ganz anderen Stelle ein Überschuss: an Dianas Hinterteil. In den verbleibenden vier Wochen setzt Diana alles in Bewegung, um beide Herausforderungen zu bewältigen und vor den Augen der anderen bestehen zu können…und tritt dabei von einem Fettnäpfchen ins nächste…

»Ohne Hintern wär ich sexy« - Zum Schmunzeln und Mitfühlen!

»Ohne Hintern wär ich sexy« ist ein eBook von feelings – emotional eBooks*. Mehr von uns ausgewählte romantische, prickelnde, herzbeglückende eBooks findest Du auf unserer Facebook-Seite: www.facebook.de/feelings.ebooks

Inhaltsübersicht

1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. Kapitel7. Kapitel8. Kapitel9. Kapitel10. Kapitel11. Kapitel12. Kapitel13. Kapitel14. Kapitel15. Kapitel16. Kapitel17. Kapitel18. Kapitel19. Kapitel20. Kapitel21. Kapitel22. Kapitel23. Kapitel24. Kapitel25. Kapitel26. KapitelDanksagung
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1.

Oh mein Gott! In vier Wochen schon?«, rief ich erschrocken in die leere Küche und hielt den Brief mit zittrigen Fingern umklammert. Seit Jahren wusste ich, dass ich diese Nachricht eines Tages in den Händen halten würde. Vor einiger Zeit hätte ich mich sogar sehr darüber gefreut, nun schien es der ungünstigste Zeitpunkt überhaupt. Ich starrte weiter auf das Papier. Das durfte nicht wahr sein.

Ich stand auf und holte mir eine Zigarette und ein Glas Wein aus der Küche, setzte mich an den Tisch und nahm den Brief ein weiteres Mal in die Hände. Sein Inhalt hatte sich nicht verändert, ich musste mich den Tatsachen stellen: Ich war zum Klassentreffen eingeladen. Meine Klassenkameraden versammelten sich, hatten mich seit fünfzehn Jahren nicht gesehen und keine Ahnung von meiner persönlichen Situation und meinem riesigen Hinterteil. Dieser, von mir sarkastisch als Fettsteiß betitelte Po war in den letzten sechs Jahren heimtückisch und gänzlich unbemerkt Teil meines Körpers geworden. Ich hatte seine Entwicklung zuerst nicht einmal bemerkt. Aus Jeansgröße siebenundzwanzig war eine neunundzwanzig geworden. Na und, dachte ich, du wirst eben älter, treibst weniger Sport und arbeitest im Sitzen. Jeans und andere Bekleidungsstücke der unteren Körperhälfte kaufte ich größer, dann noch größer.

Hajo, mein Exmann, sagte immer: »Sei froh, dass du nur an einer Stelle zunimmst. Andere werden rundum richtige kleine Fässer.«

»Und was ist mit den Proportionen?«, brüllte ich ihn irgendwann an. »Wie sieht das denn aus? Spindeldürre Arme und Beine, flacher Bauch, wenig Busen und ein fetter Hintern?«

Er lachte und erwiderte trocken, dass er gegen einen üppigeren Busen nichts einzuwenden habe.

Zeitgleich mit dem Wachstum meines Popos bröckelte unsere Beziehung. Hajo war immer öfter geschäftlich unterwegs. Auffällig oft. Das »Geschäftliche« entpuppte sich später als Gabi Klein, wirklich klein war an ihr jedoch nur sehr wenig.

Ich stand auf und ging ins Schlafzimmer. Aus meinem Nachtschränkchen kramte ich ein blaues Kästchen, in dem ich alle alten Bilder meiner Kindheit und Jugend aufbewahrte. Ich blickte ausschließlich auf mich selbst, als ich die Fotografien, eine nach der anderen, zutage förderte und mich sehnsüchtig in jene Zeit zurückwünschte. Drahtig, sportlich, dünn, keine Spur von Fettpolstern.

Ein Bild zeigte mich mit dem Rücken zur Kamera und mit einem Apfelärschlein, klein und rund, hübsch verpackt in einer ausgewaschenen Jeans. Keiner meiner Kameraden würde mich wiedererkennen, zumindest nicht von hinten. Ich gluckste belustigt. Dabei würde ich mich wirklich freuen, die alte Truppe einmal wiederzusehen. Den harten Kern zumindest, mit dem ich ständig Unfug angezettelt hatte. So mancher Lehrer kann sich sicher bis heute noch gut an uns erinnern. Auf den Rest konnte ich gern verzichten. Allerdings schlichen sich auch nachdenkliche Gedanken in meinen Kopf. Denn wenn wir die Schulzeit ein wenig ernster genommen hätten, so wie die Streberbank weit vor uns im Klassenzimmer, würde ich jetzt nicht hier sitzen, geschieden und mit Bratarsch. Die Lehrstelle im Reisebüro damals hatte mir zum Glück meine Mutter besorgt, nachdem sich all meine eigentlichen Berufswünsche wegen meines schlechten Abschlusszeugnisses von jetzt auf gleich in Luft aufgelöst hatten. Meine jetzige Anstellung verdankte ich dem puren Zufall.

Wie es wohl den anderen aus unserer Klassenclique ergangen ist, fragte ich mich und spürte Sehnsucht in mir aufkeimen. Doch ich konnte mir denken, wie es bei dem Klassentreffen werden würde. Ein Werbespruch aus den Neunzigern fiel mir dazu ein: Mein Haus – mein Auto – mein Boot. Fotos würden herumgereicht und als Grund zum Prahlen genutzt werden.

Ich konnte nur einen dicken Hintern und Bilder vom Ex anbieten.

Das durfte ich mir nicht antun, diese Schmach musste ich mir unter allen Umständen ersparen.

Morgen rufe ich Carola an und sage ihr, dass ich unmöglich zum Klassentreffen kommen könne. Ausgerechnet an diesem Wochenende fände die wichtigste Fortbildung der Reisebranche statt und Teilnahme wäre Pflicht. Aber sie solle bloß nicht vergessen, mich für das nächste Treffen wieder einzuladen. Da käme ich ganz bestimmt.

Zufrieden mit dem Beschluss und der wunderbaren, taktvollen Entschuldigung ging ich zurück in die Küche, öffnete den Kühlschrank und schaute begierig auf die fett- und kalorienreich lächelnden Waren. Meine Finger tasteten sich zielorientiert vorbei an der Leberwurst und dem Butterkäse, der Stangensalami und dem Erdbeerquark. Schnell hatte ich mir den Topf Stracciatella-Pudding geschnappt und fingerte mit der freien Hand im Gemüsefach nach der Sprühsahne. Auf dem Sofa legte ich die Beine hoch, wickelte meine immer kalten Füße in die Mikrofaserdecke und sprühte eine wunderbar große Portion Sahne auf den Pudding.

Zwei Minuten später, ich konnte den Becherboden gerade sehen, klingelte mein Telefon.

»Hi Diana, ich bin’s.«

»Ich bin’s« war Iris, meine beste Freundin.

»Hallo«, nuschelte ich mit den letzten Resten Pudding im Mund.

»Jörgi hat mich sitzenlassen. Ist mit seinen Kumpels auf ein schnelles Bier gegangen, vor drei Stunden!«

Ihre hohe Stimme, die vor Erregung noch schriller klang, vibrierte in meinem Ohr. Ich wünschte mir jedes Mal, wenn sie einen Wutanfall auslebte und mich anrief, dass es am Telefon eine Einstellung gäbe, die hochfrequente Töne des Gesprächspartners herausfilterte.

»Reg dich nicht auf, der kommt schon wieder«, versuchte ich sie zu beruhigen.

»Klar kommt der wieder, aber in welchem Zustand? Kenn ich doch alles. Erst volllaufen lassen und dann nicht mehr fähig sein, die Wohnung leise zu betreten, beim Pinkeln zu zielen und die Klobrille runterzuklappen. Den Geruch, den er verbreiten wird, will ich dir lieber nicht genau beschreiben.«

»Verstehe schon. Ich kann mich dunkel erinnern. Aber, bei dir kommt ein Kerl heim, egal wie. Also motz nicht«, erwiderte ich und kicherte. »Single zu sein hat aber auch Vorteile.«

»Hast du gesagt auch Vorteile? Wenn du mich fragst, nur Pluspunkte. Ich beneide dich grenzenlos.«

Ich beglückwünschte mich selbst. Seit Hajo weg war, ging es mir blendend, abgesehen von den vielen Kleinigkeiten, die mir fehlten. Doch verglichen mit dem Gefühl, für den eigenen Mann nicht mehr darzustellen als ein Anhängsel, auf dem man es sich nach Belieben bequem machen konnte, das warme Mahlzeiten zauberte und ansonsten keine eigene Meinung zu haben hatte, zählten diese Kleinigkeiten nichts mehr für mich.

»Ich hab eine Einladung bekommen«, erzählte ich Iris.

»Von wem?«

»Von Carola Halbenstein.«

»Wer ist das denn?«

»Unsere Klassensprecherin von 1989.«

»Klassentreffen? Super, wann denn?«

»In vier Wochen. Ich geh nicht hin.«

»Spinnst du, warum nicht?«

»Wegen meines Arsches.«

»Wie bitte?«

»Du weißt schon, Fettsteiß. Außerdem hab ich keinen, der mitgehen könnte. Die Einladung gilt auch für Partner.«

»Und? Geh alleine!«

»Klar, du meinst, weil ich mit meinem Hintern sowieso schon zu zweit bin, oder was?«

»Diana, du hast einen Knall. Niemand außer dir hat etwas gegen deinen Po. Du siehst super aus, sicher tausendmal besser als all die anderen Mädels, die dort auftauchen werden. Wo ist dein Problem?«

»Am Ende meiner Wirbelsäule«, heulte ich in den Hörer.

»Sei froh, dass du so aussiehst, andere wären …«, es knackte kurz in der Leitung. »Jörgi kommt, ich muss Schluss machen, wir telefonieren morgen.«

»Okay«, antwortete ich schlechtgelaunt. »Geh und pflege deinen besoffenen Gatten und denk dabei nicht mehr daran, wie sehr du eben noch auf ihn geschimpft hast. Ciao.«

Zornig warf ich das Telefon auf den Tisch. War noch Pudding da? Ich holte den zweiten, gestattete mir eine übergroße Portion Sahne und machte es mir wieder bequem.

Ob ich doch zu dem Treffen gehen konnte? Dazu benötigte ich zwei Dinge: einen flachen Po und einen vorzeigbaren männlichen Begleiter. Und das Ganze in einer Rekordzeit von vier Wochen, fast unmöglich!

Nachdenklich schob ich mir einen Löffel Pudding in den Mund. Die Kleinigkeiten, auf die ich gern verzichten konnte, waren noch lange keine, auf die ich unbedingt verzichten wollte. Warum wohl hatte Iris so schnell aufgelegt?

Der nächste Löffel schmeckte schon fast widerlich süß. Was wollte ich denn eigentlich im Leben? Ich hatte doch nicht im Ernst ein Problem mit so einem albernen Klassentreffen? Nein, ich würde mich von diesem Klassentreffen nicht verrückt machen lassen.

Um mir alle Türen offen zu halten, beschloss ich, Carola noch nicht endgültig abzusagen. Mit großer Wahrscheinlichkeit fand ausgerechnet an diesem Wochenende die wichtigste Fortbildung statt. Die endgültige Zusage des wichtigsten Referenten stand aber noch aus. Falls ich keinen Mann auftrieb, den ich zum Klassentreffen mitschleppen könnte, konnte mein Gatte doch geschäftlich verreist sein. Dieser Umstand würde ihn auch gleich wichtiger erscheinen lassen.

Ja, das war es, so ermöglichte ich mir eine kurzfristige Absage oder ein Erscheinen in Glanz und Gloria.

Blieb nur die Frage, wie ich meine beiden Ziele erreichen konnte. Spontan fiel mir dazu nur das Wort Internet ein. Firma Google hatte auf all meine Fragen bisher stets mindestens zwölftausend Antworten rund um den Globus gefunden. Ich war sicher nicht die Einzige mit zu vielen Pfunden am Gesäß und ohne Partner. Entschlossen verließ ich mein entspanntes Lager auf der Couch und schaltete den Computer ein. Mit flinken Fingern hämmerte ich dicker Hintern in die Suchmaschine und bekam exakt drei Millionen zehntausendvierhundertzwei Treffer in deutscher Sprache. Die Zahl machte mich betroffen und zugleich unglaublich glücklich. So viele Menschen hatten einen Riesenpo? Das würde eine lange Nacht mit viel Kaffee plus schlechter Auffassungsgabe für den morgigen Arbeitstag werden.

Einerlei, dachte ich, ich hab nur vier Wochen. Jede Minute ist kostbar und zählt.

Die ersten Einträge: Slips und Strings für dicke Hintern ließ ich rasch hinter mir. Wer wollte einen solchen Po mit einem Höschen schmücken, das mehr Schnur als Unterhose war? Es folgten Bücher und Bilder von übergroßen Hinterteilen, völlig uninteressant und wenig hilfreich. Aber es schien eine Menge Liebhaber für überproportionierte Körperteile zu geben, wenn es Fotobände darüber gab.

Du bist nicht allein, ging es mir durch den Kopf.

Einige Seiten später traf ich auf Forderungen kräftiger und runder Menschen, sie so zu lieben, wie sie waren. Beim Lesen der Aufrufe, die äußerst gekonnt und gut begründet verfasst waren, wurde mir auf grausame Weise bewusst, wie klein und verkümmert mein Selbstbewusstsein war. Wäre es nur größer, ich könnte mir ein Plakat malen, frei nach dem Motto: Hier kommt eure alte Klassenkameradin Diana, mit fettem Arsch und ohne Kerl. Habt mich gefälligst lieb!

Ich kicherte, als ich mir vorstellte, wie Carola und all die anderen Mädels schauen würden.

Solche Szenen spielten sich nur in meinem Kopf ab, denn große Auftritte zählten nicht zu meinen Stärken. Ich hasse es, aufzufallen!

Ich ging nicht einmal zum Metzger um die Ecke, um ihm seine Leberwurst, die ich am Vortag bei ihm gekauft hatte, um die Ohren zu hauen, weil diese eine ungesunde grüne Farbe angenommen hatte. Mein Wille wuchs mit meiner Wut, wenn ich es entdeckte, und er schrumpfte pro zurückgelegtem Meter auf dem Weg zum Laden auf eine kaum noch zu erkennende Größe und verschwand völlig mit den Worten: »Guten Tag, ich hätte gern einen halben Ring Leberwurst.«

Mein Schwur, bei diesem Metzger nie wieder auch nur einen Cent zu lassen, ließ sich nur bis zur nächsten Heißhungerattacke aufrechterhalten.

Ich war schwach und feige, das wusste ich nur zu gut. Betrachtete ich mich in meiner Schulzeit, war ich mutig und mit einer großen Klappe ausgestattet. Wann hatte ich eigentlich damit begonnen, mich in eine Duckmäuserin zu verwandeln?

»Als du dein Zeugnis vermasselt hast, die einzige Ausbildung angenommen hast, die du bekommen konntest, und dich später in die Arme von Hajo geworfen hast. Lange ging das ja nicht gut«, hallte die gehässige Stimme meiner Mutter durch meinen Kopf. Leider musste ich ihr in dieser Beziehung absolut recht geben. Ich ließ mich immer zu lange treiben, als würde sich schon alles fügen.

Hajo hatte mich damals mit seiner coolen Art verzaubert. Dass nur seine Coolness echt und er ein gefühlskalter Klotz war, fiel mir zu spät auf. Hinzu kam zum damaligen Zeitpunkt der Umstand, dass ich mich durch ihn aus meinem Elternhaus befreien konnte, das zu jener Zeit eher einem Eiskeller als einem Ort glich, an dem man sich gern aufhielt. Meine Mutter strafte mich ab, weil sie meine Einstellung zum Leben nicht verstand, und brachte mit ihrer sehr bestimmenden Art und hitzigen Diskussionen schließlich auch meinen Vater dazu, sich von mir zurückzuziehen.

Ich schüttelte die Gedanken an die Vergangenheit ab und widmete mich wieder meinem gegenwärtigen Problem.

Nach Durchsicht Hunderter wundersamer Links stieß ich auf die Hausfrauentippseite eines Konzerns mit unzähligen Lösungsvorschlägen. Schlank ohne Diät, Bodyforming und Wundermieder. Letzteres ließ mich elektrisiert weiterlesen. Es handelte sich um eine Unterhose, die an der Innenseite mit Metallplättchen verstärkt war. Das Metall erinnerte mich von seiner Beschaffenheit her an die Topfputzschwämme meiner Mutter. Harte runde Knäuel aus dünnem Metallfaden, die jeden Topf sauber bekamen und die Beschichtung zuverlässig ins Nirwana jagten. Nach der Beschreibung taten die Metallplättchen dies auch mit dicken Popos. Das hieß, sie schoben sie in wunderbare Körperkonturen. Was konnte man für neununddreißig Euro mehr verlangen?

Die Bestellung war im Bruchteil einer Sekunde ausgefüllt, Eillieferung angeklickt und abgeschickt.

Zufrieden sah ich auf die Uhr. Noch nicht mal elf, genügend Zeit, um Google mit dem wunderbaren Wort »Traumpartner« zu füttern.

Vier Millionen einhundertfünfzigtausendsechshundertdreiundvierzig. Na, wenn da keiner dabei war, der sich mit mir aufs Klassentreffen traute, müsste es mit dem Teufel zugehen.

Die oberste angezeigte Kontaktbörse war sofort meine. Nach langwierigem Anmelderitual durfte ich eine ganze Reihe ansehnlicher Männer bewundern, die zu meinem hastig eingetippten, nicht hundertprozentig ehrlichen Profil passten. Ich notierte mir die Namen Marc, Jens und Ralf. Alle drei waren bestens zum Präsentieren geeignet und wohnten in der Nähe.

Jens war gerade online, ich erkannte es am rot blinkenden Herz in der rechten Ecke seines Fotos. Ich klickte auf einen Button, der mit Nachricht senden beschriftet war. In das sich öffnende kleine rosa Herz tippte ich ein schüchternes und völlig einfallsloses Hallo und drückte das Sende-Icon.

Das Blut schoss mir ins Gesicht, was tat ich? Ich schrieb einen völlig fremden Kerl an und buhlte um seine Aufmerksamkeit. Wahrscheinlich antwortete er mir, und dann? Wenn ich ihn meinen Kameraden aus der Schulzeit vorstellen wollte, musste ich mich vorher mindestens einmal mit ihm treffen. Allein!

Nein, völlig unmöglich, beschloss ich und schaltete hektisch meinen Rechner ab. Bevor der Bildschirm sich verdunkelte, konnte ich noch flüchtig ein blinkendes Antwortherz sehen.

Verärgert über mich selbst und meine Feigheit ging ich ins Schlafzimmer und legte mich hin. Als ich grübelnd im Bett lag, fiel mir meine Kollegin Verena ein. Sie hatte schon oft von Typen erzählt, die sie über das Internet kennengelernt hatte. Ihr Rat und ihre Hilfe erschienen mir wie eine Erlösung im Kampf gegen Verzweiflung, Schlaflosigkeit und wütend erkannter Feigheit. Ich schlummerte fast augenblicklich ein.

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2.

Obwohl ich fast zwanzig Minuten zu spät dran war, musste ich das Reisebüro öffnen. Von Verena und Rudi war keine Spur zu sehen.

»Ausgeschlafen?«, redete mich eine ältere Dame von der Seite an. Sie schien schon eine Weile auf mich gewartet zu haben.

»Entschuldigen Sie«, murmelte ich und fummelte an meinem Schlüsselbund, bis der eine, richtige, endlich in meiner Hand lag. »Meine Katze ist krank, ich musste sie schnell zum Tierarzt bringen.«

»Oh, das tut mir leid«, erklärte die Frau und machte ein mitfühlendes Gesicht.

So eine Geschichte zog immer, das hatte ich von meinem Kollegen Rudi gelernt. Ihm setzten wir ein rotes Kreuzchen in den Kalender, wenn er es tatsächlich einmal schaffte, pünktlich zu sein. Bis zum Jahresende blieb das Kalendarium fast blütenweiß.

»Treten Sie ein«, sagte ich freundlich und hielt der Kundin die Tür auf.

»Danke«, antwortete sie, lächelte breit und setzte ihren in Loden gehüllten Körper in Bewegung.

»Wohin soll’s denn gehen?«, fragte ich und schaltete mein Terminal ein.

»Sagen Sie es mir«, antwortete sie und sah mich fordernd an.

»Ich? Da müssten Sie mir aber schon ein paar Anhaltspunkte geben, was Sie sich in etwa vorgestellt hatten.«

»Nichts! Ich lasse mich gern überraschen, wissen Sie? Meinen letzten Urlaub habe ich auch so gebucht. Es war wunderschön.«

Ich witterte meine Chance auf eine große Vermittlung. Mit meinem freundlichsten Verkäufergesicht fragte ich: »Was würden Sie ausgeben wollen?«

Sie grinste. »Das spielt für mich keine Rolle. Wirklich, am Geld soll es nicht scheitern. Aber es muss etwas wirklich Großartiges sein.«

In meinem Kopf wirbelten Tausende von Urlaubsangeboten durcheinander. Was konnte zu ihr passen? Kultur? Strand? Berge? Eine Mischung aus allem?

»Möchten Sie einen Kaffee?«, fragte ich und erhoffte mir etwas mehr Zeit zum Nachdenken.

»Nein danke, Kindchen. Ich will meinen Urlaub buchen und muss in zwanzig Minuten bei meiner Kosmetikerin sein. Also, was ist nun?«

Du meine Güte, sie meinte es ernst. Ich musste Roulette spielen. Rasch klickte ich in meiner Suchmaske nur ein einziges Kriterium an: Preis 5000 Euro und mehr, betätigte die Enter-Taste und schaute mir die Ergebnisse an. Zweiunddreißig Angebote. Prima.

»Sie entscheiden mit, okay?«, fragte ich und schaute sie auf Zustimmung hoffend an.

»Wie denn?«, entgegnete sie und sah neugierig in meine Richtung.

»Sagen Sie mir eine Zahl zwischen eins und zweiunddreißig. Ich habe hier tolle Reisen und möchte nicht ganz allein entscheiden. Jedes Angebot würde Ihnen sicher zusagen. Also?«

Die Dame überlegte kurz und entschloss sich: »Nummer siebzehn.«

»Eine hervorragende Entscheidung. Sind Sie mit dem Preis von siebentausenddreihundertundvierzig Euro einverstanden?«

»Ich sagte es bereits, es spielt keine Rolle. Lassen Sie uns schnell die Formalitäten erledigen. Und … ich möchte nicht wissen, wohin ich fliege, verstanden? Geben Sie mir lediglich das Datum und die Uhrzeit der Abreise.«

»Sie wollen also erst am Flughafen sehen, wohin die Reise geht?«, fragte ich irritiert.

Sie schüttelte den Kopf: »Nein, erst wenn ich dort bin. Mein Sohn wird mich zum Flughafen bringen, alles erledigen und mich in den richtigen Flieger setzen. Während des Fluges höre ich für gewöhnlich Musik oder schlafe, also werde ich von den Ansagen an Bord nichts mitbekommen.«

»Aber«, wendete ich ein, »wenn Sie nun irgendwo landen, wo es Ihnen überhaupt nicht gefällt?«

»Dann wäre das in diesem Fall Ihre Schuld«, kicherte sie. »Doch ich kann Sie beruhigen, bisher hat es mir überall gefallen. Man muss sich nur die richtige Einstellung aneignen. Jetzt sollte ich aber dringend los.«

Zügig druckte ich alle für mich nötigen Unterlagen aus.

»Eine Frage noch, bevor wir die erforderlichen Daten erfassen. Der Flug: Was möchten Sie, Business Class oder First?«

»Holzklasse bitte.«

Mit fragendem Ausdruck im Gesicht wiederholte ich: »Holzklasse?«

»Ja, bitte. Eduard pflegte immer zu sagen: ›Fliege billig, dann kannst du im Urlaub dreimal so viel fressen‹«, erklärte sie und prustete los. »Ja, mein Edi, das war einer. Leider ist er schon fünf Jahre tot.«

»Das tut mir leid«, murmelte ich, gab den Flug in der Economy Class ein und öffnete die Eingabe für persönliche Daten.

»Ihr Name bitte.«

»Gunilla von Wienershausen.«

»Straße und Wohnort?«

»Behringstraße 23, hier in Holtzheim.«

»Wann könnten Sie starten?«

»Nach der Kosmetikerin oder später. So schnell es geht, ich bin hungrig nach neuen Ländern, Kulturen und Abenteuern.«

Rasch checkte ich die nächsten Abflugmöglichkeiten.

»Am Donnerstag? Also morgen früh, halb elf?«

»Ja, nehme ich, und nun Tempo bitte.«

»Wir brauchen dann eine Anzahlung von zehn Prozent. Sie können mit Karte zahlen.«

»Ich zahle bar«, erklärte sie trocken und kramte in ihrer übergroßen Jägertasche. Nacheinander legte sie viele Bündel Geldscheine auf meinen Schreibtisch.

»Siebentausenddreihundertundfünfzig«, zählte sie und sah mich fröhlich an. »Der Rest ist für Sie. Wo muss ich unterschreiben?«

Verwirrt schob ich ihr die Reisebuchung, über die ich eine zweite Seite gelegt hatte, sodass nur die Unterschriftszeile zu sehen war, über den Schreibtisch.

Frau von Wienershausen unterschrieb mit schwungvollen Buchstaben, stand sofort auf und ging Richtung Tür.

»Schicken Sie die Unterlagen an meinen Sohn, er heißt Sven, gleiche Adresse.«

»Das müssen Sie alles morgen am Flughafen erledigen. Ihre Papiere liegen dann am Abflug für Sie bereit.«

Sie nickte: »Danke, es war schön, bei Ihnen zu buchen. Ach, falls Sie Interesse an meinem Bodytrainer haben, lassen Sie es mich wissen. Ihr Hinterteil ist grässlich!« Sie winkte und verschwand sehr rasch.

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3.

Sekunden später, mir blieb keine Zeit, um mich von meinem Schock zu erholen, flog die Tür auf und Rudi stand vor mir.

»War die von Wienershausen hier?«

»Morgen erst mal«, begrüßte ich ihn. »Ja, war sie. Woher kennst du sie?«

Er schüttelte den Kopf und schaute gequält: »Sag mal, in welcher Welt lebst du eigentlich?«

»Wieso?«, fragte ich verwundert.

»Wir haben nur eine stinkreiche, adlige Person hier im ganzen Umkreis. Ständig ist sie in irgendwelchen Klatschzeitungen abgebildet. Und du kennst sie nicht?«

»Nö, woher auch? Ich trage meine Haare lang. Kein Friseur, kein Klatsch!«

»In diesem Fall rate ich dir zur Kurzhaarfrisur. Dein Unwissen ist schändlich.«

Beleidigt drehte ich mich um und füllte wutentbrannt Wasser in die Kaffeemaschine. Ein ganzer Schwall ergoss sich auf den Boden und den Tisch.

»Na prima, das auch noch. Erst diese Ziege, dann du mit deinem allwissenden Getue und nun auch noch eine Überflutung.«

»Oh je, Liebeskummer?«, fragte Rudi vorsichtig.

»Nein. Einladung zum Klassentreffen, ein fetter Hintern, ein dringender Hinweis, einen Fitnesstrainer zu engagieren, und ein Kollege, der zu viel fragt.«

Rudi kam auf mich zu und nahm mich in die Arme. Ich kuschelte mich, ganz gegen meine Gewohnheit, an ihn, schließlich hatte ich Trost verdient.

»Nun erzähl mal der Reihe nach«, sagte er sanft und begann, die Flutkatastrophe auf dem Tisch zu trocknen.

Ich schüttete ihm mein Herz aus und erwog gleichzeitig kurz, Rudi zum Klassentreffen mitzunehmen. Er hörte mir sehr aufmerksam zu, aber ich wusste, dass Carola ihn sofort als schwul identifizieren würde, da machte man ihr nichts vor. Schade, warum mussten meine Lösungen immer so schwierig sein?

»Dein Hintern ist völlig in Ordnung. Ich wollte dir schon lange sagen, dass du dir die langen Pullover sparen kannst. Steh doch mal zu deinem Körper.«

»Das kannst du leicht sagen, schau dich an, der perfekte Kerl.«

Rudi errötete und schaute auf den Boden. »Danke. Aber was nutzt es mir? Ich finde auch nicht den passenden Mann, der mich wirklich liebt.« Er stöhnte.

»Ich weiß«, tröstete ich ihn. »Wo bleibt eigentlich Verena?«

»Die ist krank.«

»Na wunderbar, also keine klugen Ratschläge von einer Fachfrau. Scheiße aber auch!«, schimpfte ich.

Die Ladentür öffnete sich, und ein Paar mittleren Alters trat an meinen Schreibtisch. Ihr Wunschurlaub mit diversen Sonderkonditionen ließ meinen Vormittag rasch vergehen.

Die Mittagspause verbrachte ich im Café um die Ecke, bestellte eine Schokolade mit Sahne und ein großes Stück Donauwelle.

Ich dachte an Frau von Wienershausen und ihre Bemerkungen. Es war also für alle ersichtlich, das Problem meiner Rückseite, und so oft es Iris und Rudi auch schönreden wollten, jeder konnte es auf den ersten Blick sehen.

Ich hoffte und betete um die Wirkung der bestellten Wunderunterwäsche, denn, wenn ich ehrlich zu mir selbst war, wusste ich, dass ich nicht kneifen durfte. Das Klassentreffen war genau der richtige Anlass, mein Problem anzugehen. Was mir bis jetzt gefehlt hatte, war eine echte Herausforderung, etwas zu ändern. .

Ich stand auf und nahm mir die Tageszeitung, die fein säuberlich in den Zeitungshalter geklemmt war, von der Garderobe. Die Politik- und Wirtschaftsseiten überblätterte ich rasch, auf den Sportseiten prangte ein Bild der Damenhandballmannschaft, die eine Runde weiter im Kampf um die Kreismeisterschaft gekommen war, wie langweilig! Keine Spur von gestählten männlichen Sportlern aus Fußball- oder Eishockeymannschaften.

Die Rubrik Aus aller Welt ließ mich innehalten. Niemand anderes als Baronin Gunilla von Wienershausen lächelte mich an. Ich las den Artikel interessiert. Die Dame hatte vorgestern einen adligen Onkel beerbt. Der Nachlass bestand aus einem lächerlichen Gutshof nebst Pferdestallungen und einigen im Wert kaum schätzbaren Schmuckstücken.

Immer auf den gleichen Haufen, kam mir augenblicklich in den Sinn. Wie viel Weisheit in dieser Aussage steckte.

Frau von Wienershausen jettete durch die Welt, genoss maßlos alles und jeden. Wieder daheim und einige Pfunde mehr auf der Waage, rief sie einfach nach ihrem Bodytrainer und quälte sich gepflegt zurück in Form. Das Gehalt für eine dieser Stunden ließ gewiss nicht nur die Kilos der Baronin wegschmelzen. Wenn man jedoch mit gewisser Regelmäßigkeit reiche Onkel und Tanten beerbte, stellte dies sicherlich kein Hindernis dar. So lief das, mit Geld konnte man eben doch einiges regeln.

»Darf’s noch was sein?« Die Bedienung riss mich aus meinen Gedanken. Ein Blick auf meine Uhr, ich schoss hoch, legte einen Zehn-Euro-Schein in ihre Hand und erwiderte hektisch: »Nein. Danke, stimmt so. Schönen Tag noch«, und hastete zurück ins Reisebüro.

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4.

Da bist du ja, wie praktisch«, begrüßte mich Rudi und hielt mir den Telefonhörer entgegen. »Frau von Wienershausen ist dran.«

Ich nahm den Hörer entgegen.

»Hallo Frau Frank, von Wienershausen.«

»Guten Tag, was kann ich für Sie tun?«

»Es ist mir etwas unangenehm, aber ich habe mein Mobiltelefon verloren. Es war in meinem Mantel, und nun kann ich es nicht mehr finden. Ist es vielleicht bei Ihnen?«

Den Telefonhörer zwischen Kinn und Schulter geklemmt, ging ich um den Schreibtisch und krabbelte unter den Tisch.

»Sekunde, ich sehe nach«, nuschelte ich in den Hörer. Tatsächlich, da hinten lag es.

»Hab es«, keuchte ich und kroch rückwärts heraus.

»Schönen guten Tag in die Runde«, hörte ich es in diesem Moment aus Richtung der Eingangstür rufen.

Wie eine Rakete schoss ich nach oben, bis die Schreibtischplatte meinen Fluchtversuch stoppte. Es rumste, der Hörer flog weg, und ich bemühte mich, den stechenden Schmerz im Kopf ignorierend, krabbelnd in Rekordzeit eine Hundertachtzig-Grad-Wendung zu vollführen.

»Hallo! Hallo, Frau Frank?«, tönte es aus dem Hörer. Mein Gesicht wieder zur Eingangstür gewendet, registrierte ich einen gutaussehenden Mann im grellgrünen Trainingsoutfit, der mich von hinten gesehen hatte und damit unerreichbar geworden war.

Und Rudi, der einen entrückten Gesichtsausdruck zur Schau stellte. Er grinste breit und winkte den Herrn hektisch an seinen Schreibtisch.

»Haaaaallooooooo«, kam es nun energisch aus dem Telefon.

»Entschuldigen Sie, Frau von Wienershausen. Ich bin eben leider ausgerutscht, aber Ihr Handy ist hier. Ich habe es gefunden.«

»Gut, das dachte ich mir schon. Bei der Kosmetikerin war es nicht, deshalb habe ich meinen Trainer bereits zu Ihnen geschickt. Geben Sie es ihm bitte.«

»Gern, wann kommt er?«

»Müsste gleich bei Ihnen sei. Er ist nicht zu übersehen, sieht aus wie ein Grashüpfer auf Sportmission.«

»Verstehe«, erwiderte ich und lachte hysterisch auf. Mein Blick wanderte zu Rudi und dem Trainer, sie ignorierten mich und schwatzten laut. Ich räusperte mich. »Er ist bereits angekommen. Ich gebe es ihm gleich. Schönen Urlaub, Frau von Wienershausen.«

»Sicher, Kindchen, danke. Er hat bald ein paar Tage frei, vielleicht können Sie einen Termin bei ihm bekommen«, bemerkte sie betont freundlich.

»Es ist nett, dass Sie sich so um mich sorgen, aber ich sehe keine Gründe, ihn zu buchen«, erwiderte ich zornig und sehr bestimmt.

Sie lachte. »Sind Sie sicher? Ich weiß, dass man sich im Spiegel meist von vorne betrachtet, aber wie Sie von hinten aussehen, kann Ihnen nicht verborgen geblieben sein.«

Ich kochte. »Nein, es ist mir in der Tat nicht verborgen geblieben. Nur, wie Sie dazu kommen, mir derartige Ratschläge zu erteilen, ist mir schleierhaft. Ich habe Ihnen ja auch nicht gesagt, dass Lodenmäntel vor dreißig Jahren hip waren und ich noch nie jemanden getroffen habe, der so verrückt ist, eine Reise ins Unbekannte zu buchen. Woher wollen Sie wissen, dass ich Sie nicht in ein Hüttenlager in Tibet eingebucht habe? Ohne Toilette, ohne Dusche, ohne Service und mit viel Yakscheiße?«

 

Frau von Wienershausen gluckste heiter in den Hörer und erwiderte: »Das ist eine Reise, die mir noch in meiner Sammlung fehlt. Ich hoffe, Sie haben etwas in dieser Art für mich gefunden. Aber mal im Ernst, Kindchen, ich wollte Sie nicht verletzen«, erklärte sie beschwichtigend und irgendwie nett. »Sehen Sie, ich mag Sie. Als ich Sie heute Morgen abgehetzt vor dem Reisebüro sah und Sie mir diese unglaublich süße Lüge über Ihre Katze erzählt haben, erinnerten Sie mich an meine jüngeren Tage. In meiner Ausbildungszeit habe ich mir die wildesten Ausreden einfallen lassen und viele Ausflüchte, denn ich kam ständig zu spät.«

An meiner Art zu flunkern musste ich dringend arbeiten. Errötet erwiderte ich: »In Ihrer Ausbildung?« Ich musste dabei ziemlich überrascht geklungen haben.

»Sicher, was denken Sie? Ich bin zwar eine von Wienershausen, doch mein Vater bestand stets darauf, dass sich jeder in unserer Familie erst einmal als würdig und fähig für diesen Titel erwies. Ich habe Schneiderin gelernt. Mein Prüfungsstück kennen Sie. Es ist der Loden.«

Du meine Güte, das wurde ja immer besser. Sie hatte mich beim Schwindeln ertappt, mir ihre Freundschaft angeboten, mich verunsichert, ob ich eine zu ihr passende Reise gebucht hatte, und mich dezent darauf hingewiesen, dass Vorurteile, auch die gegenüber Adligen, nicht immer der Wahrheit entsprachen.

Ich hatte das Gefühl, mein Gesicht hätte die Farbe eines Feuermelders angenommen und jeder in diesem Viertel konnte mich leuchten sehen. Ich sammelte und räusperte mich: »Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Sie haben mich ziemlich durcheinandergebracht.«

»Frau Frank, Sie müssen gar nichts sagen. Geben Sie meinem Trainer das Mobiltelefon und lassen Sie sich meinen Vorschlag noch einmal durch den Kopf gehen. Nun wissen Sie ja, dass keinerlei Böswilligkeit dahintersteckt.«

»Okay, mach ich«, sagte ich kleinlaut, nuschelte ein »Danke« und legte auf.

»Hast du ein Handy gefunden?«, fragte Rudi und sah mich an. Ich hielt es in die Luft und nickte. Der grüngewandete Trainer kam auf mich zugetänzelt: »Gott sei Dank, das wäre ein Desaster geworden. All die eingespeicherten Rufnummern ihrer Dienstleister.«

Ich runzelte die Stirn, die Kerle hatten scheinbar von der ganzen Peinlichkeit rein gar nichts mitbekommen. Hier war wohl Liebe auf den ersten Blick im Spiel. Der Fitnesskerl nahm mir das Handy aus der Hand, drehte sich zu Rudi, küsste ihn auf beide Wangen, rief »tschüss« und war verschwunden. Rudi seufzte, ließ sich auf seinen Stuhl fallen und schloss die Augen.

»Wie habt ihr denn so schnell zueinandergefunden?«, löcherte ich ihn, froh über die zeitgleich stattgefundene Begegnung. Ich konnte nicht glauben, dass Rudi schon wieder einen Treffer gelandet hatte.

»Diana, hast du das gesehen? Er war es, das ist der Mann, mit dem ich bis zu meinem Lebensende zusammenbleiben werde. Ich fühle es.«

Trotz der Tatsache, dass ich diesen Satz aus dem Munde meines Kollegen schon einige Male gehört hatte, wollte ich ihm keineswegs die Laune verderben. »Das ist so romantisch. Ich hoffe, er fühlt genauso für dich«, antwortete ich und sah ihn an. Er schien auf Wolken zu schweben und für solche Banalitäten wie Reisevermittlungen keinen Gedanken mehr übrig zu haben.