Ohnmacht und Triumph - Frank Krause - E-Book

Ohnmacht und Triumph E-Book

Frank Krause

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Beschreibung

Ohnmacht und Triumph“ möchte uns auf eine sehr persönliche Weise auf den Weg der Passion Christi mitnehmen. Dieser entscheidende Abschnitt im Leben Jesu will unser Herz verändern und unsere Beziehung zu Jesus vertiefen. Angefangen vom Verrat des Judas beim Abendmahl, über Gethsemane, Verhör und Anklage, Verurteilung und Hinrichtung am Kreuz von Golgatha bis zu seiner Auferstehung und erneuten Begegnung mit seinen Jüngern, werden die einzelnen Abschnitte auf dem Weg der Passion Christi nachvollzogen. Der Autor hat sich die Freiheit genommen, einmal vom traditionellen Kreuzweg abzuweichen und sich eng an das biblische Original zu halten. Gerade dann, wenn wir meinen, schon alles über die Geschehnisse und Bedeutungen des Leidens, Sterbens und der Auferstehung Jesu zu wissen, kann ein neuer Blick für Überraschungen sorgen!

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Frank Krause

Ohnmacht und Triumph

Den Weg der Passion Christi mitgehen

GloryWorld-Medien

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1. Auflage 2020

© 2020 Frank Krause

© 2020 GloryWorld-Medien, Xanten, Germany, www.gloryworld.de

Alle Rechte vorbehalten

Bibelzitate sind, falls nicht anders gekennzeichnet, der Elberfelder Bibel, Revidierte Fassung von 1985, entnommen. In Klammern gesetzte Ergänzungen stammen vom Autor.

Das Buch folgt den Regeln der Deutschen Rechtschreibreform. Die Bibelzitate wurden diesen Rechtschreibregeln angepasst.

Lektorat: Brigitte Krause, Manfred MayerSatz: Manfred MayerUmschlaggestaltung: Jens Neuhaus, www.7dinge.deFoto: Pixabay

ISBN (epub): 978-3-95578-473-7

ISBN (Druck): 978-3-95578-373-0

 

 

Inhalt

Einführung

Was ist ein Kreuzweg?

Station 1: Verrat

Station 2: Abendmahl

Station 3: Gethsemane

Station 4: Gefangennahme

Station 5: Verhör und Anklage

Station 6: Der Weg zum Kreuz

Station 7: Kreuzigung und Tod

Station 8: Grablegung

Station 9: Das Grab ist leer!

Station 10: Jesu Erscheinen

Nachwort

 

Einführung

Denn einer ist Gott,und einer ist Mittler zwischen Gott und Menschen,der Mensch Christus Jesus,der sich selbst als Lösegeld für alle gab,als das Zeugnis zur rechten Zeit.

1. Timotheus 2,5-6

Ein Buch über den Leidensweg Christi schreiben? An die alte Tradition des „Kreuzweges“ anschließen? Als ein Christ, der nicht katholisch geprägt ist, war ich selbst von dieser Idee überrascht!

Offenbarung

Im Zuge des Schreibens der „TagesGedanken“, einer Reihe kleiner, fortlaufender Andachten durch das ganze Lukasevangelium, war es während eines Aufenthalts auf der Insel Rügen, dass Gott mich tief in die Passionsgeschichte eintauchte. Voller Betroffenheit über die (selbstgewählte) Ohnmacht Jesu, die sich vom Verrat des Judas bis zur Kreuzigung auf Golgatha hinzog, schrieb ich einen Text nach dem anderen. Zum Glück endet die Leidensgeschichte Jesu nicht mit der Hinrichtung und dem Begräbnis des Sohnes Gottes, sondern fängt genau dort eine neue, triumphale Geschichte der Auferstehung an.

Diese intensive und inspirierende Beschäftigung mit dem Wort Gottes erschloss mir ganz neu die bekannten und gewohnten Texte. Alles kann ja leider zur Routine werden, so auch die alljährliche Passionszeit1 und Ostern. Jahr für Jahr wiederholen sich die Predigten, die Rituale und Abläufe, bis man nicht mehr bei der Sache ist, weil man meint, das alles schon in und auswendig zu kennen. In Wahrheit aber können wir unser Leben lang die Texte lesen und gepredigt bekommen, ohne auch nur die leiseste Ahnung zu haben, worum es dabei wirklich geht – und was das mit uns zu tun hat.

Wir brauchen eine Offenbarung durch den Heiligen Geist, sonst verstehen wir nur mit dem Kopf, aber nicht mit dem Herzen. Der Geist führt uns vom Wissen zur Erfahrung, von der Oberfläche in die Tiefe und der Illusion zur Erleuchtung. Er taucht (tauft) uns in die Passion hinein, als seien wir dabei gewesen und aktualisiert uns die Geschichte, als wäre es heute. Und noch mehr, wendet er das Evangelium in einer Art und Weise auf uns persönlich an, dass uns klar wird: Wir sind gemeint! Die geographische, zeitliche und intellektuelle Distanz wird aufgehoben und wir sind unmittelbar beteiligt und betroffen. Wow!

Ich kann nur jedem Leser raten, Gott um eine solche Offenbarung zu bitten! Denn das ändert einfach alles. Wenn meine Andachten einen Beitrag zu dieser „Erleuchtung“ leisten können, dann freue ich mich.

Die Passion Christi2

So hieß ein Film von Mel Gibson aus dem Jahre 2004. Der Wikipedia-Beitrag zu dieser Verfilmung (siehe Fußnote) sagt zu dieser Verfilmung: „Seine sehr gewalttätige Interpretation des Leidens und Sterbens des Juden und christlichen Messias Jesus von Nazareth überschreitet das bisher bei Bibelfilmen gewohnte Maß deutlich.“ Das ist sehr wahr! Bewusst habe ich eine ganze Menge Informationen in die Fußnote übernommen, weil der Film in vieler Hinsicht einzigartig ist. Er ist ein Schocker, der das durch die endlose Wiederholungsschleife eingeschlafene christliche Gemüt mit einem Hammerschlag aufweckt und ob der Wucht der eindringlichen Bilder völlig irritiert.

Als ich den Film seinerzeit im Kino sah, erstarb im Verlauf des Films jedes Geräusch im Kinosaal, außer dass leise geweint wurde. Kein Wort wurde mehr gesprochen, kein Popcorn gegessen; es herrschte die totale Betroffenheit. Ich taumelte aus der Vorstellung und war über Tage und Wochen verstört und tief bewegt und dachte bei mir, kein Christ, keine Gemeinde, der/die diesen Film sieht, könne danach jemals wieder einschlafen oder „lau“ werden oder in eine Routine fallen.

Wachhypnose

Mit größter Motivation und Hoffnung zeigte ich den Film in meiner Gemeinde und muss zugeben, dass es trotz dieser massiven Aufrüttelung durch eine unfassbar realistische Darstellung der Leiden Christi, die er für uns auf sich genommen hat, zu keiner nachhaltigen Veränderung kam. Alles ging seinen gewohnten Gang weiter …

Dies war einer der Momente, in dem ich erkannte, dass etwas mit der Gemeinde – mit jeder mir bekannten Gemeinde – nicht stimmt. Dass da ein „Zauber“ auf uns liegt (vgl. Gal 3,1), jene „Decke“, von der in 2. Korinther 3,12-15 die Rede ist. Sie erzeugt eine solche Unberührbarkeit, eine Distanz und Gedämpftheit, dass auch ein Hammerschlag nicht durchdringt!

Mich machte diese Erfahrung mit meiner Gemeinde seinerzeit ganz verzweifelt und ließ mich in ein Fasten und Gebet gehen, um nur ja aus diesem bezauberten und gedämpften Zustand herauszukommen, koste es, was es wolle. Tatsächlich las ich in dieser Zeit etwas von einem Zustand der „Wachhypnose“3, einem „tranceähnlichen Zustand, in dem sich die Person so bewegt und verhält, dass der ungeübte Beobachter keinen Unterschied zum normalen Wachzustand erkennt.“ Ich fragte mich, ob wir nicht vielleicht kollektiv unter solch einer Hypnose („Zauber“/ „Decke“) leiden, denn die Reaktion auf den Film „Die Passion Christi“ fiel verblüffend schwach aus und erzielte keine nachhaltige Veränderung.

So kann ich meinen Lesern auch an dieser Stelle nur ans Herz legen, ernsthaft darum zu beten, den Kreuzweg ohne religiöse Brille, frei von hypnotischem Zauber und Decke, betrachten zu können, mit Augen des Herzens, die erleuchtet sind vom Heiligen Geist (Eph 1,18), um wirklich zu erkennen, worum es geht.

Wir reden aber Weisheit unter den Vollkommenen, jedoch nicht Weisheit dieses Zeitalters, auch nicht der Fürsten dieses Zeitalters, die zunichtewerden, sondern wir reden Gottes Weisheit in einem Geheimnis, die verborgene, die Gott vorherbestimmt hat, vor den Zeitaltern, zu unserer Herrlichkeit. Keiner von den Fürsten dieses Zeitalters hat sie erkannt – denn wenn sie sie erkannt hätten, so würden sie wohl den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt haben –, sondern wie geschrieben steht: „Was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, was Gott denen bereitet hat, die ihn lieben.“ Uns aber hat Gott es offenbart durch den Geist … (1 Kor 2,6-10a).

Um die Reflexion anzuregen, habe ich an jeden Beitrag ein paar „Impuls-Fragen“ angehängt. Auch als Kleingruppe oder Hauskreis kann man die Passionszeit begehen, indem man etwa von jeder der zehn Stationen einen Impuls herausnimmt und sich darüber austauscht.

 

1 Passionszeit bezeichnet entweder die Zeit vom 5. Sonntag der Fastenzeit, der auch Judica oder Passionssonntag genannt wird, bis zum Ende der Fastenzeit (in der katholischen Kirche) oder ist ein Synonym für den Begriff Fastenzeit (in den deutschsprachigen evangelischen Kirchen). Die Liturgie der Passionszeit ist in der katholischen Kirche dadurch gekennzeichnet, dass sie den Akzent von dem Gedanken der Buße hin zur Betrachtung des Leidens Jesu Christi verschiebt (Wikipedia, abgerufen am 24.02.2019).

2 „Die Passion Christi“ (Originaltitel: The Passion of the Christ) ist ein Spielfilm von Mel Gibson aus dem Jahr 2004 über die Passion Jesu von Nazaret vom Ölberg über die Verurteilung und Kreuzigung durch die Römer bis zur leiblichen Auferstehung … Der Film schildert, angelehnt an die Darstellung der Bibel, den letzten Abschnitt im Leben des Jesus von Nazaret, beginnend unmittelbar vor der Verhaftung Jesu in Getsemani durch die jüdische Tempelgarde bis hin zur Auferstehung am Ostermorgen. Der Film ist in seiner Inszenierung an das christlich-volkstümliche Passionsspiel angelehnt und greift daneben auf gängige dramaturgische Mittel zurück. Seine sehr gewalttätige Interpretation des Leidens und Sterbens des Juden und christlichen Messias Jesus von Nazaret überschreitet das bisher bei Bibelfilmen gewohnte Maß deutlich. Die Handlung wird wiederholt durch Rückblenden auf das Leben Jesu unterbrochen … Als Quellen sind Motive herangezogen aus den vier kanonischen Evangelien, aber auch aus den von Clemens Brentano literarisch bearbeiteten Visionen der Augustinerschwester Anna Katharina Emmerick sowie den 14 Kreuzwegstationen. Eigene Deutungen durch den Regisseur Gibson sind ebenfalls in den Film eingeflossen … Laut Guinness Buch der Rekorde (Hamburg) in der Ausgabe für 2006 ist „Die Passion Christi“ der erfolgreichste religiöse Film aller Zeiten … [und] laut einer Umfrage des US-Magazins Entertainment Weekly (12. Juni 2006) der umstrittenste Film aller Zeiten. Das Historiendrama habe „einen in der Geschichte Hollywoods beispiellosen Kulturkampf“ ausgelöst (Wikipedia, abgerufen am 24.02.2019).

3 Bei einer durch hypnotische Verfahren induzierten Trance entsteht eine tiefe Entspannung bei gleichzeitiger Wachheit. Die hypnotisierte Person ist weiterhin fähig, sich willentlich zu bewegen und sinnzusammenhängende Sätze zu sagen, ihre Aufmerksamkeit ist jedoch extrem eingeschränkt und auf wenige Inhalte ausgerichtet. Als Besonderheit gilt eine Wachhypnose, in der eine Person sich zwar in einem tranceähnlichen Zustand befindet und hierbei sogar ein Rapport besteht, sie aber trotzdem augenscheinlich hellwach ist. Die Person bewegt und verhält sich so, dass für ungeübte Beobachter kein Unterschied zum normalen Wachzustand erkennbar ist. Diese Form der Trance besteht unterschwellig und beeinträchtigt das Wachbewusstsein nicht (Wikipedia, abgerufen am 24.02.2019).

Was ist ein Kreuzweg?

Nach diesen einführenden Worten wenden wir uns nun einigen Informationen über den „Kreuzweg“ zu, wie er entstanden ist und in der Kirche allgemein verstanden und gehandhabt wird. Da es sich bei den Stationen des Kreuzweges um eine sehr alte kirchliche Tradition handelt, von der ich jedoch in einigen Punkten abweiche, erscheint es mir notwendig, den Sachverhalt einführend zu klären. Immerhin handelt es sich um ein prägendes Element der abendländischen Kultur. Wen das nicht interessiert, kann diesen Teil einfach überspringen.

Kreuzweg – Geschichte, Bedeutung, Texte1

Ursprung Jerusalem

In den meisten katholischen Kirchen sind an den Seitenwänden gut sichtbar 14 Kreuzwegbilder angebracht. Mehr oder weniger kunstvoll stellen sie einzelne Szenen aus der Leidensgeschichte Jesu dar, angefangen von der Verurteilung durch Pilatus bis zur Grablegung. Während der Kreuzwegandacht gehen Gläubige einzeln oder in Gruppen durch die Kirche und bleiben vor jedem Bild stehen, sie machen „Station“, wie man sagt, und betrachten jede Szene im Gebet. Heute findet man die Bilder oder „Stationen“ oft eng nebeneinander gehängt. Manchmal wird der Kreuzweg überhaupt nur in der Kirchenbank sitzend oder kniend gebetet. Das war nicht immer so. Seinen Ursprung hat der Kreuzweg im religiösen Leben der Christen und Christinnen in Jerusalem. Diese machten sich schon im Altertum immer wieder auf den Weg, um betend und singend die Orte des Leidens und Sterbens ihres Herrn nachzugehen.

14 Stationen

An diesen Prozessionen nahmen auch viele Pilger und Pilgerinnen aus dem Abendland teil. Später baute man für jene Gläubigen, die nicht ins Heilige Land pilgern konnten, Kalvarienberge in ihrer Heimat oder richtete – gleichsam als Miniaturausgabe – Kreuzwegstationen in den Kirchen ein. Inhalt und Zahl der Stationen variierten im Lauf der Geschichte. Die heute üblichen 14 Stationen verdanken wir dem spanischen Franziskanermönch Antonius Daza (17. Jh.). Weltweite Verbreitung erlangte diese Form des Kreuzweges durch den Hl. Leonhard von Porto Maurizio (1676–1751), ebenfalls Franziskanermönch und eifriger Volksmissionar in Italien. Dieser begeisternde Barockprediger soll selbst 576 Kreuzwege errichtet haben.

Heilsamer Störfaktor?

Ist der Kreuzweg noch modern? Tun seine Bilder des Leidens nicht unnütz weh? Oder ist er gerade heute, wo uns von allen Plakatwänden riesige Bilder eine Welt voller Lust und Schönheit vorgaukeln, in der Leid, Schuld und Tod verdrängt werden, ein wichtiger „Störfaktor“? Kreuz und Kreuzwegbilder zeigen uns auf alle Fälle die andere, die dunkle Seite des Menschseins. Und sie zeigen uns jenen Gott, der freiwillig mit uns auch ins Dunkel und durch das Dunkel geht – bis es licht wird. So lassen moderne Künstler den Kreuzweg manchmal in eine 15. Station, in ein Osterbild, münden: „Jesus ist auferstanden“. Gott kann aus jedem Karfreitag einen Ostersonntag blühen lassen. Dieser Glaube trägt auch heute.

Kreuzwegandacht

Die Kreuzwegandacht ist in der katholischen und der anglikanischen Kirche ein vielfach gemeinsam oder einzeln verrichtetes Gebet vor den Kreuzwegstationen. Die Beter gedenken dabei auch der Leidenden der Gegenwart, die ungerecht verurteilt, gefoltert, getötet, ihres Lebensunterhalts beraubt oder verspottet werden. Die Andacht kann zu jeder Zeit gebetet werden, besonders aber an Freitagen, in der Fastenzeit und in der gesamten Karwoche. Der Kreuzweg eignet sich nach katholischer und anglikanischer Auffassung auch für die persönliche Meditation oder Andachten in der Familie. Als Ausdruck für das Beten des Kreuzwegs ist auch „den Kreuzweg gehen“ geläufig.2

Die Stationen

Die 14 klassischen Positionen des Kreuzwegs erzählen die Leidensgeschichte Jesu, von seiner Verurteilung bis zu seiner Beerdigung, in folgenden „Stationen“:

1. Jesus wird zum Tode verurteilt

2. Jesus nimmt das Kreuz auf seine Schultern

3. Jesus stürzt unter dem Kreuz

4. Jesus trifft seine Mutter

5. Simon hilft Jesus, das Kreuz zu tragen

6. Veronika reicht Jesus das Schweißtuch

7. Jesus stürzt zum zweiten Mal unter dem Kreuz

8. Jesus begegnet weinenden Frauen

9. Jesus fällt zum dritten Mal unter dem Kreuz

10. Jesus werden die Kleider gestohlen

11. Jesus wird an das Kreuz genagelt

12. Jesus stirbt am Kreuz

13. Jesus wird vom Kreuz abgenommen und in den Schoß seiner Mutter gelegt

14. Der Leichnam Jesu wird in das Grab gelegt.

(15. Jesus ist auferstanden!)

Das Schweißtuch der Veronika

Nicht alle diese Stationen finden wir in der Bibel. Ganze fünf Positionen sind legendenhafte Zufügungen. Es handelt sich um die Nummern 3, 4, 6, 7 und 9. Was Nummer 13 angeht, wurde Jesus zwar vom Kreuz abgenommen, aber nicht in den Schoß Marias gelegt, sondern von Joseph von Arimathia (mit Nikodemus) in das Felsengrab gebracht.

Der Weg nach Golgatha wurde also religiös verfremdet, um die Geschichte dramatischer zu machen und religiös-liturgisch auszubauen. Unglaublich, was etwa aus Punkt 6, der „Heiligen Veronika“, alles gemacht wurde! Wikipedia (abgerufen am 24.02.2020) gibt zum Thema „Schweißtuch der Veronika“ folgende Auskunft:

Das Schweißtuch der Veronika (lateinisch Sudarium Christi) ist ein Gegenstand der christlichen Überlieferung. Dieser zufolge reichte die Hl. Veronika ihr Tuch Jesus Christus auf seinem Weg nach Golgota, um Schweiß und Blut von seinem Gesicht abzuwischen. Dabei soll sich das Gesicht Jesu auf wundersame Weise auf dem Schweißtuch als sogenanntes Veronikabild eingeprägt haben.Die Überlieferung … ist seit dem 12. Jahrhundert nachgewiesen. Ebenfalls seit dem 12. Jahrhundert ist in Rom ein Bild der Hl. Veronika mit dem Schweißtuch bekannt, und in dieser Form fand die Überlieferung im Mittelalter weite Verbreitung. Im Kreuzweg ist diese Szene als sechste Station dargestellt.Da das Tuch zusammengelegt gewesen sei, seien, heißt es, drei gleiche Abdrücke des Gesichts entstanden, von denen einer in Jerusalem geblieben, die anderen nach Rom und Jaén in Spanien gekommen seien. Aber noch etwa zehn andere Städte erheben Anspruch, solche Abdrücke zu besitzen.Das Schweißtuch der Veronika war einst eine der kostbarsten und am höchsten verehrten Reliquien der Christenheit und befindet sich heute in einem Tresor im Veronikapfeiler, einem der Vierungspfeiler des Petersdoms in Rom.

Kontemplation3

Angesichts solcher Seltsamkeiten habe ich meine eigene Liste von Stationen aufgestellt, die – jeder Abschnitt für sich – dazu einlädt, innezuhalten und sich auf diese Position betend einzulassen. Diese Einlassung – einige sprechen in diesem Zusammenhang von „Kontemplation“ – ist mehr und geht tiefer, als verstandesmäßig einen Text zu erfassen und dann als gelesen „abzuhaken“. Es geht indes auch über eine reine Betrachtung hinaus, obwohl sie ein wesentlicher Teil der Einlassung ist. Der Glaube, wie ihn die Schrift definiert, lässt sich auf das Wort Gottes ein – mit ganzem Herzen, ganzer Seele, aller Kraft und ganzem Verstand. Diese Qualität von Glauben ist Liebe zur Wahrheit (vgl. 2 Thess 2,10). Sie nimmt sich das Wort Gottes in einer solchen Weise zu Herzen, dass es dort eine gottgegebene Art von „Buße“ bewirkt, eine innere Verwandlung und „Umprogrammierung“, in deren Folge wir ein verändertes und erneuertes Leben führen.

Es geht im Kreuzweg also um eine neue und sich vertiefende Hinwendung zu einer Offenbarung der Geschehnisse um die Kreuzigung, die meines Erachtens mit dem Verrat des Judas ihren Lauf nimmt und nicht erst mit der Verurteilung durch Pilatus, wie es die Tradition tut. Die Auslieferung Jesu an die Behörden wurde zuerst von Jesu Freunden vorangetrieben! Ich spreche im Plural, weil Petrus den Verrat des Judas mit seiner Verleugnung noch unvorstellbar stark vertiefte, nachdem bereits alle Jünger Jesus in der „Nacht, da er verraten wurde“ verlassen hatten.

Für uns als Gemeinde Jesu muss dies meiner Meinung nach logisch und zwingend die erste Station sein. Es ist einfach, gemeinsam mit Petrus zu sprechen: „Ich werde das niemals tun, eher würde ich sterben!“ Wenn alles gut läuft, dann reden alle so, aber wenn die Nacht kommt, mit Gethsemane und Sonder-Einsatzkommando, mit dem jähen Zusammenbruch aller Träume von Erfolg und Größe, welche die Jünger mit Jesus verbanden, dann ist das etwas ganz anderes.

In mir löste die Beschäftigung mit den Stationen des Kreuzweges, wie sie das Lukasevangelium beschreibt, eine Flut von Gedanken, Einsichten und Gebeten aus. An den Ergebnissen lasse ich nun meine Leser Anteil haben und hoffe, dass der (Kreuz)Weg von der Ohnmacht zum Triumph diese Aspekte auch in ihnen zum Klingen bringt. Wollen wir also aufbrechen und losgehen …

 

1 Karl Veitschegger, Beitrag in „Neues vom Graben“ 1/2002 (Quelle: http://members.aon.at/veitschegger/texte/kreuzweg.htm)

2 Quelle: Wikipedia, abgerufen am 24.02.2019.

3Kontemplation (von lateinisch contemplatio „Richten des Blickes nach etwas“, „Anschauung“, „Betrachtung“) ist in philosophischen und religiösen Texten die Bezeichnung für ein konzentriertes Betrachten … In erster Linie geht es dabei um Betrachtung eines geistigen, ungegenständlichen Objekts, in das man sich vertieft, um darüber Erkenntnis zu gewinnen. Im religiösen Kontext ist das Objekt oft eine Gottheit oder deren Wirken … Im Christentum wird die Kontemplation seit der Zeit der Kirchenväter als Ausrichtung auf Gott geschätzt, gepflegt und in spiritueller Literatur eingehend erörtert. Für große Teile der christlichen Welt bildet die kontemplative Betrachtung der Werke Gottes und eine auf Gott selbst gerichtete Kontemplation traditionell einen Kernbestandteil des religiösen Lebens der Frommen … Oft wird von der Kontemplation eine Erfahrung von Gottes Gegenwart oder sogar eine Gottesschau erhofft. Die geistlichen Autoren pflegen aber seit jeher zu betonen, dass solche Schau ein göttlicher Gnadenakt sei und vom Menschen nicht aus eigener Kraft herbeigeführt werden könne (Wikipedia, abgerufen am 24.02.2019).

Station 1: Verrat

Selbst mein Freund, auf den ich vertraute,der mein Brot aß, hat die Ferse gegen mich erhoben.

Psalm 41,10

Verrat ist eine schwere Bürde, eine bittere Erfahrung. Dass Jesus von seinen Jüngern verraten wird, ist für alle Christen eine sehr bestürzende und herausfordernde Angelegenheit.

Wir stellen uns gerade das Abendmahl als ganz besonders heilige Zeremonie vor, aber sie beginnt mit Verrat (Judas) und endet mit der Ankündigung von noch mehr Verrat (Petrus). Zwischendrin streiten die Jünger am Tisch darüber, wer von ihnen der Größte ist!

Es ist zum Schreien und völlig grotesk. Die Jünger waren dermaßen desillusioniert und fertig mit den Nerven, dass sie schon kaum mehr bei der Sache waren, als Jesus in den Garten von Gethsemane aufbrach, sondern trotz mehrmaliger und dringender Ermahnung, doch zu beten, komplett „abschalteten“ (einschliefen). So blieb Jesus in der schweren Stunde ringenden Flehens, bis sein Schweiß wie Blut wurde, allein. War das nicht auch Verrat?

In der ganzen Passionsgeschichte glänzen die Jünger mehrheitlich durch Abwesenheit und Distanz. Jesus muss diesen Weg alleine gehen. Die Wucht des von der Finsternis angestachelten Zornes der Schriftgelehrten und Pharisäer, der Priester und Oberen traf ihn gnadenlos, Schlag auf Schlag.

Ja, das Imperium schlug zurück und machte aus Jesus den Staatsfeind Nummer eins. Ihn, „der umherging und wohltat und alle heilte, die von dem Teufel überwältigt waren, denn Gott war mit ihm“ (Apg 10,38).

Wollen wir ein geistliches Leben führen und im Licht wandeln, geht es nicht umhin, uns der Frage nach dem Verräter in uns zu stellen.

Impuls 1

Nicht merken was läuft, bis es zu spät ist

Aber Satan fuhr in Judas … der ging hin und besprach sich mit den Hohepriestern und Hauptleuten, wie er Jesus an sie überliefere. Und sie waren erfreut und kamen überein, ihm Geld zu geben (Lk 22,3-5).

Wie konnte das geschehen? Judas war einer der Zwölf, einer des engsten Jünger-Kreises um Jesus, der drei Jahre lang Nacht und Tag mit ihm umhergezogen war. Was hatte er nicht alles mit Jesus erlebt!

Es ist das eine, ob Menschen, die uns fern stehen, Leute, die uns nicht kennen, und Funktionäre, die ganz offensichtlich „von Amts wegen“ gegen uns stehen – wie die Schriftgelehrten und Hohepriester Jesus gegenüber negativ eingestellt waren –, einen solchen Verrat begehen oder unsere engsten Freunde. Die, von denen wir es nicht erwarten. Niemals. Oh, wie weh das tut!

Obwohl Judas das Licht Gottes in Jesus gesehen hatte und die göttliche Salbung auf ihm erlebte, die so viele Kranke geheilt und selbst Tote auferweckt hatte; obwohl er das Vorrecht besaß, zu den auserwählten Aposteln zu gehören, mit denen er durch dick und dünn gegangen war, „fuhr der Satan in ihn“. Das ist sehr ernüchternd für uns, denn wie steht es angesichts dessen um uns? Wie konnte das nur passieren?

Dem völlig schockierten Petrus macht Jesus am Abendmahlstisch deutlich, dass auch er ihn verraten wird. Für mich wird damit klar, dass wir alle dazu in der Lage sind.

Von Kapitel zu Kapitel sehen wir in den Evangelien, wie alle – ob Volk, Familie, Pharisäer oder Jünger – ihre eigenen Vorstellungen darüber hegten, wie Jesus als Messias sein müsse und handeln solle. Viele seiner Absichten, Worte und Handlungen haben die Apostel seinerzeit nicht verstanden, aber hingenommen, weil sie hofften, dass sich ihre Vorstellungen und Absichten mit Jesus noch erfüllen würden, wenn er erst mal in Jerusalem eingezogen wäre und im Tempel säße.

Hier setzt der Teufel an. Er wirkt auf diese enttäuschten eigenen Erwartungen ein, bis ein Judas glaubt, dass es eigentlich Jesus ist, der ihn und die Sache verraten hat, was dann wiederum Judas legitimiert, Jesus auszuliefern. Ein Teufelskreis!

In meiner Zeit als Gemeindeleiter habe ich diesen Mechanismus mehr als einmal erlebt. Leute gelangten zu der Überzeugung, dass sie eigentlich viel besser wussten, was die Gemeinde zu tun hätte, als der Pastor. Im Gebet empfingen sie Visionen und Führungen, die das für sie bestätigten. Sie steigerten sich in ihre Enttäuschungen einerseits und ihre Überzeugungen andererseits dermaßen hinein, dass sie sich schließlich dazu berufen fühlten, ihn wegzuschaffen – zum Wohle aller. Der schmerzliche Verrat folgte dann unvermeidlich – so wie die Spaltung der Gemeinde.

Dies ist sehr knapp formuliert, aber ich habe dieses Muster durch die Jahre bei vielen Gemeinden gesehen, wovon manche infolge der Spaltungen schließlich komplett kollabierten. Wir müssen also auf unsere enttäuschten und oftmals idealistischen Erwartungen an die Verantwortlichen und auf unsere Meinung, dass „alles anders laufen sollte“, achten, damit es sich nicht zu einem Verrat à la Judas steigert!

Mitten in dieser Verrats-Situation „streiten die Jünger darüber, wer von ihnen der Größte sei“ (vgl. Lk 22,24). Die Versuchung der Größenideen ist für die Enttäuschungen, die zum Verrat führen, ein starker Nährboden. Geht es uns darum, mittels der Gemeinde, mittels Jesus, mittels der Salbung „groß“ zu werden?

Auch diesbezüglich habe ich in meinem Gemeindedienst erstaunliche Erfahrungen gemacht! Menschen voller Minderwertigkeit kommen in die Gemeinde und vergreifen sich an Geistesgaben, an Positionen, Diensten, Ressourcen und Beziehungen, einfach an allem