Ökologie der Wirbeltiere - Werner Suter - E-Book

Ökologie der Wirbeltiere E-Book

Werner Suter

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Beschreibung

Vögel und Säugetiere zeigen als endotherme Wirbeltiere viele Gemeinsamkeiten in ihrer Biologie. Ausgehend von den theoretischen Grundlagen der Ökologie und mit einem konsequent evolutionsbiologischen Ansatz behandelt «Ökologie der Wirbeltiere» die Ernährung unter ökophysiologischen und verhaltensökologischen Aspekten, die Fortpflanzung, die räumliche Ökologie auf allen Skalenebenen, Wanderungen, die Populationsbiologie sowie die Interaktionen zwischen Arten, nämlich Konkurrenz, Prädation und Parasiten, und schließt mit einem Kapitel zur Naturschutzbiologie. Die theoretischen Grundlagen sind stets mit den aktuellen empirischen Befunden verknüpft; diesen wird ein großes Gewicht beigemessen.

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Seitenzahl: 1144

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Werner Suter

Ökologie der Wirbeltiere

Vögel und Säugetiere

Haupt Verlag

1. Auflage 2017

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie: detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Copyright © 2017 Haupt Bern

Das Werk ist einschließlich aller seiner Teile urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Umschlaggestaltung: Atelier Reichert, D-Stuttgart

Satz: Die Werkstatt Medien-Produktion GmbH, D-Göttingen

Grafiken: Sabine Seifert, Satz/Grafik/Lektorat, D-Stuttgart

Trotz intensiver Recherchen war es nicht in allen Fällen möglich, die Rechteinhaber der Abbildungen ausfindig zu machen. Berechtigte Ansprüche werden selbstverständlich im Rahmen der üblichen Vereinbarungen abgegolten.

E-Book Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheim

UTB-Band-Nr.: 8675

ISBN 978-3-8463-8675-0

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1 Vögel und Säugetiere – eine Einführung

1.1 Diversität der Vögel und Säugetiere

1.2 Vögel und Säugetiere – die endothermen Wirbeltiere

1.3 Sinnesleistungen

1.4 Mauser der Vögel

2 Energie, Nahrung und Verdauung: die physiologischen Aspekte der Nahrungsökologie

2.1 Energiehaushalt (Metabolismus)

2.2 Nahrung als Energie- und Nährstofflieferant

2.3 Ernährungstypen

2.4 Verdauungssysteme

2.5 Nahrungsstrategien der Herbivoren

2.6 Effizienz der Assimilation

2.7 Energiebalance und Kondition

3 Nahrung suchen, finden und verarbeiten: Die verhaltensbiologischen Aspekte der Nahrungsökologie

3.1 Kausale und funktionale Erklärung des Nahrungssuchverhaltens

3.2 Nahrungswahl und Nahrungsspektrum

3.3 Optimierte Nahrungssuche und Nahrungswahl

3.4 Optimierte Nahrungssuche in patches

3.5 Prädation vermeiden bei der Nahrungssuche

3.6 Nahrungssuche in der Gruppe

3.7 Nahrung horten

3.8 Synthese: Nahrungssuche bei Herbivoren

4 Fortpflanzung

4.1 Fortpflanzung als Energieaufwand

4.2Life histories: Die Formen der Investitionsstrategien

4.3 Alter und Fortpflanzung

4.4 Evolution der Gelege- und Wurfgröße

4.5 Elterliche Fürsorge

4.6 Saisonale Einpassung der Reproduktion

4.7 Geschlechter und Geschlechterverhältnis

4.8 Sexuelle Selektion: Partnerwahl und Konkurrenz

4.9 Paarungssysteme

5 Das Tier im Raum

5.1 Räumliche Skalen

5.2 Verbreitungsgebiete

5.3 Fragmentierte Verbreitung: Populationen und Metapopulationen

5.4 Grenzen und Dynamik von Verbreitungsgebieten

5.5 Dispersal

5.6 Habitat

5.7 Verbreitungs- und Habitatmodelle

5.8 Individuelle Raumorganisation

6 Wanderungen

6.1 Was sind Wanderungen?

6.2 Weshalb wandern Vögel und Säugetiere?

6.3 Wanderungen bei Säugetieren

6.4 Vogelzug: Formen des Wanderns

6.5 Räumliche Muster des Vogelzugs

6.6 Flugverhalten ziehender Vögel

6.7 Ökophysiologie und Steuerung des Vogelzugs

6.8 Orientierung der Vögel

6.9 Funktion und Evolution des Vogelzugs

6.10 Koordination von Zug und Reproduktion

7 Populationsdynamik

7.1 Populationen und ihre Kennwerte

7.2 Demografie

7.3 Populationswachstum

7.4 Populationsregulation

7.5 Populationslimitierung

7.6 Populationsdynamik und life histories

8 Interspezifische Konkurrenz und Kommensalismus

8.1 Formen der Interaktion zwischen Arten

8.2 Formen der Konkurrenz

8.3 Theoretische Grundlagen der Konkurrenz

8.4 Experimentelle Nachweise von Konkurrenz

8.5 Konkurrenz kann Artengemeinschaften strukturieren

8.6 Konkurrenz als evolutive Kraft

8.7 Konkurrenz in anthropogen beeinflussten Artengemeinschaften

8.8 Kommensalismus

9 Prädation

9.1 Formen der Prädation

9.2 Funktionelle Reaktion

9.3 Numerische Reaktion

9.4 Prädationsraten

9.5 Wechselwirkung zwischen Prädation und anderen Mortalitätsfaktoren

9.6 Prädation mit limitierender Wirkung

9.7 Prädation ohne populationsdynamische Effekte

9.8 Prädation mit destabilisierender Wirkung

9.9 Prädation mit depensatorischer Wirkung

9.10 Dynamik zyklischer Prädator-Beute-Systeme

9.11 Apex- und Mesoprädatoren: Dynamik mehrstufiger Prädatorensysteme

9.12 Nicht letale Effekte von Prädation

10 Parasitismus und Krankheiten

10.1 Parasiten und ihre Vielfalt

10.2 Parasiten und Wirte

10.3 Epidemiologie

10.4 Demografische Effekte von Parasiten auf den Wirt

10.5 Populationsdynamische Effekte von Parasiten auf den Wirt

10.6 Epizootische Krankheiten

10.7 Koevolution von Parasit und Wirt

11 Naturschutzbiologie

11.1 Was ist Naturschutzbiologie?

11.2 Rückgang von Vögeln und Säugetieren

11.3Bushmeat crisis: Die Übernutzung von Arten

11.4 Lebensraumveränderungen: Intensivierung der Landwirtschaft

11.5 Lebensraumfragmentierung

11.6 Klimawandel

Anhang

Literaturverzeichnis

Bildnachweis

Sachregister

Über den Autor

Vorwort

«Weshalb ein solches Buch schreiben?» fragte der Autor eines in diesem Buch mehrfach zitierten Standardwerks in seinem Vorwort. Schließlich favorisieren die akademischen Institutionen nicht die Produktion von Büchern, sondern jene von Beiträgen in wissenschaftlichen Zeitschriften, weil diese heute die anerkannten Einheiten im System der Leistungsbewertung sind. Er folgerte aber, dass es dennoch gute Gründe gebe, die Schaffenskraft auch einmal in ein Lehrbuch zu stecken. Manche Einzelfragen lösten sich erst durch ihre Einbettung in den größeren Zusammenhang, und die umfassendere Perspektive, die ein Buch biete, gäbe oft auch Anlass zu neuen Fragen. Und ein Kapitelgutachter schrieb mir: «Ein Lehrbuch hat einen viel nachhaltigeren Effekt als 20 Zeitschriftenartikel.» Diesen Aussagen schließe ich mich gerne an. Letztlich hat dieses Buch dieselbe Entstehungsgeschichte wie zahlreiche Bücher vor ihm: Es ging aus dem Skript einer langjährig gehaltenen Vorlesung, im vorliegenden Fall an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich ETHZ, hervor. Das Skript seinerseits entstand, weil kein entsprechendes Lehrbuch existierte, das die Vorlesung hätte begleiten können.

Welche Nische füllt also dieses Buch? Es möchte eine moderne Einführung in die Ökologie der Wirbeltiere mit Schwerpunkt Vögel und Säugetiere sein, die zunächst auf Studierende im Übergangsbereich von der Bachelor- zur Masterstufe ausgerichtet ist, daneben aber von einem weiten Kreis von Fachleuten in Wissenschaft und Praxis (Wildtiermanagement, Naturschutz etc.) als Fachbuch zum Thema genutzt werden kann. Fischbiologen und Herpetologen mögen mir die liberale Verwendung des Begriffs «Wirbeltiere» verzeihen, der im Untertitel dann auf Vögel und Säugetiere eingegrenzt wird. Die taxonomische Fokussierung auf die beiden endothermen Wirbeltiergruppen erlaubt bei vielen Themen eine in sich geschlossene Betrachtungsweise. Innerhalb der Vögel und Säugetiere wird versucht, über die Wahl der Beispiele allen höheren taxonomischen Einheiten Raum zu gewähren. Dass Herbivoren und größere Prädatoren in einzelnen Kapiteln etwas übervertreten sind, ist zu einem Teil beabsichtigt, zu einem andern aber eine Folge des ungleichen Forschungs- und Kenntnisstands über die verschiedenen verwandtschaftlichen Gruppen.

Auf der Sachebene ist es mir ein Anliegen, nicht nur die Breite der ökologischen Themen einigermaßen abzudecken, sondern auch gewissen Themen mehr Gewicht zu geben, die in anderen Ökologiebüchern eher stiefmütterlich behandelt werden. Das betrifft etwa ökophysiologische und verhaltensökologische Aspekte der Ernährung, evolutionsbiologische Grundlagen des Reproduktionsverhaltens, Wanderungen, die ausführliche Behandlung der Prädation oder von Parasitismus und Krankheiten sowie die Fokussierung auf exemplarische Themen der Naturschutzbiologie.

Bezüglich der Gewichtung von Theorie und empirischen Befunden wird versucht, eine Balance zu halten. Die Themen werden über die Theorie eingeführt und diese, wenn möglich, in einem evolutionsbiologischen Kontext besprochen. Wichtig ist mir stets, dass die Theorie durch empirische Evidenz gestützt wird – wo diese fehlt, wird auch die Theorie nicht weiter ausgeführt. Wo aber Befunde reichlich vorhanden sind, werden sie in der Art eines kurzen Reviews besprochen. Das Kapitel 9 ist ein gutes Beispiel: Es geht nicht nur darum, welche verschiedenen Effekte Prädation theoretisch haben kann, sondern auch darum, wie häufig diese verschiedenen Effekte tatsächlich sind.

Der geografische Fokus ist grundsätzlich global; entsprechend sind die Beispiele und zitierten Arbeiten ausgewählt, wobei natürlich die über die Kontinente ungleich verteilte Forschungsintensität abgebildet ist. Gelegentlich wird allerdings ein Thema bewusst mit einem geografischen Schwerpunkt behandelt, so etwa im Kapitel «Naturschutzbiologie».

Ein Wort ist auch zur verwendeten Literatur angebracht. Die verbreitete Praxis, nur neueste Arbeiten zu zitieren, wird oft kritisiert, weil sie zum «Wiederkäuen» von Ideen führt und so die eigentliche Autorschaft der Ideen verleugnet. Obwohl ich die Kritik teile, halte ich es hier genauso, aber aus anderem Grund. Das Buch soll nämlich auch helfen, dem Leser oder der Leserin die Literatur aufzuschließen, und da eignen sich die neuesten Artikel besser, denn mit ihnen als Startpunkt kann man sich zurückarbeiten. Deshalb machen Artikel ab dem Jahr 2000 den größten Teil der hier zitierten Literatur aus. Etwas ältere Arbeiten werden zitiert, wenn es sich um bedeutende Einzelarbeiten oder Reviews handelt oder wenn seither nichts Gleichwertiges zum Thema mehr erschienen ist. Zitierte Arbeiten mit Erscheinungsjahr vor 1980–1985 sind in der Regel Klassiker, in denen wichtige neue Ideen, Theorien und Konzepte begründet wurden.

Die intensive Verwendung jüngster Literatur lässt auch Raum für neueste Ideen, sich abzeichnende Entwicklungen, oder die Infragestellung von bisher akzeptierten «Wissen», auch wenn diese den Test der Zeit noch nicht bestanden haben. In diesem Fall versuche ich, die spekulative Natur entsprechender Aussagen im Text klar auszudrücken, zum Beispiel durch: «Neueste Ergebnisse deuten darauf hin, dass …». Dem erwähnten Aufschließen der (englischsprachigen) Literatur dienen auch zwei weitere Merkmale: Erstens wird bei wichtigen Fachbegriffen immer auch die englische Version in Klammer angefügt, und zweitens werden am Schluss der Kapitel die wichtigsten (englischen, in Einzelfällen auch deutschen) Lehrbücher zum Thema vorgestellt, zusammen mit einem Kommentar bezüglich Inhalt und Ausrichtung – eine subjektive Note ist dabei natürlich nicht zu vermeiden.

Eine letzte Erklärung verlangt auch eine andere Eigenheit des Textaufbaus: die teilweise ungewöhnlich langen Abbildungsunterschriften. Die Abbildungen (und wenigen Tabellen) sollen nicht nur die Aussagen im Lauftext illustrieren, sondern diesen auch vertiefen und ergänzen. Besonders lange Abbildungsunterschriften verfolgen oftmals einen Gedanken, der den Fluss des Lauftextes sprengen würde. Größeren Exkursen sind hingegen die eingestreuten Boxen gewidmet.

Der Anforderungen an ein Lehrbuch sind viele, aber eine der wichtigsten ist die inhaltliche Richtigkeit. Ich durfte auf die großzügige Hilfe einer großen Zahl von Kollegen und Kolleginnen zählen, die ganze Kapitel oder Teile davon begutachteten, Fehler und Unstimmigkeiten identifizierten, Literaturhinweise gaben oder zeigten, wie sich der Text verbessern ließ. Mein herzlicher Dank diesbezüglich geht an Einhard Bezzel (Staatliche Vogelschutzwarte, Garmisch-Partenkirchen), Claudia Bieber (Veterinärmedizinische Universität Wien), Kurt Bollmann (Eidgenössische Forschungsanstalt WSL), Roland Brandl (Philipps-Universität Marburg), Bruno Bruderer (Schweizerische Vogelwarte Sempach), Marcus Clauss (Universität Zürich), Marco Heurich (Nationalpark Bayerischer Wald), Ueli Hofer (Naturhistorisches Museum der Burgergemeinde Bern), Markus Jenny (Schweizerische Vogelwarte Sempach), Petra Kaczensky (Veterinärmedizinische Universität Wien), Peter M. Kappeler (Georg-August-Universität Göttingen/Deutsches Primatenzentrum), Felix Liechti (Schweizerische Vogelwarte Sempach), Rachel Muheim (Universität Lund), Peter Neuhaus (University of Calgary), Gilberto Pasinelli (Schweizerische Vogelwarte Sempach), Roland Prinzinger (Goethe-Universität Frankfurt am Main), Heinz Richner (Universität Bern), Kathreen E. Ruckstuhl (University of Calgary), Michael Schaub (Schweizerische Vogelwarte Sempach), Fritz Trillmich (Universität Bielefeld), Kristina Vogt (KORA Raubtierökologie und Wildtiermanagement, Muri), Raffael Winkler (Naturhistorisches Museum Basel) und Barbara Zimmermann (Hedmark University College). Für weitere Verbesserungen am Text bin ich Lukas Jenni, Rolf Holderegger, Martin Obrist und Thomas Sattler dankbar. Fehler im Text, welche alle Aktionen zu ihrer Ausmerzung überstanden haben, sind allein meine Schuld. Sachdienliche Hinweise nehme ich sehr gerne unter [email protected] entgegen.

Auch bei der Beschaffung der Abbildungen durfte ich große Unterstützung genießen. Aus dem Archiv der Schweizerischen Vogelwarte Sempach stellten Christian Marti und Marcel Burkhardt eine Anzahl Fotos verschiedener Autoren unentgeltlich zur Verfügung. Weitere Abbildungen verdanke ich Joel Berger, Tim Blackburn, Kurt Bollmann, Isabella Capellini, Maria Dias, Tzung-Su Ding, Peter und Rosemary Grant, Marcus Hamilton, Walter Jetz, Johannes Kamp, Brian McNab, Ken Nagy, Stuart Phinn, Matt Rayner, Patrick Robinson, Heiko Schmaljohann, Josef Senn, Claire Spottiswoode, Marius van der Merwe, Rory Wilson und Raffael Winkler. Raphaël Arlettaz, Claudia Müller und Beat Naef-Daenzer stellten Datensätze zur Verfügung, während Marianne Haffner, Alena Klvaňová und Brian Sullivan die Herstellung weiterer Abbildungen ermöglichten. Ihnen allen gilt ebenfalls mein Dank.

Seitens des Haupt Verlags Bern wurde ich stets zuverlässig und auf zuvorkommende Weise von Regine Balmer und Martin Lind begleitet, welche für die sorgfältige Gestaltung und Produktion dieses Buchs einstanden. Für die Erstellung verschiedener Grafiken danke ich Sabine Seifert, für das Layout des Buches der Werkstatt Medien-Produktion (Göttingen) und Claudia Bislin für das Korrektorat.

Um auf den Beginn des Vorworts zurückzukommen: Ich bin meiner Arbeitgeberin, der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL sehr dankbar, dass sie mir großzügig die Arbeitszeit einräumte, die für die Entstehung dieses Werks notwendig war. Und zum Schluss ‒ und ganz besonders ‒ danke ich meiner Frau Dorothee für ihr Verständnis und ihre Geduld, wenn zum wiederholten Male «das Buch» wieder Priorität über die familiären Angelegenheiten beanspruchte.

Birmensdorf, Ende April 2017

1 Vögel und Säugetiere – eine Einführung

Abb. 1.0Impala (Aepyceros melampus) mit Rotschnabel-Madenhackern (Buphagus erythrorhynchus)

 

Kapitelübersicht

1.1 Diversität der Vögel und Säugetiere

1.2 Vögel und Säugetiere – die endothermen Wirbeltiere

1.3 Sinnesleistungen

Chemische Signale

Licht und Sehvermögen

Schall und Hörvermögen

1.4 Mauser der Vögel

Funktionen des Federkleids

Gefiederfolgen

Mausertypen und -strategien

Geschwindigkeit der Mauser

Zeitpunkt der Mauser

 

Dieses kurze Kapitel stellt einige grundlegende Charakteristika von Vögeln und Säugetieren (auch: Säugern) vor, soweit sie später im weiteren ökologischen Zusammenhang Bedeutung haben. Wie viele Arten existieren weltweit? Was ist eine Art überhaupt? So einfach der Umgang mit Arten ist, so schwierig wird die Definition, wenn sie allumfassend sein soll. Deshalb existieren verschiedene Artkonzepte.

Auch ein Blick auf die Systematik der Vögel und Säugetiere lohnt sich: Säugetiere sind eine monophyletische Einheit, weil sie auf einen einzigen Vorfahren zurückgehen, während das «Gegenstück» dazu jene der Reptilien ist; die Vögel bilden eine Linie innerhalb der Reptilien. Sie unterscheiden sich aber von den übrigen Reptilien durch die Endothermie; dieses Merkmal haben sie mit den Säugetieren gemeinsam. Die Fähigkeit, eine konstante Körpertemperatur aufrechtzuerhalten, ist von großer ökologischer Bedeutung und hat zur Folge, dass die Lebensweisen von Vögeln und Säugetieren in vielen wichtigen Punkten vergleichbar sind. Deshalb kann ihre Ökologie gut in einem Buch gemeinsam besprochen werden.

In manchen Teilen ihrer morphologischen Ausstattungen unterscheiden sich Vögel und Säugetiere jedoch, sodass sich auch unterschiedliche ökologische Anpassungen entwickelt haben. Man muss sich zudem bewusst sein, dass viele Vögel und Säugetiere über Sinnesleistungen verfügen, die uns Menschen ohne technische Hilfsmittel verborgen bleiben. So können sie etwa die entsprechenden Signale in einem weiteren Frequenzbereich wahrnehmen (Schall und Licht), oder sie besitzen Rezeptoren für Signale, die uns weitgehend fehlen (zum Beispiel für elektrische Felder oder Erdmagnetismus). Oft lassen sich Eigenheiten der Verhaltensökologie nur verstehen, wenn diese Fähigkeiten bekannt sind.

Die äußere Isolationsschicht ist bei Vögeln (Federn) weit aufwendiger als bei Säugetieren (Haare) beschaffen. Deren jährliche Erneuerung – Mauser respektive Haarwechsel – greift deshalb bei Vögeln viel nachhaltiger als bei Säugetieren in den Jahreszyklus ein, denn die energetischen Kosten bedingen eine genaue zeitliche Einpassung zwischen Fortpflanzung und Zug, die beide ebenfalls kostenintensiv sind. Der letzte Teil dieses Kapitels ist daher der Mauser der Vögel gewidmet.

1.1 Diversität der Vögel und Säugetiere

Wenn wir zu Beginn unserer Beschäftigung mit der Ökologie der Vögel und Säugetiere zunächst wissen wollen, wie viele Vogel- und Säugetierarten es überhaupt gibt oder, korrekter ausgedrückt, wie viele wissenschaftlich beschrieben sind, so ist die Antwort einfach: Die Artenzahl der «höheren» Wirbeltiere ist im Gegensatz zu jener der Pflanzen und wirbellosen Tieren einigermaßen überschaubar. Gemäß der Zusammenstellung durch die Weltnaturschutzorganisation IUCN («The World Conservation Union»: International Union for Conservation of Nature and Natural Resources) sind es gegenwärtig gut 10 400 Vogelarten und 5 500 Säugetierarten. Die Zahlen für Reptilien (in der traditionellen Klassifikation; Kap. 1.2) und Amphibien liegen mit 10 400 respektive gut 7 500 Arten in derselben Größenordnung. Diesen stehen aber über 33 000 Fischarten, 1,3 Mio. Arten von Wirbellosen und über 310 000 Pflanzenarten gegenüber (http://www.iucnredlist.org/about/summary-statistics).

Auch die Zahl der jährlichen Neuentdeckungen von Vögeln und Säugetieren hält sich in Grenzen. Seit dem Jahr 2000 wurden jährlich 3–8 Vogelarten neu entdeckt sowie etwa 24 Säugerarten neu beschrieben (Reeder et al. 2007). Die letztere Zahl enthält auch taxonomische Revisionen – das heißt, die Zahl bekannter Arten steigt auch dadurch, dass bereits beschriebene Formen oder Unterarten neu in den Artrang erhoben werden. Der Anstieg der Zahl der Vogelarten in den vergangenen 30 Jahren von etwa 9 000 auf den heutigen Wert ist größtenteils auf solche Revisionen zurückzuführen. Diese gründen einerseits darauf, dass mit besseren Daten vermehrt relevante biologische Unterschiede zwischen vordergründig ähnlichen Taxa aufgedeckt werden («taxonomic progress»; Sangster 2009), andererseits aber auch darauf, dass unabhängig vom favorisierten Artkonzept (Box 1.1) vermehrte Bereitschaft herrscht, solche Unterschiede stärker zur Artabgrenzung zu gewichten (de Queiroz 2007).

Box 1.1 Artkonzepte

Wenn wir von einer Art(species) sprechen, wie das auch in diesem Buch auf praktisch jeder Seite mehrfach geschieht, machen wir uns in der Regel keine Gedanken zur Definition des Konzepts «Art». Gerade bei Vögeln und Säugetieren sind viele der Arten, mit denen wir im wissenschaftlichen oder im praktischen Tagesgeschäft zu tun haben, als biologische Einheit genügend stark von verwandten Formen abgegrenzt, sodass keine Schwierigkeiten bei deren Einordnung als eigene Art auftreten. Manchmal ist die Differenzierung zwischen verwandten Formen aber undeutlich. Dann stellt sich die Frage, welche Kriterien verwendet werden sollen und wie stark sie zu gewichten sind, um einer Form Artrang zuzugestehen oder sie allenfalls als Unterart (subspecies) einer anderen Art zu führen. Teilweise ist dieser Vorgang abhängig davon, welche Definition der Art man anwendet. Eine stringente Definition, die allen Resultaten evolutionärer Prozesse gerecht wird, gibt es nicht, und so sind im Lauf der Zeit über 20 verschiedene Artkonzepte entwickelt worden. Diese lassen sich in drei Gruppen einteilen (Kunz 2012):

1. Das morphologische (phenetische) Artkonzept beruht lediglich auf dem numerischen Vergleich gemeinsamer Merkmale; eine Art umfasst die Individuen mit größter Kovariation zwischen vorhandenen und fehlenden Merkmalen. Im Vergleich zu den folgenden beiden Konzeptgruppen stützt sich dieses Konzept nicht auf die biologischen Prozesse, die zur Artbildung beigetragen haben. Die Taxonomie fossiler Arten muss notgedrungen auf diesem Konzept basieren.

2. Das biologische Artkonzept (in erweiterter Form das Genfluss-Konzept) definiert eine Art als eine Gruppe natürlicher Populationen, die sich untereinander kreuzen können und von anderen Gruppen reproduktiv isoliert sind; die Isolationsmechanismen sind in der Biologie der Organismen (und nicht der Geografie) begründet. Das biologische Artkonzept wurde vom deutsch-amerikanischen Zoologen Ernst Mayr begründet (Mayr 1942, 1963) und ist in einer etwas weiter entwickelten Form, zumindest bei der Beschäftigung mit Wirbeltieren, das verbreitetste Konzept.

3. Das phylogenetische (kladistische) Artkonzept ist explizit evolutiv ausgerichtet: Eine Art besteht aus einer Gruppe von Organismen, die alle denselben gemeinsamen direkten Vorfahren besitzen.

Die phylogenetische Systematik ist bezüglich der Klassifizierung aller höheren Einheiten unangefochten; in ihr ist das Kladogramm (Abb. 1.1) die einzige Grundlage des Systems (Systematik) und der Klassifikation. Die Identifizierung der Verzweigungspunkte ist aber, wie Abbildung 1.1 zeigt, selbst bei höheren Einheiten nicht immer eindeutig möglich; bei der Artabgrenzung kann es dann schnell eine Frage des subjektiven Empfindens sein, wo die letzte Verzweigung angesetzt wird. Im Vergleich dazu ist das Kriterium des Genflusses des biologischen Artkonzepts wesentlich eindeutiger (Lee 2003). Deshalb funktioniert das biologische Artkonzept auf der lokalen Ebene recht gut, weil sympatrische (das heißt zusammen vorkommende) Arten in der Regel morphologisch und verhaltensbiologisch recht gut differenziert sind. Probleme ergeben sich hingegen bei der Betrachtung in größeren Räumen, wo geografische Variation zu spielen beginnt und sich graduell reproduktive Isolation zwischen allopatrischen (das heißt räumlich getrennten) Populationen einstellt. Wo also soll die Trennlinie gezogen werden, die zwei Arten definiert? Man hat deshalb am Beispiel der Vögel versucht, basierend auf einem biologischen Artkonzept, hierzu quantitative Kriterien festzulegen (Tobias et al. 2010). Das zunehmend akzeptierte System (del Hoyo & Collar 2014) beruht darauf, dass die Differenzierung zwischen sympatrischen Arten anhand verschiedener Merkmale quantifiziert wird, womit sich dann Schwellenwerte für die Artabgrenzung bei allopatrischen und parapatrischen (räumlich sich anschließenden) Formen kalibrieren lassen (Tobias et al. 2010).

1.2 Vögel und Säugetiere – die endothermen Wirbeltiere

In der klassischen, lange gültigen Systematik bildeten Vögel (Klasse Aves) und Säugetiere (Klasse Mammalia) zusammen mit den Reptilien, Amphibien, Knochen- und Knorpelfischen den Unterstamm Kiefertiere innerhalb des Stamms der Chordatiere. Nach heutigem Stand des Wissens ist die hierarchische Ordnung, welche die Stammesgeschichte repräsentieren soll, wesentlich differenzierter; in einigen Fällen besteht Uneinigkeit (Abb. 1.1).

Vögel sind näher mit den Krokodilen als den übrigen Reptilien verwandt und leiten sich aus einer Gruppe der Dinosaurier (Theropoda) ab; man kann sie auch direkt als Dinosaurier bezeichnen (Padian & de Ricqlès 2009). Säugetiere können fossil etwas weiter zurückverfolgt werden als echte Vögel; frühe Formen existierten bereits neben den (nicht vogelartigen) Dinosauriern in bemerkenswerter Diversität. Sowohl Vögel als auch Säugetiere sind nach gegenwärtigem Wissensstand monophyletisch, das heißt, sie gehen je auf einen einzigen Vorfahren zurück. Die traditionelle Gruppierung «Reptilien» ohne die Vögel ist – phylogenetisch gesehen – eine paraphyletische Einheit, weil sie unter den Vorfahren und einige, aber (mit dem Ausschluss der Vögel) nicht alle Nachfahren enthält.

Auch wenn Vögel mit den Säugetieren weniger nahe verwandt sind als mit anderen Reptilientaxa, haben sie mit den Säugetieren ein Merkmal gemeinsam, das sie von den übrigen Tieren unterscheidet: die Entwicklung einer differenzierten Isolationsschicht an der Körperoberfläche, welche die Endothermie (Homöothermie) ermöglicht (Kap. 2.1, Box 2.1). Die Fähigkeit, unabhängig von den Schwankungen der Außentemperatur eine konstante Körpertemperatur aufrechtzuerhalten, ist ökologisch äußerst bedeutsam und hat zu vielen Gemeinsamkeiten in den Lebensstrategien von Vögeln und Säugetieren geführt. Natürlich zeigen diese auch bedeutsame Unterschiede im Körperbau, welche die Lebensstrategien beeinflussen und letztlich ökologische Konsequenzen nach sich ziehen. Tabelle 1.1 liefert einen Überblick über die wichtigsten Unterschiede; die ökologischen Folgen sind aber mit Ausnahme des Federwechsels bei den Vögeln (Kap. 1.4) in den entsprechenden Folgekapiteln näher erläutert.

Abb. 1.1 Kladogramm der Wirbeltiere: Ein Kladogramm ist ein mit den Methoden der phylogenetischen Systematik (Box 1.1) erstellter, sich dichotom verzweigender Stammbaum (phylogenetic tree), der die stammesgeschichtlichen Beziehungen von systematischen Einheiten (= Taxa) wiedergibt. Jede Verzweigung ist durch mindestens ein neues evolutionäres Merkmal (Apomorphie) charakterisiert. Das vorliegende Kladogramm ist eine konservative Schätzung der Phylogenie (Stammesgeschichte) der Wirbeltiere, widerspiegelt aber die Übereinstimmung zwischen morphologischen und molekularen Daten. Wo Differenzen und damit Unsicherheiten über den Verzweigungspunkt (Knoten, node) bestehen, sind sie als Polytomien angegeben, das heißt als Knoten, die durch mehr als zwei Verzweigungen gebildet werden (Abbildung verändert nach Meyer & Zardoya 2003; verändert gemäß Heimberg et al. 2010 und Oisi et al. 2013).

Tab. 1.1 Morphologische Unterschiede zwischen Vögeln und Säugern und daraus resultierende (verhaltens-) ökologische Konsequenzen. Die ersten drei Kriterien werden generell als die wichtigsten differenzierenden Merkmale betrachtet. Neben den aufgeführten Kriterien bestehen weitere anatomische Unterschiede, zum Beispiel beim Knochenbau oder bei der Anordnung des Blutkreislaufs, der die Sauerstoffaufnahme beeinflusst.

1.3Sinnesleistungen

Auch wenn es in diesem Buch um die Ökologie der Vögel und Säugetiere und nicht um Körperbau und -funktionen geht, ist es dennoch sinnvoll, sich im Rahmen der Ökologie auch über die von den Vögeln und Säugetieren erbrachten Sinnesleistungen Rechenschaft abzulegen. Ganz allgemein lässt sich sagen, dass bei Vögeln vor allem Gesichtssinn und Gehör (Licht und Schallwellen als Signale), bei Säugern neben dem Gehör primär Geruchs- und Geschmackssinn (chemische Signale) gut ausgebildet sind. Manche Verhaltensweisen benötigen aber weitere Sinnesleistungen und sind nur erklärbar, wenn man die zugrunde liegenden Mechanismen der Wahrnehmung kennt. Man läuft schnell Gefahr zu vergessen, dass Vögel oder Säugetiere – bei aller Ähnlichkeit zu uns Menschen – auch Signale empfangen können, die uns Menschen ohne technische Hilfsmittel verborgen bleiben (Stevens M. 2013). Zum einen ist das wahrnehmbare Frequenzspektrum von Licht und Schallwellen bei Tieren oft weiter als beim Menschen. Zum anderen nehmen Vögel und Säugetiere auch gänzlich andere Formen von Signalen wahr, die wir selbst mangels genügend empfindlicher Rezeptoren nicht empfangen können. Dies gilt in großem Maße für das Orientierungsvermögen, bei dem das Erkennen elektromagnetischer Felder eine wichtige Rolle spielt; die dafür benötigten Sinnesorgane sind noch wenig bekannt (Weiteres in Kap. 6.3 und 6.8). Auch der Tastsinn von Vögeln, die im Schlamm verborgene Invertebraten und Beute aufspüren können, die sich in einiger Entfernung von der Schnabelspitze befinden, gehört dazu (Cunningham et al. 2010). Einige vorwiegend aquatisch lebende Säugetiere besitzen Elektrorezeptoren, mit denen sie elektrische Signale niedriger Spannung erkennen können, wie sie zum Beispiel bei der Muskelkontraktion von Beutetieren abgegeben werden (Stevens M. 2013; Abb. 1.2). Die folgende kurze Darstellung illustriert spezifische Sinnesleistungen von Vögeln und Säugetieren anhand weniger Beispiele zu den drei klassischen Sinnen, Riechen, Sehen und Hören. Für eine umfassendere Übersicht siehe etwa Stevens M. (2013).

Abb. 1.2 Das australische Schnabeltier (Ornithorhynchus anatinus) sucht im schlammigen Grund von trüben Gewässern Nahrung und hält beim Schwimmen die Augen geschlossen. Die Beute findet es mithilfe seiner über 50 000 Elektrorezeptoren, die auf dem Schnabel sitzen und aus Hautdrüsen entstanden sind (Czech-Damal et al. 2013).

Chemische Signale

Die guten olfaktorischen Leistungen der Säugetiere sind wohlbekannt. Dass aber auch Vögel über den Geruch wichtige Informationen aufnehmen können, ist erst über neuere Forschung erhellt worden. Die Orientierung über Geruchsgradienten kommt in Kapitel 6.8 zur Sprache. Aber auch in anderen Zusammenhängen können Vögel chemische Signale nutzen. So finden insektenfressende Vögel Raupen, weil deren Laubfraß volatile Stoffe aus den Blättern freisetzt, oder erkennen Hausgimpel (Haemorhous mexicanus) umgekehrt die Präsenz von ihren Prädatoren am Geruch (Amo et al. 2013, 2015). Auch beim Sozialverhalten verschiedener Vögel findet Kommunikation über olfaktorische Signale statt (Bonadonna & Mardon 2013).

Licht und Sehvermögen

Die Fähigkeit, Licht im ultravioletten Bereich (UV) wahrzunehmen, ist bei Tieren weit verbreitet. Viele Säugetiere scheinen sie zwar im Laufe der Evolution verloren zu haben, doch findet man entsprechende Rezeptoren in der Netzhaut von verschiedenen nachtaktiven Arten (Vaughan et al. 2015), vor allem bei Fledermäusen (Zhao et al. 2009). Auch Vögel besitzen solche Rezeptoren und benutzen UV-Licht in verschiedenen Situationen, etwa bei der Nahrungssuche (Yang et al. 2016), besonders aber bei der Partnerwahl. Viele Arten, unter ihnen zum Beispiel Papageien, besitzen Federpartien, die ultraviolettes Licht entweder reflektieren oder es absorbieren und mit größerer Wellenlänge wieder abstrahlen (Fluoreszenz). Bei Königs- und Kaiserpinguinen (Aptenodytes patagonicus, A. forsteri) wurden UV-reflektierende Stellen am Schnabel entdeckt (Jouventin et al. 2005). Solche leuchtenden Flecken sind Teil der Ornamentierung, mit denen Individuen (vorwiegend Männchen) um die Gunst von Geschlechtspartnern werben (Kap. 4.8). Zur Fähigkeit der Vögel, das Polarisationsmuster von Licht zu nutzen, siehe Kapitel 6.8.

Schall und Hörvermögen

Auch bei Schallwellen vermögen manche Vögel und Säugetiere solche oberhalb (Ultraschall) oder unterhalb (Infraschall) des durch Menschen wahrnehmbaren Frequenzbereichs zu hören. Kommunikation im Ultraschallspektrum ist etwa bei kleinen Nagetieren, Fledermäusen und Walartigen verbreitet, während Elefanten (Loxodonta sp.) und gewisse Wale die weittragenden Infraschallwellen nutzen können (Stevens M. 2013). Die meisten Fledermäuse und Zahnwale (Abb. 1.3) sind zudem zu Echoortung (echolocation, biosonar) fähig. Diese Technik ist in einfacherer Form auch von einigen anderen Säugetieren und von in Höhlenkomplexen brütenden Vögeln (hauptsächlich kleinen Seglern) entwickelt worden. Echoortung ist ein aktiver Sinn, indem Schall sehr hoher Frequenz ausgestoßen und mit dem zurückgeworfenen Echo verglichen wird, was räumliche Orientierung oder das Auffinden von Beute ermöglicht (Fenton 2013; Klemas 2013; Madsen & Surlykke 2013).

1.4Mauser der Vögel

Vögel und die meisten Säugetiere machen, auch wenn sie ausgewachsen sind, im Laufe des Jahres periodische morphologische Veränderungen durch. Diese können so bedeutende Organe wie den Verdauungsapparat betreffen, dessen Masse je nach Nahrung und allfälliger anderweitiger Belastung (etwa bei ziehenden Vögeln: Kap. 6.7) erhöht und verkleinert werden kann (Piersma & van Gils 2011). Auch der Auf- und Abbau von Fettvorräten (Kap. 2.7 und 4.1) führt bei vielen Arten zu periodischen Veränderungen der Körpermasse. Solche sind in der Regel bei Arten, die in saisonalen Klimazonen leben, ausgeprägter als bei tropischen Arten.

Für den Betrachter sind oft die Veränderungen am auffälligsten, die mit dem jahreszeitlichen Wechsel des Haar- oder Federkleids einhergehen. Die gegenwärtigen Funktionen von Federn und Haaren stehen nicht notwendigerweise in Zusammenhang mit der Evolution der Endothermie (Kap. 2.1), auch wenn ihr Beitrag zur Isolation respektive Thermoregulation des Körpers eine der wichtigsten Funktionen ist (Ruben & Jones 2000). Eine weitere Funktion sowohl von Federn als auch Haaren ist optischer Natur, indem Färbungsmuster Signale aussenden oder auch das Gegenteil bewirken sollen, nämlich ihre Träger zu tarnen. Bekannt ist der Wechsel von Braun im Sommer zu Weiß im Winter bei kleineren, bodenlebenden Arten schneereicher Gebiete, sowohl von Vögeln als auch von Säugetieren (Abb. 1.4).

Abb. 1.3 Fledermäuse und Zahnwale (hier Zügeldelfine, Stenella frontalis) haben die Fähigkeit zur Echoortung unabhängig voneinander entwickelt, funktionell aber sehr ähnliche Lösungen gefunden (Madsen & Surlykke 2013).

Federn oder Haare neu zu bilden, bringt energetische Kosten mit sich. Bei Haaren sind sie vergleichsweise gering, sodass der Haarwechsel parallel zu anderen aufwendigen Tätigkeiten der Säugetiere, wie Austragen und Säugen der Jungen stattfinden kann. Die Bildung einer neuen Federgeneration bei Vögeln, Mauser(moult/molt) genannt, ist demgegenüber ein ungleich aufwendigeres Ereignis im Jahreszyklus, das bezüglich seiner zeitlichen Einpassung und der Geschwindigkeit des Ablaufs enge Koordination mit anderen energetisch kostspieligen Verrichtungen wie der Fortpflanzung und den Wanderungen erfordert.

Abb. 1.4 Verschiedene Hasenarten hoher Breiten wechseln zwischen braunem Haarkleid im Sommer und praktisch weißem im Winter (im Bild ein Schneehase, Lepus timidus, im Haarwechsel). Gute zeitliche Abstimmung des Umfärbens mit der Schneeschmelze ist wichtig, damit die Tarnwirkung der Fellfärbung optimal bleibt. Beim ähnlichen Schneeschuhhasen (Lepus americanus) wurde gezeigt, dass die wöchentliche Überlebensrate von Individuen mit unangepasster Fellfarbe bis zu 7 % geringer war als jene von Artgenossen, deren Fellfärbung der Umgebung entsprach (Zimova et al. 2016).

Abb. 1.5Indischer Schlangenhalsvogel (Anhinga melanogaster), ein Verwandter der Kormorane, schwimmt häufig mit eingetauchtem Körper. Viele tauchende Wasservögel können ihr Gefieder stärker anpressen, wodurch Luft entweicht, sodass der Auftrieb geringer ausfällt.

Grundsätzlich ist die Mauser eine Folge davon, dass Federn sich abnutzen und deshalb regelmäßig ersetzt werden müssen. In der Regel geschieht das einmal im Jahr. Federn würden zwar etwas länger als ein Jahr funktionstüchtig bleiben, werden aber vor ihrem Verfalldatum erneuert. Die Mauser ist also nicht eine Reaktion auf ein bereits abgenutztes Gefieder, sondern eine Prävention gegen zu starke Abnutzung. Ausgelöst wird die Mauser nicht durch den Grad der Abnutzung, sondern wie andere jahresperiodische Vorgänge durch einen inneren Zeitgeber.

Funktionen des Federkleids

Neben den beiden bereits erwähnten Funktionen, Isolation und Signal- respektive Tarnwirkung, kommt den Federn entscheidende Bedeutung bei der Fortbewegung und Steuerung zu.

1. Die Isolation des Körpers gegenüber der Außentemperatur und der Schutz gegen eindringendes Wasser geschieht hauptsächlich über die kleinen, den Kopf, Hals, Bauch und Rücken sowie die Flügel und Schenkel bedeckenden Federn, die in ihrer Gesamtheit als Kleingefieder(body plumage) bezeichnet werden. Bei Wasservögeln ist dieses Gefieder dichter als bei Landvögeln und wird auch stärker eingefettet (Abb. 1.5).

2. Zum Fliegen kommen die größeren Federn am Flügel, die sogenannten Schwungfedern oder Schwingen (remiges) zum Einsatz, die in die distal liegenden Handschwingen (primaries) und proximal liegenden Armschwingen (secondaries) unterteilt werden. Die großen Schwanzfedern (rectrices) dienen hingegen primär der Steuerung im Flug und beim Tauchen. Zusammen werden diese Federn als Großgefieder bezeichnet (Abb. 1.6).

3. Färbung und Musterung des Gefieders haben zudem eine optische Funktion. Braune, oft dunkler gemusterte Federkleider dienen dazu, den Vogel weniger gut sichtbar zu machen, meistens im Sinne einer Tarnung (crypsis) vor Prädatoren; vor allem Weibchen und auch Jungvögel tragen ein solches Gefieder (Abb. 1.7). Bei Arten, die eine mehrjährige Jugendentwicklung durchmachen, wie etwa die größeren Möwen (Abb. 1.8), dient ein solches Gefieder auch zur Beschwichtigung adulter Geschlechtsgenossen. Es drückt aus, dass die immaturen (unausgefärbten) Träger dieses Kleids keine Konkurrenten bei der Partnersuche darstellen, womit sie sich Aggression vonseiten der Adulten ersparen. Optisch auffällige Gefieder besitzen dagegen Signalwirkung und kommen mehrheitlich bei Männchen vor (Abb. 1.7). Sie sind in der Regel das Ergebnis von sexueller Selektion und sollen dem Geschlechtspartner oder Konkurrenten die eigenen Qualitäten vor Augen führen (Kap. 4.8). Vögel in Regenwäldern können beide Funktionen – Krypsis und auffällige Signale – auch in einem Gefieder kombinieren (Gomez & Théry 2007). Auffallende Färbungsmuster sind bei Arten, die Inseln bewohnen, im Vergleich zu nahverwandten Arten auf dem Festland reduziert. Es wird angenommen, dass solche Muster auch der intraspezifischen Arterkennung dienen und dass aufgrund der geringeren Artenzahl auf Inseln der Selektionsdruck für entsprechende Differenzierung kleiner ist (Doutrelant et al. 2016).

Gefiederfolgen

Die zeitliche Abfolge der verschiedenen Gefieder im Leben eines Vogels ist das Resultat der periodischen Federwechsel und geschieht in festgelegter Weise. Das Grundmuster ist folgendes: Bereits im Ei oder dann während der Nestlingszeit wird in der Regel das Dunenkleid(natal down) angelegt, das aus Dunenfedern besteht und im Laufe des Jugendwachstums schnell durch das Jugendkleid(juvenile plumage), das erste Kleid aus «richtigen» Federn ersetzt wird. Auch dieses ist nur von kurzer Dauer; bald darauf folgt das Ruhekleid, oft auch Winter- oder Schlichtkleid (winter oder non-breeding plumage) genannt. Viele Arten tragen dieses Kleid ganzjährig, andere wechseln vor der Brutzeit ins Brutkleid respektive Pracht- oder Sommerkleid (summer oder breeding plumage). Anschließend alternieren in diesem Fall Winter- und Brutkleid. Bei größeren Arten folgen nach dem Jugendkleid noch weitere Immaturkleider; alle sind «schlichter» als Adultkleider (Abb. 1.8). Vögel in solchem Gefieder werden als «unausgefärbt» bezeichnet.

Abb. 1.6 Der landende Basstölpel (Morus bassanus; oben) demonstriert, wie Hand- und Armschwingen je spezifische Aufgaben beim Landemanöver übernehmen; auch die verschiedenen Reihen von Deckfedern, die normalerweise eine Schutzschicht für die Schwingenbasen bilden, unterstützen den Bremsvorgang. Unter Belastung nützen sich die Federn ab. Besonders deutlich kommt dies beim zerschlissenen Gefieder des Nepalhaubenadlers (Nisaetus nipalensis) im Bild unten zum Ausdruck. Dieser Greifvogel schlägt bodenlebende Beute im Wald und stürzt sich dabei mit Wucht durch das Unterholz.

Abb. 1.7 Deutliche Unterschiede in der Gefiederfärbung zwischen den Geschlechtern zeigen sich beim Kalifasan (Lophura leucomelanos). Das braune Gefieder des Weibchens (links) wirkt als Tarnkleid während des Brütens im Bodennest, während das auffälligere blauschwarzweiße Gefieder des Männchens vor allem Signalfunktion im Kontext des Paarungsverhaltens besitzt.

Die hier verwendete traditionelle Nomenklatur der Gefieder ist auf die Verhältnisse der temperierten Gebiete abgestimmt. Eine vor allem in Nordamerika gebräuchliche Benennung verwendet hingegen genereller anwendbare Bezeichnungen, die nur auf die Abfolge, nicht jedoch auf Zeitpunkt, Färbung oder Funktion der Gefieder Bezug nimmt. Das Grundgefieder, das auf das Jugendkleid folgt, ist das basic plumage (entspricht dem Ruhekleid), das allfällige zweite Kleid im Jahr (bei Adulten das Brutkleid) ist das alternate plumage. Die adulten Gefieder werden als definitive, die immaturen Gefieder (Abb. 1.8) als first, second etc. (basic oder alternate) bezeichnet oder, falls es sich um Zwischengefieder ohne spätere Entsprechung handelt, als formative. Die Mauser wird nach dem Gefieder benannt, das sie bewirkt: Die pre-juvenile molt führt zum juvenile plumage, die pre-basic molt zum basic plumage und die pre-alternate molt zum alternate plumage (Howell 2010).

Mausertypen und -strategien

Die Mauser ist meist ein geordneter und zeitlich regelmäßiger Prozess, der aber – je nach dem zu bildenden Gefieder – unterschiedliche Gefiederpartien erfasst. Bei der Vollmauser werden sowohl Körperfedern als auch Schwung- und Steuerfedern erneuert, bei einer Teilmauser meist nur das Kleingefieder, allenfalls noch einzelne Schwanzfedern. Die Anzahl Mausern pro Jahr und deren Umfang sind artspezifisch, auch wenn innerhalb einer Art eine gewisse Variation möglich ist. Vereinfacht lassen sich, unter Einbezug des Zeitpunkts des Mauserns, vier Mauserstrategien unterscheiden:

1. Eine jährliche Vollmauser nach der Brutperiode. Viele große Vögel, aber auch der Großteil der Singvögel, verfolgen diese Strategie (Abb. 1.9).

2. Eine Vollmauser nach der Brutperiode und eine Teilmauser vor der Brutperiode. Diese Strategie ermöglicht das Anlegen eines bunteren Brutkleids, doch folgen ihr auch Arten, deren Winter- und Brutkleider sich nicht auffällig unterscheiden.

3. Eine Teilmauser nach der Brutperiode und eine Vollmauser vor der Brutperiode; vor allem bei Singvögeln, die weite Distanzen ins Winterquartier ziehen und dort die Vollmauser durchmachen.

4. Zwei jährliche Vollmausern, eine vor und eine nach der Brutperiode. Diese Strategie ist auf wenige Arten beschränkt.

Diese Strategien können komplizierter ausfallen, wenn etwa Zugvögel eine begonnene Mauser während des Zugs unterbrechen (suspended moult) und erst nach Ankunft im Winterquartier weiterfahren oder wenn das Großgefieder so langsam erneuert wird, dass die einzelnen Mauserperioden nicht mehr gegeneinander abgrenzbar sind. Verschiedene Vogelarten wechseln zudem bestimmte Federgruppen mehr als 2-mal jährlich. Solches kann beim einzelnen Vogel schnell zu einem komplizierten Muster unterschiedlich erneuerter Federn führen.

Geschwindigkeit der Mauser

Während der Ersatz der Körperfedern relativ unproblematisch ist, kann die Mauser der Schwung- und Steuerfedern während einiger Zeit die Flugfähigkeit beeinträchtigen. Ist das aufgrund der Lebensweise inakzeptabel, so bieten sich zwei Lösungen an: Entweder verläuft die Mauser radikal, dafür aber sehr schnell, oder sie verläuft sehr schonend, dafür aber sehr langsam.

1. Sehr schnelle Mauser erfordert den weitgehend gleichzeitigen Ersatz aller Schwungfedern. Dies resultiert zwar in einem vollständigen Verlust der Flugfähigkeit, der aber nur kurz dauert. Eine solche Lösung praktizieren Arten, die sich vor Prädatoren in Sicherheit bringen können, etwa indem sie sich in sehr dichter Bodenvegetation (Rallen) oder auf offenem Wasser aufhalten, wo sie bei Gefahr wegtauchen oder sich in die Ufervegetation zurückziehen (Wasservögel wie Enten und Lappentaucher oder gewisse Meeresvögel). Bei ihnen dauert die Flugunfähigkeit je nach Körpergröße zwischen wenigen und über 50 Tagen. Verschiedene Enten und andere Wasservögel fliegen oft weite Distanzen zu günstigen Gewässern, die genügend Schutz und Nahrung bieten, um dort zu mausern (Mauserzug; Kap. 6.4).

2. Vor allem große Arten und solche, die viel segeln, verteilen den Wechsel der Schwungfedern auf zwei oder mehr Jahre. Jedes Jahr wird ein Teil der Schwungfedern erneuert, dann folgt eine Mauserpause. Im nächsten Jahr geht die Mauser dort weiter, wo sie zuvor gestoppt wurde. Gleichzeitig beginnt sie aber am Anfangspunkt des Vorjahres erneut. Es laufen also gleichzeitig zwei bis drei oder sogar vier Mauserwellen über den Flügel, was zu einem unregelmäßigen Muster von alten (ausgebleichten) und neuen (frischen) Federn führt. Diese Art zu mausern heißt Staffelmauser und kommt unter anderen bei Adlern, Geiern, Störchen, Pelikanen (Abb. 1.10) und Albatrossen vor.

Abb. 1.8 Größere Möwen haben eine längere Abfolge von Immaturkleidern, bis sie das Adultgefieder erreichen. Im Bild zwei Kamtschatkamöwen (Larus schistisagus), links ein 1-jähriger, rechts ein adulter (mindestens 4-jähriger) Vogel.

Zeitpunkt der Mauser

Eine Vollmauser durchzuführen, ist für einen Vogel aufwendig. Die zu ersetzende Federmasse entspricht je nach Art etwa 4–12 % der Körpermasse, und da die Energieeffizienz bei der Federbildung erstaunlich gering ist (bei den meisten Singvögeln unter 10 %), resultiert ein zusätzlicher Energiebedarf von 10–110 % (Murphy 1996). Beim australischen Weißbürzel-Honigfresser (Ptilotula penicillata) wurden eine Energieeffizienz von 6,9 % und ein zusätzlicher Energieverbrauch von 82 % im Vergleich zur Zeit vor Mauserbeginn ermittelt, wobei die Spitzen beim Energieverbrauch nicht genau mit den Perioden des stärksten Federwachstums übereinstimmten (Hoye & Buttemer 2011). Offenbar kommt die mauserbedingte Zusatzenergie nicht nur durch das Federwachstum, sondern auch durch andere Faktoren wie etwa die verringerte Wärmedämmung des Gefieders zustande. Die Nahrungsversorgung und damit der Körperzustand kann bei vielen Vögeln das individuelle timing der Mauser beeinflussen (Newton 2011). Dies konnte kürzlich sogar experimentell an Wildvögeln gezeigt werden: Zusatzfütterung bewirkte bei Sumpfammern (Melospiza georgiana), dass sie mit der spätwinterlichen Teilmauser früher begannen (Danner et al. 2015).

Abb. 1.9 Flügel eines jungen Gelbsteißbülbüls (Pycnonotus xanthopygos) in der ersten Vollmauser. Die alten Federn sind etwa ein halbes Jahr alt und ausgebleicht, die erneuerten und wachsenden Federn hingegen dunkel und ganzrandig. Während Bülbüls als adulte Vögel dem Normalfall der Singvögel mit einer jährlichen Vollmauser folgen, gehören sie im ersten Lebensjahr zu einer Minderheit von Arten, die bereits aus dem Jugendgefieder eine Voll- und nicht nur eine Teilmauser durchführt.

Bei solchen Kostenfolgen müssen die meisten Vögel die Mauser zeitlich von anderen energieintensiven Aktivitäten wie der Fortpflanzung oder den Wanderungen trennen. Zudem könnten sie diese Aktivitäten auch nicht mit reduzierten Federfunktionen ausüben, ohne Fitnesseinbußen erwarten zu müssen. Möglicherweise wären die energetischen Konsequenzen einer Mauserlücke im Flügel in manchen Fällen sogar höher als die Kosten der Federneubildung. In den gemäßigten Klimazonen findet die Vollmauser deshalb in der Regel zwischen Brut- und Zugzeit statt, das heißt im Sommer. Wo die Zeit für die ganze Mauser nicht ausreicht, ist die Unterbrechung der Mauser während des Zugs eine Lösung. Oder die Mauser findet überhaupt erst nach Ankunft im Winterquartier statt, wenn dort das Nahrungsangebot hoch ist (Barta et al. 2008).

Abb. 1.10 Staffelmauser beim Rosapelikan (Pelecanus onocrotalus). Man erkennt mehrere Mauserwellen, die von den dunkelsten Schwungfedern (neue Federn) zu den helleren braunen Schwingen (älteren, ausgebleichten Federn) führen.

In weniger saisonalen Klimazonen, besonders in den Tropen, verläuft die Mauser hingegen langsamer und zeitlich ausgedehnter, sodass sie stärker mit anderen Aktivitäten wie der Fortpflanzung überlappt. Bei gegen 30 000 Vögeln, die im Amazonasgebiet diesbezüglich untersucht wurden, standen 12,7 % der mit der Fortpflanzung beschäftigten Individuen gleichzeitig in der Mauser. Die Anteile variierten zwischen den Verwandtschaftsgruppen. Vor allem Singvögel zeigten auch hier eine klare zeitliche Trennung zwischen Brutgeschäft und Mauser ( Johnson E. I. et al. 2012). Ein Spezialfall sind die meisten Arten der Nashornvögel (Bucerotidae). Die Weibchen brüten in Baumhöhlen, deren Eingänge sie von innen her fast ganz zumauern. Während ihrer «Gefangenschaft» werden die Weibchen von den Männchen gefüttert und können deshalb aufgrund des geringen aktivitätsbedingten Energiebedarfs eine Schwingen- und Schwanzmauser durchführen (Kemp A. 1995; Abb. 1.11).

Abb. 1.11Doppelhornvogel (Buceros bicornis), Paar.

Stärkere Überlappung zwischen Fortpflanzung und Mauser ergibt sich auch bei Arten, deren Federn relativ lange für das Wachstum benötigen. Die Entwicklungsdauer der Schwungfedern korreliert positiv mit der Federgröße respektive jener des Vogels (Rohwer et al. 2009). Dies bedeutet, dass große Vögel, besonders jene mit Staffelmauser, auch in saisonalen Klimazonen während der Fortpflanzungszeit mit der Schwingenmauser fortfahren müssen; im Winter wird die Mauser aber unterbrochen.

 

Weiterführende Literatur

Zur Definition der Art gibt es eine umfangreiche Literatur. Einige neuere Werke präsentieren die Ideen rund um die Artkonzepte in verschiedenen Kontexten (Klassifikation, geschichtlich und philosophisch):

• Kunz, W. 2012. Do Species Exist? Principles of Taxonomic Classification. Wiley-Blackwell, Weinheim.

• Wilkins, J.S. 2009. Species. A History of the Idea. University of California Press, Berkeley.

• Richards, R.A. 2010. The Species Problem. A Philosophical Analysis. Cambridge University Press, Cambridge.

Ein lesenswerter Text, wie sich die verschiedenen Artkonzepte in der praktischen Anwendung, nämlich dem Erstellen einer Checkliste der Vögel der Erde, eignen und wie das System von Tobias et al. (2010) im großen Rahmen angewandt werden kann, bildet das Einführungskapitel von:

• del Hoyo, J. & N.J. Collar. 2014. HBW and BirdLife International Illustrated Checklist of the Birds of the World. Volume 1: Non-passerines. Lynx Edicions, Barcelona.

Zu den Wirbeltieren, Säugetieren und Vögeln existieren umfangreiche Standardwerke, die alle bereits mehrere Auflagen erlebt haben. Bei den meisten nimmt die Behandlung der höheren taxonomischen Einheiten breiten Raum ein. Zwei Werke widmen sich den Vertebraten insgesamt, wobei Linzey einen breiteren biologischen Ansatz wählt, während Kardong auf die Anatomie und Morphologie fokussiert:

• Linzey, D.W. 2012. Vertebrate Biology. 2nd ed. John Hopkins University Press, Baltimore.

• Kardong, K.V. 2014. Vertebrates. Comparative Anatomy, Function, Evolution. 7th ed. McGraw Hill, Boston.

In ähnlicher Weise behandeln zwei Lehrbücher nur, dafür ausführlicher, die Säugetiere:

• Vaughan, T.A., J.M. Ryan & N.J. Czaplewski. 2015. Mammalogy. 6th ed. Jones and Bartlett Learning, Burlington.

• Feldhamer, G.A., L.C. Drickamer, S.H. Vessey, J.F. Merritt & C. Krajewski. 2015. Mammalogy. Adaptation, Diversity, Ecology. 4th ed. John Hopkins University Press, Baltimore.

Über die Vögel, die sonst bezüglich spezifischer Themen sehr gut mit Büchern abgedeckt sind, ist gegenwärtig ein einziges neues Standardwerk von ähnlicher Form wie jener für die Säugetiere erhältlich:

• Lovette, I.J. & J.W. Fitzpatrick (eds.). 2016. The Cornell Lab Handbook of Bird Biology. 3rd ed. John Wiley & Sons, Hoboken.

Die Sinnesleistungen der Vögel und Säugetiere sind in den genannten Werken unterschiedlich detailliert behandelt; eine neue Darstellung fokussiert auf den ökologischen Kontext:

• Stevens, M. 2013. Sensory Ecology, Behaviour, and Evolution. Oxford University Press, Oxford.

Spezifische Werke über die Mauser der Vögel existieren nur wenige. Der alte Klassiker der Stresemanns ist nach wie vor eine Quelle genauster Angaben, während Howells rezentes Werk die Mauser bei den nordamerikanischen Arten behandelt und das nordamerikanische System der Mausernomenklatur erklärt:

• Stresemann, E. & V. Stresemann. 1966. Die Mauser der Vögel. Journal für Ornithologie 107: Sonderheft.

• Howell, S.N.G. 2010. Molt in North American Birds. Houghton Mifflin Harcourt Publishing Company, New York.

Eine schöne Einführung in die Thematik, vor allem die Koordination der Mauser mit den Erfordernissen des Zugs, am Beispiel europäischer Singvögel, bietet das Einleitungskapitel von:

• Jenni, L. & R. Winkler. 1994. Moult and Ageing of European Passerines. Academic Press, London.

2 Energie, Nahrung und Verdauung: die physiologischen Aspekte der Nahrungsökologie

Abb. 2.0 Westlicher Fettschwanzmaki (Cheirogaleus medius)

 

Kapitelübersicht

2.1 Energiehaushalt (Metabolismus)

Energiefluss

Energieumsatz

Grundumsatz

Leistungs- und Gesamtumsatz

2.2 Nahrung als Energie- und Nährstofflieferant

Zusammensetzung der Nahrung

Energie

Wasser

Eigentliche Nährstoffe

Minerale

Vitamine

Sekundärstoffe

2.3 Ernährungstypen

2.4 Verdauungssysteme

Verdauungssysteme der Herbivoren

Dickdarmfermentierer

Vormagenfermentierer

2.5 Nahrungsstrategien der Herbivoren

2.6 Effizienz der Assimilation

2.7 Energiebalance und Kondition

Energiespeicherung und Kondition

Energieeinsparung

 

Sich zu ernähren, ist das unmittelbarste Bedürfnis eines Tiers. Energie, Nährstoffe und Wasser werden zum Aufrechterhalten der Körperfunktionen, für Wachstum, Aktivität und zur Reproduktion benötigt. Ernährung ist von direkter Relevanz für die Fitness eines Individuums, das heißt seinen Erfolg bei der Weitergabe der eigenen Gene in die nachfolgenden Generationen. Verhungern ist nämlich bei vielen Tierarten eine bedeutende direkte, Unterernährung eine bedeutende indirekte Mortalitätsursache. Zum Aufrechterhalten der Körpertemperatur ist bei Endothermen regelmäßige Nahrungsaufnahme vonnöten; Ausnahmen sind möglich bei herabgesetzter Körpertemperatur, etwa während des Winterschlafs, oder wenn bei gewissen Tätigkeiten (zum Beispiel Brunft, Bebrütung des Geleges) auf körpereigene Reserven zurückgegriffen werden kann. Exotherme Tiere sind dagegen in der Lage, lange Perioden ohne Nahrungsaufnahme durchzustehen.

In diesem und dem folgenden Kapitel geht es um die Ökologie der Ernährung, die als Nahrungsökologie bezeichnet wird. Unter diesem Begriff treffen Aspekte zusammen, die oft in zwei ganz unterschiedlichen Disziplinen behandelt werden.

1. Die Bedürfnisse eines Tieres bezüglich seiner Ernährung erschließen sich primär über das Verständnis der Physiologie und der entsprechenden Anpassungen im Körperbau. Es geht also um den Bedarf und die Aufnahme von Energie und Nährstoffen, um deren Mobilisierung aus unterschiedlicher Nahrung (zum Beispiel aus pflanzlichem oder tierischem Gewebe) und die Möglichkeiten und Grenzen, die sich aus den entsprechend adaptierten Verdauungssystemen ergeben. Der Rahmen dafür ist die natürliche Umwelt, mit der sich das Tier auseinandersetzen muss, was zu verschiedensten physiologischen Strategien im Umgang mit der verfügbaren Energie geführt hat. So verbinden sich physiologische mit ökologischen Fragen – das Merkmal der grenzüberschreitenden Disziplin der Ökophysiologie. Diese Thematik ist Gegenstand des Kapitels 2.

2. Will man hingegen wissen, wie ein Tier diese Bedürfnisse erfüllt, also die benötigte Nahrung beschafft, steht ein verhaltensökologischer Ansatz im Vordergrund. Die Fragen lauten dann zum Beispiel, wie das Nahrungsangebot räumlich und zeitlich verteilt ist, wie ein Tier die Nahrung nutzen kann (zum Beispiel selektiv oder opportunistisch) und welche Strategie der Nahrungssuche und -aufnahme letztlich zum besten Erfolg, das heißt zur Fitnessmaximierung führt. Theorien und Befunde, Fragen und Antworten dazu bilden das Kapitel 3.

2.1 Energiehaushalt (Metabolismus)

Energiefluss

Abb. 2.1 Vereinfachtes Schema des Energieflusses durch den Körper. Nicht angegeben sind geringere Verluste, die bei den Assimilationsvorgängen und dem Gewebeaufbau (siehe Text) anfallen. Auch die zur Verdauung benötigte Energie, die als Wärme abgegeben wird (diet induced thermogenesis, specific dynamic action), ist ein solcher Verlust, sofern sie nicht zur Balance von Kältestress verwendet werden kann. Der Verlust hängt von der Art der Nahrung und weiteren Faktoren ab und beträgt oft 10–20 %, mitunter sogar 50 % der assimilierbaren Energie; die Verdauung von Protein ist energieintensiv (Barboza et al. 2009).

Von der aufgenommenen Bruttoenergie GE (gross energy, typischerweise mittels Verbrennungs-Kalorimetrie gemessen) kann nur ein Teil genutzt werden; der andere geht auf verschiedenen Stufen verloren. Zunächst wird das nicht verdaubare Material als Kot F (faeces) ausgeschieden; die verdauliche Energie DE (digestible energy) steht zur Assimilation zur Verfügung. Das Verhältnis von DE zu GE wird oft als Verdaulichkeit der Nahrung bezeichnet (s. Kap. 2.6). Bei der Absorption der Stoffe geht nochmals Energie über Exkrete Ex (Urin, Harnsäure, Hippursäure und andere) verloren; Pflanzenfresser geben auch Methan ab (s. Kap. 2.4). Daraus resultiert die assimilierbare oder verstoffwechselbare Energie ME (metabolizable energy), die nun dem Stoffwechsel zur Verfügung steht. Ein Teil davon, oft sogar der größte Teil, dient der VeratmungR (respiration), welche die für den «Betrieb» des Organismus bei Massenkonstanz nötige Energiemenge bezeichnet. Der andere Teil kann für die Bildung von Körpergewebe P (production) verwendet werden, zunächst für Gewebeersatz und das eigene Wachstum, dann auch zur Reproduktion (Gonadenbildung). Da für diese Prozesse nicht die gesamte Energie direkt in die Produktion von Gewebe fließt, sondern auch – produktionstypisch – zusätzliche Wärmeverluste auftreten, kann die reine, nur für die Nettoproduktion (ohne Wärmeverluste) verbrauchte Energie als Nettoenergie NE (net energy) quantifiziert werden. Diese letzte Energiestufe spielt in der Ökologie meist keine Rolle, sondern in der Fütterung landwirtschaftlicher Nutztiere (zum Beispiel als NettoenergieLaktationNEL für die Milchbildung). Damit ergibt sich:

Generell variieren die verschiedenen Budgetkomponenten in ihrer relativen Bedeutung stark in Abhängigkeit der Nahrung, der Tiergruppe, von Körpergröße, Alter, Jahreszeit und weiteren Faktoren. Oft benötigt der Erhalt der Körpermasse bereits die ganze assimilierbare Energie ME, sodass nichts für Wachstum oder Reproduktion zur Verfügung steht - zum Beispiel in der kühlen Jahreszeit oder während Trockenperioden. Ist ME sogar kleiner als R, so muss auf körpereigene Energievorräte zurückgegriffen werden, wobei das Tier an Masse verliert (s. Kap. 2.7).

Energieumsatz

Die Energieausgabe während einer bestimmten Zeitdauer wird als Umsatz (metabolic rate) bezeichnet und in der Regel auf 24 Stunden bezogen. Der dabei erzielte Verbrauch eines normal lebenden Tieres mit allen Aktivitäten ist der Gesamtumsatz. Aus Feldmessungen am wild lebenden Tier stammt der englische Begriff field metabolic rate.

Der Gesamtumsatz besteht damit aus

• einem weitgehend festgelegten Teil für den Erhalt der körpereigenen Grundfunktionen, dem Grundumsatz(basal metabolic rate, BMR) und

• einem äußerst variablen Teil, dem Tätigkeits- oder Arbeitsumsatz, der den Energiebedarf für Verdauung und zusätzliche Temperaturregulation sowie die lokomotorischen Aktivitäten umfasst.

Falls das Tier in dieser Zeit zudem Körpergewebe aufbaut (Wachstum und Reproduktion oder Anlagerung von Fettreserven), ist die Energieaufnahme entsprechend höher als der Gesamtumsatz.

Grundumsatz

Der Grundumsatz ergibt sich aus dem Energiebedarf für die Grundfunktionen der Körperorgane (Exkretion, Atmung, Blutkreislauf, Nervenfunktion, Leberfunktion, etwa 36-50 % des BMR) sowie der Zellfunktionen (Protein- und Lipidumsatz, Ionentransport, etwa 40-56 %). Diese Energiemenge entspricht bei Endothermen (Box 2.1) dem Erhaltungsumsatz bei Ruhe und Fasten innerhalb der thermoneutralen Zone, das heißt, wenn für Wärmeregulation und Verdauung keine zusätzliche Energie aufgewendet werden muss. Oft lässt sich bei Messungen an Wildtieren die Bedingung des Fastens nicht überprüfen und experimentell ist sie bei Pflanzenfressern mit konstant gefülltem Magen-Darm-Trakt nicht ohne Auslösen erheblichen Stresses zu erreichen; beim gemessenen Wert spricht man dann vom Ruheumsatz (resting metabolic rate, RMR). Der BMR ist also unabhängig von irgendwelcher Tätigkeit des Tieres und als solcher ein für Vergleiche geeignetes Standardmaß; Messungen liegen von über 1 200 Vogel- und Säugetierarten vor (White C. R. & Kearney 2013). Der BMR wird oft als reine Funktion der Körpermasse dargestellt:

Abb. 2.3 Grundumsatz (gemessen in kJ/h) in Abhängigkeit der Körpermasse von 261 Nichtsingvögeln (a; Kurve ausgezogen) und von 272 Singvogelarten (b; Kurve gestrichelt). Zur besseren Vergleichbarkeit sind in (a) und (b) jeweils beide Kurven eingezeichnet. Die Kurvensteigung b beträgt für alle 533 Vogelarten zusammen 0,652. Der BMR liegt im unteren Bereich der Körpergrößen deutlich über dem BMR gleich schwerer Säuger, gleicht sich aber wegen der geringeren Kurvensteigung im oberen Größenbereich jenem der Säugetiere an (aus McNab 2009; s. auch McNab 2012) (Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Elsevier,© Elsevier).

Das Wesen der allometrischen Skalierung des BMR beruht also auf mechanistischen Prinzipien der Physiologie. In je einem Datensatz von 639 Säugetierarten und 533 Vogelarten (Abb. 2.3) erklärte die Körpermasse 96,8 % respektive 94,1 % der Variation, wobei die Korrelationen deshalb so hoch ausfielen, weil die Spanne der involvierten Körpermassen zwischen den kleinsten und größten Arten bei Vögeln und ganz besonders bei Säugetieren riesig ist (McNab 2008, 2009, 2012). Die massenunabhängige Variation ist deshalb ebenfalls von Bedeutung; sie ist sowohl durch phylogenetisch als auch durch artspezifisch gegebene Anpassungen an ökologische Gegebenheiten bedingt. Vögel haben – je nach Masse, weil die Steigungen der Allometrien etwas differieren (Abb. 2.2 und 2.3) – einen um etwa das 1,1- bis 2-Fache höheren BMR als Säugetiere, was auf die Flugfähigkeit zurückgeführt wird; flugunfähige Vögel haben einen ähnlichen BMR wie die Säugetiere (McNab 2012). Bei Letzteren weichen etwa Carnivore und Fledermäuse durch höhere Steigung, Insectivore durch deutlich niedrigere Steigung vom Säugermittel ab (Capellini et al. 2010; Abb. 2.2). Oft wurden solche Unterschiede über die Ernährung erklärt:

• Bei Arten mit häufiger, gut verdaulicher Nahrung ist der BMR eher höher.

• Bei Arten mit spärlicher, schlecht verdaulicher Nahrung ist der BMR eher niedriger.

Ein Beispiel für letztere Gruppe liefern etwa die südamerikanischen Faultiere, deren BMR weniger als 50 % des aufgrund der Körpermasse erwarteten Wertes liegen kann (McNab 2002). Allerdings geht die Spezialisierung auf schlecht verdauliche Pflanzennahrung oft mit bewegungsarmer Lebensweise einher, sodass die relative Höhe des BMR auch mit der Mobilität zusammenhängen kann, wie der Unterschied zwischen Vögeln und Säugetieren nahelegt. Tatsächlich tendieren hoch mobile und unter Prädationsdruck stehende Säugetierarten zu höherem BMR als weniger hektisch lebende Arten (Lovegrove 2000).

Letztlich ist die Form der Ernährung mit der Körpertemperatur korreliert, die bei herbivoren Säugetieren und (weniger deutlich) Vögeln höher liegt als bei carnivoren Arten (Clarke & O’Connor 2014). Als unmittelbare Messgröße für den Wärmefluss im Körper erklärt die Körpertemperatur in Modellen deshalb die Unterschiede im BMR besser. Säuger in Polargegenden haben etwas höhere Körpertemperatur und einen bis 40 % höheren BMR als direkt vergleichbare Individuen unter tropischen Bedingungen (Clarke et al. 2010). Ähnliches gilt für Vögel: Arten gemäßigter Breiten weisen einen höheren BMR und auch höhere Organmassen (Ausnahme: Gehirn und Verdauungsapparat) auf als eng verwandte und ökologisch äquivalente Arten tropischer Zonen (Wiersma et al. 2007b, 2012; Londoño et al. 2015). Entsprechende Unterschiede treten auch innerhalb einer Art zwischen Populationen auf, die auf unterschiedlichen geografischen Breiten leben (Maggini & Bairlein 2013).

Trotz seiner Eignung als Vergleichsmaß ist der Grundumsatz nicht die minimal mögliche Energieausgabe eines Individuums! Der Energiebedarf der Grundfunktionen von Zellen und Organen ist nicht statisch, und so kann der BMR durch Schlaf, Unterernährung, Dehydrierung oder Torpor respektive Winterschlaf (Kap. 2.7) weiter reduziert werden. Der BMR ist damit auch alters-, tages- und jahreszeitenabhängig; oft ist er zum Beispiel bei Jungtieren höher. Untersuchungen an Vögeln haben gezeigt, dass der BMR selbst kurzfristig an veränderte Bedingungen angepasst werden kann, etwa bei Langstreckenziehern, die sich im Jahresverlauf in höchst unterschiedlichen klimatischen Umgebungen aufhalten (McKechnie 2008).

Box 2.1Endothermie und Exothermie

Lange wurden Tiere bezüglich ihres Wärmehaushalts in Warmblüter (Vögel und Säugetiere) und Kaltblüter (Fische, Amphibien und Reptilien sowie alle Wirbellosen) eingeteilt, später anhand der Konstanz der Körpertemperatur in Gleichwarme (Homoiotherme) und Wechselwarme (Poikilotherme). Diese Klassifizierung wird der thermobiologischen Vielfalt aber bei Weitem nicht gerecht, denn auch viele Gleichwarme können ihre Körpertemperatur zur Energieersparnis absenken (Kap. 2.7). Heute wird eher die Herkunft der Wärme in den Vordergrund gestellt. Endotherme (Vögel und Säuger) produzieren Körperwärme weitgehend selbst über ihren Metabolismus, während die Exothermen (übrige Gruppen) hauptsächlich auf externe Wärmequellen zurückgreifen. Allerdings sind zum Beispiel auch Insekten in der Lage, während ihrer Aktivitätsphase eine hohe, streng regulierte Körpertemperatur einzuhalten.

Welches sind die Vorteile der Endothermie? Die «Energieeffizienz» ist bei endothermen Organismen mit ihrem großen Aufwand für die Respiration viel kleiner als bei exothermen; es bleibt ihnen im Mittel etwa 2 % der Energie für die Produktion von Körpergewebe, gegenüber 50 % bei Exothermen. Deshalb stellt sich die Frage nach den Vorteilen konstanter Körpertemperatur, und damit nach der Evolution von Endothermie – die übrigens bei Vögeln und Säugern jeweils unabhängig entstand.

Traditionelle Erklärungsversuche über die physiologische Leistungsfähigkeit (aerobic capacity) oder die Thermoregulation heben hervor, dass Endothermie

• Aktivitäten ohne Abhängigkeit von Sonneneinstrahlung möglich macht – zum Beispiel sind sehr viele Säuger nachtaktiv – und höhere Ausdauerleistungen zulässt,

• die konstante Möglichkeit bietet, auf äußere Stimuli zu reagieren, etwa bei der Nahrungssuche oder der Feindvermeidung,

• die Besiedlung kälterer Gegenden auch für terrestrische Tiere möglich macht,

• Torpor (Kältestarre) dennoch zulässt, zum Beispiel in Form von Winterschlaf und Winterruhe bei Säugern und in einem Fall bei Vögeln (Kap. 2.7).

Eine neuere, breiter abgestützte Theorie führt das Entstehen der Endothermie auf die Evolution der Brutpflege (Kap. 4.5) zurück, welche aus verschiedenen Gründen auf konstant hohe Körpertemperatur angewiesen ist (Farmer 2000; Koteja 2004). Ein formaler Test von Modellen mit Daten von Nagetieren fand jedoch größeren Support für eine der physiologischen Hypothesen, die auf der Bedeutung einer hohen metabolischen Kapazität fußt (Clavijo-Baque & Bozinovic 2012).

Abb. 2.4 Endothermie benötigt morphologische Anpassungen zur Regulation des Wärmeaustauschs über die Körperoberfläche. Reduktion des Wärmeverlusts über die Füße ist bei Vögeln in kalten Umgebungen wichtig, besonders bei Wasservögeln, die wie diese Lachmöwe (Chroicocephalus ridibundus) mit kalten Oberflächen in dauernder Berührung sind. Dies wird unter anderem über Wärmeaustauschnetze in den Blutbahnen der Extremitäten erreicht sowie durch die Möglichkeit, den Blutfluss bis zum Verhältnis 1:600 zu regulieren (Bezzel & Prinzinger 1990).

Zwischenartliche Vergleiche sind nicht nur innerhalb der Endothermen, sondern auch zwischen diesen und Exothermen (Box 2.1) aufschlussreich. Auch bei Exothermen (und selbst Einzellern) folgt der BMR der Körpermasse mit ähnlicher Steigung b wie bei den Endothermen. Absolut gesehen, liegt der BMR bei Exothermen jedoch um ein Vielfaches tiefer, da diese nur wenig Körperwärme selbst generieren und ihre Körpertemperatur deshalb mit der Umgebungstemperatur variiert. Bei einer Umgebungstemperatur von 20 ° C beträgt der Unterschied gegen das 30-Fache (entspricht einer Differenz beim Achsenabschnitt a). Auch bei Exothermen steigt der BMR jedoch mit der Körpertemperatur an. Bei etwa 37 °C, einer Körpertemperatur, welche auch von vielen Reptilien bevorzugt wird, beträgt der Unterschied im Vergleich zu Endothermen gleicher Körpergröße noch etwa das 5-Fache.

Leistungs- und Gesamtumsatz

Der Energieverbrauch für die Aktivitäten, besonders die lokomotorischen, ist ökologisch bedeutsamer als der BMR. Gern wird der relative Aufwand für die einzelnen Tätigkeiten (Leistungs- oder Arbeitsumsatz), aber auch für den Gesamtumsatz innerhalb einer bestimmten Zeitspanne, im Verhältnis zum BMR angegeben (factorial aerobic scope); statt des eigentlichen BMR wird bei Wildtieren oft der weniger streng definierte Ruheumsatz verwendet. Tätigkeiten wie Stehen erhöhen den Grundumsatz um 10–30 %. Am aufwendigsten sind spezielle Fortbewegungsarten wie schneller Ruderflug großer Vögel (siehe unten) oder Nahrungstauchen bei gewissen Wasservögeln, die das 10- bis 20-Fache des BMR betragen und in Extremfällen noch deutlich höher liegen können. So wurde ein Wert von etwa des 47-Fachen des BMR bei stoßtauchenden Dreizehenmöwen (Rissa tridactyla)