Oma, die Nachtcreme ist für 30-Jährige! - Anja Flieda Fritzsche - E-Book
SONDERANGEBOT

Oma, die Nachtcreme ist für 30-Jährige! E-Book

Anja Flieda Fritzsche

0,0
9,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 9,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Oma Maria ist ein Phänomen! Als sie geboren wurde, war Kaiser Wilhelm II. noch in Amt und Würden. Sie erlebte zwei Weltkriege, eine Mondlandung und unzählige technische Errungenschaften. Heute surft die 107-Jährige voller Spaß mit Hilfe ihrer Enkelin Anja im Internet. Gemeinsam begeistern sie mit ihrer eigenen Seite auf Facebook ihre Fans, mit witzigen Sprüchen von Oma Maria ("Lächeln aufsetzen - gegen die Falten!") und charmante Lebensweisheiten ("Immer vorwärts gehen - niemals stehen bleiben!"). Jetzt hat Enkelin Anja zusammen mit Oma Maria ihre unvergesslichen Erlebnisse in einem wunderbaren Buch aufgeschrieben – ein umwerfendes Zeugnis voller Lebensfreude, Esprit und Humor. "Oma, musstest du nicht auf die Toilette?" - "Nee, hab die Beine übereinander geschlagen. Für heute geschlossen!" "Anja-Spätzchen, vergiss deine Sprechanlage nicht!" - "Handy! Oma es heißt Hääääändiiii!"

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Das Buch

Familie Fritzsche fährt seit Urzeiten jeden Sonntag zum Kaffeetrinken zu Oma Maria, denn: »Wer weiß, wie lange Oma noch lebt!« Sie tun es bis heute. Als sie 88 wird, zieht Enkeltochter Anja bei ihr ein, um in Ruhe für die Abi-Prüfungen lernen zu können – sie bezahlt es mit nächtelangen, nicht enden wollenden Rummikub-Runden. Mit 90 will die Familie der Oma endlich die Mietwohnung kaufen. Oma Maria entgegnet nur: »Ach, für die paar Jährchen lohnt sich das nicht mehr!« Sie hätten es tun sollen … Mit 96 will die Familie statt immer nach Spanien zu fahren, endlich mal nach Thailand in den Urlaub. Aber Oma Maria sagt: »Lieber nicht! Machen wir noch ein letztes Mal Spanien!« Sie fahren bis heute dorthin. Als Oma 99 wird, zieht Papa Fritzsche bei seiner Mutter ein, ohne zu ahnen, dass sich diese »Zweck-Gemeinschaft« länger als manche Ehe hinzieht. Nun steuert Maria Fritzsche die 108 an und hat kein bisschen von ihrem Witz verloren – frei nach ihrem Lebensmotto: »Einfach aufstehen und immer weitergehen!«

Die Autorinnen

Maria Fritzsche, 1909 in Essen geboren, hat das erste halbe Jahrhundert dort gelebt, zog als Rentnerin nach Bayern, Rosenheim. Sie ist gelernte Innendekorateurin, verwitwet und hat zwei Kinder, fünf Enkelkinder und zwei Urenkel.

Anja Fritzsche, in Rosenheim geboren, wuchs im Inntal auf. Sie ist als Kommunikationsdesignerin tätig und arbeitete für InStyle, BRAVO und People. Sie lebt mit ihrem Partner in München.

Anja Fritzsche und Oma Maria (107)

OMA,DIE NACHTCREME IST FÜR 30-JÄHRIGE!

Die unglaublichen Geschichten einer 107-Jährigen

Ullstein

Besuchen Sie uns im Internet:www.ullstein-buchverlage.de

Wir wählen unsere Bücher sorgfältig aus, lektorieren sie gründlich mit Autoren und Übersetzern und produzieren sie in bester Qualität.

Hinweis zu Urheberrechten

Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten.Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken, deshalb ist die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben.

In diesem Buch befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich die Ullstein Buchverlage GmbH die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt.

ISBN 978-3-8437-1720-5

© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2017Umschlaggestaltung: zero-media.net, MünchenTitelabbildung: © Anja FritzscheInnenabbildungen: © Anja Fritzsche, © Karina Ullritz (Manuel Neuer und Maria Fritzsche)

E-Book: Pinkuin Satz und Datentechnik, Berlin

Alle Rechte vorbehalten

Für meinen Vater, denn ohne seine aufopferungsvolle Pflege hätte meine Großmutter nicht ihr hohes Alter erreicht und das Drei-Generationen-Reise-Trio nicht so viel Spaß gehabt.

Und für die Menschen, die ihrem Leben trotz aller Herausforderungen positiv begegnen.

PROLOG

Papa: »Los, Kinder, wir fahren heute zur Oma, Kaffee trinken!«

Anja: »Ach nö, nicht schon wieder!«

Papa: »Das diskutiere ich nicht. Wir fahren.«

Anja: »Aber Papa, biiiiitte! Ich muss noch so viele Hausaufgaben machen. Dann wollte ich zu Steffi, und der neue Indiana Jones läuft auch im Kino!«

Papa: »Das kannst du alles danach noch machen. Erst fahren wir! Wer weiß, wie lange Oma noch lebt!«

1992 hatte meine alleinlebende Oma Maria ein typisches Oma-Alter von 83 Jahren, und das Argument, sie könne bald sterben, zog noch. Aber nach und nach nahm niemand mehr diese Prophezeiungen ernst. Oma fuhr zu dieser Zeit nämlich immer noch jeden Winter für drei Monate nach Spanien und kam wie das blühende Leben zurück. In Omas Alter von 88 Jahren zog ich dann bei ihr ein, um in Ruhe auf mein Abi lernen zu können. Wurde nebenbei von Kopf bis Fuß verwöhnt, auch wenn ich das mit nächtelangem, nicht enden wollendem Rummikub-Spielen bezahlen musste.

Als sie 90 wurde, überlegten wir, ob wir ihre Mietwohnung nicht kaufen sollten, doch sie meinte: »Ach, für die paar Jährchen lohnt sich das nicht mehr!« Wir hätten es einfach machen sollen.

Mit 96 beschlossen wir, statt immer nach Spanien doch mal nach Thailand zu fliegen. Aber sie meinte: »Lieber doch nicht. Machen wir noch ein letztes Mal Spanien!« Wir fahren bis heute dorthin.

Als sie 99 wurde, zog mein Vater bei ihr ein, da sie etwas Hilfe im Haushalt ganz praktisch fand und damit sich ihr langersehnter Wunsch, endlich wieder einen Gesellschafter zu haben, erfüllte. Ich glaube, Papa hat nicht geahnt, dass sich diese Zweckgemeinschaft wesentlich länger hinziehen würde, als bei manchen die Ehe hält.

Den 100. feierte sie immer noch vergnügt, wenn auch mit neuen Freundinnen, denn die alten waren mittlerweile alle verstorben.

Mit 101 fühlte sie sich auf einmal nicht mehr ganz so fit und meinte, dass das Herz ein wenig drücke und der Schwindel ein großes Übel wäre. Wir gingen zum Arzt, und der meinte: »Maria, Sie haben eine verkalkte und verengte Aortenklappe. Sie leiden an einer sogenannten Stenose, der Verengung von Blutgefäßen. Damit haben Sie vielleicht noch drei bis vier Monate zu leben. Oder Sie bekommen eine neue Herzklappe, die Ihnen sicherlich noch weitere fünf Jahre garantiert.«

Auf einmal zog das alte Argument »Wer weiß, wie lange Oma noch lebt!« wieder. Und beim sonntäglichen Kaffeetrinken entschied sie sich natürlich für die Garantie. Was hatte sie schon zu verlieren?

JAHR: 2011 – ALTER: 101 JAHRE

Schwein gehabt!

Zunächst muss geklärt werden, ob Omas physische Verfassung überhaupt eine Operation überstehen könnte. In ihrem Alter kommt ohnehin nur die OP mit der TAVI-Technik (Transkatheter-Aortenklappen-Implantation) in Frage. Aber soll sie sich wirklich noch mit 101 operieren lassen? Ist es nicht vernünftig, dann zu sterben, wenn der Körper klare Signale sendet? Warum weiterleben, wenn man doch schon alles erlebt hat?

Anja: »Oma, willst du wirklich dieses gesundheitliche Risiko eingehen?«

Oma Maria: »Ach, Anja-Spätzchen, das ist doch kein Risiko. Ich würde gerne selber entscheiden, wann ich gehe. Es gibt noch so vieles, was ich erleben möchte. Ich fühle mich nicht alt, und ich will auch noch bei euch bleiben. Und wenn mir eine OP dabei helfen kann, ist das doch gut. Außerdem will ich doch sehen, ob du noch heiratest!«

Anja: »Haha, also, wenn es dir hilft, kann ich gerne eine Nottrauung vollziehen.«

Omas Wille war schon immer stärker als ihr Körper, und geistig ist sie nach wie vor sehr fit. Wenn das ihr Wunsch ist, so soll er auch erfüllt werden. Und wer sagt denn, dass 100 Jahre bereits genug wären?

Also gehen wir ins Krankenhaus zur ersten Untersuchung. Ein Gesundheits- und Krankenpfleger empfängt uns.

Pfleger: »Sind Sie Frau Fritzsche?«

Oma Maria: »Noch lebend.«

Pfleger: »Und Sie sind der Mann?«

Papa: »Na, Mutter, einen von uns beiden hat er jetzt beleidigt! Ich bin der Sohn.«

Pfleger: »Ah, tut mir leid. Und Sie sind?«

Anja: »Ich bin die Tochter vom Sohn.«

Pfleger: »Ich merke schon: Sie drei verstehen sich. Drei Generationen, sehr nett. Dann folgen Sie mir bitte!«

Oma wird zunächst von Kopf bis Fuß untersucht, um festzustellen, ob ihr zierlicher, »alter« Körper theoretisch überhaupt in der Lage ist, eine solche Operation zu überstehen. Nach vielen Tests wie EKG, Herz- und Blutuntersuchungen wird ihr eine sehr gute körperliche Verfassung und eine Venendurchlässigkeit wie die von einer 45-Jährigen attestiert. Sehr zum Erstaunen der Ärzte. Damit ist die erste Hürde genommen.

Aber nicht nur die Operation an sich ist gefährlich, sondern auch die Vollnarkose. Mit jeder Narkose sterben ein paar der Hirnzellen ab, und in Omas Fall weiß man nicht, ob sie danach überhaupt wieder ganz klar im Kopf werden wird.

Oma Maria: »Ach, das wäre ja toll, wenn ich wieder als 45-Jährige aufwachen würde.«

Papa: »Na, Mutter, jetzt mal nicht übertreiben.«

Oma Maria: »Anja-Spätzchen, kannst du mir bitte noch mal erklären, was die Ärzte genau machen wollen? Ich glaube, so ganz habe ich das mit der neuen Methode nicht verstanden.«

Anja: »Ganz einfach, Oma. Bei einer herkömmlichen Operation öffnen sie deinen Brustkorb und legen dein Herz still.«

Oma Maria: »Waaaas? Ich dachte, das wollten wir vermeiden?«

Anja: »Genau das machen die Ärzte eben nicht, da es sein könnte, dass du das nicht überleben würdest. Stattdessen werden sie den Brustkorb nicht öffnen und dein Herz nicht stilllegen.«

Oma Maria: »Ach?«

Anja: »Das geht mit der TAVI-Methode. Der Transkatheter-Aortenklappen-Implantation. Das heißt: Dein Herzchen schlägt bei dem Eingriff weiter.«

Oma Maria: »Wirklich? Und wie?«

Anja: »Du bekommst einen Katheter, also, es wird ein dünner Schlauch in die Schlagader in der Leistengegend eingesetzt. Und im Schlauch ist ein Draht, und an dessen Spitze sitzt der Stent mit einer zusammengefalteten Herzklappe aus dem Klappengewebe eines Schweines.«

Oma Maria: »Interessant. Und das Schweinchen leiht mir dann sein Herz?«

Anja: »Ich hoffe, es ist ein Geschenk. Du willst es ja nicht wieder zurückgeben, oder?«

Oma Maria: »Und das schlägt dann einfach für mich weiter?«

Anja: »Ja, der Stent wird bis zu deiner defekten Aortenklappe geschoben und dort entfaltet. Dadurch drückt die neue Herzklappe deine alte beiseite und läuft weiter – im Schweinsgalopp!«

Oma Maria: »Hihi, dann passt es ja zu mir. Und wie lange dauert das?«

Anja: »Nicht lange, Oma. Mit Vollnarkose nur eine Stunde.«

Und das haben wir nun hinter uns.

Ich sitze nach der OP an ihrem Bett auf der Wachstation. Sie sieht wirklich hundeelend aus. Klein, eingefallen, noch ganz benommen von der Narkose und nicht richtig wach. Mir ist es ein Rätsel, wie so ein alter Mensch, der mit 100 und einem Jahr schon so viel erlebt hat, so etwas durchstehen kann.

Langsam versucht sie, die Augen zu öffnen, und man merkt, dass sie noch nicht richtig scharf sehen kann. Sie lächelt aber schon wieder, als sie mich erkennt.

Sie erholt sich sogar erstaunlich schnell und ist sehr dankbar, dass sie keine Schwindelattacken und kein schummriges Gefühl mehr in den Beinen verspürt. Nach einem Tag auf der Intensivstation wird sie für eine Woche zur Beobachtung – und Bewunderung des Personals – auf die reguläre Station verlegt. Danach darf sie für vier Wochen zur Kur nach Bad Aibling.

Oma Maria: »Ich bin so dankbar, dass ich das alles so gut überstanden habe. Da habe ich wohl noch mal Schwein gehabt!«

Anja: »Haha. Also zukünftig nur noch Hühnchen mit rotem Curry?«

Oma Maria: »Fangen wir lieber mit gelbem an. Der ist nicht so scharf.«

Und plötzlich fühle ich mich wieder wie mit 15.

Papa: »Anja, kommst du zu uns, Kaffee trinken mit Oma? Wer weiß, wie lange die Situation so stabil bleibt!«

Anja: »Also, Papa, dass du das Argument immer noch bringst. Ja, klar, ich komme sogar freiwillig – ich bin doch keine 15 mehr.«

Das Lustige an unserer Familiensituation ist, dass sich meine Eltern etliche Jahre nach ihrer Trennung beide entschieden, wieder mit ihren Müttern zusammenzuleben. Zwar unfreiwillig länger, als sie es geplant hatten, aber leicht lässt sich eine solche Beziehung nicht lösen. Aber dazu später mehr …

Nach einer kleinen Geburtstagsfeier zum 102. in der Klinik und einem ruhigen, entspannten Weihnachtsfest während der Kur schläft Oma ruhig ins neue Jahr hinüber und wünscht sich, so bald wie möglich wieder zu verreisen.

Ich frage mich, ob die Garantie hält, was sie verspricht …

JAHR: 2012 – ALTER: 102 JAHRE

Das erste Jahr nach der Garantie

Anja: »Ooooooomaaaaaaa! Früüüüüüühhhstück!«

Oma Maria: »Nur weil ich etwas älter bin, brauchst du doch nicht so zu schreien. Ich habe Ohren wie ein Luchs!«

Anja: »Ich würde eher sagen, wie ein Elefant. Was du alles hörst!«

Oma Maria: »Was gibt es denn, Anja-Spätzchen?«

Anja: »Na, Frühstück!«

Oma Maria: »Haha, ja, hören heißt nicht gleich verstehen. Das ist ein wichtiger Unterschied.«

Anja: »Weißt du, was mir immer mehr auffällt? Die meisten Menschen, die mitbekommen, wie alt du bist, fragen mich immer: ›Was ist denn ihr Geheimnis? Wie macht sie das? Wie wird man gesund so alt?‹ Ich antworte dann: ›Ihre gute Laune.‹ Aber das reicht ihnen nicht. Sie wollen es genauer wissen.«

Oma Maria: »Nur gute Laune alleine reicht ja auch nicht. Das würde bedeuten, jeder Clown kann 100 werden. Aber Spaß muss schon sein, sonst macht ja keiner mit.«

Anja: »Was ist es noch? Dein starker Wille?«

Oma Maria: »Der sicherlich auch.«

Anja: »Ach, wahrscheinlich sind es so viele Dinge, die da glücklich zusammengekommen sind.«

Oma Maria: »Bleibst du denn heute Nacht bei uns?«

Anja: »Ja, kann ich gerne machen, aber bitte nicht zum Rummikub-Spielen!«

Oma Maria: »Pro Spiel ein Geheimnis.«

Anja: »Das ist Erpressung.«

Oma Maria: »Jetzt setz dich erst mal an den Tisch. Magst du auch Kaffee?«

Anja: »Oma, deinen Tiefschwarz-wie-die-Nacht-und-geschmackvoll-wie-das-volle-Leben-Kaffee darfst du gerne selber trinken. Damit kannst du Tote wecken!«

Oma Maria: »Hihi, vielleicht bin ich deswegen nicht kleinzukriegen.«

Anja: »Ich bekomme davon auf der Stelle Herzrasen. In deinem Kaffee kann der Löffel von alleine stehen. Mir ist schleierhaft, wie du damit so gesund alt werden konntest.«

Oma Maria: »Den trinke ich schon so, seit ich in die Lehre gegangen bin. Immer mit zwei Stück Zucker, beziehungsweise seit Mitte der 90er Jahre mit Süßstoff. Ich weiß noch genau: Damals gab es eine große Diskussion darüber, ob Süßstoff krebserregend sei oder nicht. Na, ich bin wohl ein gutes Beispiel für ›Nein, ist er nicht‹!«

Anja: »Bei uns in der Familie ist noch keiner an Krebs gestorben, oder?«

Oma Maria: »Stimmt. Meine Mutter ist mit 99 Jahren einfach eingeschlafen. Kurz vor ihrem 100.!«

Anja: »Wobei? Hatte Uroma Töller nicht Hautkrebs?«

Oma Maria: »Ja, aber der war positiv, und in dem Alter stirbt man davon eh nicht mehr. Der Wachstumsprozess läuft ja viel langsamer ab.«

Anja: »Ich finde, bei dir ist irgendwie nix langsamer. Und woran ist noch mal deine ältere Schwester Hede gestorben?«

Oma Maria: »Ihr Herz wollte mit 92 nicht mehr. Reicht ja auch.«

Anja: »Haha, das sagst gerade du.«

Oma Maria: »Dass ich sie um mehr als 10 Jahre überlebe, hätte ich auch nicht gedacht. Dabei war sie immer die Stärkere von uns beiden. Nur mein Vater starb mit 80.«

Anja: »Findest du nicht auch, dass es nebensächlich ist, wann man stirbt? Du bist ja dann sowieso weg. Was könntest du daran noch ändern? Hauptsache, man leidet nicht.«

Oma Maria: »Natürlich wünsche ich mir, wenn ich nicht mehr möchte, einfach einzuschlafen. Aber noch fühle ich mich jung und seit der OP auch wieder viel kräftiger.«

Anja: »Du weißt aber schon, dass auch du irgendwann mal gehen musst?«

Oma Maria: »Alles zu seiner Zeit. Und ganz so nebensächlich ist der Zeitpunkt auch nicht. Ich würde schon gerne sehen, dass du heiratest und Kinder bekommst. Das wäre doch zu schön.«

Anja: »Oma, mach mir keinen Druck!«

Oma Maria: »Also, ich hab Zeit …«

Ich schenke ihr eine zweite Tasse Kaffee ein. Jeden Morgen müssen es zwei sein. Pechschwarz.

Anja: »Haha. Schöne Einstellung in deinem Alter. Also, was würdest du sagen, ist dein persönliches Altersgeheimnis?«

Oma Maria: »Wahrscheinlich, dass ich dem Alter nie eine Bedeutung beigemessen habe. Egal, was passierte. Einfach aufstehen und immer weitergehen. Gibt es nicht diesen Spruch?«

Anja: »Meinst du: ›Hinfallen, aufstehen, Krönchen richten, weitergehen‹?«

Oma Maria: »Ja, genau. Es geht doch auch immer irgendwie weiter. Warum sich also Sorgen machen?«

Anja: »Weil die Leute denken, es geht vielleicht schlechter weiter.«

Oma Maria: »Um das feststellen zu können, müssen sie trotzdem weitermachen. Das musste ich auch nach der OP. Und danach war ich viel stabiler als zu Beginn meines Lebens. Als Baby war ich nämlich kleiner, zarter und viel zierlicher als die anderen Kinder.«

Miez mag keine Kuhmilch

Oma Maria: »Gibst du mir bitte mal die Butter? Ach, dazu fällt mir auch eine schöne Geschichte ein.«

Anja: »Jetzt bleib bitte bei deiner Geburt.«

Oma Maria: »Meine Geburt? Also, daran kann ich mich nicht mehr erinnern …«

Anja: »Das ist mir schon klar.«

Oma Maria: »Ich hatte Glück und kam in einem milden Winter am 19. Dezember 1909 um 2:30 Uhr in Essen-West zur Welt. Ich war eine problemlose Hausgeburt, was zu damaligen Zeiten üblich war. Ich war wieder ein Mädchen, aber das störte meine Eltern nicht.«

Anja: »Warum auch.«

Oma Maria: »Na ja, ein Stammhalter war damals schon sehr gerne gesehen. Hedwig war zwei Jahre früher drei Bushaltestellen entfernt als kräftiges Baby zur Welt gekommen. Ich war eher ein kleines Bündel.«

Anja: »Warte mal! Damit bist du Sternzeichen Schütze, und ich googel mal kurz Aszendent Waage.«

Oma Maria: »Hört sich für mich jetzt nicht nach einem Problem an. Dem Schützen wird doch nachgesagt, er verschießt seine Pfeile gerne und jagt ihnen dann hinterher.«

Anja: »Richtig. Nicht das Ziel ist entscheidend, sondern der Weg. Er reist gerne und wird ungern angebunden. Zusammen mit der Ausgeglichenheit der Waage …«

Oma Maria: »… könnte man sagen, die Sterne standen günstig für mich.«

Anja: »Aha, deswegen bist du auch Single.«

Oma Maria: »Haha. Na, dich möchte ich in meinem Alter sehen.«

Anja: »Das wäre zu schön. Haha.«

Oma Maria: »Sagen wir, ich bin eine schuldig geschiedene Witwe.«

Anja: »Wieso schuldig geschieden?«

Oma Maria: »Ich war nach deinem Opa noch mal verheiratet.«

Anja: »Was? Davon wusste ich ja gar nichts!«

Oma Maria: »War auch nur ganz, ganz kurz. Sich als Frau damals scheiden zu lassen, war nicht einfach. Da war man schon schuldig, wenn man nur die Trennung wollte, obwohl man nichts gemacht hat. Manchmal verändern sich eben die Lebensumstände. Das kann man vorher nicht wissen.«

Anja: »Jetzt bin ich aber platt. Und ich dachte, dein Leben bestand nur aus Reisen.«

Oma Maria: »Na, ich hatte schon auch noch ein Leben voher. Und als du auf die Welt kamst, war ich da nicht schon 70?«

Anja: »Für mich warst du gefühlt alterslos und nur unterwegs.«

Oma Maria: »Ja, stimmt. Apropos unterwegs: Wann fahren wir denn endlich mal wieder weg?«

Anja: »Bald. Und warum heißt du Maria?«

Plötzlich kommt Papa in die Küche, um sich nur schnell etwas zum Essen aus dem Kühlschrank zu nehmen. Aber so läuft das nicht bei Oma. Sie hat am liebsten immer alle um sich herum.

Oma Maria: »Ach, Jochen, komm, setz dich doch zu uns. Willst du auch einen Kaffee?«

Papa: »Von deinem Kaffee? Nee, danke, Mutter, dann kann ich heute Abend nicht mehr schlafen.«

Oma Maria: »Ihr haltet ja beide nix aus …«

Oma Maria: »Mich haben sie früher immer Miez gerufen, denn irgendwie hießen alle Maria.«

Anja: »Miez find ich süß. Soll ich dich jetzt Oma Miez rufen?«

Oma Maria: »Also, besser als dieses ›Ooooma‹ klingt das schon.«

Anja: »Also, dafür kann ich aber nix. Du hast dich doch als ›Oma‹ bei mir vorgestellt.«

Oma Maria: »Ja, aber wenn ich so darüber nachdenke, klingt das zu alt für mich.«

Anja: »Ob ich mich jetzt noch umgewöhnen kann?«

Oma Maria: »Du hast doch eh noch eine Oma.«

Anja: »Ja, aber die rufe ich Omma!«

Oma Maria: »Sogar meine Mutter heißt Maria. Maria Töller. Der Name Maria war den Menschen heilig wie der Glaube auch.«

Anja: »Ach, Uroma Töller war so lieb. Wo kommt Uroma eigentlich her?«

Oma Maria: »Also, ›Uroma‹ klingt ja noch fürchterlicher!«

Papa: »Sie hört es ja nicht mehr.«

Oma Maria: »Aus Bad Bertrich. Das liegt im fröhlichen Rheinland, nahe Koblenz. Das war damals schon eine bekannte Bade- und Heilstätte.«

Anja: »Aus dem Rheinland … Deswegen trinkst du auch so gerne Wein.«

Oma Maria: »Ach, ein Schlückchen in Ehren …«

Papa: »Alexander von Humboldt hat übrigens damals in Bad Bertrich vergleichende Wasseranalysen in Auftrag gegeben, und damit wurde der Kurort das ›milde Karlsbad‹ genannt.«

Oma Maria: »Ich glaube, das Hotel meiner Großeltern steht sogar heute noch …«

Anja: »Das würde ich gerne mal sehen.«

Oma Maria: »Ich weiß noch, dass Opa Rosen gezüchtet hat, die im ganzen Dorf bewundert wurden. Als ich eines Tages zu Besuch kam, meinte er: ›Miez, komm her, das ist eine Sorte, die hab ich nur für dich gezüchtet!‹ Die Rosen dufteten herrlich. Und anschließend musste ich dann – wie bei jedem Besuch – frische Kuhmilch trinken. Uuuuh, das war nicht so lecker. Hede ist vor der Milch davongelaufen, aber Großmutter meinte immer: ›Miez, du bist so ein kleiner, schmaler und schmächtiger Spatz. Dir tut die Kuhmilch sicher gut.‹ Großmutter mochte ich schon sehr; deshalb wollte ich sie nicht enttäuschen. In der einen Hand die Rose vom Opa und in der anderen die Milch von der Oma. Ich fühlte mich reichlich beschenkt.«

Anja: »Was ist denn deine früheste Erinnerung aus deiner Kindheit?«

Oma Maria: »Da fällt mir spontan meine Lieblingstante ein. Die durfte damals als Einzige schon eine Lehre machen.«

Anja: »Wieso durfte?«

Oma Maria: »Das war nicht wie heute, dass man dafür Geld bekam, sondern die Eltern mussten Lehrgeld bezahlen, dass das Kind unterrichtet und gelehrt wurde. Sie hat Putzmacherin gelernt.«

Anja: »Was guckste mich so an? Meinste, ich weiß nicht, was eine Putzmacherin ist?«

Oma Maria: »Weißt du es denn?«

Anja: »Eine Hutmacherin!«

Oma Maria: »Richtig. Dank ihr hatten wir schicke Kopfbedeckungen, genauso wie sie wunderbar Kleider nähen konnte. Sie hat sich um die modische Eleganz bemüht, aber sie konnte schlecht verlieren. Mensch ärgere dich nicht war mit ihr alles andere als elegant. Ja, ich sehe sie und die feschen Hüte, da war ich wohl so vier Jahre alt.«

Kurze Pause.

Oma Maria: »Ich habe wohl doch zu wenig von der Kuhmilch getrunken, deswegen bin ich auch so klein geblieben. Mehr als 1 Meter 63 habe ich nicht geschafft! In meiner Kindheit hatten immer alle Mitleid mit mir.«

Anja: »Die Durchschnittsgröße liegt heute bei 1 Meter 64. Damit bist du doch nicht klein!«

Oma Maria: »Je nachdem, wer dich betrachtet. Und mit Schuhgröße 40 bin ich definitiv nicht richtig zusammengebastelt.«

Anja: »Und was hast du noch gemacht, außer Kuhmilch zu trinken?«

Oma Maria: »Mein Onkel hatte zwei Schimmel und eine Kutsche. Das war toll. Er hatte eine Art Taxiunternehmen im Dorf, da es ja noch keine Autos gab. Damit hat er auch die Kurgäste von der Bahn im Nachbardorf abgeholt. Waren wir begeistert, wenn wir da mal mitfahren durften.«

Anja: »Keine Autos! Das ist unvorstellbar für mich. Mensch, musstet ihr viel laufen.«

Oma Maria: »Das waren wunderschöne Jahre bei meinen Großeltern. Leider ist meine Großmutter nicht alt geworden, nur 76. Aber mein Großvater wurde 92.«

Anja: »Wenn man acht Kinder zur Welt bringt, ist man ja auch ganz schön ausgelaugt.«

Oma Maria: »Ach ja, jetzt fällt’s mir wieder ein. Meine erste Erinnerung war die ans Christkind. Gespielt von meiner Cousine. Steht sie da, hell leuchtend am Christbaum.«

Papa: »Bist du sicher? Ich glaube eher, der Christbaum hat geleuchtet, nicht sie.«

Oma Maria: »Haha! Irgendwie hat alles geglitzert, und ich habe wirklich geglaubt, sie ist das Christkind. Eine schöne Erinnerung. Überhaupt, in so viel Natur und frischer Luft war meine Kindheit schon sehr unbeschwert, und ich fühlte mich sehr geliebt. In so einer großen Familie ist immer was los. Es gibt ständig was zu tun. Im Sommer war für den Hotelbetrieb jede helfende Hand gern gesehen. Auch lauschte man gerne den Geschichten der Gäste, die aus so unterschiedlichen Teilen Deutschlands kamen. Dadurch war das Dorf auch nie ein in sich verschlossenes Gebiet, sondern offen für die ganze Welt. Und dabei wusste ich damals noch gar nicht, wie groß die Welt wirklich ist. Außerdem war ich glücklich, an der Grotte zu spielen, im Ueßbach zu plantschen und mich zu bewegen.«

Anja: »Da sieht man mal wieder: Den Bewegungsdrang hattest du schon von klein auf.«

Oma Maria: »Ja, manches wird einem schon in die Wiege gelegt.«

Anja: »Wie haben sich denn deine Eltern kennengelernt, wenn dein Vater aus Düsseldorf kam?«

Oma Maria: »Im Winter blieben die Kurgäste aus, und die Mädchen aus dem Dorf, also auch meine Mutter, gingen als Hausmädchen in die Stadt nach Düsseldorf. Bei einem gemeinsamen Kaffeetrinken mit einer Freundin wurden sie einander vorgestellt. Mein Vater war sofort ganz hin und weg von dem Mädchen vom Lande.«

Anja: »Oh! Liebe auf den ersten Blick! Das ist ja süß!«

Oma Maria: »Dein Opa war zehn Jahre älter als sie und vom Schlosser zum Büroleiter aufgestiegen. Er suchte ein Mädchen, das gut einen Haushalt führen konnte. Das Problem war nur, Jakob war schon offiziell verlobt.«

Papa: »Ach, das hat man mir nicht mitgeteilt.«

Oma Maria: »Mein Vater wollte seine Verlobte eh nicht, und die ihn auch nicht. Nachdem er sich von dieser Vereinbarung glücklicherweise lösen konnte, musste er noch mindestens zwei Jahre um die Hand meiner Mutter werben. Aber er hat einen sehr guten Eindruck bei den Geschwistern hinterlassen, nur fanden sie ihn ein bisschen zu klein.«

Anja: »Von wegen zu wenig Kuhmilch! Du kommst nach deinem Vater!«

Oma zieht ein Album mit alten Fotos heraus.

Anja: »Deine Mutter hat ja ein schwarzes Kleid an! Ist das wirklich das Hochzeitsfoto?«

Oma Maria: »Es wurde damals selbstverständlich in Schwarz geheiratet. Das kam durch den Einfluss des streng katholischen spanischen Königshofes, und Schwarz wurde von allen Gesellschaftsschichten getragen. Damit wirkte man zum einen sehr christlich, was damals wichtig war, weil die Religion einen viel höheren Stellenwert hatte, als es heute der Fall ist. Und man konnte die Kleider auch noch zu vielen anderen Anlässen tragen – zumal sie leichter sauber zu halten waren.«

Anja: »Und Schwarz macht schlank!«

Oma Maria: »Haha. Also, das Problem gab’s damals noch nicht.«

Wasser lassen

Anja: »Oma, musstest du nicht zur Toilette?«

Oma Maria: »Nee, hab die Beine übereinandergeschlagen, geschlossen für heute.«

Der Hahn im Korb

Möchten Sie gerne weiterlesen? Dann laden Sie jetzt das E-Book.