Oscar und die Schwarzen Prinzen - Sabine Lippert - E-Book

Oscar und die Schwarzen Prinzen E-Book

Sabine Lippert

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Beschreibung

Ex-Zirkuslöwe Oscar begegnet im Lichtland der Löwen den mysteriösen Schwarzen Prinzen. Das zieht natürlich eine Menge Abenteuer nach sich, vor allem aber eine bedeutsame Mission, bei der es viel zu lernen gibt - und wobei auch Oscars engste Freunde nicht fehlen dürfen.

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Seitenzahl: 319

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Einstmals lebte auf der Erde ein berühmter Zirkuslöwe namens Oscar. Berühmt geworden war er weniger durch seine Zirkus-Kunststücke als vielmehr durch seine geradezu spektakuläre Flucht, die ihn durch viele Länder führte – bis er nach unsagbaren Strapazen Löwenland erreichte.

Unter den Menschen ahnte keiner, dass ihm solch Abenteuer vor allem mit Hilfe seiner Gefährtin Emma geglückt war. Nachdem die Löwin gleich zu Beginn ihres Entweichens in die Freiheit durch den Zusammenprall mit einem Auto tödlich verunglückt war, blieb sie als Schattenwesen treu an Oscars Seite. In dieser Eigenschaft vermochte sie ihm durch mannigfache Gefahren zu helfen. Oscars wahrhaft todesmutiger Sprung vom hohen Affenfelsen sowie seine Durchquerung der nahen Meerenge zwischen den Kontinenten wäre ohne Emmas tatkräftige Assistenz niemals geglückt! Während die Menschen sich noch viele Zeitalter ernsthaft fragten, wie ein Löwe solch einen Wahnsinns-Sprung mitsamt Schwimmrekord bloß überleben konnte, amüsierte man sich darüber im Lichtland der Vierbeiner köstlich.

Glaubten die Menschen nicht eigentlich, dem Tierreich haushoch überlegen zu sein? Zuweilen traf das wohl nicht zu...

Im Lichtland der Löwen wurden Oscar und Emma als Helden gefeiert. Ihre Erlebnisse wurden eingespeist in den reichen Fundus der Löwen-Historie. Nicht allein die Löwen, sondern sämtliche Tierspezies besaßen ihre eigene Mythologie und Geschichtstradition.

Natürlich rühmte sich das Löwengeschlecht einer besonders illustren Tradition. Oft kam man in den Sippen zusammen, um sich „alte Schnurren“ zu erzählen – von den eigenen Vorfahren oder den Heldentaten der größten Löwen. Ein schier unerschöpflicher Schatz wurde da aufgetischt. Darunter freilich manches, das einem gewissen Lügenbaron alle Ehre gemacht hätte...

So behauptete zum Beispiel der Löwe Whooper – einer von Oscars besten Freunden – , sein Ur-Opa wäre einmal in einen Sumpf geraten und von diesem fast verschlungen worden, hätte er sich nicht am eigenen Schwanz raus gezogen!

Köstlich fand man das. Vor allem mauserte sich Whooper zum größten „Märchenerzähler“, da sein Stoff bei den Halbwüchsigen verdammt gut ankam. Allerdings war so mancher auf Whoopers Popularität neidisch. Darunter ein besonders eitler Zoolöwe a. D. namens Alex. Der ließ verlauten, Whooper blähe sich mit solchem Nonsense nur auf, weil er zu Lebzeiten ein derart ödes Dasein gefristet hatte, eingesperrt in einem No-Name-Tierpark in der Provinz, verköstigt von Zweibeinern!

Alex bekam Rückendeckung von keinem Geringeren als Oscars einstigem Nachfolger Leonardo, dem weißen Löwen.

Wie das Oscars Kamm schwellen ließ, während es den phlegmatischen Whooper kaum rührte.

„Willst du dir das bieten lassen?!“, suchte Oscar den Freund aufzurütteln. „Ich würde vorschlagen, dass du dir diesen albernen Popanz Alex vornimmst und ich den weißen Angeber...“

Whooper grunzte nur. „Ach, weißt du, das Großmaul aus dem Großstadt-Zoo puste ich mit links zu den Wolken. Für so was tu ich mir doch keinen Stress an. Und dir rate ich, von weißen Löwen die Finger zu lassen. Die haben eine besondere Abstammung. Eine göttliche, wie man munkelt.

Einige sitzen sogar in unserem Hohen Rat...“

„Und wenn – da mach ich mir gar nichts draus!“, versetzte Oscar keck. „Sollte Leonardo noch mal Häme auskotzen, dann fetzt es was!“

Im Lichtlöwenreich gab es den Hohen Rat, in den die weisesten Löwen-Wesen gewählt wurden. Er bestand immer aus 99 Mitgliedern. In regelmäßigen Abständen wählten diese neue Kandidaten aus, um ihnen ihren Platz anzubieten.

Frauen wie Männer waren gleichberechtigt. Bei der letzten Neubestückung war Oscars zweiter bester Freund Sultan in den Hohen Rat nachgerückt. Verdientermaßen, wie Oscar, Emma und ihre Gefährten fanden. Sultan war so erfahren und verständig wie kaum ein Löwe sonst.

Der Hohe Rat der Löwen wurde sogar gelegentlich von Wesen aus dem Lichtreich der Zweibeiner aufgesucht.

Umgekehrt besuchten Löwen-Wesen den Hohen Rat im benachbarten Lichtreich der einstigen Menschen. Dies geschah, um die gegenseitige Weiterentwicklung voranzutreiben. Jede Tiergattung hatte ihren eigenen Hohen Rat – vom Elefanten bis zur Eidechse. Auch von ihnen begaben sich Abgesandte ins menschliche Lichtreich, zur Weiterbildung.

Eines Tages sprach sich unter den Lichtlöwen herum, dass aus dem Lichtreich der Zweibeiner mal wieder welche bei ihrem Hohen Rat weilten. Wie sich die Löwen da geschmeichelt fühlten! Oscar und seine Freunde waren gespannt, was ihnen Sultan von dieser Zusammenkunft berichten würde.

Als jener dann bei ihnen auftauchte, schien er in sehr ernster Stimmung.

„Im Lichtreich der Menschen macht man sich große Sorgen um das, was derzeit so auf der Erde vor sich geht.“, hob er an. „Immer mehr ausgeplündert wird die schöne Wohnkugel durch Habgier und Ignoranz. Immer mehr von unseresgleichen, ob zu Lande, zu Wasser oder geflügelt, verlieren ihren Lebensraum. Viele gibt es schon gar nicht mehr. Seen, Flüsse und Meere sind verschmutzt. Böden werden ausgebeutet und vermüllt, die Luft immer schlechter und giftiger...“

„Doch welche Abhilfe könnte da das Löwenreich schaffen?“, legte Emma den Kopf schief. „Wenn noch nicht mal der Hohe Rat der Zweibeiner Abhilfe weiß...“

Sultan schmunzelte. „Seit jeher besaßen die Menschen für uns Löwen eine außerordentliche Verehrung. Auch wenn sie uns jagen oder für Spaß missbrauchen. Im Grunde genommen mögen sie ohne uns nicht sein...“

„Und ohne uns Dackel auch nicht!“, kläffte Sergeant Pepper vorlaut.

„Welche Wunder erwartet man nun von uns?“, horchte Oscar. „Wo wir doch nur halbwegs kapieren, wie man Räderwagen fährt...“

„Wir werden das im Hohen Rat erörtern.“, sprach Sultan.

„Mal sehen, was dabei rauskommt.“

„Die Löwen müssen wieder mehr an Zahl werden und die Menschen Respekt lehren.“, überlegte Emma.

„Alle Tiere müssten mehr werden, um die Wohnkugel zu retten.“, ergänzte Meerkatze Bibo. „Vor allem müssten sie mal mehr zusammenhalten, anstatt sich gegenseitig zu fressen!“

„Wahr gesprochen!“, lobte Oscar. „Doch erst mal freuen wir uns auf die Parade...“

Diese Parade fand regelmäßig statt, als Highlight für die Bewohner von Löwen-Lichtland. Auf einer endlos scheinenden Ebene marschierten sämtliche Löwen-Clans auf, angeführt von prächtigen Alpha-Männchen. Ein tolles Spektakel. Bei anschließenden Wettkämpfen maßen Jung und Alt ihre Kräfte. Erst recht war für Unterhaltung der Kleinen und Jugendlichen gesorgt. Diese waren aus ihrem Erdenleben aufgrund von Krankheit oder gewaltsamem Tod früh abberufen worden. Hier im Lichtreich wurden sie von fürsorglichen Familien aufgenommen. Spielkameraden fanden sie in Hülle und Fülle.

Beaufsichtigt wurde die Parade vom Hohen Rat. Welch beeindruckende Vielfalt! Von den anderen Tierwesen kamen, ob eingeladen oder aus eigenem Ansporn, viele Gäste, um Schaukämpfe, sportliche Höchstleistungen und lustige Einlagen zu bestaunen. Anwesende Geparden belächelten freilich löwische Geschwindigkeitsrekorde.

Leoparden spotteten über löwische Kletterkünste. Giraffen und Zebras grasten entspannt, da das Spiel Beute/Jäger hier ausgedient hatte. Eine Büffelherde hatte sich gar zur Verfügung gestellt, um tollkühne Junglöwen zum Rodeo auf ihrem Rücken aufzufordern. Wer es schaffte, am längsten oben zu bleiben, wurde als Champion gefeiert.

Dieser Herausforderung stellten sich Oscar und Emma.

Letztere war es, die den ersten Preis einheimste. Jubel unter den weiblichen Fans.

„Eigentlich seid ihr Büffel echt nette Kumpels!“, lachte Oscar, der nicht genug kriegte, an den Hörnern kapitaler Bullen zu turnen. „Mit euch könnte man glatt im Zirkus auftreten!“

„Das ist das Stichwort, Alter!“, schlug Bibo neben ihm Purzelbäume. Als die Büffel abgetreten waren, kaperten Oscar, Emma und die Meerkatze die Arena, um Best of aus Cesares Zirkusprogramm darzubieten. Wer da nicht beeindruckt war, dem war auch nicht zu helfen...

Die Konkurrenz schlief allerdings nicht, da ihre Rivalen Alex und Leonardo unmittelbar nach ihnen eine tolle Performance hinlegten, die Oscars Mähne glatt gelb vor Neid färbte!

„Der Alex kann echt irre tanzen!“, staunte sich Bibo die Kulleraugen aus dem Kopf. „Ganz ehrlich, Oscar, da kommt unsereins nicht mit!“

„Der tanzt wie in den verrückten Filmen, die mein Herrchen immer geguckt hat.“, überlegte Sergeant Pepper. „Dirty Dancing, oder wie die hießen...“

„Bloß Gehampel gegen einen anständigen Tango!“, stänkerte Oscar. „Wäre Gina hier, würden wir einen Tango darbieten, den edelsten aller Tänze!“

Emma hatte sich an ihn geschmiegt. „Wieso probieren wir es nicht mal?“

Verlegen kratzte sich ihr Gefährte unterm Maul. „So sicher, wie Gina mich geführt hat, ob du das hinkriegst...“

Ihre Augen blitzten. Wehe, wenn eine Löwendame beleidigt ist... Schnurstracks begab sie sich zu keinem Geringeren als dem weißen Leonardo.

„Gina hat auch dir Tango beigebracht, oder?“

Arrogant blinzelte Leonardo auf sie nieder. „Tango würde ich nur mit Gina tanzen!“

Mit diesem Korb wollte sich die Löwin gerade ganz aus der Parade stehlen, als auf einmal der smarte Alex zu ihr aufschloss.

„So was Altmodisches wie Tango habt ihr gelernt? Was für ein Popel-Zirkus war das denn? Lust auf ne Runde Rock'n Roll?“

Bevor sie noch begriff, hatte Alex sie bereits durch die Luft gewirbelt, Rock, Rock, Rock around the Clock brüllend.

Als sie wieder auf allen Vieren stand, drehte sich alles. Im wirklichen Leben hätte sie wahrscheinlich gekotzt.

„Und nochmal zum dran Gewöhnen!“, war Alex in Fahrt gekommen, Emma neuerlich herum wirbelnd wie ein Stück Beute.

Bis Oscar dazwischen brauste. „Schluss damit, meine Freundin rum zu schmeißen! Such dir dafür ne Äffin!“

„Meine Güte, wer wird denn da gleich vor Eifersucht bersten!“, amüsierte sich Alex.

„Hast du kein eigenes Schätzchen??“, baute sich Oscar vor ihm auf.

„Klar – meine Schneeleopardin! Bloß steht die nicht so auf heiße Rhythmen.“ Suchend drehte sich Alex im Kreis.

„Hallo, Süße, wo steckste denn?“

„Scheint sich eifersüchtig davongemacht zu haben!“, ätzte Oscar.

„Dafür seh ich da hinten meine drei besten Freunde,“ winkte Alex' Pratze. „Stell ich euch gerne vor.“

„Ne Giraffe – sehr witzig!“, stöhnte Oscar, bereits frustig, weil es einfach nicht gelang, diesen Alex zu provozieren.

„Warum keine Giraffe?“, lachte Alex. „Mitsamt Zebra und Flusspferd...“

„Das sind deine Freunde?“, wunderte sich Emma. „So was war doch zu unseren Lebzeiten eher Beute.“

„Na ja, Zoolöwen haben ne andere Wahrnehmung!“,

zwinkerte Alex. „Wir wurden ein verschworenes Team, seit wir alle Vier mal aus unserem Zoo in Manhattan ausbrachen.“

Worauf sich in Oscar prompt ein Schalter umlegte; umgehend wurde sein Ausdruck versöhnlicher.

„Ausgebrochen aus der Tyrannei der Menschen?

Willkommen im Club!“

„Und dann noch auf einer so was von geilen Insel Madagaskar gestrandet!“, prahlte Alex. „Boah digga, was uns da geboten wurde!“

„Wir müssen uns echt mal zusammensetzen, um unsere Abenteuer auszutauschen!“, bot Oscar enthusiastisch an.

Emma tat einen stummen Seufzer. Wieder mal hatten sich zwei gefunden...

„Wir können gern noch ne Runde Rock tanzen.“,

umschmeichelte sie plötzlich Alex.

Wogegen Oscar nun rein gar nichts mehr hatte. „Und nach der Parade, da kommst du mit deinen Freunden zu uns.

Wenn Leonardo nichts Besseres einfällt, kann er sich anschließen.“

„So wird’s gemacht!“, reckte Alex seine Pfote hoch, bevor er Emma noch ein paar Rock-n'Roll-Schwünge beibrachte.

Trotz der nahezu unüberschaubaren Menge an Löwen gab es eine kleine Gruppe, welche auffiel: Es handelte sich um vier enorm große Kater, deren Körper mitsamt Mähnen fast pechschwarz glänzten; mit Ausnahme der silberfarbenen Schwanzspitze sowie silbrig glänzenden Augenbrauen, -lidern und Barthaaren. Ihr Brüllen schien ganz Lichtland zu erschüttern.

„Wer ist diese coole Gang?“, staunte Oscar. „Guckt euch nur die Weiber an, wie deren Blicke die umschmachten!“

„Nicht meine Typen.“, bemerkte Emma lässig. „An denen strotzt alles vor Überheblichkeit...“

„Eben. Mit einem von denen würd ich mich gern mal fetzen.“, spekulierte Oscar. „Um meine Grenzen zu testen...“

„Und wir können dich dann hinterher wieder zusammensetzen.“, kommentierte Bibo.

„Denen eilt kein guter Ruf voraus.“, warnte Whooper.

„Deshalb überleg dir das, Freund. Wenn du einen von denen herausforderst, hängen dir die anderen schon hinten am Sack!“

„Dann häng ich denen an ihren Achillessehnen.“, prahlte der Dackel Sergeant Pepper.

„Und ich halte ihnen die Nasenlöcher zu!“, sekundierte Bibo.

Zu beider Enttäuschung machte Oscar dann doch lieber einen Rückzieher. Kurz besprach sich die Meerkatze mit dem Dackel – und schwupp, waren beide frechen Winzlinge schon unterwegs zu dem imposanten Vierer-Gespann, um ihrem Übermut freien Lauf zu lassen.

„Hasta la vista, ihr Couch Potatoes!“, kläffte Sergeant Pepper.

„Salute, ihr Crackpots!“, schlug Bibo vor den Kolossen Saltos.

„Je kleiner, desto frecher!“, raufte sich Whooper die Mähne.

Gleich darauf waren die beiden jedoch wieder zurück von ihrer tollkühnen Tour.

„Die gucken nur doof auf uns runter, die Super-Kerle!“

Whooper lachte erleichtert auf. „Seid froh drum! Über so was stehen die haushoch!“

Oscar seinerseits schaute dem Quartett irgendwie beeindruckt nach. Die redeten offenbar mit kaum einem auf der Parade. Wie also konnte man über die mehr in Erfahrung bringen? Er wandte sich an Emma.

„Hast du nicht Lust, die mal ein wenig zu umgarnen?“

Beinahe empört blickte sie zu ihm rüber. „Meinst du, ich hätte so was nötig?“

„Ich meine nur... da du ja Rodeo-Champion bist, fühlen die sich vielleicht geschmeichelt. So ein Siegermädchen in ihrer Mitte...“

Emma kräuselte die Nase. „Nur weil du selber Muffe hast, schickst du mich vor – billiger Trick!“

Da er so nicht weiter kam, begann Oscar im übrigen Löwen-Volk Erkundigungen einzuziehen.

„Die Schwarzen Prinzen sind das.“, klärte man ihn auf.

„Und in welchem Teil von Lichtland treiben die sich gewöhnlich rum?“

„Irgendwo ganz abseits, in einem großen Höhlenhaus. Eine Sorte für sich. Die erscheinen nur zur Großen Parade, um da Bewunderung abzustauben.“

Oscar reichte das nicht. Also sprach er bei nächstbester Gelegenheit Sultan auf besagte Schwarze Prinzen an.

„Die Schwarzen Prinzen stammen aus einem Clan, der vor unvorstellbar langer Zeit auf der Erde regierte – als es noch viel mehr Tiere und kaum Menschen gab.“, führte Sultan aus. „Ein jeder dieser Vier war Herrscher über einen ganzen Erdteil, mitsamt dessen sämtlichen Bewohnern. Folglich beherrschte ihr Clan die gesamte Erdkugel...“

Oscar schluckte. Wie gut, dass sein Freund Whooper ihm von einer Kontaktaufnahme abgeraten hatte!

„Damals besaßen Löwen noch sehr viel mehr Körpergröße, als Herren über riesige Gebiete.“, fuhr Sultan fort. „Es gab auch andere überaus große Tiere, die längst ausgestorben sind. Wie gesagt, hatte der Mensch seine Wohngebiete noch nicht so ausgedehnt. Es soll sogar Menschen gegeben haben, die den Schwarzen Prinzen dienten und ihnen huldigten.“

Oscar kam aus dem Staunen nicht mehr raus. Menschen, die einst Löwen dienten! Wie weit war es mit dem stolzen Löwenvolk seitdem gekommen...

„Die Schwarzen Prinzen regierten in Wohnsitzen auf den höchsten Bergen der Erde. Ihre dunkle Fell- und Mähnenfarbe unterschied sie von gewöhnlichen Löwen-Clans. Kein Löwe konnte es mit ihnen aufnehmen. Ihr Mut und ihre Verwegenheit ist Legende!“

Nach dieser aufschlussreichen Unterhaltung ließen Oscar die Schwarzen Prinzen erst recht nicht mehr los. Mit Whooper, Emma und den anderen wurde darüber debattiert. Schließlich blitzte in Oscars klugem Köpfchen eine Idee auf...

Ein weiteres Mal wurde er bei Sultan vorstellig.

„Es ist doch die Rede, Mutter Erde sei in höchster Not und Abhilfe gefragt. Mir ist da so ein Einfall gekommen.

Hinsichtlich der Schwarzen Prinzen. Wenn nämlich ihr Clan wieder die Herrschaft auf Erden übernähme...“

Sultan furchte die Stirn. „Nur weilt meines Wissens kein lebender Vertreter ihres Clans mehr auf Erden.“

„Bist du da sicher? Und wie sieht es mit den Weißen Löwen aus? Von denen gibt’s durchaus etliche, und ihnen werden auch besondere Fähigkeiten zugeschrieben...“

„Kein Vergleich mit dem schwarzen Clan. Die waren nicht nur Großkönige, sondern gewaltiger magischer Kräfte teilhaftig! Dein Gedanke ist schon richtig: Die könnten das Menschengeschlecht gehörig Respekt lehren. Jedoch gibt es von ihrer Linie, wie gesagt, keine Abkömmlinge mehr.

Zweitens: Der Schwarze Clan hat seine Macht nicht immer im Sinne der Ewigen Gesetze ausgeübt. Vielleicht ist das der Grund, weshalb er aussterben musste.“

Oscar konnte folgen. „Allerdings ist es für mich schwer vorstellbar, dass einer die Ewigen Gesetze noch schlimmer verletzt als diese Zweibeiner...“

„Im Grunde ist es im Vergleich zur gesamten Menschenbevölkerung nur eine Minderheit sehr Mächtiger, die die ewigen Gesetze bricht. Viele Menschen sind auf einem vernünftigen Weg und immer mehr unsere Freunde.

Nur besitzen diese wenig Macht. Die Schwarzen Prinzen würden die menschlichen Machthaber mit Leichtigkeit bezwingen – doch wird zu Recht befürchtet, dass sie ihrerseits noch nicht entwickelt genug sind, sich der eigenen Macht verantwortungsvoll zu bedienen.“

„Mit einem Wort: Die würden alles schreddern, wenn man sie auf die Erde zurückließe.“

„Wir müssen gemeinsam mit allen einsichtigen wohlmeinenden Wesen nach einem anderen Weg suchen.“,

schloss Sultan.

Oscar kam dennoch von den Schwarzen Prinzen nicht los.

Einmal mehr nervte er Sultan.

„Sollte man unseren einstigen Weltherrschern nicht noch eine Chance geben? Indem du sie ein wenig schulst, Sultan.

Vor dir haben sie doch gewiss Respekt...“

Sultan schmunzelte. „So viel Respekt wie der Schakal vor dem Aas. Würde ich ihrer Linie entstammen, wäre das was anderes. Nicht mal von einem weißen Löwen ließen die sich belehren.“

„Und auf den Hohen Rat geben die auch nichts?“

„Immerhin respektieren sie uns. Sie wissen durchaus, dass ihre Macht hier begrenzt ist. Stell dir ein Feuer vor, das im Ofen flackert. Wehe, das Feuer bricht da aus...“

„Verstehe, verstehe. Ihnen muss elend langweilig sein hier.

Dazu zu lernen wäre sicher eine tolle Abwechslung. Man muss nur Lehrer finden, vor denen sie Ehrfurcht hätten.“

Sultans gestresster Blick sagte genug. Oscar sollte endlich einmal Ruhe geben damit. Also zog er sich ohne weitere Einwände zurück.

Nun wäre Oscar nicht Oscar gewesen, wenn er es darauf hätte beruhen lassen. Nach einer Weile griff er abermals in die Trickkiste und nahm seine Emma beiseite.

„Meine Liebe: Unser Sultan bzw. der Hohe Rat sendet mich mit einem besonderen Anliegen zu dir...“

Emmas Miene signalisierte, dass ihr bereits dieser Einstieg verdächtig vorkam.

„Kannst du dich mal klarer ausdrücken, bitte?“

„Es ist nämlich so, dass der Hohe Rat die vier Schwarzen Prinzen zu einer wichtigen Konferenz einladen möchte – und dich ausgewählt hat, ja dich, den Herren die Einladung zu überbringen und ihnen als Eskort-Dame zu dienen...“

Jetzt lag Emmas Haupt arg schief. „Der Hohe Rat besteht aus 99 Löwen – davon exakt die Hälfte ansehnliche Damen.

Wieso also verfallen die auf mich??“

„Weil... äh... mal jemand außerhalb des Rates die Chance haben sollte und du ohnehin schon auf der Kandidatenliste der nächsten Wahlen stehst! Auf diese Weise will man prüfen, ob du dieser Ehre würdig bist. Außerdem bist du die größte Heldin hierzulande, nachdem du mich sicher bis nach Löwenland geleitet hast!“, wand sich Oscar eloquent.

Emma wich seinen um Zärtlichkeit heischenden Tatzen aus.

„Ist es nicht vielleicht eher so, dass der Hohe Rat dich für diese anspruchsvolle Aufgabe bestimmt hat und du auskneifen willst??“

„Dem Hohen Rat erscheint die Diplomatie einer Dame da weitaus geeigneter!“, schmeichelte er.

Die Löwin kniff ein Auge zusammen. „Bei so einem wie dir muss man jedes Wort zweimal prüfen. Ich lasse mich nicht so leicht verladen wie all die Zweibeiner, denen du das Futter geklaut hast, und die sich danach gegenseitig beschuldigt haben. Deshalb frage ich bei nächster Gelegenheit bei Sultan persönlich nach, was da dran ist – und wehe...“

Oscar durchzuckte es siedend heiß. „Ich verstehe ja, dass dir davor graut, die Schwarzen Prinzen in ihrer Unterwelt ganz allein aufzusuchen. Um ehrlich zu sein, ist's eine Zumutung, was der Hohe Rat da von dir verlangt...“

Ihre Augen durchbohrten ihn. „Angeblich verlangt.“

Ehe alles rauskam und sein raffinierter Plan enthüllt wurde, musste er handeln – und zwar ganz hurtig! Nüchtern betrachtet blieb ihm nur ein Ausweg: Selber zu den Schwarzen Prinzen zu reisen. Das hatte man nun davon! Ihm würde schon ein Vorwand einfallen, seine Audienz bei ihnen zu begründen.

„Besser alles gleich hinter sich bringen!“, sagte sich Oscar und hatte sich schon in Marsch gesetzt. Tja, in welche Richtung eigentlich? Löwenland war unermesslich groß. Da blieb nur eines: Sich durchfragen.

Tatsächlich traf er den einen oder anderen, dem die Residenz der Schwarzen Prinzen kein unbekannter Ort war.

Oscar hoffte, dass er nicht ausgerechnet irgendwelche Mitglieder des Hohen Rates nach dem Weg fragte – die konnten misstrauisch werden. Also legte er sich eine Strategie zurecht. Er begründete seine Frage nach der Residenz der Schwarzen damit, dass ein unternehmungslustiges Löwenkind ausgerissen war, um die Schwarzen Prinzen zu suchen; dieses wollte er nun zurückholen.

Eine überaus hilfsbereite weiße Löwin gab ihm den Rat, auf eine Anhöhe zu klettern und dort Ausschau zu halten nach einem Gebirge, dessen Gipfel höher waren als alles sonst in Lichtland.

Auf diese Weise gelangte er nach gar nicht allzu langem Marsch an sein Ziel. Das Gebirge hatte zahlreiche Täler. In das breiteste drang er, gemäß der Anweisung der weißen Löwin, ein. Außerdem waren da überall Tiere, die ihm weiterhalfen.

„Du bist aber mutig!“, staunte ein kleiner bunter Vogel.

Eher verrückt, dachte sich Oscar. Er stockte, als sich vor ihm der riesige Schlund einer Höhle öffnete. Wenn man da rein kam, aber nicht mehr raus? Freilich gab's nun kein Zurück mehr, da die Prinzen bzw. ihre Späher ihn zweifellos längst im Visier hatten.

Steil ging's unter die Erde, in ein regelrechtes Labyrinth.

Große Fledermäuse fanden sich ein, den Ankömmling weiter zu geleiten, durch breite feuchte Felsgänge. Schließlich mündeten diese in einer beeindruckend großen Halle, von deren Decke glitzernde Spitzen herunter hingen.

Direkt vor ihm thronten die Vier, in bequemen Felsmulden.

Ganz klar hatten sie ihn bereits erwartet, doch wie ihre Laune war? Undefinierbar.

Als ihn etwas am linken Hinterlauf berührte, zuckte er regelrecht zusammen. Dicht neben ihm stand die Meerkatze Bibo. Auf ihre Kopfbewegung hin wandte er sich zur anderen Seite, wo sich der munter wedelnde Sergeant Pepper aufgebaut hatte.

'Na, dann kann ja fast nichts mehr schief gehen.',

ermutigte sich Oscar, um sich nun so respektvoll wie möglich noch ein wenig mehr den Thronen zu nähern.

„Wir sind äußerst gespannt auf den wichtigen Grund, der dich vor unser Angesicht treibt!“, sprach einer der Schwarzen Prinzen gravitätisch. Meerkatze und Dackel wurden nicht der geringsten Beachtung gewürdigt. Dabei sahen sie viel sympathischer aus als die unheimlichen Fledermäuse, die mit den Majestäten ihren Palast teilten...

Oscar wummerte das Herz gegen die Bauchdecke. Gegen die Beklommenheit ankämpfend hob er an mit der Rede, die er während seines ganzen Wegs regelrecht eingepaukt hatte:

„Edle Majestäten: Der Hohe Rat von Löwenland wendet sich in einer bedeutenden Angelegenheit an Euch. Es geht um die Erde. Dort herrschen erbärmliche Zustände. Nur eine große Macht kann dort noch Einhalt gebieten. Doch zuvor eine Frage: Gibt es von Eurem königlichen Clan auf der Erde noch Nachkommen?“

Eisiges Kopfschütteln. „Und das ist gut so. Keiner von unseresgleichen legt Wert auf solch jämmerliches Dasein, wie es die derzeitigen Löwen auf Erden führen!“

„Nicht nur die Löwen führen ein jämmerliches Dasein.“,

sprach Oscar pathetisch. „Deshalb ist sich der Löwen-Rat, in Absprache mit anderen Hohen Räten, sogar denen des Menschen-Lichtlands, einig, dass etwas geschehen muss, mit anderen Worten: Ein Eingreifen aus unseren Welten erfolgt!“

Die Prinzen tauschten stumme Blicke.

„In vielem ist das Menschengeschlecht mittlerweile zu weit gegangen.“, fuhr Oscar mit fester Stimme fort. „Eure Majestät sehen das sicher genauso. Es scheint daher an der Zeit, den Zweibeinern Grenzen zu setzen, bevor sie ihren und den Lebensraum sämtlicher Tiere vollends zuschanden gerichtet haben. Dazu bedarf es allerdings einer Macht, wie sie Euch innewohnt. Einstmals habt Ihr doch klobige Mammuts flach gelegt oder Säbelzahntiger klein gekriegt, nicht wahr? Steht Ihr nun zur Rettung der Erde bereit, über die Ihr einst so unumschränkt herrschtet?“

Die Prinzen wühlten in ihren üppigen Mähnen. „Uns wundert ziemlich... dass der Hohe Rat die Dinge so einfach sieht.

Gemäß dem Willen von Mutter und Vater Lichtlöwe, dem selbst wir Mächtigsten uns unterordnen müssen, ist es uns doch nicht gestattet, in sterbliche Belange je einzugreifen...“

„Aber einfach tatenlos zuschauen, wie die Wohnkugel verwüstet wird, das geht doch auch nicht!“, erwiderte Oscar mit einem leicht verzweifelten Unterton. „Vater und Mutter Lichtlöwe haben da sicher ein Einsehen...“

„So etwas sollte vorher abgeklärt werden, bevor der Hohe Rat alles verrückt macht!“, grummelte einer der Prinzen.

Seine Brüder nickten nachdrücklich.

„Zur Stunde klärt der Hohe Rat das ab.“, schwindelte Oscar kühn. „Im Falle, dass Vater und Mutter Lichtlöwe ihre Zustimmung geben: Stündet Ihr dann bereit?“

Der ganz links thronende Prinz leckte sich genüsslich die Pranken. „In dem Fall hätten wir gewisse Bedingungen.“

'Hätte man sich denken können!', seufzte Oscar lautlos.

'So welche stellen natürlich Bedingungen...'

„Sofern der Hohe Rat mit unseren Bedingungen einverstanden ist, werden wir uns der Aufgabe mit vollem Einsatz widmen.“ Der Sprecher gähnte, wobei seine mächtigen Reißzähne im Dämmerlicht der Halle blinkten.

„Wir möchten uns der Aufgabe so annehmen, wie es unserer Abstammung geziemt.“, ergänzte der daneben Thronende. „Halbe Sachen sind nichts für uns!“

Oscar blieb standhaft. „Könntet Ihr das näher ausführen?

Die Zweibeiner ganz von der Erde tilgen, da wird der Hohe Rat nicht mitspielen. Weil es eine ansehnliche Menge anständiger Zweibeiner gibt, denen das Treiben genauso gegen den Strich geht...“

„Und wieso schaffen die Anständigen nicht, das abzustellen, wenn sie so eine ansehnliche Menge bilden?“,

grinste einer der Prinzen ironisch.

„Weil sie zwar eine ansehnliche Menge, vielleicht sogar die Mehrheit sind, jedoch weniger gerissen und hinterlistig als die Übeltäter!“, konterte Oscar, der sich warm geredet hatte.

Damit schien er seine Gegenüber tatsächlich verlegen gemacht zu haben. Das gedachte er kühn auszunutzen.

„Der Hohe Rat mitsamt den übrigen Hohen Räten hat sich das so vorgestellt, dass... Ihr so wie strenge Papas auftreten könntet, die ihre unartigen Kinder mal richtig durchschütteln...“

Ein röhrendes Gebrüll unterbrach ihn. War das nun Gelächter oder Zorn? Oscar tippte eher auf Ersteres. Und damit lag er richtig.

„Hohoho – strenge Papas!“, lachten die Gefürchteten. „Das können wir gut! Da spielen wir mit!“

Kurz darauf waren ihre Mienen wieder steinern vor Ernst.

„Falls nun noch Vater und Mutter Lichtlöwe mitsamt dem Ewigen Gesetz mitspielen, kann das Unternehmen beginnen!“

„Wenn ich das so dem Hohen Rat melden darf, so möchte ich Eure wertvolle Zeit nicht länger beanspruchen.“, beugte Oscar ehrerbietig sein Haupt.

Feierlich neigten die Prinzen ebenfalls ihre mächtigen Häupter. „Der Hohe Rat hat mit dir als Bote übrigens eine gute Wahl getroffen. Dein Sprung vom Affenfelsen hat uns imponiert...“

Oscar glaubte, seinen Ohren nicht zu trauen. ER hatte DENEN imponiert??

„Dieser Sprung wäre ohne die Hilfe meiner Schattenfreundin Emma nie gelungen.“, winkte er bescheiden ab.

„Ich hatte auch einmal so was vor mir.“, erzählte einer der Majestäten mit warmherziger Stimme. „Auf dem Dach der Welt, meinem damaligen Herrschaftssitz, wurde ich seinerzeit von riesigen Drachen bedrängt. Um meine Sippe zu beschützen, lockte ich die Ungeheuer auf die schneebedeckten Gipfel. Da sie mir den Weg abschnitten, blieb mir nur, mich durch einen Sprung in die Tiefe zu retten. Von der dreifachen Höhe des Affenfelsens sprang ich. Dank meiner magischen Kräfte wuchsen mir aus den Schultern Flügel. Du siehst, ohne ein bisschen Magie oder Schattenfreunde wäre man manchmal aufgeschmissen...“

Oscar lauschte mit offenem Mund. Und fühlte sich plötzlich richtig heimisch dort, in der dämmrigen Halle, die er zuvor mit weichen Knien betreten hatte. Gleich darauf geleiteten ihn mitsamt Bibo und Sergeant Pepper die Fledermäuse durch das unterirdische Labyrinth wieder nach draußen.

„Die sind eigentlich richtig prima!“, platzte es aus der Meerkatze raus. „Nach dem äußeren Erscheinungsbild darf man halt nicht immer gehen!“

„Anfangs waren die schon arg gruselig!“, gab der Dackel zu.

„Meine bange Befürchtung war, dass die sich gemerkt haben, was Bibo und ich denen auf der Parade an den Kopf geworfen hatten: Couch potatoes! Crackpots! Deshalb war mir die Kehle wie zugeschnürt.“

„Ich hätte selber fast keinen Ton raus gekriegt!“, gestand Oscar. „Aber auf einmal sprudelte es aus mir wie Wasser aus der Quelle.“

Bibo kniff ihn in die Lende. „Bloß wie geht’s jetzt weiter?“

Eine durchaus berechtigte Frage. „Da hab ich ja ganz schön was losgetreten! Wenn es ganz heftig kommt, hab ich mir den Groll von Papa und Mama Lichtlöwe zugezogen! Au weia!“, lamentierte Oscar. Er hatte nämlich über allen Eifer vergessen, dass die Lichtlöwen-Eltern alles sahen – im Unterschied zum Hohen Rat.

Oscar bekam einen Anfall von Panik. „Wenn Papa und Mama Lichtlöwe mich nun rauswerfen aus unserem schönen Lichtland??“

„Begleiten wir dich!“, trösteten Bibo und Sergeant Pepper, sich des Ernstes der Lage offenbar überhaupt nicht im Klaren.

Als Oscar wieder bei seinen Freunden auftauchte, konnte er sich von Emma etwas anhören

„Wieso sagst du nicht Bescheid, wenn du dich länger fort stiehlst?“, warf sie ihm vor. „Keiner hatte eine Ahnung, wo du steckst! Sultan hat mehrmals nach dir gefragt...“

„Sultan??“

Ihre Ohren legten sich an. „Dich scheint ein schlechtes Gewissen umzutreiben, hab ich den Eindruck. Hör mal... du warst doch nicht etwa...“

„Hat Sultan gesagt, was er wollte?“

„Kein Zweifel – irgendwas hast du schon wieder ausgefressen!“, grollte Emma. „Und das hat bestimmt mit diesen Schwarzen Prinzen zu tun...“

„Die sind echt in Ordnung!“, verplapperte sich Bibo.

Emma verdrehte die Augen. „Also bei denen hast du gesteckt! Sind Whooper und Sultan dir auf einmal nicht mehr gut genug?“

„So ein Quatsch!“, versetzte ihr Oscar eine Ohrfeige. „Ich war im Auftrag des Hohen Rats bei denen!“

„Und wieso suchte Sultan dann nach dir??“

„Bei dem schau ich sofort vorbei!“, wandte sich Oscar eilfertig ab.

Bibo und Sergeant Pepper besänftigten die aufgebrachte Emma. „Gina sagte doch immer: Alles wird nicht so heiß gekocht, wie es gegessen wird... äh... umgekehrt...“

Derweil suchte sich Oscar erstmal ein diskretes Plätzchen, um über die nächsten Schritte nachzudenken. Wie er Sultan die Dinge am besten darlegte. Ihm war durchaus klar, dass ihre Freundschaft auf dem Spiel stand.

Auf einmal tauchte neben ihm eine Menschengestalt auf, jedoch von innen strahlend wie alles in Lichtland. Sie war ihm vertraut: Sultans Seelengefährtin Laila – das einst schwer kranke Mädchen, dessen kurzes Leben durch Sultans Anwesenheit ein wenig Freude hatte erfahren dürfen. Da man in Lichtland keine Krankheiten oder sonstige Beschwernisse kannte, weil es keine so dichten Körper gab wie auf Erden, führte Laila nunmehr ein glückliches Dasein, mit regelmäßigen Besuchen bei ihrem Sultan.

Oscar leckte ihr die Hände, als sie sich neben ihm niederließ. Seine Mähne liebkosend blickte sie nachdenklich auf ihn herab.

„Du scheinst mir sorgenvoll, Freund. So kennt man dich gar nicht. Magst du dich mir anvertrauen?“

„Schickt Sultan dich?“, horchte er argwöhnisch.

„Ich wollte ihm auf der Suche nach dir helfen.“, antwortete ihre sanfte Stimme. „Emma und Whooper haben auch emsig mitgesucht.“

Mit den Pranken putzte sich Oscar die Nase ab. „Ach Laila – ich hab ganz schön was angerichtet! Damit mag ich Sultan gar nicht unter die Augen treten...“

Sie legte den Kopf schief. „So schlimm?“

Schließlich redete er sich alles von der Seele.

„Da warst du wahrlich eigenmächtig!“, seufzte sie.

„Immerhin hast du es ja gut gemeint – vor allem gut mit unserer Erde, auf der wir ja mal weilten. Deshalb werden Sultan und der Hohe Rat sicher nachsichtig sein.“

„Dass ich hinter ihrem Rücken die Schwarzen Prinzen aufgewiegelt hab? Die wetzen schon ihre Krallen und freuen sich, auf der Erde aufzuräumen...“

Laila nahm seinen Kopf in beide Hände. „Wenn mich nicht alles trügt, hatte Sultan so eine Ahnung, wo es dich hingetrieben haben könnte. Weißt du – lass mich erstmal mit ihm sprechen.“

„Damit er glaubt, ich verstecke mich feige hinter dir? Nein, da muss ich selber durch...“

„Dann lass mich dich wenigstens begleiten.“, bot sie an.

„Du bist wirklich eine Liebe!“, rieb Oscar seinen Kopf an ihr.

„Wäre wenigstens die Hälfte der Zweibeiner so verständig wie du...“

Wie froh Oscar doch war, als er die Aussprache hinter sich hatte!

Mit einer Mischung aus Strenge und Bewunderung schaute Sultan ihn an. „Dein hartnäckiges Interesse an den Schwarzen Prinzen hatte mich schon hellhörig gemacht.

Dass sie dich empfangen und angehört haben – Respekt!“

„Sie waren sogar angetan von mir – ganz ehrlich!“, wölbte Oscar eitel seine Brust vor.

Sultan nickte. „Jetzt bleibt nur eines: Umgehend den Hohen Rat einberufen zu einer außerordentlichen Sitzung.

Sollten wir von Vater und Mutter Lichtlöwe keinen Einspruch hören, darfst du dich noch mal auf den Weg zu den Majestäten machen und sie zu uns einladen, um alle Einzelheiten zu besprechen.“

In einem Anflug von Stolz reckte sich Oscar in die Höhe.

„Auf zur Rettung der Erde!“

Sultan schmunzelte entspannt. „Wenn Vater und Mutter Lichtlöwe mit deiner Eigenmächtigkeit nicht einverstanden wären, hätten sie irgendwie verhindert, dass du überhaupt zu den Schwarzen Prinzen gelangst, schätze ich. Da du aber ohne Hindernisse dorthin gekommen bist, scheinen sie alles zu billigen – und sie werden schon wissen, warum...“

Oscar atmete auf. Äußerst beruhigend!

„Bin ich echt der Erste, der sich getraut hat, die in ihrer Unterwelt zu besuchen?“

Sein Freund schüttelte den Kopf. „Vom Hohen Rat waren bereits des Öfteren Gesandte bei denen. Das hatte ja auch seine Ordnung. Allerdings haben aus dem Lichtreich der Panther mal allzu Neugierige gewagt, in das Gebirge vorzudringen. Damit verletzten sie allerdings heilige Gesetze. Durch einen plötzlichen dichten Nebel, sicher von Vater und Mutter Lichtlöwe geschaffen, verloren sie die Orientierung und verirrten sich ins Reich der Bären, die sie vertrieben.“

„Aber mit so paar Panthern wären unsere Schwarzen Prinzen doch locker fertig geworden.“, brummte Oscar.

„Auch die Panther-Clans haben meisterhafte Krieger und Magier. Würde einer von uns in deren Lichtreich vordringen, gäbe es ebenfalls Mächte, die ihm das Vordringen wehren würden.“, erklärte Sultan.

Oscar überlegte kurz. „Wenn das so ist... könnten sich diese Panther-Champions doch auch nützlich machen und uns bei der Rettung der Erde helfen...“

Ungehalten schüttelte Sultan sein Haupt. „Das lass nur nicht die Schwarzen Prinzen hören! Nie würden die an der Seite von Panthern, Tigern oder Ähnlichem in irgendein Unternehmen ziehen!“

„Hätte ich bedenken müssen.“, entgegnete Oscar kleinlaut.

Einige Zeit später fand die wohl bedeutendste Tagung des Hohen Löwenrates statt – nämlich wegen seiner prominenten Gäste, der vier Schwarzen Prinzen. Es wurde erwartungsgemäß eine Marathon-Sitzung. So mancher Anwesende musste sich da arg zusammenreißen, nicht wegzudösen, da stundenlange Konzentration dem natürlichen Bedürfnis der Löwen nach langen Ruhepausen zuwiderlief. Doch hinterher hatte man ja Anspruch auf umso mehr Faulenzen...

Endlich hatte man sich zu einem für alle Seiten tragbaren Kompromiss durchgerungen: Dass nämlich die Schwarzen Prinzen autorisiert waren, in sämtlichen Erdteilen vorübergehend die Oberherrschaft wieder aufzunehmen – bis die unhaltbaren Zustände allerorts beseitigt waren und die Menschheit zu einem einigermaßen vernünftigen Status zurück gefunden hatte. Nach erfolgreicher Mission hatten die Schwarzen Prinzen, gemäß den Ewigen Gesetzen, anstandslos ins Löwen-Lichtland zurückzukehren.

„Ein Gummi-Paragraph!“, kritisierte Sergeant Pepper. „Mein Herrchen hat das immer gesagt, wenn eine Abmachung schwammig war. Die Schwarzen könnten ja behaupten, dass da noch dies oder jenes zu tun wäre oder die Menschen sich gar nicht bessern! So könnten sie sich unentbehrlich machen und am Ende dauerhaft die Erde beherrschen...“

„Du vergisst Vater und Mutter Lichtlöwe!“, gab Emma zu bedenken. „Die haben stets das letzte Wort und im Übrigen den ganzen Überblick. Ihnen können nicht mal die Schwarzen Prinzen was vormachen!“

„Übrigens wär ich schon gern dabei, wenn die auf Erden aufkreuzen.“, überlegte Oscar. „Wo die wohl mit Aufräumen anfangen...“

„Vielleicht im Zirkus Caramba!“, kicherte Bibo.

„Sehr komisch!“, stöhnte Emma.

„Sie gehen in unsere Dorfkirche und predigen erstmal – so wie du damals, Oscar!“, wedelte der Dackel. „Allerdings passen die nicht alle gleichzeitig auf unsere Kanzel...“

Emma hingegen beobachtete mit einem so merkwürdigen Gefühl, wie Oscar sich verstohlen entfernte.

In der Tat begab er sich zu Sultan – mit der Frage, ob die Schwarzen Prinzen nicht ein wenig Unterstützung bräuchten bei ihrem Unternehmen. Immerhin kannte er die menschlichen Macken in- und auswendig.

Sultan wurde natürlich stutzig. „Nun, frage sie selbst – solange sie noch hier weilen.“

Schon war Oscar unterwegs. Emma, bei der vollends sämtliche Alarmglocken schrillten, schickte Meerkatze und Dackel los, ihn mit irgendwelchem Blödsinn aufzuhalten.

„Ob du da nicht gerade die Falschen geschickt hast?“,

seufzte Whooper. „Die beiden Zwerge brennen doch darauf, sich in ein Abenteuer zu stürzen...“

Emma raufte sich die Barthaare. „Dann versuch du Oscar von Dummheiten abzuhalten, Whooper! Beeil dich schon!“

Eile war für den phlegmatischen Whooper eigentlich ein Fremdwort. Nur Emma zuliebe setzte er sich in Marsch. Da ihr das alles zu gemächlich schien, flitzte die Löwin an ihm vorbei, bevor alles verloren war. Ihren Gefährten konnte man nicht alleine lassen!

„Was ist denn das für ein Aufmarsch!“, brüllten die aufbruchsbereiten Schwarzen genervt. „Will uns etwa ganz Löwenland hinterdrein ziehen??“

„Nicht, dass einer von unsereins zu bezweifeln wagte, ihr würdet die Herausforderung alleine stemmen, und zwar mit links – doch eventuell könntet ihr den einen oder andern Tipp gebrauchen!“, hob Oscar diplomatisch an, kaum dass er zu dem Quartett aufgeschlossen hatte, Bibo und Sergeant Pepper im Gefolge.

„Du meinetwegen!“, grummelten die Majestäten.

„Und meine liebe Emma, die es an meine Seite zieht!“,

bettelte Oscar. „Ohne die bin ich nur die Hälfte wert!“

Somit schlüpfte Emma noch durch. Als Whooper anlangte, schloss sich vor ihm jedoch ein Nebelvorhang. Enttäuscht machte er kehrt. Sultan tauchte an seiner Seite auf.

„Höchster Wille. Tröste dich – durch diesen Nebel käme nicht mal der gesamte Hohe Rat. Wie wär's, wenn du uns mit deinen Märchen weiterhin unterhältst?“

Ein Trost für Whooper, wenn auch ein recht kleiner...

Von einem Augenblick zum anderen befanden sie sich bereits auf dem festen Boden von Mutter Erde – und passenderweise in Löwenland! Oscars Herz hüpfte. Eines ließ ihm jedoch keine Ruhe.

„Wäre es nicht nützlicher, erst die Sprachen der Zweibeiner zu erlernen, bevor wir sie erziehen?“, wandte er sich an die vier Hoheiten.

„Lass das mal unsere Sorge sein.“, brummten jene. „Wir machen uns jetzt erstmal zu denjenigen auf unter dem Menschenvolk, die uns Löwen seit jeher nahestanden, im Übrigen unsere Sprache verstehen und noch am meisten bei Trost sind.“

Er meinte die Stämme der Buschmänner. Da Oscar jenen zu Lebzeiten nicht begegnet war, staunte er, wie bescheiden, ja anspruchslos jene lebten, fast wie die Vierbeiner. Umso größer war ihre Gastfreundschaft. Unter ihnen gab es ausgesprochen weise Männer und Frauen, Schamanen genannt. Mit Kräutern und Pflanzen wussten sie Krankheiten zu heilen. Sie konnten auch Zukünftiges voraussagen und in den Gestirnen lesen.

Zu Oscars und Emmas Überraschung hatten diese Schamanen in ihren Träumen vorhergesehen, dass alsbald die Schwarzen Löwenprinzen der Erde ihre Aufwartung machen würden und aufregende Zeiten anbrachen. Die Schwarzen Prinzen ihrerseits überraschte das weniger.

Vielleicht, weil ihnen selber magische Kräfte innewohnten.

Ohne jegliche Schwierigkeiten verständigten sie sich mit jenen dunkelhäutigen Menschen. So, wie sich auch Sultan mit Laila hatte verständigen können. Aber diese beiden waren ja Ausnahmen gewesen...

Oscar und Emma begriffen, dass die Buschmenschen nach wie vor eine hohe Verehrung für die Löwen hegten. Von ihnen wurden sie als 'Könige aller Tiere' bezeichnet. Oder als 'Sonnenkinder'. Oder als 'Wächter der Erde'. Wenn gerade Letzteres nicht voll zutraf, in Hinblick auf den Auftrag der vier Prinzen...