Osiris Land - Wolfgang Jeschke - E-Book

Osiris Land E-Book

Wolfgang Jeschke

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Beschreibung

Nach dem Ende

Jahre, nachdem die weißen Männer im Kampf um das Horn von Afrika alles mit ihren Bomben verwüstet haben, wagt sich erstmals wieder ein Weißer ins Land der Tuareg: Jack Freyman, genannt Master Jack. Zusammen mit einem Führer und einem Kameltreiber, dem jungen Beshîr, macht er sich auf den Weg durch das zerstörte Land, in dem es kein Wasser und kein anderes Leben gibt als die grausigen Mutanten, um den Rand der bekannten Welt zu erkunden …

Die Erzählung „Osiris Land“ erscheint als exklusives eBook Only bei Heyne und umfasst ca. 70 Seiten.

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Seitenzahl: 117

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WOLFGANG JESCHKE

OSIRIS LAND

Erzählung

Das Buch

Jahre, nachdem die weißen Männer im Kampf um das Horn von Afrika alles mit ihren Bomben verwüstet haben, wagt sich erstmals wieder ein Weißer ins Land der Tuareg: Jack Freyman, genannt Master Jack. Zusammen mit einem Führer und einem Kameltreiber, dem jungen Beshîr, macht er sich auf den Weg durch das zerstörte Land, in dem es kein Wasser und kein anderes Leben gibt als die grausigen Mutanten, um den Rand der bekannten Welt zu erkunden und die alten ägyptischen Götter zu sehen …

Die Erzählung »Osiris Land« erscheint als exklusives E-Book Only zusammen mit weiteren Stories von Wolfgang Jeschke im Heyne Verlag und umfasst ca. 70 Seiten. Sie sind als Print-Ausgaben in den Sammelbänden »Der Zeiter«, »Partner fürs Leben« und »Orte der Erinnerung« im Shayol Verlag, Berlin erschienen.

Der Autor

Wolfgang Jeschke (1936-2015) war der Großmeister der deutschen Science-Fiction. Lange Jahre als Herausgeber und Lektor für den Heyne Verlag tätig, hat er vor allem auch mit seinen eigenen Romanen und Erzählungen das Bild des Genres geprägt. Jeschke wurde mehrmals mit dem renommierten Kurd Lasswitz Preis ausgezeichnet.

Von Wolfgang Jeschke sind im Wilhelm Heyne Verlag erschienen:

»Der letzte Tag der Schöpfung – Midas – Das Cusanus-Spiel« (drei Romane in einem Band) und »Dschiheads«.

Eine Übersicht aller Werke von Wolfgang Jeschke finden Sie in der Bibliografie am Ende dieses E-Books.

Überarbeitete Neuausgabe

Copyright © 2011 by Wolfgang Jeschke

Erstmals veröffentlicht in: Helmut Wenske/Wolfgang Jeschke (Hrsg.): Arcane, Heyne Verlag, München 1982

Copyright © 2015 der deutschsprachigen Ausgabe by

Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Covergestaltung: Stardust, München

Satz: Thomas Menne

ISBN 978-3-641-13603-1

Ich habe die Vergangenheit gesehen,

Ich kenne die Zukunft.

TUTENCHAMUN

1

Master Jack

It's a strange, strange world

We live in,

Master Jack …

Er kam den Schari herab, von Mittag her, aus dem Lande der Lagone und Bagirmi, und führte drei Pferde mit sich, von denen er zwei als Packtiere benutzte. Das dritte, eine kleine braune Stute mit weißen Blessen und samtdunklen Augen, ein schönes Tier, ritt er.

Es war am Id el-Kebir, dem Bairam, ich weiß es noch, als wäre es gestern gewesen: Ein heißer Vormittag; es roch nach warmem Blut und Innereien, nach frischgebackenem Brot. Am Morgen hatte man vor allen Häusern und Hütten Hammel geschlachtet, selbst vor den Hütten der Ärmsten, denn der König, Allah sei ihm gnädig, hatte an sie Schlachttiere verteilen lassen, damit niemand in der Stadt zur Feier des Osterfestes ohne Braten sei. Die Männer hatten sich seit dem frühen Morgen schon am Laqbî gütlich getan, waren fröhlich, einige sogar schon angetrunken. Da kam der Fremde durchs Südtor in die Stadt geritten.

Annur, der Barbier, brachte die Nachricht. Trotz der Hitze hatte er sich die Melefa eng um die Schultern geschlungen. Sein zahnloses Lächeln erstarrte zu einer Grimasse, während er sich die lange Nase rieb, die kleinen Äuglein jedoch – quicklebendig von Neugier und Laqbî – blitzten im braunen faltigen Gesicht unterm ausgebleichten, einst roten Tarbûsch.

»So, so, ein Hellhäutiger«, sagte mein Vater bedächtig, legte Messer und blutige Leber neben den abgetrennten Hammelkopf auf die Bank links der Haustür und wischte seine großen Hände an der blutfleckigen Schürze ab, die er sich vor den Burnus gebunden hatte, fuhr sich mit dem Unterarm über die schweißbedeckte Stirn. »Ein reisender Arzt?«

»Kein Tabîb«, sagte Annur und taxierte mit flinkem Kennerblick unseren Hammel. »Er behauptet, ein Gelehrter zu sein, eine Art Sterngucker.«

»Sterngucker?«

Der Barbier hob die Schultern und schnob. »Auf jeden Fall kommt er tief aus dem Süden, wo es nicht nur Schwarze gibt, sondern früher auch Weiße gegeben haben soll.« Annur schniefte und spuckte auf den frisch gefegten Lehmboden vor unserer Hütte, was ihm einen strafenden Blick meines Vaters eintrug. »Sicher ein Ungläubiger«, fuhr er verächtlich fort, ohne von unserer Missbilligung Notiz zu nehmen. »Zur Zeit Hassans hätte man solchen – pah! – Gelehrten das Betreten der Stadt untersagt oder ihnen gleich den Kopf abgeschlagen und ihn zur Abschreckung ans Stadttor genagelt.«

»Reden führst du am Osterfest«, sagte mein Vater tadelnd. »Die Zeiten Hassans, da man jeden Hellhäutigen steinigte oder henkte, ob Mutant oder nicht, sind – Allah sei Dank – vorbei. König Ahmed ben Brâhîm ist ein guter Herrscher. Er hat mir einen fetten Hammel geschenkt.«

»Wahrhaft ein schönes Tier«, gestand der Barbier, ein bisschen Neid in der Stimme, weil er zu den eher Begüterten gehörte und deshalb seinen hatte selber kaufen müssen.

»Wo ist der Fremde, Annur?«, fragte ich begierig, denn ich hatte noch nie einen hellhäutigen Erwachsenen gesehen.

»Er lagert in der Karawanserei und wurde von den Stadtwachen in den Königspalast gebracht.« Zu meinem Vater gewandt, sagte er: »Er scheint kein Mutant zu sein, wie eine erste unauffällige Untersuchung ergab. Wenn er aus dem Palast kommt, wird man mehr wissen.« Annur wiegte zweifelnd den Kopf. »Vielleicht sagt er tatsächlich die Wahrheit und kommt nicht aus den Totenländern des Nordens, sondern aus dem Süden. Wir werden's erfahren. Aber ein Ungläubiger ist er allemal.« Mein Vater blickte Annur fest an, bevor dieser abermals auf den Boden spucken konnte. Der Barbier verkniff seine faltigen Lippen zu einem schmalen Strich und beließ es bei einem bekräftigenden »Allemal!«

Ich rannte in Richtung Karawanserei davon, um einen Blick auf den geheimnisvollen Fremden zu erhaschen.

Die Sonne lag hell über dem Hof. Als Erstes sah ich die Sättel und Packtaschen, die in der Nähe der Ställe lagen. Hazâz saß auf einer Matte aus Palmblättern im Schatten und flickte einen Kamelsattel. Mit flinken Bewegungen, die man seinen mächtigen Händen gar nicht zutrauen mochte, stach er mit der Ahle Löcher in das alte abgewetzte Leder. Er winkte mir zu und fuhr sich mit dem Finger unter sein gehäkeltes Taqîja aus Baumwolle, das er stets auf seinem kahlgeschorenen Schädel trug.

Abárschi und Sliman, die bekanntesten Herumtreiber in der Stadt, hockten hinter dem Gepäck des Fremden, zupften wie unabsichtlich an Riemen und Schnallen und blinzelten betont gelangweilt in die Sonne.

»Finger weg!«, knurrte Hazâz, ohne die geteerte Schnur mit den Zähnen loszulassen.

»Er ist ein hellhäutiger Teufel«, gab Abárschi zu bedenken. »Wer weiß, was er uns für Krankheiten einschleppt!« Sein vom Star geronnenes Auge starrte anklagend auf die staubigen Lederbehälter des Fremden, als vermöchte er ihren Inhalt auf geheimnisvolle Weise mit einem verborgenen Sinn zu erahnen, während das andere geduckten Blicks begehrlich umherhuschte.

»Dann lasst erst recht die Finger davon«, erwiderte Hazâz, während er den Faden durch die Löcher zog und mit dem hölzernen Griff der Ahle festklopfte.

»Hüte dich vor dem Getier, das von Mitternacht kommt, sagt der Prophet. Es ist krank und birgt unsichtbar schleichenden Tod«, verkündete Sliman mit düster umwölkter Stirn, kraulte sich den weißen Bart, der ihm wie gezupfte Baumwolle ums Kin hing, und blickte so gelehrt, als sei er drauf und dran, sich in einen Marabu zu verwandeln.

»Das hat nicht der Prophet gesagt, du Schlitzohr«, entgegnete Hazâz, »sondern einer dieser geifernden Wanderprediger, die uns Jahr für Jahr heimsuchen, die Seelen der Menschen vergiften und sich schamlos an unseren Taschen gütlich tun. – Außerdem kommt der Fremde nicht aus dem Norden, sondern aus dem Süden.«

»Der Teufel hat viele Wohnungen, sagt der Prophet«, verkündete Sliman sorgenvoll und wiegte zweifelnd den ausgeblichenen blauen Turban. »Allahs Zorn wird alle zermalmen, die wider sein Gebot handeln, wie die Krokodilpeitsche den Skorpion zermalmt, der den Stachel reckt.«

»Dann nimm dich in acht, Sliman. Man könnte dich leicht für einen halten, wenn du nicht deine giftige Zunge im Zaum hältst.«

Sliman schnaubte verächtlich und hockte sich neben Abárschi im Schatten nieder. Das Lärmen der Zikaden in den Palmen im Hof der Karawanserei war wie ein anhaltender metallischer Schrei. Irgendwo unterm Dach der Ställe gurrten Tauben, und man hörte das Schnauben der Pferde, mit denen der Fremde gekommen war.

»Beschîr«, sagte Hazâz, »hast du heute, am hohen Feiertag, schon eine gute Tat vollbracht?«

Ich blickte ihn misstrauisch an, wusste nicht so recht, worauf er hinauswollte. »Nein«, sagte ich zögernd.

»Dann füttere die Pferde. Getränkt habe ich sie schon.«

»Wie heißt er?«, fragte ich.

»Jack Freyman. Man nennt ihn Master Jack.«

Ich ging in die Küche und setzte Tee auf; dann gab ich den Pferden Hirse und Heu und bürstete sie. Zecken hatten sich ihrem Fell eingenistet, und an den Beinen waren Wunden von Blutegeln, wie bei allen Tieren, die aus dem feuchtheißen Süden kamen.

Als Hufgetrappel zu hören war, eilte ich hinaus in den Hof. Sie brachten den Fremden. Eine königliche Eskorte, der Wezir persönlich. Er ritt an der Seite des Fremden unter einem Baldachin, der von vier Sklaven getragen wurde, flankiert von sechs Reitern der königlichen Garde in voller Rüstung auf Pferden im blauen gesteppten Wattepanzer, die geschlitzten Spitzen der Schnabelschuhe in die Steigbügel gehakt. Die Visierstangen der Helme blitzten um die Wette mit dem silbernen Zaumzeug und den polierten Messingplatten an Kopf und Hals der Pferde. Sie boten einen prächtigen Anblick.

Das Aussehen des Fremden enttäuschte mich. Ich hatte vorher schon Weiße gesehen, junge Eunuchensklaven, wie sie Barbiere von den gesunden Flüchtlingskindern machen. Dieser Mann aber war fast so dunkelhäutig wie ein Tuarîk, mittelgroß und kräftig. Mit seinem schwarzen Turban, der sein Haupthaar verhüllte, und seinem schwarzen Bart sah er eher aus wie ein Händler aus dem Westen, doch als er näher ritt und abstieg und sein Blick mich streifte, sah ich, dass seine Augen von einem Blau waren wie der Quell einer Oase, in der sich der Mittagshimmel spiegelt.

Die Gardisten lösten ihre Schuhe aus den Steigbügeln, schwangen sich von ihren Tieren und stießen ihre Lanzen in den Staub des Hofs. Einen von ihnen kannte ich: Chalīlu; er wohnte nicht weit von uns, aber er schien mich nicht wahrzunehmen und stierte geradeaus. Der Schweiß rann ihm unterm Helm hervor und in die dicke Baumwollrüstung, und auf seinem runden Gesicht war eher ein Ausdruck von Blödigkeit denn von Würde.