Otto Weddigen und seine Waffe - Hermann Kirchhoff - E-Book

Otto Weddigen und seine Waffe E-Book

Hermann Kirchhoff

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Beschreibung

Anschaulich und lebensnah wird der private und militärische Lebensweg Otto Weddigens geschildert. Einst wurde der siegreiche U-Boot-Kommandant als großer Kriegsheld gefeiert, nachdem er mit "U 9" drei britische Panzerkreuzer versenkte. Das Buch beschränkt sich aber nicht nur auf die Biographie von Otto Weddigen, sondern gibt auch einen Einblick in die neue "Schwarze Waffe" der kaiserlichen Marine; das U-Boot.

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Otto Weddigen und seine Waffe

Aus seinen Tagebüchern und nachgelassenen Papieren

von

Hermann Kirchhoff

Vize-Admiral z. D.

______

 

Erstmals erschienen bei:

Marinedank Verlag, Berlin, 1915

__________

Vollständig überarbeitete Ausgabe.

Ungekürzte Fassung.

© 2016 Klarwelt Verlag

ISBN: 978-3-96559-007-6

www.klarweltverlag.de

Inhaltsverzeichnis

Titel

Einleitung

Otto Weddigen

Die Unterseeboots-Waffe

Anhang: Aus dem Tagebuch und den Briefen Otto Weddigens

Einleitung

Otto Weddigen — der Name wird fortleben im deutschen Volk bei Kind und Kindeskind. Der kühne Unterseeboots-Kommandant ist nicht der einzige gewesen, der unseren Feinden gezeigt hat, was die Unterseebootswaffe leisten kann, wenn sie von deutschen Seeleuten geführt wird. Auch Hersing, der den Anfang mit dem geschützten Kreuzer „Pfadfinder“ gemacht hatte, und andere haben mit dem U-Boot Leistungen vollbracht, die sich ebenbürtig neben die Weddigensche Heldentat stellen können. Aber Otto Weddigen war der erste, der die hochmütigen Briten die Furchtbarkeit des deutschen Angriffsgeistes fühlen ließ. Und es ist denkbar, dass seine erste große Tat für die Kameraden ein Ansporn war zu weiteren, noch womöglichst kühneren Taten. Für das deutsche Volk verkörpert sich jedenfalls in Otto Weddigen jene seemännische Kühnheit, die beim U-Bootskommandanten als selbstverständlich vorausgesetzt wird. Der Name Otto Weddigen ist untrennbar von der U-Bootswaffe. Und darum haben wir geglaubt, uns bei der, von der Familie uns übertragenen Herausgabe seiner nachgelassenen Papiere, nicht auf die Würdigung von Otto Weddigen als Menschen beschränken zu dürfen. Es hätte keinen Zweck gehabt, die Zahl der Nur-Biographen zu vermehren. Der „Marinedank“ hat die Würdigung von Otto Weddigens Persönlichkeit dem unterzeichneten Herausgeber als Fachmann anvertraut, der in der Lage war, das Leben des Seehelden und seine Leistungen im Rahmen seiner Waffe zu betrachten. Dem vorliegenden Werkchen ist der Titel, „Otto Weddigen und seine Waffe“ gegeben, weil es zugleich ein Buch der Unterseebootswaffe sein soll.

 

Berlin-Kiel, im November 1915.

Hermann Kirchhoff.

Otto Weddigen

 

Berlin, 23. September.

 

Das deutsche Unterseeboot ,,U 9“ hat am

Morgen des 22. September, etwa 20 Seemeilen

nordwestlich von Hoek van Holland, die drei englischen

Panzerkreuzer „Aboukir“, „Hogue“ und „Cressy“

zum Sinken gebracht.

 

Der stellvertretende Chef des Admiralstabes.

B e h n c k e.

 

ls am 23. September diese amtliche Kunde die deutschen Gaue durchflog, da traute mancher seinen Ohren nicht, so ungeheuerlich, so über alle Maßen glänzend erschien diese frohe Siegesbotschaft. Ein einziges unserer kleinen Unterseeboote, dieser neuesten Waffengattung des Seekrieges, sollte allein solches Ergebnis erzielt haben? Das schien unfassbar!

Schon am Abend trafen aus Holland Telegramme über die Versenkung dreier englischer Kreuzer durch Unterseeboote in Berlin ein. Am nächsten Tage bestätigte der Admiralstab der Marine auf Grund der Meldung von „U 9“ die Tatsache. Nun schlossen sich Meldungen über Meldungen an diese an, welche verschiedentliche Einzelheiten zu bringen vermochten. Es war wirklich wahr, dass eines unserer Unterseeboote ganz allein und so weit von der heimischen Küste entfernt diese ruhmreiche Tat vollbracht hatte.

Bald wurde auch der Name des Kommandanten von „U 9“ bekannt; es war Kapitänleutnant Otto Weddigen gewesen. Ihm und seiner ruhmreichen Waffe sollen diese Blätter gelten. Sie sollen dankbar frohen Sinnes berichten was unser unvergesslicher junger Seeheld mit seiner wackeren Besatzung für Kaiser und Reich, für unser herrliches Vaterland und dessen kraftvoll sich entwickelnde Marine geleistet hat.

Keine bessere Einführung in eine Darstellung seines Wirkens kann es geben, als das Lesen von Weddigens Briefen, die von hoheitsvoller Schlichtheit und Geradheit des Denkens zeugen. Sie zeigen am besten, wie ihn, den wackeren und tatkräftigen Vertreter unserer neuesten Waffe des Seekrieges, der glühende Eifer beseelte,— für die Marine, für das Vaterland zu leben und zu sterben.

Mit echt deutscher Treue, mit bescheidener, würdevoller Festigkeit schreibt unser junger Seekrieger, voll Vertrauen auf seine Waffe und seine Untergebenen, voller Zuversicht auf sein Wollen und sein Können. Hören wir ihn selbst, was er geschrieben und wie er seine große Aufgabe aufgefasst und angefasst hat. Es sind Auszüge aus Briefen von Otto Weddigen, an seine Braut und Frau, als Kommandant S. M. Unterseeboot „U 9“, später „U 29“:

Kiel, den 26. Juli 1914.

Wir erwarten stündlich wichtige Entscheidungen. Die Lage ist sehr ernst, die Freudigkeit bei uns umso größer. In diesen Stunden bekommt man erst den rechten Begriff wozu man eigentlich da ist!

 

Kiel, den 27. Juli 1914.

Aber schön ist’s doch, dieses Rauschen durch alle Soldatenherzen! Eine Freude, diese Arbeit zu sehen.

 

Kiel, den 30. Juli l914.

Den Trost haben wir, die deutsche Armee und Marine werden ihre Pflicht tun. Da England augenblicklich von der Kriegsströmung mitgerissen zu werden scheint, sieht sich unsere junge Marine vor eine gewaltige Aufgabe gestellt. Wenn wir auch nicht einen absoluten Sieg einer so mächtigen Übermacht gegenüber zu hoffen wagen, so wird es unserer Marine nicht an Ruhm und Ehre mangeln. Das ist gewiss! Sie wird mit Zuversicht den kommenden Ereignissen entgegensehen . . . . Kommt der Krieg, dann sind wir zu allen Opfern bereit . . . Der Spruch hat seine Gültigkeit: das Vaterland darf jedes Opfer fordern . . . Der heraufziehende Krieg würde den Anbruch einer heroischen Zeit bedeuten und ja leider unsere persönlichen Wünsche zunächst zurücktreten lassen. Wie auch immer es kommen mag: Allzeit bereit für des Reiches Herrlichkeit.

Kiel, 30. Juli, abends 10.45.

Die Würfel sind im Rollen und werden fallen. Bewahre Dir ein mutiges Herz, dann schlagen unsere Herzen zusammen! Man hat uns den Krieg aufgezwungen, wir werden ihn in Ehren bestehen! Um 3 Uhr nachts geht’s nach Helgoland, wo wir weitere Befehle abwarten.

 

Auf Vorposten, nördlich Helgoland, 31. Juli.

. . . der Worte sind genug gewechselt, jetzt lasst uns Taten sehen. Ich hoffe bestimmt, dass wenigstens „U 9“ möglichst bald nach Westen geschickt wird, den Feind an seiner Küste aufzusuchen und zu schädigen. Wäre das nicht eine glänzende Aufgabe? Ihre Lösung allerdings völlig dem Kriegsglück in die Hand gegeben. Es wird ein Ringen auf Leben und Tod zu Wasser und zu Lande.

 

Sonntag, 2. August, am ersten Mobilmachungstag.

Wie es scheint, bricht es von allen Seiten über Deutschland herein. Möchte die schicksalsschwere Stunde ein Geschlecht vorfinden, das den gewaltigsten Ausgaben aller Zeiten gewachsen ist. Wir alle wollen unser Möglichstes tun . . . Es ist nicht anzunehmen, dass unsere kleine, aber feine Marine nicht zur Lösung dieses gewaltigen Knotens herangezogen wird. Wir wollen auch unseren Anteil haben.

 

Depesche.

Wilhelmshaven, den 12. August 1914.

Erwarte Dich möglichst noch heute, Ankunft drahten, Boot repariert, Kriegstrauung ins Auge fassen.

 

Helgoland, den 19. September 1914.

Morgen Sonntag, 5 Uhr morgens, geht „U 9“ ganz allein für unbestimmte Zeit in See. Es gilt, einen ehrenvollen Auftrag zu erledigen.

 

Depesche

Helgoland, den 23. September 1914.

Eisernes Kreuz erster und zweiter Klasse erhalten. Bin gesund, erwarte Dich morgen in W’haven. — —

 

 

Kapitänleutnant Otto Weddigen

 

DIE GROSSTAT, Otto Weddigens “U 9” versenkt die englischen Panzerkreuzer “Aboukir”, “Hogue” und “Cressy” am 22. September 1914 — Von C. Schön, Berlin

Mit diesen bescheidenen Worten meldete Weddingen seiner Frau den großen Erfolg, wobei er richtig annimmt, dass ihr das Wesentliche bereits durch die amtlichen Mitteilungen und die eingehenden Besprechungen in der Tagespresse bekannt geworden sein dürfte. —

Ehe weitere persönliche Mitteilungen und Briefe unseres Seehelden hier eingefügt werden, scheint es angezeigt, über seine große, erfolgreiche Tat nähere Erläuterungen zu geben. Sein Vorleben und sein Werdegang sollen in einem späteren Abschnitt kurz geschildert werden.

„Es gilt, einen ehrenvollen Auftrag zu erledigen,“ heißt es in Weddigens Brief an seine Frau. Dieser Auftrag kann hier noch nicht bekannt gegeben werden, da alle dienstlichen Angaben und Befehle erst nach dem Kriege der Öffentlichkeit freigegeben werden können. Er wird wohl darin bestanden haben, nach dem Eingang zum Englischen Kanal hin aufzuklären· und den gegebenen Umständen entsprechend zu handeln. Und wie handelte er! Mit welcher Begeisterung mag er sich an die ihm gestellte Aufgabe herangemacht haben! Am Morgen des 20. September verließ „U 9“ Helgoland mit der Fahrt gen Westen. Die Besatzung des Unterseebootes bestand aus folgenden Personen:

 

Kapitänleutnant Weddigen, Kommandant;

Oberleutnant zur See Spieß;

Marine-Ingenieur Schön;

U.-Obersteuermann Träbert;

U.-Obermaschinist Heinemann;

U.-Bootsmannsmaate: Schoppe, Hoer ;

U.-Ober-Matrosen: Geist, Rosemann;

U.-Matrosen: Schenker, Schulz;

U.-Obermaschinistenmaate: Marlow, Stellmacher, Hinrichs :

U.-Maschinistenmaate: Merz, Reichardt :

U.-Obermaschinistenanwärter: Wollenberg;

U.-Maschinistenanwärter: von Koslewski;

U.-Oberheizer: Eisenblätter, Schöschke;

U.-Heizer: Karber, Schober, Lied, Küster-Volstelt;

U.-Ober-Funkentelegraphengast: Sievers.

 

Also zusammen: 2 Seeoffiziere, 1 Ingenieur, 2 Deckoffiziere, 7 Unteroffiziere, 14 Matrosen und Heizer usw. Alles in allem ein Häuflein von nur 26 Personen, davon war nur ein kleines Drittel seemännische Besatzung, woraus man die Bedeutung des technischen Personals für das U-Boot klar ersieht.

Bis zum Orte der glorreichen Tat waren mehr als 200 Seemeilen zurückzulegen, davon etwa ein Drittel an der deutschen Küste entlang. Zur Schonung des Betriebsmaterials ist diese Fahrt, die leicht in kurzer Zeit auszuführen gewesen wäre, somit nur langsam vonstattengegangen, selbst wenn man annimmt, dass die Fahrtrichtung des „U 9“ nicht unmittelbar auf die betreffende Eingangsstelle zum Kanal gerichtet war. Nach etwa 48 Stunden war die Strecke von rund 400 Kilometer zurückgelegt.

Es werden wohl einige hundert Kilometer mehr zu Aufklärungen weiter nördlich durchfahren worden sein, und zwar bei hoher Dünung gegen ziemlich schweren Seegang.

Da sichtet man von „U 9“, das vor nahe passierenden feindlichen Fahrzeugen zeitweise hatte tauchen müssen, am Morgen des dritten Tages, am 22. September, um 6 Uhr früh, in der Ferne feindliche Mastspitzen. Bald wird mit Sicherheit erkannt, dass man drei englische ältere Panzerkreuzer vor sich hat. Eine freudige Stimmung bemächtigt sich der ganzen Besatzung und wahrlich nicht zuletzt des wagemutigen Kommandanten. Endlich, nach fast zweimonatlichen Versuchen, nach wochenlang gehegten Hoffnungen, endlich schien der Augenblick gekommen, „‘ran an den Feind“ gehen zu können. Er war da, der so heiß ersehnte Gegner. Und nicht nur irgendein kleines Vorpostenschiff des schlimmsten Feindes war in Sicht, sondern drei Panzerkreuzer waren in nächster Nähe, die von der Anwesenheit ihres Gegners nichts ahnten.

Ein kleines Unterseeboot drei großen Schiffen gegenüber, weit entfernt von der heimischen Küste! Außerdem ziemlich sichere Aussicht vorhanden, dass sofort nach Beginn des Angriffs sich noch andere Gegner einstellen würden, die „U 9“ an Geschwindigkeit überlegen sind, die also den erforderlichen Rückzug nach der Operationsbasis würden abschneiden können. Was war da zu tun, wie war zu handeln?

Nicht einen Augenblick hat Otto Weddigen gezögert nicht eine Sekunde ist er in seinem Entschluss wankend gewesen, draufloszugehen, die drei großen Gegner anzugreifen und zu vernichten.

Etwas Großes ist in sein Leben getreten, es ist eine Tat zu erfüllen, deren Bedeutung dem Kommandanten von „U 9“ vollkommen klar ist. Gilt es doch, aller Welt zu zeigen, was die deutsche Marine leisten kann. Schnelle Überlegung lässt Weddigen sofort den richtigen Entschluss fassen, von den drei Panzerkreuzern sich zuerst den mittelsten zum Angriffsziel zu nehmen.

Untertauchen, herangehen, alles zum Angriff vorbereiten, jedes Rädchen, jede Maschine noch einmal prüfen, die letzten bestimmten Befehle ausgeben und dann die ganze Spannkraft von Geist und Körper darauf gerichtet, wie das zu erstrebende Ziel am besten zu erreichen ist, wie am sichersten der Erfolg für die schwarzweißrote Flagge unserer deutschen Flotte zu erringen sei.

Der Angriff ist von Weddigen dann sofort auf den mittelsten der drei Panzerkreuzer angesetzt worden. Es wird ihn unter anderen Gründen der Gedanke geleitet haben, dass nach einer Versenkung des mittelsten Gegners die beiden Flügelschiffe zur Rettung der im Wasser schwimmenden Besatzung sofort näherkommen würden und er diese dann auch schnell und in günstiger Lage würde angreifen können. Und so geschah es. Bald wurde der erste Torpedoschuß abgefeuert. Und dass er sicher sein Ziel erreicht und seinen Zweck erfüllt hatte, bewies sofort der Umstand, dass das große Schiff — es war der Panzerkreuzer „Aboukir“ —, nach einigen Minuten sank. Nervenspannende Augenblicke mag die ganze Besatzung von „U 9“ durchlebt haben, als nach dem vom Kommandanten persönlich gegebenen Befehl „Los!“ der Torpedo das Ausstoßrohr verließ. Besonders für Weddigen selbst, der sein Ziel in guter Richtung und Entfernung klar vor sich sah, und für den am Lancierhebel Stehenden mögen die wenigen Sekunden zu einer Ewigkeit geworden sein.

War es doch die erste kriegerische Angriffsleistung, zu deren Ausführung das Glück sich so günstig gezeigt hatte, mit der bewiesen werden sollte, was unsere Unterseebootswaffe leisten könne.

Schnell sollte sich die Spannung lösen. Denn der dumpfe Schlag, der der Explosion am Schiffskörper des nahen Gegners folgte und den die ganze Besatzung deutlich hörte, bewies allen, dass der erhoffte und so langersehnte Erfolg eingetreten war. Ein dreifaches, begeistertes Hurra erfüllte die engen Räume des Unterseeboots. Bald sah man durch das Sehrohr, dass der Gegner sich stark neigte und versank.

Sofort eilten die beiden Flügelschiffe herbei, um die Mannschaften des sinkenden Schiffes zu retten; auch sie sollten ihrem kleinen Gegner nicht entgehen. Über die Rettungsversuche ließ die englische Admiralität später melden: Das Sinken des „Aboukir“ war ein gewöhnlicher Kriegsvorfall, wie er beim Patrouillieren vorkommt; „Hogue“ und „Cressy“ aber gingen zugrunde, weil sie anhielten, um Menschenleben zu retten, und dabei ein bequemes Ziel boten. Die natürlichen Gefühle der Menschlichkeit führten somit schwere Verluste herbei, die hätten vermieden werden können, wenn strikt militärische Erwägungen befolgt worden wären. Dieser Fehler ist aber verzeihlich unter den außergewöhnlichen Umständen der modernen Kriegführung.

Man lese zwischen den Zeilen, wie hier Weddigens weiteres Vorgehen beurteilt wird!

Inzwischen waren die beiden anderen Panzerkreuzer nahe heran gefahren, um zu stoppen und ihre Boote herunterzulassen. Weddigen wartete in Ruhe, bis er seinen zweiten Gegner in gutem Abstand hatte. Um 7 Uhr 20 Minuten hatte er seinen ersten Schuss abgegeben, der zweite folgte eine gute halbe Stunde später. Auch der auf die „Hogue“ abgelaufene Torpedo saß ebenso gut wie der erste: ein Volltreffer. Bald neigte sich das getroffene Schiff stark über, und es zeigte sich klar, dass der Torpedo seine volle Wirkung erreicht habe und ein zweiter Torpedoschuß zur Versenkung nicht nötig sei. War die Besatzung des „Aboukir“ durch den Angriff im Schlafe überrascht worden, so war hier alles auf den Beinen, die Geschütze waren in Gefechtsstellung, alles war voll zur Abwehr bereit.

Aber es galt, keine Zeit zu verlieren, und weiter ging Weddigen auf den dritten Gegner los, auf den er erst nach mehrfachen Manövern, etwa 20 Minuten nach 8 Uhr, zum Schuß abkam. Der Panzerkreuzer „Cressy“ schien nicht so sicher getroffen zu sein wie seine beiden Schwesterschiffe, so dass Weddigen noch einen zweiten Torpedo auf ihn losließ, der ihm alsbald den Rest gab. Langsam versank „Cressy“, bis auch er gänzlich unter der Meeresoberfläche verschwand.

Das Große war geschehen: ein kleines winziges Unterseeboot hatte in ganz kurzer Zeit drei große Gegner vernichtet und dem Feinde schweren Verlust an Material sowie vor allem an kriegstüchtigem Personal beizubringen gewusst. Endlich war Weddigen mit seinem Unterseeboot auf Gegner gestoßen, und nun gar auf drei zugleich. Endlich hatte er und seine Besatzung zeigen können, was sie leisten konnten.

Und nun male man sich aus, wie diese Vorgänge auf Herz und Gemüt, auf Geist und Verstand des Kommandanten eingewirkt haben müssen. Drei große feindliche Panzerschiffe mit einer Besatzung von rund 2300 Mann hatten innerhalb einer Stunde daran glauben müssen; wie viele noch gerettet wurden, war nicht zu ersehen. Welch gewaltig großer Augenblick wird es im Leben des jungen Seeoffiziers gewesen sein, als er erkannte, welch glänzender Erfolg seiner Umsicht und Tatkraft beschieden war. Wie mögen seine Augen jedes Mal vor stolzer Befriedigung aufgeleuchtet haben, wenn er sah, wie seine Torpedos wirkten. Welcher kalten Ruhe bedurfte es für ihn, inmitten der drei Gegner immer erneut zum Angriff vorzugehen, welch klaren Überblicks und umsichtigen Handelns, um sie alle drei zur Strecke zu bringen.

Mit welch stolzer Freude wird es ihn erfüllt haben, dass er solche Tat in die Geschichte unserer Marine hatte einschreiben können. Welcher Hochgenuss, welche innere Befriedigung muss es ihm und seiner Mannschaft gewesen sein, dass sie derart für das Vaterland, für Kaiser und Reich wirken konnten, für unsern Kaiser, dessen Einsicht die Marine soweit gefördert und entwickelt hatte, dass sie es wagen konnte, dem übermächtigen Gegner zur See, Großbritanniens großer, unbesiegbarer Armada, mit Erfolg gegenüberzutreten und an dessen Allmacht zur See zu rütteln, dazu beizutragen, dass der Schleier ihres Nimbus gelüftet wurde und der Beginn des Abbröckelns der rücksichtslosen Allgewalt dieser Seemacht einsetzte.

Und doch, wie bescheiden verhält sich unser junge Seeheld äußerlich solchen Gedanken gegenüber. Seine Briefe vor der Tat sprechen nur von der großen Zeit, die der Marine bevorsteht, die der großen Übermacht gegenüber in Ehren bestehen werde. „Wir sind zu allen Opfern bereit“, heißt es. Am 30. Juli schreibt er noch: „Der heraufziehende Krieg würde den Anbruch einer heroischen Zeit bedeuten.“ Von seiner glänzenden Aufgabe spricht er, von einem Ringen auf Leben und Tod, zu Wasser und zu Lande. „Wir wollen auch unsern Anteil haben“, wir mit unserer „kleinen, aber feinen Marine.“

Über seine Tat selbst hören wir von ihm nichts. „Es gilt, einen ehrenvollen Auftrag zu erledigen“, heißt es vom Tage vor dem Auslaufen. Und die Depesche, in der Weddigen seiner Frau von seiner großen Tat berichtet, sie lautet nur:

„Eisernes Kreuz erster und zweiter Klasse erhalten . . . “Die Gattin hat ja die amtlichen und vielen anderen Nachrichten gelesen, und das genügt bis zur mündlichen Berichterstattung. Wozu mehr der Worte?“

Fühlen wir nicht die ganze Größe dieser Tat erneut aus diesen einfachen Worten heraus? Die Schlichtheit und Geradheit des Charakters unseres Seehelden, tritt sie uns in allem nicht klar gegenüber?! —

Noch am Abend des 28. September ward mit Genehmigung des stellvertretenden Chefs des Admiralstabes durch das Wolffsche Telegraphen-Bureau berichtet: „Es wird mitgeteilt, dass das Unterseeboot „U 9“ und seine Besatzung heute Nachmittag unversehrt zurückgekehrt sind.“

Kurze Worte, die viel besagen. Denn leicht ist diese Rückkehr nicht gewesen. Bald nach dem ersten Angriff auf den „Aboukir“ eilten, außer den beiden andern Panzerkreuzern, auch noch eine Anzahl Zerstörer und Patrouillenfahrzeuge herbei, denen es nunmehr zu entkommen galt. Es gelang auch „U 9“, mit äußerster Kraftanstrengung allen Verfolgern zu entgehen, an und für sich schon keine leichte Aufgabe, vor allem aber nicht unter den schwierigen obwaltenden Verhältnissen. Man war auf ihn aufmerksam geworden, und es war zu erwarten, dass nach allen Seiten eingehende Meldungen über sein Vorhandensein erstattet wurden.

Erst dann, nach dem Passieren der holländischen Insel Terschelling, konnte das Unterseeboot die funkentelegraphische Meldung nach der Heimat abstatten: „U 9“ hat am 22. September morgens bei Hoek von Holland drei englische Panzerkreuzer versenkt“

Und noch später konnte in Berlin, erst nach der funkentelegraphischen Meldung Weddigens, die amtliche Mitteilung von der glücklichen Rückkehr ausgegeben werden.

 

 

Die Rückkehr nach der Versenkung der drei englischen Panzerkreuzer am 24. September 1914

1. “U 9” längsseits des Flottenflaggschiffes “Friedrich der Große”

2. Die Mannschaft des Dreadnoughts “Westfalen” bringt drei Hurras auf ‘U 9’ aus

Versenkung eines englischen Dampfers in der Nordsee.

Versenkung eines englischen Dampfers im Kanal.

Welchen Jubel die Nachricht von der Tat des „U 9“ in der Heimat auslöste, wir alle wissen es und haben diese Stunden mit erlebt und gefühlt! Die Begrüßung des zurückgekehrten Unterseeboots seitens der Kameraden, die Ehrungen beim Längsseitkommen am Flottenflaggschiff, sowie der begeisterte Empfang durch die vielen, im heimischen nicht ohne Gewicht Hafen das kleine, winzige Schifflein erwartenden Besatzungen der großen Schiffe unserer Hochseeflotte waren ganz außerordentlicher Art. Die Bilder, welche diese Vorgänge darstellen, legen klares Zeugnis von der allgemeinen Begeisterung ab. —

Anders dagegen in England. Nach den ersten lügenhaften Berichten und den vielen legendenhaften Aussagen von einzelnen der englischen Besatzungen der drei Panzerkreuzer, die von fünf Unterseebooten faselten, von denen mehrere durch das wohlgezielte Feuer der Panzerschiffe vernichtet seien; Verleumdungen, dass die Besatzung einzelner U-Boote auf die sich Rettenden geschossen habe, u.dgl.m., — lauter Äußerungen der Presse, die Kunde gaben von dem Ärgernis und Schrecken, die die erfolgreiche Tat eines einzigen deutschen Unterseeboots gegen drei große Panzerschiffe verursacht hatte —, kamen bald ernstere Darstellungen.

In diesen wurde das ganze Ereignis sachlicher und mit Ruhe behandelt. So schrieb z. B. der „Daily Chronicle“: „Kapitänleutnant Weddigen, der mit „U 9“ unsere drei gepanzerten Kreuzer zum Sinken brachte, hat sich als ein sehr mutiger und fähiger Offizier gezeigt. Die englische Marine will nicht mit dem Lobe für einen Kameraden zurückhalten, der unser letztes Unglück verursachte. Wir müssen es anerkennen, dass die deutschen Unterseeboot-Offiziere in der Lage sind, ihren schwachen Kriegskräften zur höchstmöglichen Leistungsfähigkeit zu verhelfen. Die deutschen Unterseeboote bedeuten für uns eine wirkliche Gefahr, mit der man rechnen muss.“

Und ein sehr ernstes, vornehmeres Blatt, die „Evening Post“, verstieg sich sogar zu der Äußerung, dass die britische Flotte den Mut verloren habe, und das bedeute fast: „Mut verloren, alles verloren.“ Von “niederschmetterndem Eindruck“, von „fehlendem Vertrauen, an einen großen Sieg zu glauben“, so las man es in englischen Blättern. Das größte Arbeiterblatt verlangte sogar, dass man das ganze Ministerium in Anklage versetze. An heuchlerischen Verleumdungen und Verkleinerungen des großen deutschen Erfolges fehlte es natürlich ebenfalls nicht.

Die Zeitungen des neutralen Auslandes konnten selbstverständlich nicht den großen Eindruck verleugnen, den die glänzende Waffentat zur See auf die Bevölkerung der verschiedenen Länder gemacht hatte, wodurch wahrlich das Ansehen der britischen Allmacht zur See nicht gestärkt wurde. Überall zeigte sich ein Gefühl der Unsicherheit; der Schleier des Nimbus, der bisher die Überlegenheit der britischen Flotte umgeben hatte, er war zerrissen, und man spürte es allgemein, dass Großbritanniens Allmacht zur See, dass dessen Willkür auf den Meeren und sein skrupelloses Auftreten in Übersee denn doch im Begriff sei, anders bewertet zu werden als bisher. Die Beschwichtigungsversuche, die besonders von England ausgingen, um diesen Eindruck zu verfälschen, sie verfingen alle nicht mehr so recht.