Our Foolish Hearts - Betty Daniels - E-Book

Our Foolish Hearts E-Book

Betty Daniels

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Beschreibung

Das schöne Palms Springs der Fünfziger Jahre. Das ist auch die Zeit von Kennedy und Lesley. Ein tragischer Autounfall bei einem illegalen Rennen bringt die beiden einander näher. Kennedy, der Anführer der "Clashers" und Lesley, die Tochter des tyrannischen Sheriffs, verlieben sich ineinander. Doch ihre Liebe steht unter keinem guten Stern. Eine Familienfehde verhindert, dass beide ihre Gefühle füreinander offen zeigen dürfen. So beginnt eine Zeit voller Unwahrheiten und heimlicher Treffen. Eine Geschichte voller unterschiedlichster Gefühle, die euch seufzen lässt. Eine Reise in die Zeit des Rock'n Roll, der Petticoats und Pomade in den Haaren.

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Gewidmet ist dieses Buch …

Einem Menschen der in seinem Leben nicht nur mich geprägt hat. Einem Menschen, der in dunklen Zeiten immer ein helles Licht am Ende meines Weges war. Auch wenn nun dieses Licht erloschen ist, so kenne ich jetzt den Weg, der mich ans Ziel führt.

Den Menschen, die in unseren Herzen sind und dort auf ewig leben.

J. & B.

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Kapitel 1 - Joshua

Kapitel 2 – Das Rennen

Kapitel 3 – Die Beerdigung

Kapitel 4 – Die Erkenntnis

Kapitel 5 – Das Comeback

Kapitel 6 – Die Frage

Kapitel 7 – Vertrauen

Kapitel 8 – Bienen und Blumen

Kapitel 9 – Ketchuphochzeit

Kapitel 10 – Das Barbecue

Kapitel 11 – Widerwillen

Kapitel 12 – Küsse und Popcorn

Kapitel 13 – Herzklopfen und Trotz

Kapitel 14 – Reue

Kapitel 15 – Nachtschwärmer

Kapitel 16 – Das Baumhaus

Kapitel 17 – Zwischen den Stühlen

Kapitel 18 – Mitternacht

Kapitel 19 – Taumeln

Kapitel 20 – Fleiß und Ehrgeiz

Kapitel 21 – Reihenweise

Kapitel 22 – Hoch Hinaus

Kapitel 23 – Rausch

Kapitel 24 – Erleichterung

Kapitel 25 – Überraschung

Kapitel 26 – Verschenktes Herz

Kapitel 27 – Gewonnen und Verloren

Kapitel 28 – Wasser

Kapitel 29 – Schokoladeneis

Kapitel 30 – Gehorsam

Kapitel 31 – Kindersegen

Kapitel 32 – Moon River

Kapitel 33 – Zugeständnisse

Kapitel 34 – Die Rückkehr

Kapitel 35 – Eis und Frust

Kapitel 36 – Gestohlene Stunden

Kapitel 37 – Young Love

Kapitel 38 – Auf Messers Schneide

Kapitel 39 – Zuflucht

Kapitel 40 – Böses Erwachen

Kapitel 41 – Fingerfertigkeiten

Kapitel 42 – Schlussstrich

Kapitel 43 – Tennisclub

Kapitel 44 – Sehnsucht

Kapitel 45 – Pyjamaparty

Kapitel 46 – Dem Tod Getrotzt

Kapitel 47 – Ans Meer

Kapitel 48 – Männergespräche

Kapitel 49 – Verflixt

Kapitel 50 – Verbotenes Spiel

Kapitel 51 – Schlafstörung

Kapitel 52 – Ähnlichkeit

Kapitel 53 – Engelmacherin

Kapitel 54 – Babyalarm

Kapitel 55 – Unerwartet

Kapitel 56 – Vaterschaft

Kapitel 57 – Regenguss

Kapitel 58 – Heimkehr

Kapitel 59 – Aussprache

Kapitel 60 – Heimkehr

Kapitel 61 – Die Beichte

Kapitel 62 – Warmer Bruder

Kapitel 63 – Männerherzen

Kapitel 64 – Reue II

Kapitel 65 – Provokation

Kapitel 66 – Schwangerschaft

Kapitel 67 – Verlust

Kapitel 68 – Verantwortung Übernehmen

Kapitel 69 – Vegas baby!

Kapitel 70 – Mann und Frau

Kapitel 71 – Helfende Hände

Kapitel 72 – Abschlussball mit Folgen

Kapitel 73 – Eltern

Epilog

PROLOG

Motoren heulen auf und Gwendolyn hält ihr rotes Halstuch in die Luft. Gleich wird es losgehen. Das Rennen zwischen meinem Bruder Joshua und unserem Erzfeind, Brian Cooper, dem Anführer der The Baangers. Unsere Gang, The Clashers, und Brians Gang sind seit Jahren verfeindet. Niemand weiß noch genau, weshalb das alles begonnen hat, aber es fragt auch keiner danach. Wir hassen uns gegenseitig und das ist alles was zählt. Joshua und ich haben uns von Zuhause fortgestohlen. Niemand weiß, dass wir hier sind, nicht einmal unser ältester Bruder, Jesse. Er würde uns umbringen, wenn er es wüsste. Ich stehe am Straßenrand und lasse aufgeregt meine Hände an meinen Schenkeln auf und ab streifen.

»Du schaffst es Josh!«, rufe ich ihm zu, weshalb er in meine Richtung schaut. Er lässt für mich seinen Motor laut aufheulen und zwinkert mir zu. Ich liebe meinen Bruder, er ist mein Held, Anführer unserer Gang, ein harter Kerl und von allen bewundert, einschließlich mir.

Nun wird angezählt, Gwen lässt ihren Arm in der Luft kreisen und ihr rotes Halstuch wirbelt herum. Ihr Arm schnellt herunter und mit quietschenden Reifen rasen sie los. Ich renne ihm nach. Immer weiter und weiter. Ich verliere ihn aus dem Blick. Das Rennen führt unter einer Unterführung hindurch, dort wird gewendet und wer als Erster hier durchs Ziel fährt, ist der Sieger.

» Kenny! Er packt das! Brian mit seinem Schrotthaufen hat keine Chance!« Neben mir steht Joshs und mein bester Freund, Buddy. Seine Haare stehen ihm zu Berge, der Quiff Look war schon immer sein Markenzeichen. Seine braunen Augen funkeln im Scheinwerferlicht der Autos um uns herum.

»Da kommen sie!«, ruft Philip. Er ist Gwendolyns Zwillingsbruder, doch sie sehen sich kaum ähnlich. Gwen ist blond und blauäugig, Phil braunhaarig und hat eher dunkelgraue Augen.

»Er schafft es!«, schreit Philip und springt schon aufgeregt auf und ab. Meine Aufregung steigt ebenfalls und ich fahre mir wild durch meine dunklen Haare.

»Was macht der!? Was macht dieser Idiot!?« Buddy hält sich die Hand vor den Mund. Ich habe nur einen Augenblick die Augen geschlossen, da ich die Aufregung kaum mehr aushalten kann. Als ich sie öffne sehe ich in der Ferne, wie Joshuas Buick ins Straucheln gerät.

»Bud! Bud, was ist da los!?«, schreie ich und renne auf das Geschehen zu.

»Kenny! Warte!« Buddy rennt mir nach. Ich kann nicht glauben, was sich dort gerade abspielt.

» Josh!« Panisch renne ich die unbefestigte Piste rauf, es ist nicht mehr weit bis zu ihm. Meinem Bruder! Sein Wagen überschlägt sich. Die Scheinwerfer hören plötzlich auf, wild in der Dunkelheit zu tanzen. Totenstille breitet sich aus und ich höre nur noch meinen hektischen Atem, den ich beim Rennen aus-stoße.

»Kennedy! Kenny, bleib stehen man!« Buddy hält mich mit aller Kraft fest.

»Mein Bruder ist da drin, lass mich los!« Ich trete unkontrolliert um mich, doch Bud gibt nicht nach. Seine Arme umschlingen meinen Brustkorb, nehmen mir fast die Luft zum Atmen. Sirenen werden laut. Der Sheriff, er kommt angefahren und hält abrupt an. Seine Reifen rutschen über den Schotter. Er hechtet heraus und versucht, zu Joshs Wagen zu kommen.

»Da kommt schon Hilfe!« Buddys Griff lockert sich und ich stürme sofort los. Der Motor steht bereits lichterloh in Flammen und das Feuer breitet sich rasant aus. Hitze steigt auf und überall liegt gesplittertes Glas am Boden. Tränen laufen mir heiß die Wangen herunter. Josh! Sein Körper, leblos im Wagen! Hektisch versuche ich die Tür zu öffnen, doch sie klemmt. Der bereits heiße Türrahmen brennt sich ins Fleisch meiner Hände, doch das Adrenalin, das durch meinen Körper pumpt, lässt es mich nicht spüren.

»Josh! Josh, komm raus Bruder!« Hitze umfängt mich und der beißende Geruch von Benzin brennt in meiner Nase. Buddy schreit auf der gegenüberliegenden Seite und zerrt ebenfalls an Joshuas Körper. Die Flammen breiten sich erbarmungslos aus und schlagen bereits durch die kaputten Scheiben.

»Oh mein Gott!«

Immer wieder muss ich mich von irgendwelchen Händen befreien, die mich wegziehen wollen. Eine Frauenstimme ruft immer wieder 'Dad! Tu was! Dad, tu was!'

»Kennedy! Komm weg hier!« Buddy zerrt wie wild an mir.

»Lass mich los Buddy! Das ist mein Bruder da drinnen!«

»Komm hier weg, Kennedy! Willst du in die Luft fliegen?« Alles geht so schnell, dass ich selbst nicht mehr registriere, was geschieht. Neben mir taucht wieder dieses Mädchen auf. Ich kenne sie. Es ist Lesley, die Tochter vom Sheriff.

»Ich helfe dir, Kennedy!«, ruft sie mir atemlos zu. Zusammen versuchen wir erneut die Tür zu öffnen, doch die Flammen schlagen bereits in den Innenraum. Mein Ärmel steht plötzlich in Flammen. Ich blende den fürchterlichen Schmerz aus, denn er ist in diesem Moment unwichtig.

»Komm hier weg, Lesley!«, schreit der Sheriff. Er stößt mich achtlos zur Seite und ich stürze zu Boden.

Mit einem lauten Knall zerbirst der Wagen meines Bruders in tausend Fetzen. Ungläubig versuche ich, mein Gesicht mit beiden Händen vor dem Hitzewall zu schützen. Es ist Buddys Stimme, die mich ins Hier und Jetzt zurückholt. Er zerrt an mir und ich begreife in diesem Moment, dass Josh es nicht schaffen wird.

Mein Bruder, er ist verloren.

»Josh!«

Ein letztes Mal höre ich mich selbst aufschreien, bevor mich Buddys Arme umschlingen und mich zur anderen Seite der Straße zerren, wobei meine Füße durch den Schotter schleifen. Machtlos kann ich nur zusehen, wie der Wagen meines Bruders in den Flammen verschwindet. Bewegungsunfähig starre ich in das Inferno vor mir, mein Herz zerreißt und ich wünsche mir, dass ich an seiner Stelle wäre.

KAPITEL 1 - JOSHUA

-Kennedy-

»Ich schwöre dir, sie hat mir ihre Möpse gezeigt, ohne dass ich viel tun musste, Josh.« Joshua schaut mich grinsend im Spiegel an, während er sich rasiert.

»Pass nur auf, dass euch ihr Bruder nicht erwischt. Er passt besser auf seine Schwester auf, als ein Schießhund«, antwortet er mir und führt gleichmäßig das Rasiermesser an seinem Kinn entlang.

»Ach, der kann mich mal. Philip soll besser aufpassen, dass er es nicht mit den Frauen übertreibt. Gestern hat er, auf dem Rücksitz meines Wagens, die Kleine vom Drugstore gefingert.«

Josh zieht eine Braue hoch und schüttelt den Kopf. »Kennedy, sei leiser, wenn Vater dich hört. Dann bekommen wir die ganze Woche Hausarrest.« Ich muss grinsen und nicke ihm wissend zu. Vater hat seine Ohren überall.

Den Weg zur Schule legen wir in Joshuas Buick zurück. Erst vor vier Wochen haben wir ihn mit Hilfe von Toni, Joshuas Freund, der in der Stadt die Werkstatt und die Tankstelle führt, wieder flott gemacht. Es macht mir Spaß an Autos herum zu schrauben und alte Motoren wieder zum Laufen zu bringen. Besonders, wenn Josh mir dabei hilft. Er jobbt an drei Tagen in der Woche und oft auch am Wochenende bei Toni, um sich das nötige Kleingeld zu verdienen, das er braucht. Joshua ist der geschickteste Schrauber, den ich kenne. Es gibt nichts, das er nicht wieder zum Laufen bringt und mir hat er alles beigebracht, was er weiß.

»Nach der Schule treffen wir uns hier. Wir fahren später zum See und heute Abend zum Rennen. Also, bis dann, Kennedy.« Josh wuschelt mir durchs Haar und geht zu seinen Freunden, die er vom Football her kennt. Lauter Muskelprotze und Proleten. Sie sind ein Jahr älter als ich und gehen in die Abschlussklasse. Noch diese Woche und endlich sind Ferien, denke ich und mache mich auf in meine Klasse. Ich bin zu spät und Mrs. Craft tadelt mich, wie so oft.

»Ach, guten Morgen, Kennedy. Schön, dass du dich zu uns gesellst. Ich hoffe, du hast ausgeschlafen, junger Mann. So langsam glaube ich, ich muss mit Caroline sprechen. So geht das ja nicht weiter. Willst du riskieren, das Jahr wiederholen zu müssen?« Ich schüttle den Kopf und schlendere locker zu meinem Sitzplatz. Jede Ausrede für ein Zuspätkommen hat sie bereits von mir gehört, also erspare ich mir die Erklärung.

Hinter mir sitzt Mrs. Crafts Tochter, Lesley, ich bemerke sie oft kaum. Ständig hängt ihre Nase in irgendeinem Buch. Klassen- und Jahrgangsbeste. Ich höre, wie sie sich räuspert und tatsächlich mal etwas sagt.

»Er sollte einen Eintrag ins Klassenbuch bekommen. Vielleicht auch einen Brief nach Hause.«

Das sagt ja schon alles. Streberin vom Scheitel bis zur Sohle. Dazu kommt, dass ihr Vater Sheriff Craft ist. Dieser Typ ist wie die Pest. Seit er hier das Amt vor zwei Jahren übernommen hat, haben wir riesige Probleme, unsere Autorennen stattfinden zu lassen. Dieser Penner kennt jede Piste rings um Palm Springs. Verächtlich schnaufe ich vor mich hin, als ich mich auf meinen Stuhl fallen lasse und Lesley, der Streberin, den Rücken zu kehre.

»Blöde Pute.«

» Hey, kleiner Bruder! Na wie war dein Tag?«

Joshua versucht mich wieder an meinen, gerade frisch gestylten, Haaren zu erwischen, als er hinter mir auftaucht. Doch diesmal bin ich schneller als er und ducke mich unter seiner Hand hindurch.

»Beschissen, wie immer«, zische ich und bin froh, nun endlich mit Josh diesen Ort des Schreckens zu verlassen.

Vater ist auf einer Tagung als Pastoralreferent in einem weit entfernten Dekanat und wir können in den nächsten beiden Tagen tun und lassen, was wir wollen. Mutter ist uns gnädig und gönnt uns unsere freien Tage, an denen uns Vater mal nicht einspannt, um den Garten instand zu halten oder in der Nachbarschaft etwas an Autos oder Häusern zu reparieren.

Wir Brüder sind sowas wie Gottes Werkzeug, um den Armen von Vaters Gemeinde umsonst Heil zu bringen. Wir helfen gern, doch oft ist es in der ungünstigsten Zeit. Zeit, in der wir lieber an unseren Autos schrauben würden, als die Veranda der Hoffstatter zu reparieren. Doch Widerrede gibt es für uns nicht. Was Vater sagt, muss getan werden, so ist das schon immer bei uns gewesen. Doch heute war er nicht da. Er kommt erst morgen Abend zurück und das nutzen wir natürlich aus, um heute Abend das Rennen zu starten. Josh gegen diesen eingebildeten Arsch, Brian Cooper. Den Anführer unserer Widersacher, den The Baangers.

»Ich bin heute Abend bei Claire, ich hoffe ihr fresst nichts aus, sonst setzt es was. Vater hat mir das Kommando gegeben und denkt nicht, ihr könnt mir auf der Nase herumtanzen.« Jesse zieht sein weißes Hemd an, das an der Tür hängt und kämmt seinen Ducktail in Form. Er hat Mutters schwarzes Haar geerbt, nicht so wie wir, die Vaters grüne Augen und dunkelbraune Haare abbekommen haben. Er ist einundzwanzig und der Älteste von uns Dreien. Josh ist neunzehn und ich bin achtzehn, somit der Jüngste.

»Wir sind brav und gehen heute früh zu Bett«, antwortet Josh ihm und grinst mich hinter Jesses Rücken an. Ich zwinkere und lache in mich hinein. Heute würden wir ganz sicher nicht früh zu Bett gehen.

»Ich verlasse mich auf euch. Mutter ist noch bei den Nachbarn, sie hilft dort mit dem Baby. Stellt nichts an, ihr zwei Blödhammel!« Endlich steigt Jesse auf sein Motorrad und haut ab. Er hat ein Date mit seiner Verlobten, Claire. Die beiden haben vor, kommendes Jahr zu heiraten, sobald Jesse Heimaturlaub bekommt. Er ist Lazaretthelfer an der Front in Vietnam und hat in seinem jungen Leben schon einiges an schlimmen Dingen gesehen. Vater ist stolz auf ihn und seine humanitäre Gesinnung.

»Lass uns abhauen. Zuerst zum See. Dort treffen wir die Anderen.« Joshua schnappt sich seine Badetasche und verschwindet in der Auffahrt, in der unser Wagen steht. Ein schwarzer Buick Riviera. Viele Stunden des Schraubens sind drauf gegangen, um dieses Baby wieder flottzumachen. Doch es hat sich allemal gelohnt. Er startet unser Baby und ich springe auf den Beifahrersitz.

»Zurück fahre ich den Wagen!«, protestiere ich lautstark. Josh lacht mich aus.

»Kannst du gerne machen. Ich habe vor, heute Shelsey nach Hause zu fahren, nach meinem glorreichen Sieg gegen den Wichser Cooper. Du darfst dann zurückfahren, während ich auf dem Rücksitz Shelsey ein wenig fingere.« Josh lacht laut und ich stimme mit ein. Er ist der Beste. Er kam bis jetzt bei jedem Mädchen unter den Rock und das bewundere ich an ihm.

Der Tag am See ist lustig. Philip, Buddy und Tristan sind da, sie machen Stimmung. Tristan sitzt am Lagerfeuer und singt Elvis Songs. Die Mädchen umringen ihn förmlich. Nur zu schade, dass er nicht sonderlich auf Frauen zu stehen scheint. Was uns schon oft aufgefallen ist. Er hatte mal was mit der kleinen Sue aus dem Diner, aber mehr als Küssen lief da nicht. Er ist verdammt gutaussehend, mit seiner Elvis Locke und dem smarten Gesichtsausdruck. Den schwarzen Haaren und blauen Augen. Verdammt, was denke ich hier überhaupt? Ich stehe von der Decke auf und geselle mich zu den anderen ins Wasser. Gwendolyn kommt mir nach und spritzt mich nass.

»Na warte, du!« Ich springe ihr entgegen und ziehe sie unter Wasser. Heute will ich noch einmal an ihre Möpse ran, das steht fest.

»Du! Lass mich los!«

Ich halte Gwen von hinten fest umschlungen. »Ganz sicher nicht. Erst will ich einen Kuss.« Ich küsse ihren Nacken und sie tritt wild um sich.

»Kennedy Thompson, ich werde schreien!«

Sie blufft. In Wahrheit will sie es. Ihre Hand legt sich unter Wasser bereits auf meinen kleinen Freund und ich zucke zusammen. Sie macht mich wahnsinnig mit diesen Dingen. Es wird nicht mehr lange dauern und ich kann meinen Prügel in sie reinstecken. Sie ist fast so weit. Mein Blick sucht nach Philip, ihrem Bruder. Er albert mit den Mädchen am Seeufer herum. »Niemand sieht her, Gwenny, komm, lass mich dich küssen. Nur ein Kuss ... ein kleiner, unbedeutender Kuss«, quengle ich gespielt. Und tatsächlich dreht sie sich zu mir um, ihr Mund legt sich auf meine Lippen.

»Du wirst mich noch oft anflehen müssen, Kenny, um zu bekommen, was du willst«, prophezeit sie mir und lässt sich nach hinten ins Wasser fallen. Ich und sie anflehen? Als ob sie es nicht auch unbedingt will!

»Kennedy? Wo steckst du?« Joshua ruft mich und ich verschließe den Reißverschluss meiner Jeans. »Ich komme, ich ziehe mich nur noch fertig an!«, schreie ich und schlüpfe in mein weißes T- Shirt. Während ich zum Wagen laufe, kämme ich mir mein, noch feuchtes, Haar nach hinten. Es beginnt bereits, sich zu wellen und ich weiß, in zehn Minuten werde ich aussehen wie ein Waschbär.

»Verdammt, wo bleibst du? Es wird Zeit ... sonst zählen die ohne uns an!« Joshua ist seine Aufregung nicht weiter anzumerken. Er ist siegessicher, sein Selbstvertrauen ist dem Meinen gleich. Nichts kann es erschüttern. »Und, hat Gwen dich an ihr Döschen gelassen?«, scherzt er, während er in Richtung Piste fährt.

»Halt die Klappe! Ich komme schon an ihr Döschen, nur keine Angst. Kümmere du dich lieber um Shelseys Dose.« Ich zeige ihm den Mittelfinger und lache laut. Es wird dunkel und wir fahren zusammen dem Sonnenuntergang entgegen.

KAPITEL 2 – DAS RENNEN

-Lesley-

Taras leises Pfeifen ertönt. Unser Zeichen, dass die Luft rein ist, weshalb ich vorsichtig mein Fenster aufschiebe und meine Beine, über die Fensterbank, nach draußen schiebe. Ich hangle mich zwischen den beiden oberen Fenstern am Blumengitter abwärts. Nur wenige Augenblicke später komme ich unten im Gras auf. Tara ist bereits an der Straße, wartet, mit ihrem Fahrrad in der Hand, hinter einem Busch. Sie verzieht auffordernd winkend ihr Gesicht, als sie mich sieht.

»Na endlich! Komm schon, ich will nichts verpassen. Ich will doch den Richtigen anfeuern«, murrt sie schmunzelnd. Sie steigt auf und radelt los, wobei ich hinten auf den Gepäckträger springe. Meine Beine lasse ich zur Seite baumeln, während sie in die Pedale tritt.

Wir müssen ein gutes Stück fahren. Die Rennen sind am Rand, nicht mitten in der Stadt und so brauchen wir fast eine halbe Stunde, bis wir von weitem die Wagen und das Gegröle hören können. Ich springe vom Rad und laufe mit schnellen Schritten den Schotterweg entlang. Hinter mir höre ich das Rad ins Gras fallen, gefolgt von Taras Laufschritten. Wir können die Lichter sehen. Es sind gerade zwei Wagen mit quietschenden Reifen gestartet und preschen mit aufheulenden Motoren davon.

Die Menge jubelt, feuert sie an. Einige laufen ihnen nach, um einen besseren Blick zu haben, auch wenn es mittlerweile fast komplett dunkel ist. Tara holt auf, greift im Vorbeiziehen meine Hand und zerrt mich schneller hinter sich her.

»Los, du Trantüte, beeil dich!« Zum Glück trage ich Ballerinas, sonst würde ich mir die Füße brechen, so schnell wie sie den kleinen Hügel herunterläuft.

Als wir ankommen, will ich gleich nach vorne laufen. Das ist alles so aufregend und ich bin so neugierig, sind wir doch das erste Mal hier bei einem Rennen dabei.

»Bist du verrückt? Da vorn steht Gwen ... willst du gleich in der Luft zerfetzt werden?« Sie hält mein Handgelenk fest umklammert und zerrt mich wieder ein Stück zurück, in die hinteren Reihen. Ich erkenne einige bekannte Gesichter und bin dann doch ganz froh, dass Tara mich bremsen kann.

Erneut geht ein Raunen durch die Menge. Drängelnd schiebe ich mich durch ein paar Leute hindurch und sehe die Scheinwerfer auf der unebenen Strecke auf uns zu tanzen.

»Josh, komm' schon!«, höre ich jemanden vor mir rufen. Es fallen immer wieder die beiden Namen, Josh und Brian, also weiß ich auch, wer gerade gegeneinander antritt. Josh ist Anführer der Clashers, sein Bruder geht mit mir zur Schule. Er ist der Schwarm von fast allen Mädchen, die ich kenne und natürlich mit Gwen, dieser Schlange, zusammen. Wenn sie nicht der Kapitän der Cheerleader wäre, würde ich sie komplett meiden. Sie ist alles andere als freundlich - nett ausgedrückt. Mir wirft Kennedy höchstens böse Blicke zu, wenn er mich überhaupt beachtet. Schließlich bin ich die Tochter vom Sheriff. Ich habe es also nicht gerade leicht in der Schule.

Die Wagen kommen wieder näher. Der Hintere wechselt die Seite, versucht ein Überholmanöver, doch der Vordermann verhindert dies erfolgreich. Einige halten vor Spannung die Luft an. So geschieht es noch einmal, bis das Geräusch von schrammendem Blech zu hören ist ... und noch einmal ...

Motorengeräusche sind zu hören, die Scheinwerfer des hinteren Wagens heben unnormal hoch ab und kommen ins Straucheln. Schreie! Gleich darauf tanzen die Scheinwerfer wie Glühwürmchen in der Luft und alles scheint, für einen Augenblick, wie in Zeitlupe abzulaufen.

Der hintere Wagen überschlägt sich und kommt schließlich, mit einem ohrenbetäubenden Krachen, zum Erliegen. Der Siegerwagen schießt an uns vorbei, mitten ins Ziel. Ich bin für einen Moment wie erstarrt, japse nach Luft und blicke dann hektisch hin und her. Die Leute rennen panisch durcheinander. Ein Teil von ihnen flüchtet. Sie hauen einfach ab! Der andere Teil rennt auf den Unfallwagen zu und immer wieder höre ich diesen Namen, der verzweifelt in der Dunkelheit hallt. Joshua.

»Wir müssen verschwinden, Les! Dein Dad wird gleich hier sein. Ein Teil der Leute ist in die Stadt gefahren, um den Krankenwagen zu rufen. Lass uns verschwinden!« Sie greift meinen Arm und will mich mit sich ziehen, doch ich reiße mich los.

»Tara, wir müssen helfen!«

Ich lasse sie stehen und laufe immer schneller auf den Wagen zu, an dem im Dunkeln, bereits die ersten Funken aufblitzen. Mit mehreren Leuten versuchen sie den Fahrer aus den Trümmern zu befreien. Doch durch die Überschläge ist die Karosse so verbogen, dass es unmöglich erscheint. Rauch dringt aus dem Motorraum. Es riecht nach verbranntem Gummi und Benzin. Von weitem sind die Sirenen zu hören. Ohne ein Wort zu verlieren, handele ich instinktiv und versuche zu helfen, eine der Türen aufzuziehen. Metall schneidet in meine Finger, doch das ertrage ich einfach.

»Da kommt Hilfe!?«, brüllt jemand auf der Beifahrerseite. In diesem Moment sehe ich auch, wer neben mir an der Fahrertür zerrt und sich nun in den Wagen beugt - Kennedy. Immer wieder spricht er seinen Bruder an und versucht, ihn zu greifen, um ihn durch das Fenster herauszuziehen. Doch dessen Beine sind eingeklemmt und Kennedys Mühen ohne Erfolg.

Der Streifenwagen hält unweit von uns und ich erkenne das Fluchen meines Vaters, als plötzlich Flammen aus dem Motorraum schlagen.

»Dad! Tu was! Dad, tu doch was!«, rufe ich ängstlich und suche hektisch seinen Blick. Kennedy drängt sich immer wieder in den Wagen. Er schubst mich zur Seite, doch ich versuche weiterhin, etwas an der Tür auszurichten. Buddy, sein Freund, ist nun bei ihm, versucht ihn immer wieder vom Wagen zu zerren.

»Kennedy, komm hier weg!«

»Lass mich los, Buddy! Das ist mein Bruder, da drinnen!«

»Willst du in die Luft fliegen?«, brüllt Buddy und versucht erneut, seinen Freund in Sicherheit zu bringen.

Mein Dad ist auf der Beifahrerseite, als die Flammen immer höherschlagen und ich die Hitze spüren kann.

»Ich helfe dir, Kennedy«, rufe ich ihm mit einem Seitenblick zu und wir versuchen nochmal, mit vereinten Kräften, den Wagen zu öffnen. Mir kommen die Tränen, ich habe solche Angst, wie noch nie in meinem Leben. Immer wieder zucke ich vor den Zungen des Feuers zurück, lasse mich aber nicht abschrecken und versuche weiter mein Bestes.

Die Feuerwehr ist weit und breit nicht zu sehen, lediglich der Krankenwagen braust auf uns zu. Dann schlagen die Flammen bereits in den Innenraum. Die Hitze wird unerträglich und ich werde von Dad gepackt, wobei er Kennedy einfach zur Seite schubst.

»Lesley, komm da jetzt weg!«

Ich kann es kaum ertragen, dass Dad aufgeben muss und versuche mich die ganze Zeit loszureißen.

»Lass mich zu ihm! Er ist verletzt«, brülle ich über meine Schulter, doch es ist zwecklos. Dad hält mich so fest, dass ich mich kaum bewegen kann. Immer wieder höre ich Kennedys verzweifelte Schreie nach seinem Bruder. Mir wird klar, es ist zu spät. Joshua, er hat keine Chance.

Kennedys Ärmel brennt bereits, als Buddy ihn einfach unter den Armen packt und ihn über die Straße, weg vom Wagen, zerrt. Nur Sekunden später durchzuckt ein Knall die Men-schen und der Wagen zerbirst. Metall und Glassplitter surren, wie kleine Geschosse, durch die Luft, weshalb Dad sich vor mich schiebt, um mich zu schützen. Ich schreie auf, schluchze, weil ich das alles nicht fassen kann und blicke neben uns auf den Boden, wo Buddy Kennedy im Arm hält. Er steht sichtlich unter Schock. Weinend starrt er geradewegs in die Flammen.

Stumm lasse ich mich in den Streifenwagen setzen, blicke auf in Dads erzürntes Gesicht.

»Darüber reden wir noch, Fräulein! Und wehe, du steigst noch einmal aus, bevor wir Zuhause sind!«

Ich zucke zusammen und ziehe die Beine unter mein Kinn. Das wird ein Donnerwetter geben, ganz egal, was ich gerade miterleben musste. Meine Augen huschen immer wieder zu dem brennenden Metallhaufen - mehr ist es nicht mehr. Ich muss schwer schlucken und wische mir zitternd über meine Wangen. Ich will gar nicht daran denken, wie Kennedy sich jetzt fühlen muss. Er sitzt immer noch auf dem Boden, während Dad ihm nun vorsichtig die Lederjacke auszieht. Nur wenige Augenblicke später hält der Krankenwagen schräg vor dem Streifenwagen und versperrt mir die Sicht. Doch das ist nicht schlimm. Ich kann sowieso, vor lauter Tränen, kaum etwas erkennen und ziehe die Beine nur noch fester an meinen Bauch. Das Licht der Flammen vermischt sich mit dem des Rettungswagens und ich schließe schniefend meine Augen.

KAPITEL 3 – DIE BEERDIGUNG

-Kennedy-

Immer wieder wälze ich mich in meinem Bett hin und her. Ich bekomme kein Auge zu. Mein Körper ist schwerfällig und taub. Immer wieder sehe ich das Feuer und spüre dessen Hitze an meinem Körper. Sehe, wie die lodernden Flammen an Joshuas leblosem Körper hinaufsteigen und ihn verschlingen. Wieder schließe ich meine Augen und versuche zu schlafen.

»Junge! Kennedy! Wach auf, Junge!«

Die Stimme meiner Mutter lässt mich hochfahren. »Josh?!« Panisch schaue ich mich in unserem Zimmer um. Mein Blick fällt auf das leere Bett, neben dem meinem. An der Wand darüber der Wimpel der Football Mannschaft unserer Schule. Schlagartig wird mir klar, dass es kein Traum war. Es ist wirklich passiert.

» Kenny. Wir brechen gleich zur Beerdigung auf. Mach dich bitte fertig.« Meine Mutter fängt an zu weinen und hält sich ein weißes Taschentuch vor den Mund. Langsam richte ich mich auf und nehme sie behutsam in den Arm.

»Ich liebe dich, Mama. Und es tut mir so schrecklich leid«, wispere ich ihr ins Ohr. Ich weiß, dass ich stark sein muss. Doch meine Mutter weinen zu sehen, ist für mich schlimm. Warum habe ich ihn nicht abgehalten zu fahren? Warum haben wir nicht auf Jesse gehört und sind früh zu Bett gegangen, wie Josh es ihm versprochen hat? Eine Frage folgt der nächsten und plötzlich bricht es aus mir heraus. Tränen schießen mir in die Augen und ich schluchze an Mutters Schulter.

Regungslos stehe ich am Grab meines Bruders. Vor drei Tagen lagen wir uns noch lachend in den Armen und er zerzauste mein Haar, wie er es immer tat. Langsam lasse ich meine Hand über meine Haare gleiten. Wie aus Reflex packe ich zu und ziehe an ihnen. Ich hasse mich dafür, dass ich ihn habe sterben lassen. Der Schmerz, der sich über meinen gesamten Kopf zieht, lindert den Schmerz in meinem Herzen. Doch nur für einen Sekundenbruchteil, dann ist er wieder da.

» Kenny, deine Hand.«

Mutter dreht sich in meine Richtung und nimmt meine rechte Hand in die ihre. Der weiße Verband ist Blutrot gefärbt. Die Schnittwunde hat sich wieder geöffnet und blutet.

»Schon in Ordnung, Mum. Alles gut.«

Sie lässt meine Hand los und wir wenden uns wieder dem Geschehen zu. Der Pfarrer der Nachbargemeinde ist gekommen, um Josh zur letzten Ruhe zu betten. Er spricht ein Gebet und ich lasse meinen Blick über die trauernden Reihen schweifen. Meine Augen bleiben an Lesley hängen. Sie steht abseits und hält etwas in der Hand. Es ist eine einzelne, weiße Blume. An ihrer linken Hand bemerke ich einen Verband. Hat sie sich etwa auch verletzt? Beim Versuch, mir zu helfen, Joshua, aus dem brennenden Wrack zu zerren?

» … und so lasset uns gemeinsam beten, meine Brüder und Schwestern … «

Ich sehe zu meinem Vater. Er sitzt auf einem weißen Klappstuhl. Diesen hat man ihm gerade gebracht, weil er nicht mehr in der Lage ist, sich auf den Beinen zu halten. So habe ich ihn noch nie gesehen. Seit dem Tag hat er mit keinem auch nur ein Wort gesprochen. Dies ängstigt mich, denn ich mag mir nicht vorstellen, was er alles sagen wird, wenn er aus diesem Wachkoma erwacht. Mein Blick richtet sich nun wieder auf meine Mutter. Ihre Augen sind starr auf Joshuas Sarg gerichtet. Der Pfarrer kommt zum Ende, nichts ist mehr zu hören. Es herrscht Totenstille um mich herum.

Die Trauergäste machen sich nun auf, um bei uns Zuhause den Leichenschmaus einzunehmen. Jesse und ich stehen als letzte am Sarg. Wir sprechen nicht. Wie wir es seit dem Tag schon nicht mehr tun. Nun wischt er sich mit dem Handrücken unter der Nase entlang und wirft mir einen wütenden Blick zu. Noch nie habe ich Jesse weinen sehen. Er wendet sich ab, geht und ich bleibe alleine zurück. Die Bestatter kommen mit Helfern, um den Sarg der Erde zu übergeben. Meine Hände ballen sich zu Fäusten. Tränen laufen meine Wangen hinab und versiegen im Kragen meines Hemdes. Ich schlucke hart. Der Gedanke daran, dass der entstellte Körper meines Bruders nun in diese kalte, dunkle Grube gelassen wird, macht mich fertig. Warum habe ich dich nicht aus dem Wagen ziehen können?

Hinter mir höre ich Schritte, die sich mir langsam nähern. Jemand steht dicht hinter mir. Die Anwesenheit ist genau zu spüren. Sogleich legt sich eine Hand auf meine rechte Schulter. Ich schaue über sie hinweg und direkt in Lesleys braune Augen. Sie ist betrübt und blinzelt eine Träne weg. Dann geht sie langsam auf das Grab zu. Die Blume, die sie in der Hand hält, wirft sie auf den Sarg und schaut mich dabei an. Ein schwaches Lächeln umspielt ihren Mund. Zügig setzt sie sich wieder in Bewegung und geht den Hügel hinunter. Ich sehe ihr nach, sehe die anderen Gäste, sie besteigen bereits ihre Wagen. Das war's also? Eine jämmerliche Stunde des Gebets und alles ist vorüber?

Ich höre die Autotüren und wie die Wagen angelassen werden. Nun bin auch ich endlich in der Lage, mich zu bewegen. »Bis bald, Bruder, halte mir einen Platz an deiner Seite frei.«, spreche ich zu mir selbst und drehe mich dabei zum Gehen um. Die laute Stimme meines Vaters lässt mich schneller werden. Er scheint aufgebracht zu sein. Sheriff Craft steht mit gesenktem Kopf vor ihm. Fast so, als hole er sich eine Strafpredigt ab. Ich entdecke eine zusammengekauerte Person hinter dem Sheriff. Es ist seine Tochter, Lesley.

Langsamer nähere ich mich dem Geschehnis und behalte meinen Vater fest im Blick. So aufgebracht habe ich ihn noch nie gesehen. Nicht mal, als Jesse damals fast die Garage abgefackelt hat, oder als Joshua mit mir vom Dach unseres Hauses springen wollte. Wir hatten uns aus Mutters neuen, weißen Bettlaken Flügel gebaut und dachten im Ernst, wir könnten mit diesen, wie ein Vogel, vom Dach segeln. Ein Grinsen huscht über mein Gesicht, als ich mich daran zurückerinnere.

»Und wie ich dich dafür verantwortlich mache! Der Herr im Himmel möge dir verzeihen, dass du meinen Sohn hast in den Flammen umkommen lassen, Howard Craft!«

»Theodor, so beruhige dich doch, seit wann kennen wir uns, verdammt noch mal? Seit der High School!«

Der Sheriff hat keine Chance, mein Vater rempelt an ihm vorbei und streift Lesley dabei unsanft am Arm.

»Du musst meinem Vater verzeihen. Er trauert sehr und weiß im Moment nicht, was er tut«, entschuldige ich mich bei Lesley für den Ausbruch meines Vaters.

»Schon gut, Kennedy. Es ist verständlich.«

Sie lächelt mich an, als Sheriff Craft nach ihr ruft. Ihre zarte Gestalt setzt sich zaghaft in Bewegung.

»Steig sofort in den Wagen, junges Fräulein!«, gibt er harsch von sich und öffnet die hintere Wagentür. Ihr Gesicht verändert sich und sie geht an mir vorüber, in Richtung des Streifenwagens, in dessen Inneren der Deputy am Funk spricht. Kurz bevor sie hinten einsteigt, wirft sie mir einen letzten Blick zu. Dieser bringt in mir etwas zum Klingen. Doch was? Was war es, das mich plötzlich an diese Streberin denken ließ?

KAPITEL 4 – DIE ERKENNTNIS

-Lesley-

Die Beerdigung von Joshua ist jetzt schon ein paar Tage her. Auch wenn mir dieses Ereignis immer noch ungemein in den Knochen steckt, versuche ich meinen Alltag normal hinter mich zu bringen. Da jetzt Ferien sind, kann ich zwar länger schlafen, doch Freizeit habe ich erst Nachmittags - außer ich habe Schicht im Diner. Doch heute habe ich frei und warte gespannt auf der Veranda, dass Tara und Shelsey um die Ecke biegen. Gelangweilt warte ich mittlerweile an der Straße, zupfe meine weiße Bluse zurecht und schiebe meine Hände in die Taschen meiner Jeans, als Tara auf ihrem Rad erscheint. »Wo ist sie?«, brumme ich genervt, denn ich dachte, dass meine eigentlich beste Freundin sich heute auch mal blicken lässt. Tara zuckt mit den Schultern.

»Ihr geht es nicht gut. Du weißt, sie war in Joshua verliebt.« Bei der Erinnerung an den Abend presse ich meine Lippen aufeinander und senke den Kopf. Schlapp werfe ich dabei die Hände in die Luft.

»Na, dann eben nicht …«

In gewohnter Manier - ich auf ihrem Gepäckträger - machen wir uns auf den Weg zur Eisdiele. Marcy, die Besitzerin, kennt uns bereits seit dem Kleinkindalter und unser Geschmack scheint sich nie wirklich geändert zu haben. Schon als sie uns hereinkommen sieht, greift sie zwei Waffeln und befüllt sie für uns. Für mich mit einer Kugel Zitroneneis, für Tara zwei Kugeln Schokolade.

»Hier ihr beiden, lasst es euch schmecken«, trällert sie lächelnd und schiebt mir mein Geld wieder über den Tresen zurück. »Lass nur, das knöpfe ich deinem Vater ab. Der kommt später sicher wieder her und holt sich einen Kaffee«, sagt sie zwinkernd, bevor Tara mich am Arm wieder raus in die Sonne zerrt.

»Danke, Marcy«, bringe ich noch hervor, bevor wir die Tür passieren. Wir setzen uns auf die Bank vor der Eisdiele und beobachten die Leute. Wirklich viel Interessantes passiert hier gerade nicht.

»Wie geht's denn deinem Bruder? Schon die Nase voll von Frau und Kind?«, fragt sie, über ihre knallrote Sonnenbrille linsend, und hebt frech einen Mundwinkel.

Ich zucke mit den Schultern.

»Ich habe ihn schon einige Tage nicht gesehen. Er meckert sowieso nur an mir herum und benimmt sich wie Dad … das brauche ich in meinen Ferien nicht auch noch.« Sie brummt zustimmend und schleckt fast in Zeitlupe an ihrem Eis. Dann hält sie inne.

»Da hinten sind die Clashers.«

Einerseits bin ich sofort neugierig, wie sie auch, denn irgendwie ziehen mich diese Jungs an. Einer besonders, doch dieser ist so gut wie nie allein … oder wirkt wieder so abwesend, dass ich mich noch weniger traue, etwas zu sagen.

»Ja und? Was willst du jetzt damit sagen?«

Mit verengten Augen blinzle ich rüber zum Diner, auf dessen Parkplatz die üblichen Verdächtigen aus einem Wagen steigen. Sie hopst von der Bank, stülpt ihre Lippen über die Waffel und saugt mit einem Mal den Rest Eises in ihren Mund.

»Ich will sagen, dass du deinen Hintern erheben sollst … ich habe jetzt Durst.« Ohne den Blick vom Diner zu nehmen, pusht sie ihre Brüste, zieht ihr sowieso schon knappes Shirt noch etwas weiter nach unten und wedelt hektisch mit ihrer Hand, um mich voranzutreiben.

»Taraaa! Ich habe gerade mein Eis unten …«

»Ja und jetzt hast du Durst. Komm jetzt.«

Ich setze mich nur widerwillig in Bewegung und rolle mit den Augen.

»Wenn die Clashers da sind, sind die Kittys auch nicht weit. Ich wollte Gwen und ihre Miezen heute eigentlich nicht sehen … außerdem muss ich nicht auch noch meine Freizeit hier verbringen«, murre ich, ihr folgend. »Und was ist mit deinem Rad?«

»Das hol ich später, das klaut schon keiner und jetzt komm. Ich habe Kennedy auch gerade gesehen.« Ein paar Schritte laufe ich hinter ihr her, bis mir ihr blödes Zwinkern wieder in den Sinn kommt und wir schon fast beim Diner angekommen sind.

»Wie meinst du das … du hast Kennedy grad gesehen?« Sie lacht herzhaft auf.

»Erzähl mir nichts, Sweetheart. Ich sehe, wie du ihn ansiehst. So, wie fast jede aus unserem Jahrgang.«

Ich schnaube auf.

»Ist doch gar nicht wahr.«

Schmollend schleiche ich hinter ihr ins Diner, lasse dabei meinen Blick durch den Raum schweifen. Ich bekomme schon rote Wangen, allein weil ich ihn sehe. Er sitzt mit Gwen, Buddy und Tristan in einer Polsterecke und verzieht keine Miene. In meiner Hosentasche nach meinem Geld kramend, lehne ich mich neben Tara an die Theke.

»Hier … bring mir eine Cola mit. Ich bin eben hinten.«

Sie nimmt den Dollar und nickt mir halb abwesend zu, bevor ich den Flur entlang zu den Toiletten gehe. Wirklich weit komme ich nicht. Philip, der Zwillingsbruder von Gwen, stellt sich mir in den Weg. Er baut sich vor mir auf und lässt seinen Blick an mir herunterfahren.

»Lesley, Baby. Da du, wie ich sehe, frei hast … was hältst du davon, wenn du mir ein wenig Gesellschaft leistest?«

Meine Augen weiten sich und ich trete einen Schritt zur Seite. »Danke, nein«, antworte ich halblaut und versuche, mich an ihm vorbei zu zwängen, doch er versperrt mir mit seinem ausgestreckten Arm dem Weg.

»Ach, komm schon, Baby«, säuselt er und greift nach einer meiner Strähnen, wickelt sie um seinen Finger.

Ich kenne Philip gut genug und ganz sicher werde ich ihm keine Gesellschaft leisten. Mit einem Klatschen, haue ich ihm auf die Finger, sodass er meine Strähne wieder fallen lässt.

»Nein, … und jetzt lass mich vorbei!«

Ich habe langsam die Nase voll davon, immer so blöd angequatscht zu werden. Ich drücke seinen Arm herunter und schiebe mich an ihm vorbei, um auf der Damentoilette zu verschwinden. Meine Laune ist jetzt im Keller. Ich will nicht mehr die graue Maus sein, die anscheinend keinen Schneid hat und keine Widerworte gibt. Ständig werde ich blöd angemacht - auch weil ich die Tochter vom Sheriff bin und es als eine Herausforderung gilt, an mich heranzukommen, denn mein Dad hat seine Augen überall. Genervt komme ich wieder vorn bei Tara an und greife meine Cola.

»Was ist dir denn über die Leber gelaufen?«

»Philip.«

Ihre Lippen formen ein O und sie hebt interessiert ihre Brauen. »Lass mich an dein Döschen, Baby…«, äfft sie ihn nach und baut sich spielerisch vor mir auf und zwar so, dass ich vor Lachen fast meine Cola aus den Händen verliere. »Na, mal im Ernst, Les. So brav, wie du rumläufst, werden die immer denken, sie können dich einschüchtern und dass du alles mit dir machen lässt.«

Mit einem lauten Knall landet mein Glas auf dem Tresen.

»Dann helfe mir.«

Ihre Miene erhellt sich und sie grinst wie ein Honigkuchenpferd von einem Ohr zum anderen.

»Du hast keine Ahnung, wie viele Jahre ich auf diesen Satz aus deinem Mund gewartet habe, Les!«

Mit einem Mal scheinen die Clashers völlig uninteressant geworden zu sein. Ich werde erneut gepackt und wieder zurück zur Eisdiele geschleift, wo Tara ihr Fahrrad schnappt und mit mir hinten drauf zu sich nach Hause radelt.

»Warum fährst du mich nicht heim?«, rufe ich, wobei ich mir ein paar Strähnen aus dem Gesicht wische. Sie blickt über ihre Schulter und beginnt leise zu prusten.

»Sorry, Schätzchen, aber mit deinen Klamotten kann ich nicht arbeiten.«

Ich hebe eine Braue. Eigentlich will ich etwas entgegnen, aber das kann ich nicht, denn sie hat Recht. Eindeutig. Alles in meinem Schrank schreit: Brav!

»Ich gebe dir was von mir. Ich habe einige Sachen, die mir zu brav sind … die sind für dich perfekt.«

Ich habe mir schon gedacht, dass es nicht einfach wird, aber dass ich später mit einer Leinentasche voller Kleidungsstücke wieder zu Hause ankomme, habe ich nicht gedacht. Ich mache, dass ich in mein Zimmer komme und schließe mich ein. Jetzt werde ich in Ruhe die Sachen anprobieren.

KAPITEL 5 – DAS COMEBACK

-Kennedy-

Die letzte Schulwoche vor den Sommerferien wurde ich von Rektor Springer freigestellt. Nun ist auch schon die zweite Ferienwoche um und alles geht wieder seinen gewohnten Gang. Es ist, als wäre nichts geschehen. Selbst wir geben uns so, als sei alles in bester Ordnung. Vater hat Sonntag wieder seine gewohnte Messe in der Gemeindekirche. Mutter ist öfter im städtischen Krankenhaus und betreut dort Bedürftige und werdende Mütter. Jesse hat bereits gepackt, er wird seinen Dienst wieder antreten. Sein Flieger geht morgen früh um acht Uhr. Mutter ist deswegen sehr besorgt. Sie hat Angst, auch ihren Ältesten zu verlieren.

»Pass auf Mutter auf, hörst du? Sie ist noch schwer angeschlagen. Auch, wenn es nicht so aussieht, weil sie sich in die Arbeit stürzt«, sagt Jesse zu mir, während er seinen Rucksack verschließt. »Und diesmal höre auf mich, Kenny. Verstanden?«

Dieser Satz hat gesessen. Mal wieder erinnert er mich an diesen Tag vor fast vier Wochen. »Warum tust du das? Ich muss nicht jedes Mal daran erinnert werden, was passiert ist!«, schreie ich ihn schon fast an.

»Du musst lernen, erwachsen zu werden, kleiner Bruder. Ich werde nicht hier sein und ich will mich auf dich verlassen können. Mach unseren Eltern keinen Kummer.«

Er schmeißt den Rucksack vor sein Bett auf den Boden und setzt sich zu mir. »Versprich mir, dass du brav bist.« Er legt seinen Arm um mich und zieht mich an seine Brust.

»Ich verspreche es dir, Jesse.« Lachend reibt er mir mit seinen Fingerknöcheln über den Schädel.

Gerade bin ich fertig geworden mit der Gartenarbeit und dusche. Vater spricht endlich wieder mit mir und hat mir erlaubt, mit den Jungs abzuhängen. Toni hat mir letzte Woche Joshuas Job angeboten. Diesen habe ich dankend angenommen. Es klopft und gleich darauf öffnet Mutter meine Zimmertür.

»Kann ich reinkommen?«

Ich ziehe mir das T-Shirt über den Kopf und stecke es mir in die Hose. »Klar, komm rein.«

Sie tritt ein und schaut mich besorgt an. »Komm, setz dich zu mir, Kenny. Ich möchte dir was geben.«

Sie hält einen weißen Briefumschlag in den Händen.

»Was ist das?«, frage ich und lasse mich neben sie auf mein Bett sinken. Ich höre nebenbei das Gepfeife der Jungs. Sie warten ungeduldig in der Auffahrt auf mich. Ich springe auf, gehe zum Fenster und schiebe es nach oben. »Ich bin gleich unten!«, lasse ich sie wissen und schließe das Fenster wieder.

»Ich mache es kurz, damit du zu deinen Freunden kannst. Hier, das ist Joshuas Erspartes. Er hatte es mir anvertraut und«, ihr steigen die Tränen in die Augen, » … und er braucht es ja nun nicht mehr. Du arbeitest jetzt bei Toni, nimm es. Es soll dir gehören. Er wollte sich davon ein neues Auto kaufen und dir den Buick schenken.« Mit zittrigen Händen drückt sie mir den Umschlag in die Hände.

»Mama, ich kann nicht-«

»Doch, du kannst und du wirst.« Sie streichelt mir über die Wange. »Du und er, ihr seid euch so ähnlich. Oft denke ich, Josh kommt um die Ecke, wenn du zur Tür hereinkommst.«

»Mama, ich-.«

Sie legt mir ihre zarten Finger vor den Mund. »Ruhe jetzt. Er hätte es so gewollt. Und jetzt geh’ und stellt nichts Dummes an.« Damit verlässt sie mein Zimmer und ich bleibe mit dem Umschlag in der Hand zurück.

»Hey, Kenny! Du Tranfunzel! Wird's bald?!«

Das ist Philip. Er schreit die ganze Nachbarschaft zusammen und ich stecke fluks den Umschlag unter meine Matratze. Schnell jogge ich die Treppen hinunter und begrüße meine Jungs.

»Ich sag's euch, die Tante, bei der läuft bald was. Die habe ich schon fast auf dem Rücksitz meines Wagens.« Philip prahlt mal wieder mit seinen Künsten, die Weiber reihenweise flachzulegen. In Wahrheit hat er seinen Prügel erst einmal in eine reingesteckt. Und das war die Mutter von Buckley, unserem Dickerchen. Sein Dad ist letztes Jahr in Vietnam gefallen und die gute Frau brauchte ein wenig Trost. Den ihr der Gartenboy, sprich Philip, nur zu gerne gab. Dennoch hatte er schon fast jede einmal auf dem Rücksitz gehabt. Mehr als seine Finger durfte er aber in noch keiner versenken.

Ich habe bereits Erfahrungen bei Shannon Pearse gesammelt. Sie ist stadtbekannt und wer es sich leisten kann, darf über sie rüber rutschen. Joshua und ich sind einige Male bei ihr gewesen und somit kann ich auf einiges an Erfahrung zurückgreifen. Shannon, ich könnte sie mal wieder besuchen.

Endlich kommt Buddy aus dem scheiß Baumarkt.

Seine Schicht ist zu Ende und wir können los in die Stadt. Er schmeißt seinen Arbeitskittel hinten auf die Ladefläche seines Pick-ups und springt hinein. Tristan und ich fahren bei ihm mit, der Rest sitzt bei Philip, im Cadillac seines Vaters.

»Habt ihr gehört, Bud Holmes kommt diese Woche nach Springs.« Tristan klopft rhythmisch auf seine Gitarre. Er ist stets gut informiert, über alle musikalischen Ereignisse, die hier in Palm Springs stattfinden.

»Wir sollten hingehen«, sagt Buddy.

Tristan sieht ihn etwas bestürzt an.

»Ist das nicht etwas zu früh, um Party zu machen? Ich meine, was sagst du dazu, Kennedy?«

Ich ziehe die Schultern hoch und hole meine Kippen aus meiner Lederjacke.

» Joshua war immer für gute Partys zu haben. Warum sollten wir sein Andenken nicht bewahren und endlich wieder die Sau rauslassen?«, wendet Buddy ein.

Und er hat recht. Joshua würde uns in den Arsch treten. Seine Clashers sitzen seit Wochen nur in ihren Wagen und drehen Däumchen. Das hätte er sicher nicht gewollt, dass aus seinen Jungs ein Haufen trauernder Schlappschwänze wird. Alle beide sehen mich an. Es scheint so, als warten sie auf mein okay. Warum warten sie auf mein okay? Nun wird es mir klar. Sie machen gerade aus mir das neue Oberhaupt der The Clashers. Ich zünde mir eine Zigarette an und nicke.

»Finde heraus, wann er auftritt. Wir werden unser Comeback feiern, Jungs. Wir sind zurück und jeder soll es erfahren.«

» Hey, mach Platz! Da sitze ich, du Penner!« Philip quetscht sich zwischen Buddy und Tristan an den Tisch. Ich komme gerade herein und beobachte das ganze Theater, das sich hier drinnen abspielt. Lässig stelle ich meinen Kragen auf und kämme mein Haar nach hinten, denn der Waschbär meldet sich bereits wieder.

»Kennedy, komm her, hier ist noch ein Platz frei!«

Dickerchen winkt mich heran, doch ich schaue erst einmal in die Runde. Heute ist das Diner mal wieder gut besucht. Die gute, alte Lucy steht hinter ihrem Tresen und schenkt Kaffee aus. Ich mag sie, sie ist eine Seele von einem Menschen.

» José, einmal Steak mit Bohnen und zweimal Cheeseburger mit allem!«, ruft sie gerade hinter sich zum Koch. Ich sehe zu dem herumwirbelnden Etwas, dass an mir vorbei huscht und die Tabletts in beiden Händen jongliert.

Lesley, sie hat heute also Dienst, stelle ich fest und beobachte sie. Zum ersten Mal fällt mir ihre Figur ins Auge. Ihr sexy Hinterteil kommt in der schwarzen, engen Hose gut zur Geltung. Weshalb ist sie mir nicht schon früher aufgefallen? Sie wirkt plötzlich ganz anders. Ihr Haar, sie hat eine neue Frisur. Und ihre Klamotten? Sie hat das brave Kleidchen gegen hautenge Hosen und ein enges, alles betonendes Oberteil getauscht.

»Hallo, Kennedy. Setz dich doch zu deinen Freunden. Ich bin gleich bei euch.«

Sie wirkt plötzlich selbstbewusster. Dies überrascht mich. Was ist mit ihr passiert? »Okay, ich setze mich mal«, stammle ich und gehe zu den anderen. Ich kann meinen Blick jedoch nicht von ihr lassen. Rückwärts stoße ich gegen unseren Tisch und alle fangen an zu lachen.

»Was ist denn mit dir los, Kenny?«, höre ich Buddy fragen. Ich lasse mich auf den freien Stuhl nieder, dabei halte ich weiterhin Ausschau nach dem hübschen Etwas in engen Hosen.

»Da kommt Gwendolyn mit ihren KittyCats«, informiert Tristan uns. Seit zwei Wochen sehe ich Gwen nur noch selten. Sie geht mir irgendwie aus dem Weg. Vielleicht, weil sie nicht weiß, wie sie mit mir umgehen soll, nach Joshuas Tod. Diese Nacht scheint uns alle verändert zu haben. Gwen ist nicht gerade die einfühlsamste Person, stelle ich fest. Anders als Lesley. Sie hat etwas Liebenswürdiges, Verletzliches an sich. Man hat ständig das Gefühl, sie beschützen zu müssen.

» Hey! Die Clashers wieder zusammen auf einem Haufen!«, ruft Gwendolyn und kommt mit wackelndem Hintern auf uns zu. Gefolgt von ihren drei Anhängseln.

KAPITEL 6 – DIE FRAGE

-Lesley-

»So, da bin ich. Was kann ich euch bringen?« Ich nehme meinen kleinen Notizblock und den von mir angeknabberten Bleistift aus meiner Gesäßtasche. Abwartend schaue ich in die Runde. An Kennedy und Gwen bleibt mein Blick etwas länger hängen und als unsere Blicke sich treffen, durchfährt mich ein Schauer. Er mustert mich und macht mich mit seinen Blicken nervös, weshalb ich verlegen meinen Pony in die Stirn streiche und mich an Tristan wende. Er ist immer noch der Netteste von allen. »Was kann ich dir bringen, Tristan?«

»Hey ... ich war zuerst dran, Les. Was übergehst du uns einfach?«, ruft Gwen genervt dazwischen, weshalb ich augenrollend meine Lippen aufeinanderpresse und mich in Zeitlupe zu ihr herumdrehe.

» Gwen, dann hättest du etwas bestellen sollen.«

Ich hasse es, wenn sie mich 'Les' nennt. Das dürfen nur meine Freunde - und sie gehört sicher nicht dazu.

»Bring' ihr einfach eine Cola und für mich ebenfalls. Danke, Lesley«, fährt Kennedy ihr über den Mund und schenkt mir ein angedeutetes Lächeln. Es verwirrt mich, auch wenn er seit dem Tod seines Bruders irgendwie anders ist. Netter. Er grüßt mich oder wünscht mir einen schönen Tag, wenn er geht. Das hat er vorher nie getan.

Ich notiere noch schnell die Bestellungen für die Anderen und gehe hinter die Theke zu Lucy, um die Getränke zuzubereiten. Ich lasse es mir nicht nehmen, Gwen links liegen zu lassen und sie als Letzte zu bedienen. Als ich ihr Getränk vor ihr abstelle, werfe ich einen Blick auf Kennedy. Er schmunzelt und schaut auf sein Glas, als wenn er sich ein Lachen verkneifen muss. Auch mein Mundwinkel hebt sich und ich beiße auf das Innere meiner Wange, um mir ein Lachen zu unterdrücken.

» Lesley! Bring mir noch Fritten, ja Baby?«, ruft Buddy mir hinterher. Ich nicke ihm über meine Schulter zu.

»Aber nur, wenn du mich nicht mehr 'Baby' nennst.« Er streicht sich über seine Haare und deutet ein Kopfschütteln an.

»Ba … aber warum?«

»Weil du sonst keine Fritten bekommst.«

An beiden Tischen bricht Gelächter aus und was mache ich? Ich bekomme rote Wangen, kehre ihnen den Rücken zu und verschwinde schnell zurück zum Tresen. Lucy stellt sich neben mich und streicht liebevoll über meinen Arm.

»Richtig so, lass' dir nicht alles gefallen, Schätzchen. Du siehst heute gut aus. Nicht umsonst flirten sie mit dir.«

Jetzt glühen meine Wangen noch mehr.

»Danke, Lucy... José, einmal Fritten, bitte.«

Die Horde bleibt noch eine Weile, raubt mir meine Nerven und ich weiß nicht, wie oft ich Buddy und Philip daran erinnern muss, dass ich nicht deren 'Baby' bin. Oft verdrehe ich zischend die Augen, weil ich das überhebliche Lachen von sämtlichen Mitgliedern der KittyCats nicht mehr ertragen kann. Dazu hat das Arbeiten meine Hand überanstrengt. Die Wunde ist zwar einigermaßen verheilt, aber weil meine Hand ständig in Bewegung ist, dauert alles länger, als mir lieb ist. Die Stelle, die einmal quer über meine Handfläche geht, reagiert leider immer noch empfindlich auf Druck. Nach so einer Schicht im Diner bin ich erleichtert, wenn ich nichts mehr tragen muss. Leider habe ich noch etwas mehr als eine Stunde vor mir und bin froh, dass wenigstens die KittyCats und auch ein paar der Clashers endlich gegangen sind und mir nicht mehr auf die Nerven gehen.

»Mach noch schnell die Tische sauber und dann verschwinde, Kleines«, ruft Lucy aus der Küche zu mir herüber. José ist bereits gegangen, weil kaum noch jemand hier ist und Lucy zur Not die Küche allein stemmen kann. Ich lächle ihr dankbar zu und beginne, die Tische abzuräumen. Mit den Schlimmsten fange ich an - den Tischen, wo die Clashers gesessen haben. Seufzend werfe ich sämtliche Papiertücher, Schnipsel und Essensreste auf ein Tablett und ziehe sogar zwei Gurkenscheiben vom Fenster. Diese Idioten! Warum sind die gerade bei meinen Schichten andauernd hier?

Grummelnd gehe ich auf die Knie und hole eine Lederjacke unter der Bank hervor. Ich kenne diese Jacke und weiß genau, wem sie gehört. Nicht nur chaotisch, sondern auch vergesslich, denke ich mir und schüttle den Kopf. Die Tür vom Diner öffnet sich und ein mir bekanntes Gesicht schiebt sich herein.

»Lesley ... ich-«

»Du hast deine Jacke vergessen«, beende ich seinen Satz lachend und stehe, mit seiner Jacke in der Hand, vom Boden auf. Die ganze Zeit liegt sein Blick auf mir, wobei er sich schmunzelnd sein Kinn reibt.

»Gibst du mir meine Jacke?«, fragt er mit diesem umwerfenden Lächeln und zeigt auf eben diese. Mir steigt die Hitze in den Kopf. Seine grünen Augen bringen mich ordentlich durcheinander und ich strecke ihm hektisch meinen Arm entgegen. Auch das scheint ihn zu amüsieren, denn er greift leise lachend nach seiner Jacke. Dabei umschließt er meine Finger mit seinen, was mich zusammenzucken und zu ihm aufschauen lässt. Erschrocken halte ich meinen Atem an, bin wie gefangen von seinem Blick, diesen funkelnden Augen, die immer noch traurig, aber trotzdem frech in meine schauen. Langsam streift er die Jacke über seine Schultern und leckt sich über die Lippen.

»Ist noch etwas?«, frage ich schüchtern und greife nach dem Tablett, das auf dem Tisch neben uns steht. Leider denke ich in dem Moment nicht an meine verletzte Hand. Durch den festen Druck, durchfährt mich der Schmerz, weswegen ich das Tablett schnell wieder auf den Tisch fallen lasse. Seine Miene wirkt ernst, während er nach meiner Hand greift und sie vorsichtig in seine legt. Ich halte erneut die Luft an und öffne überrumpelt meine Lippen. Erst recht, als er sanft mit seinem Daumen über die Narbe streicht und ich schon wieder zusammen zucke.

»Tut deine auch noch weh?«, fragt er mit heiserer Stimme, bevor er mir in die Augen schaut. Bei seinem Blick habe ich das Gefühl, ich habe vergessen, wie man atmet. Deshalb nicke ich schnell.

»Ich weiß es zu schätzen, Lesley. Alles, was du da-.«

Er stockt mitten im Satz und schluckt schwer.

»Es ist okay, Kennedy«, hauche ich leise. Ich sehe, wie sehr die Erinnerungen ihn im Griff zu haben scheinen.

»Nichts ist okay«, platzt es aus ihm heraus, was ihm aber gleich wieder leidtut, weil ich ihm ruckartig meine Hand entziehen möchte. Er flucht leise und greift nervös in seinen Nacken. Ich kann ein »Was habe ich schon zu verlieren« hören, was mehr gemurmelt ist, bevor er sich über seine Lippen streicht und mir schmunzelnd wieder in die Augen schaut. Sanft streichelt er mit dem Daumen über die Innenfläche meiner Hand.

»Würdest du mit mir ausgehen?«

Ich bin sprachlos und verenge verdutzt meine Augen. Trotzdem schlägt mein Herz wie wild in meiner Brust und lässt sich auch durch tiefes Durchatmen nicht beruhigen. Dazu kommt mir sofort eine nicht unerhebliche Einzelheit in den Sinn. »Ich würde gern, Kennedy, aber ich kann nicht. Das wäre ... nein. Es tut mir leid.« Ich schnappe mein Tablett, drehe ihm den Rücken zu und gehe damit zum Tresen, um es abzuräumen.

»Ist es wegen deinem Vater? Das interessiert mich nicht.«

Ich drehe mich zu ihm um. Wieder versinke ich in seinen Augen und atme viel zu schnell. »Auch, aber das ist nicht der Hauptgrund. Kennedy, es geht einfach nicht.«

Ich muss von ihm weg. Warum ist er auf einmal so scharf darauf, mit mir auszugehen? Warum lässt er nicht locker? Noch einmal schaue ich ihn an und gehe hinter dem Tresen entlang, um zum Personalraum zu gelangen. Auch dorthin lässt er mich nicht gehen, sondern stellt sich mir in den Weg, versperrt mir den Durchgang mit seinen Armen.

»Dann sag mir wenigstens, warum nicht.«

Wie gerne würde ich, ohne Frage, ‘Ja’ sagen. Ich schwärme schon ewig für diesen Kerl und wenn er wüsste, wie schnell mein Herz jetzt schlägt, würde ich wahrscheinlich vor Scham im Boden versinken. Dass er mich nun so intensiv anschaut und seine Lippen sich, genau vor meiner Nase, so aufgeregt verziehen, macht es mir wirklich nicht leicht.

»Du hast eine sehr einflussreiche Freundin und ich möchte nicht ihr neues Spielzeug sein, nur, weil ich einen Fehler begangen habe.«

»Lesley ... nur ein Date. Ich schwöre, ich rühre dich nicht an. Ich möchte dich nur gern kennenlernen. Bitte.«

Ich bin, ehrlich gesagt, überfordert. Jeder Muskel in mir versteift sich und ich befeuchte aufgeregt meine Lippen.

»Kennedy ...«, beginne ich leidend.

»Wir treffen uns irgendwo, wo uns keiner sieht ... es muss nicht hier sein«, beharrt er weiter.

Ich ziehe meine Brauen zusammen, weil ich immer weniger verstehe, was der Grund dafür ist, dass es ihm so wichtig ist.

»Lesley, nur ein Date. Ich benehme mich und es wird uns keiner sehen. Was sagst du? Komm schon.«

Mein Mund ist trocken, meine Hände dagegen schwitzig und ich presse meine Lider fest zusammen, weil ich selbst nicht glauben kann, was ich jetzt sagen werde.

»Okay. Ein Date, mehr nicht.«

Seine Mundwinkel heben sich, er nimmt meine verletzte Hand in seine, dreht die Handfläche nach oben und setzt mir einen sanften Kuss darauf. Ich starre ihn dabei regelrecht an und atme stockend ein. Flüsternd entweicht mir sein Name und ich schüttle meinen Kopf. Mit seinem Mund über meiner Hand schaut er zu mir auf und grinst mich frech an. Dabei lässt er meine Hand los und zwinkert mir noch zu, bevor er recht zügig das Diner verlässt.

KAPITEL 7 – VERTRAUEN

-Kennedy-

»Wenn du später die Dachrinnen gereinigt hast, musst du zu den Jacksons. Die haben einen losen Fensterladen. Sieh zu, dass du ihn wieder befestigt bekommst, ich habe ihnen schon gesagt, dass du heute vorbeikommst.«

Warum ausgerechnet heute? Ich wollte doch was mit Lesley unternehmen!

Vater sitzt an seinem Schreibtisch und arbeitet an seiner Predigt, aber als er meinen Gesichtsausdruck bemerkt, zieht er seine Brille ein Stück runter und sieht mich über den Rand hinweg an.

»Gibt es ein Problem, junger Mann?«

Ich schüttle den Kopf, wische mir die schmutzigen Finger an dem roten, alten Lappen ab und stecke ihn mir in meine Gesäßtasche zurück. »Nein, Vater.«

»Kennedy, was ist los? Ich kenne diesen Gesichtsausdruck. So hat -.«

Joshua auch immer geschaut, wenn er was auf dem Herzen hatte? Das denkt er gerade, spricht es aber nicht aus.

»Es ist nur, ich, ich wollte gern heute mal wohin fahren. Darf ich Jesses Motorrad leihen? Ich werde auch aufpassen und es waschen und polieren, wenn ich zurück bin, versprochen.«

Er überlegt und fährt mit seinem Daumen über seine Unterlippe. Er sagt nicht sofort nein, das ist gut!

»Um zwölf spätestens bist du zu Hause, junger Mann. Ich bin mir sicher, dass du was mit einer jungen Dame vorhast. Also? Wer ist sie? Kenne ich sie?«

Scheiße, was soll ich sagen? Kenny! Überleg!

»Es ist ein Mädchen, das du nicht kennst, Vater. Sie kommt von außerhalb. Ich bin sicher schon früher zurück. Sie muss um zehn Uhr zu Hause sein. Ihr Vater ist sehr streng.«

Mein Vater lächelt. Es sagt ihm zu, dass der Vater streng ist, weil somit das Mädchen anständig sein muss.

»Komm einfach nicht zu spät, mein Junge. Und fahr vorsichtig.«

»Danke, Vater.« Ich sehe noch aus dem Augenwinkel, wie mein Vater schmunzelt und den Kopf leicht schüttelt. Er war schließlich auch einmal jung. Mutter hat uns schon so einige Geschichten über ihn erzählt. Sagen wir es mal so. Er war einer der jungen Wilden damals. Vater ist streng, dennoch hat er Verständnis für die Jugend.

»Magst du eine kalte Limonade, Kennedy?«