Parasiten - Meister der Manipulation - Hans-Peter Hutter - E-Book

Parasiten - Meister der Manipulation E-Book

Hans-Peter Hutter

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Beschreibung

Sind Sie bereit für die schockierende Wahrheit? Wollen Sie wissen, warum die Maus direkt in den Rachen der Katze läuft? Oder warum die Spinne sich in einen Zombie verwandelt, der freiwillig verhungert? Hinter diesen tierischen Selbstmordmissionen steckt kein Todeswunsch, sondern ein Parasit mit einem ausgeklügelten Plan, der auch vor uns Menschen nicht zurückschreckt. Ein renommierter Arzt und ein Medizinjournalist lüften den Vorhang zur bizarrsten Show der Natur, in der Mini-Bestien ihre Wirte zu willenlosen Marionetten verwandeln, egal ob Mensch oder Tier. »Die raffiniertesten Parasiten haben im Laufe ihrer Evolution die Fähigkeit entwickelt, das Verhalten und die Psyche ihres Wirts zu ihrem eigenen Vorteil zu manipulieren.« (Cora Richter | Parasiten: Wie Parasiten ihre Opfer steuern -Medizin – Gesellschaft – Planet Wissen)

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Seitenzahl: 220

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Über das Buch

Warum läuft eine Maus schnurstracks in den Rachen einer Katze? Wie werden Wasserschnecken zu lebenden Leuchtreklamen? Weshalb hungern sich manche Käfer freiwillig zu Tode? Und was hat das mit uns Menschen zu tun?

Schon urzeitliche Höhlenbewohner, die alten Ägypter und Ötzi hatten mit Parasiten zu kämpfen. Denn die winzigen Lebewesen sind nicht nur äußerst wandelbar, sie sind auch echte Überlebenskünstler und raffinierte Manipulatoren.

Doch statt sich vor diesen kleinen, oft bizarren Quälgeistern zu fürchten, plädieren Hans-Peter Hutter und Raoul Mazhar dafür, diese echten Wunderwerke der Natur besser verstehen zu lernen. Wissenschaftlich fundiert, verständlich und humorvoll stellen die Autoren die verborgene, aber spektakuläre Welt der Parasiten vor, voller skurriler Organismen und beeindruckender Methoden.

Inhalt

Vorwort von Ursula Poznanski

Anleitung zum Lesen

Kapitel 1 –Wie Malaria uns zu Duftbäumen macht

Kapitel 2 –Am Anfang war kein Ei

Kapitel 3 –Abgesang der weißen Witwen

Kapitel 4 –Götter, Geister und Güllegruben

Exkurs in die Immunologie –Zellen mit kurzer Zündschnur

Kapitel 5 –Der Barbier der Herzen

Kapitel 6 –Der Stachel in der Doppelkrone

Kapitel 7 –Der Fisch, der seine Zunge verliert

Kapitel 8 –Alles für die Katz

Epilog –Kurz kratzen, dann weiterleben

Gewidmet denen, die wir lieben – und allen, die uns lieben, obwohl sie uns kennen.

Vorwort von Ursula Poznanski

Wer, sobald das Wort „Naturwissenschaften“ fällt, sofort die inneren Scheuklappen aufsetzt und auf schlechte Schulnoten in Biologie, Chemie und Physik verweist … hat mein vollstes Verständnis. Allein die Masse an Fremdwörtern und Fußnoten, die elend langen Sätze. Und Latein sollte man am besten auch noch sprechen, damit man sich durch Artikel – oder schlimmer: Bücher – quälen kann, die gefühlt nichts mit einem selbst zu tun haben.

Wie gut also, dass Sie dieses Buch gekauft haben, denn hier ist Wissenschaft das pure Vergnügen. Nie hätte ich gedacht, dass Parasiten so amüsant (und gleichzeitig erschreckend) sein können. Sie sind Meister der Manipulation und dabei erfindungsreicher als die schlimmsten Politiker. Es gibt sie in Form von Würmern, Viren oder Wespenlarven und wer The Last of Us gesehen hat, wird sich freuen zu erfahren, dass Pilze, die ihre Wirte in Zombies verwandeln, ganz real existieren.

Hans Peter Hutter und Raoul Mazhar bringen uns die Welt dieser winzigen Schmarotzer auf so amüsante Art und Weise nahe, dass man sich unwillkürlich in den Text verbeißt wie ein Peitschenwurm in Ötzis Dickdarm (mehr dazu ab Seite 65) und am Ende der Lektüre nicht nur bestens unterhalten, sondern tatsächlich auch ein wenig klüger ist. Und nie wieder barfuß über einen Campingplatz laufen wird.

Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen beim Lesen!

Herzlichst

Ursula Poznanski

Anleitung zum Lesen

Dies ist kein Vorwort, denn streng genommen haben wir schon eines – und was für eines! Ursula Poznanski hat sich nicht lumpen lassen und uns ein Vorwort geschrieben, das jedem Kriminalfall standhalten würde. Wir dagegen wollten ursprünglich gar keines. Warum auch? Dachten wir. Wer knabbert an der Apfelschale, wenn das Fruchtfleisch lockt? Doch spätestens seit Ursula wissen wir: Auch die Schale birgt Geschmack, Aromen und manchmal jene Essenzen, die die ganze Frucht erst schmackhaft machen. Und was macht man, wenn man von Ursula Poznanski ertappt wird? Man legt das Geständnis ab und lässt sie an das Steuer. So haben wir nun ein Vorwort, das nicht da sein sollte, und ein Nicht-Vorwort, das unerwartet eine Komplizin gefunden hat. Diesen – nennen wir es Geleittext – haben wir mit jener Prise Humor gewürzt, die Sie auch im weiteren Buch erwartet.

Was erwartet Sie also? Betrachten Sie dieses Buch als Einladung in die Welt der raffiniertesten Lebenskünstler unseres Planeten. Ein Panoptikum hochspezialisierter und evolutionär erfolgreicher Lebewesen mit bizarren Überlebensstrategien. Sie werden Minigenies kennenlernen, die Körper kapern, Verhalten steuern und die Evolutionsgeschichte mitschreiben. Unsere gemeinsame Reise in die Welt der Parasiten ist wissenschaftlich fundiert, aber ohne Scheu vor dem Kuriosen oder Komischen.

Nehmen wir Hans-Peter Hutters Lieblingsparasiten: Ophiocordyceps unilateralis, in Boulevardzeitungen bekannt als „Zombie-Pilz“. Schon der Name lässt Science-Fiction-Fans aufhorchen. Dieser Mikroorganismus manipuliert das Verhalten von Ameisen mit einer Listigkeit, die selbst erfahrene Parasitologen sprachlos macht. Der Pilz infiziert die Ameise, wächst in ihrem Körper und steuert ihr Verhalten so präzise, dass sie an einem bestimmten Ort und auf eine bestimmte Weise stirbt – natürlich dort, wo es für den Pilz optimal ist, um sich weiter auszubreiten. Die Komplexität dieses Meisterstücks löst Ehrfurcht vor der Natur aus. Es zeigt, wie erstaunlich anpassungsfähig und spezialisiert Mikroorganismen sein können und wie beeindruckend unsere Welt auch im Kleinen ist.

Wir wollen Sie also faszinieren. Aber wie soll dieses Buch gelesen werden? Wie ernst können Sie es nehmen und warum wurde es überhaupt geschrieben? Wir klären zunächst, warum wir ein ernstes Thema – Parasiten kosten weltweit und pro Jahr mehr Menschenleben als Autounfälle und Morde zusammen – humorvoll aufbereiten.

Viele misstrauen dem Humor, denn er entblößt geheimste Gedanken. Zeig mir, worüber du lachst, und ich sage dir, wer du bist! An dieser Stelle verweisen wir auf den ehrwürdigen Jorge aus Umberto Ecos Der Name der Rose. Er mag fiktiv sein, doch er ist der Held aller Humorlosen, der Gesalbte der Witz-Agnostiker. Wir Autoren sind überzeugt: Jorge ist ein Antiheld. Und von Menschen, die das Lachen verdammen, sollte man sich tunlichst fernhalten. Sie halten also ein Buch in Händen, das Jorge verdammt hätte. Es befasst sich mit einem todernsten Thema und dennoch werden Sie ständig über Augenzwinkern, Wortspiele und Humor stolpern, die zumeist die Farbe Ihres Morgenkaffees haben, sofern Sie diesen tiefschwarz mögen. Das ist kein Zufall, sondern Strategie. Und wir entschuldigen uns nicht dafür. Im Gegenteil.

Ihr Gehirn – dieser faszinierende innere Kommentator, der Sie täglich mit bis zu 70.000 Gedanken bombardiert – liebt Emotionen. Wenn eine neue Erfahrung ein Lächeln auslöst, verschwören sich die beiden und bleiben auf ewig verbunden. (Zugegeben, bei Angst und Wut klappt das genauso gut, aber damit wollen wir Sie nicht belasten.) Forscher nennen das den „Gedächtnisbooster-Effekt“.

Aber am wichtigsten ist der Perspektivenwechsel. Witz funktioniert durch unerwartete Wendungen; er zwingt uns, um die Ecke zu denken. Der Humor in diesem Buch ist somit kein Mangel an Achtung vor der Materie, sondern tiefster Respekt vor der Art, wie unser Hirn am besten funktioniert. Betrachten Sie die gute Stimmung als Trittsteine über einen mitunter reißenden Wissensbach.

Apropos wilde Gewässer: Parasitologie-Veteranen werden uns womöglich vorwerfen, dass wir durch die Materie mäandern wie ein launischer Gebirgsbach – mal tief in komplexe Lebenszyklen eintauchend, mal oberflächlich plätschernd. Dies ist Absicht. Wir haben kein Lehrbuch verfasst, das pflichtschuldig jedes Detail abarbeitet. Stattdessen verweilen wir, wo es uns reizt, und hasten vorbei, wo es Sie langweilen könnte. Wer also für eine Uni-Prüfung lernt, sollte dieses Buch irgendwann beiseitelegen und zu dickeren Werken greifen. Dort gibt es das nötige Futter für den akademischen Apparat, bei uns bekommen Sie einfach nur den Appetit darauf. Über die thematische Reihenfolge entscheiden übrigens Sie selbst. Die Kapitel bauen zwar lose aufeinander auf, aber Sie können nach Lust und Laune durch das parasitologische Panoptikum flanieren.

Noch etwas Wichtiges: Wenn Sie denken, Parasitologie mit ihren verschlungenen Lebenszyklen wäre kompliziert: Willkommen beim Thema Gendern. Es erhitzt bekanntlich die Gemüter. Für den akademischen Lehrenden Hans-Peter Hutter ist es selbstverständlich, denn an Universitäten gehört es zum Alltag wie das Zitieren von Quellen. Doch für den Journalisten Raoul Mazhar, Chefredakteur einer medizinischen Zeitung, ist es anders. Nicht aus ideologischen Vorbehalten – im Gegenteil, die Argumente der Gender-Befürworter sind gut und richtig. Aber leider macht Gendern Texte mitunter sperrig. Und für Journalistinnen und Journalisten ist Lesbarkeit heilig. Sätze wie „Wenn Ärztinnen und Ärzte ihren Patientinnen und Patienten den/die richtige(n) Experten/Expertin empfehlen“ sind ein sprachlicher Hindernisparcours, den kein Witz mehr auflockern kann.

Unser Mittelweg: In der Einzahl nutzen wir die weibliche Form, in der Mehrzahl die männliche. Das klingt dann so: „Eine Ärztin empfiehlt ihren Patienten die richtige Expertin.“ Wir wissen, dass das nicht jedem gefällt, es wird sogar einige geben, die sich aufregen. Aber der Kompromiss ist, wie das Vorwort, eine verkannte Sache. Dazu eine kurze Geschichte, die Raoul Mazhar als Kind von seinem Vater hörte: Goha, der arabische Till Eulenspiegel, zog mit seinem Sohn und einem Esel durch die Stadt. Der Vater saß im Sattel, der Filius führte das Tier. Bald rief eine Frau: „Wie herzlos! Der arme Junge müht sich ab, während der Vater faul auf dem Esel thront.“ Beschämt stieg Goha ab und ließ seinen Sohn aufsitzen. Kurz darauf schüttelte ein Mann den Kopf: „Der kleine Pascha reitet, während sein alter Vater laufen muss. Eine Schande!“ Daraufhin gingen beide neben dem Esel her. Da lachte jemand schallend: „Wie dumm! Wofür hat man einen Esel, wenn man nicht reitet?“ Also ritten Vater und Sohn einträchtig auf dem Tier – bis eine Frau sie wüst als „Tierquäler“ beschimpfte. Goha tätschelte das Langohr und sagte zu seinem Sohn: „Was du heute gelernt hast, sollst du niemals vergessen: Hör dir alle Meinungen an, aber entscheide selbst, was du für das Beste hältst. Und lebe damit, dass es unmöglich ist, alle zufriedenzustellen.“

Unsere Lösung ist, frei nach Churchill, nicht die beste, aber selbst, falls Sie diesen Kompromiss für faul halten: Versuchen Sie trotzdem, die Lektüre zu genießen.

Aber Vorsicht: Falls Sie noch nie zuvor etwas mit Parasitologie zu tun hatten, werden Sie die Natur danach nie wieder so wahrnehmen wie vorher. Sie ist manchmal bizarrer als jede Fiktion. Willkommen in einer unsichtbaren Weltordnung, die in uns, auf uns und um uns herum seit Ewigkeiten das Sagen hat!

Hans-Peter Hutter und Raoul Mazhar

Para MatchParasit sucht Wirt

Plasmodium falciparum, 365.000 Jahre alt

Was ich biete:

Unvergessliche heiße Nächte, regelmäßige Höhepunkte (alle 48–72 Stunden), Halluzinationen ohne Drogen (Delirium de luxe), lebenslange Bindung – Lebensdauer kann variieren

Red flags:

Sichelzell-Träger (zu euch finde ich sowieso keinen Zugang), Chinin-Säufer, Netz-Fetischisten

Über mich:

Liebe es, in warmen Gefilden zu chillen, absoluter Teamplayer (vermehre mich exponentiell), fliege leidenschaftlich, bin anhänglich, glaube an langfristige Beziehungen.

Was ich suche:

Heißblütig, mit einer abenteuerlustigen Leber und einem Immunsystem, das eine Challenge sucht. Du bist bereit für Nächte, die dich an deine Grenzen bringen? Liebe auf den ersten Stich!

Kapitel 1 –Wie Malaria uns zu Duftbäumen macht

Fragt man Passanten auf der Straße, welche Tiere in Afrika am gefährlichsten für Menschen sind, nennen die meisten Raubkatzen, Büffel und Krokodile. Tatsächlich stehen Giftschlangen auf Platz 2 der Liste, Hunde überraschenderweise auf Rang 3, während Krokodile und Nilpferde erst an achter und zehnter Stelle folgen. Doch nicht Reißzähne und Gift können Menschen den größten Schaden zufügen – viel gefährlicher ist ein einen Millimeter langes, hochspezialisiertes Rohr. Dieses gehört der weiblichen Anopheles-Mücke, die jedes Jahr für den Tod von Hunderttausenden mitverantwortlich ist.

Jährlich infizieren sich etwa 175 Millionen Menschen mit Malaria – mehr als die Einwohner von Deutschland und Frankreich zusammen. Weltweit sterben rund 600.000 Menschen pro Jahr an dieser Krankheit. Insbesondere Afrika leidet unter dieser Geißel, hier sind 90 Prozent aller Malaria-Toten zu beklagen.

Die Stechmücke ist allerdings nur ein unschuldiger Überträger, ein Vektor, wie es in der Parasitologie heißt. Der wahre Übeltäter blieb lange unentdeckt und ist so winzig, dass die Menschen einst den Sumpfdämpfen die Schuld für die Krankheit gaben. Malaria leitet sich aus dem Italienischen ab und bedeutet „schlechte Luft“. Der Name stammt aus einer Zeit, als Malaria tertiana in den feuchten Gegenden Südeuropas keine exotische Krankheit war. Erst 1970 erklärte die WHO Italien für malariafrei.

Lange tappten die Heiler bei der Behandlung im Dunkeln, bis im 17. Jahrhundert die Jesuiten die Chinarinde nach Europa brachten, was einen therapeutischen Fortschritt bedeutete, aber auch für Verwirrung sorgte. Die Jesuiten waren notorische Geheimniskrämer und man glaubte, sie hätten die Rinde aus Asien importiert. Tatsächlich stammt die Chinarinde aber von Bäumen der Gattung Cinchona, die in den Anden Südamerikas, besonders in Peru und Bolivien, wachsen. Der Irrtum entstand durch eine Übersetzungsposse: Das Quechua-Wort (die meistgesprochene indigene Sprachfamilie Südamerikas) quina für Baumrinde wurde kurzerhand zu „China“ umgedeutet. Also ein linguistischer Kurzschluss, der von den Jesuiten bewusst nicht richtiggestellt wurde und bis heute für Kopfkratzen sorgt.

Der große Samenraub

Europäische Protestanten standen dem „Jesuitenpulver“ zunächst skeptisch gegenüber – schließlich kam es von den Katholiken, und das war verdächtig genug. Doch bald erkannten die europäischen Mächte den Wert dieser Pflanze, die in Südamerika sogar als Währung diente. Die spanischen Kolonialherren bewachten ihr Monopol eifersüchtig, während konkurrierende Mächte Spione entsandten, um Setzlinge zu beschaffen. Ganz nach Konfuzius: „Gib einem Mann einen Fisch und du ernährst ihn für einen Tag. Lehre ihn fischen und du ernährst ihn ein Leben lang.“ Die Briten, bekannt für ihre Agenten, schickten den Botaniker Richard Spruce, eine Art James Bond der Pflanzenwelt. 1852 durchstreifte er im Auftrag der britischen Krone Ecuadors Natur, um Chinarindensamen zu finden. Als er fündig wurde, versteckte er sie in seiner Kleidung. Gerüchten zufolge nähte er dafür eigens spezielle Taschen in seine Unterhosen – womit Spruce gegebenenfalls nicht nur botanische Geheimnisse, sondern auch die Urform der Boxershorts nach England schmuggelte. Ein Mann, zwei Revolutionen.

Nur wenige Jahre später zog der Engländer Charles Ledger für die Niederlande los, um das grüne Gold zu finden. Ledger war ein Hasardeur reinsten Wassers – ein Jahrzehnt zuvor hatte er Alpakas, deren Ausfuhr verboten war, nach Australien geschmuggelt. Er trieb die Tiere heimlich über Bolivien und Argentinien nach Chile – ein riskantes Unterfangen, das Jahre dauerte. 1858 feierte man seine Ankunft in Sydney mit 256 Alpakas, Lamas und ihren weniger bekannten Verwandten, den Vikunjas. 1865 kehrte er nach Südamerika zurück und wagte das nächste Abenteuer. Dafür engagierte er den einheimischen Führer Manuel Incra Mamani, einen wahren Baumflüsterer, der jedes Gestrüpp in Bolivien zu kennen schien. Gemeinsam ergatterten sie Samen der Cinchona ledgeriana – die nach Ledger benannt wurden, denn koloniale Namensgebung ist kein Paradebeispiel für Fairness. Doch diese Samen waren der Heilige Gral der Botanik: Die Baumspezies enthielt so viel Chinin, dass man beinahe schon beim Vorbeigehen Malaria heilen konnte. Letztendlich wurde die „Chinarinde“ tatsächlich in Asien heimisch, als die Briten große Cinchona-Plantagen in Indien und die Niederländer in Indonesien anlegten.

Ein Flusspferd springt ins Mikroskop

Bereits 1820 isolierten Forscher den Wirkstoff aus der Chinarinde und nannten ihn Chinin. Es blieb lange das wichtigste Mittel gegen Malaria, bis in den 1930er-Jahren synthetische Antimalariamittel wie Chloroquin entwickelt wurden, das aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg den Weg in die Kliniken fand. Damals zeigten die Europäer noch den Willen, sich gegen die Infektionskrankheit zu stemmen – ein Engagement, das mit dem Schwinden der Kolonien und dem Rückzug der Anopheles-Mücke aus Europa drastisch nachließ. Ähnlich flaut das Interesse der modernen Pharmaindustrie an Krankheiten ab, die sich in arme Länder zurückziehen.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts geriet die Miasmen-Theorie der schädlichen Dämpfe endlich dorthin, wo sie hingehört: in den Abort der Wissenschaft. Die Keimtheorie löste sie ab, ein Leuchtfeuer der Erkenntnis, denn sie zeigte, dass Erreger existieren, auch wenn man sie (noch) nicht sehen konnte. In dieser neu eröffneten Arena der Mikrobiologie kämpften Robert Koch und Louis Pasteur erbittert um den Ruhm, das nächste krankmachende Bakterium als Erster vor die Mikroskop-Linse zu bekommen.

Ein fiebriger Wettstreit mit grandiosen Durchbrüchen. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts konnte die Keimtheorie Erfolge vorweisen: Die Erreger von Cholera, Diphtherie, Milzbrand wurden entdeckt – Krankheiten, von denen man nun erfuhr, dass sie nicht vom bösen Blick der Nachbarin oder vom Verzehr saurer Gurken ausgelöst wurden. Und dann war da noch die Malaria, der Dauerbrenner unter den Plagegeistern. „Muss ja auch ein Bakterium sein“, dachten die Wissenschaftler, mit der Selbstsicherheit eines deutschen Fußballers beim Elfmeter.

Charles Louis Alphonse Laveran betrat die Bühne, ein Mann, der sich täglich das Auge am Mikroskop wund rieb. 1880 machte er eine Entdeckung, die die Welt erschüttern sollte – oder zumindest ein wenig in eine bessere Richtung führte. Er fand in roten Blutkörperchen von Malaria-Patienten kleine Organismen. Aber halt! Diese Wesen waren viel zu groß, um Bakterien zu sein. Es war, als würde man ein Meerschweinchen erwarten und stattdessen Flusspferde vorfinden – irgendwie verwandt, aber dennoch eine andere Kategorie. Laveran sah nicht die erwarteten Bakterien, sondern einzellige Lebewesen – sogenannte Protozoen.

Revolutionäre wissenschaftliche Durchbrüche stoßen oft auf Missgunst und Neid. Insofern hatte Laveran Glück: Seine Entdeckungen wurden von der gelehrten Gemeinschaft so begeistert aufgenommen, wie ein Wiener Kellner auf die Bestellung eines „großen Filterkaffees“ reagiert – nämlich gar nicht. Einige behaupteten sogar, der Franzose habe nur den Abbau des roten Blutfarbstoffs Hämoglobin beobachtet. Doch der hielt an seiner Idee fest und erhielt 1907 den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin. Ein Triumph, der zeigt, dass große Entdeckungen oft aus kleinen Dingen entstehen – oder in diesem Fall: aus mittelgroßen.

Diese Geschichte lehrt uns, dass in der Wissenschaft nicht alles so ist, wie es scheint, ähnlich wie beim Wiener Schmäh, bei dem man oft erst beim zweiten Hinhören merkt, dass man gerade charmant beleidigt wurde. Laverans Arbeit legte den Grundstein für die moderne Malariaforschung und ermöglichte die Entwicklung von Medikamenten.

Zunächst brauchte das Nilpferd am Objektträger aber einen Namen: Plasmodium, abgeleitet vom griechischen Wort plasma, was „Gebilde“ bedeutet. Dies bezieht sich auf die sich im Lebenszyklus ständig verändernde Form der Parasiten, die in verschiedenen Stadien im Blut und in den Zellen der Wirtin auftreten. Wir werden noch lernen, wie typisch das für viele Parasiten ist. Nach Laverans Entdeckung der Plasmodien vergingen drei Jahrzehnte, bis das Malaria-Mosaik endlich zusammengesetzt war.

Wir wollen nun den Infektionsweg der Malaria näher betrachten, da er typisch für einen Parasiten ist. Allerdings stellen wir ihn vereinfacht dar und verzichten auf die detaillierte Beschreibung der vielen Zwischenformen des Erregers. „Ich weiß, das klingt alles sehr kompliziert“, um einen ehemaligen österreichischen Bundeskanzler zu zitieren.

Draculas Rüssel ist ein Rolls-Royce

Wir starten in sumpfigen, warmen Gewässern. Dort schwirren Mücken umher und legen pro Individuum bis zu 200 Eier. Das Wasser dient den geflügelten Mini-Terroristen als Brutstätte; doch auch in den Körpern der Insekten gedeiht etwas, allerdings Artfremdes. In ihrem Inneren fühlen sich Plasmodien wohl und vermehren sich zu Tausenden. Doch scheinen die Parasiten zu wissen, dass ihre Zweiflügel-Wohnung bald zu eng wird und Mücken nicht ewig leben. Also kümmern sich die reifen Erreger, die wir Sporozoiten nennen, um die Erhaltung ihrer Spezies und wandern in die Speicheldrüsen. Dort verharren sie, bis die weibliche Anopheles zu einem hungrigen Monster wird, dem nach Blut dürstet.

Die Weibchen erkennt man an den langen Tastern – ein modisches Accessoire, das ihnen einen Hauch von Eleganz verleiht. Doch lassen wir uns nicht täuschen: Diese Ladys haben stets ein Ziel und suchen bevorzugt in den Nachtstunden nach Blut, wenn der Mensch sich in der trügerischen Sicherheit seiner Bettdecke wiegt.

Der Saugrüssel der Stechmücke ist ein Wunderwerk. Während die Mundwerkzeuge sägend und diskret vorankommen, verabreicht die Mücke ihren Opfern einen Cocktail, der die Blutgerinnung verhindert und die Schmerzrezeptoren betäubt. Mit anderen Worten: Sie versetzt uns in einen lokalen Mini-Narkosezustand, um in Ruhe zu speisen – was die Frage aufwirft, warum die Mücke nicht längst als medizinisches Vorbild gilt. Wäre es nicht fantastisch, wenn der Gedanke an die nächste Spritze oder Zahnbehandlung nicht mit Angstschweiß verbunden wäre? Doch im Gegensatz zur Zahnärztin hängt das Überleben der Mücke eben davon ab, dass sie sanft an unser Blut kommt.

Der Saugrüssel der Anopheles gilt unter Biologen als der Rolls-Royce unter den Mundwerkzeugen. Lang, schlank und multifunktional, nimmt er chemische und thermische Reize wahr. Das Insekt zapft damit nicht nur seine Opfer an, sondern ortet diese auch. Wird die Mücke fündig, sticht sie nicht blindlings zu; vielmehr folgt der Rüssel wie eine zielsuchende Rakete den Signalen und findet den kürzesten Weg zum Blutgefäß. Gewiss, die Mücke ist ein Meisterwerk der Natur – eine Symphonie aus Anmut und Zartheit. Doch hinter dieser perfekten Fassade verbirgt sich ein Bioterrorist mit einer tödlichen Fracht.

Der Leber platzt der Kragen

Aus dem Speichel des geflügelten Schmarotzers stürmen Sporozoiten in unsere Blutbahn und in die Leber, die größte Drüse unseres Körpers. Dort mutieren sie zu Torpedos und dringen in die Leberzellen ein. Das Unheil nimmt Fahrt auf: Die Leberschizonten vermehren sich wie besessen ungeschlechtlich, indem sie identische Kopien ihrer selbst erzeugen. Hier agiert ein Parasit, der überzeugt ist, dass Masse über Klasse siegt. So entstehen mehr Merozoiten, bereit für den nächsten Feldzug. Die Leberzellen platzen bald wortwörtlich aus allen Nähten und die Merozoiten fluten ins Blut, wo sie ihre neue Heimat in den roten Blutkörperchen finden. Dort wiederholt sich das Schauspiel. Einzug, Vermehrung, Explosion. Die Erythrozyten bersten, die Parasiten sind frei für die nächste Runde der Verwüstung.

Kein Organismus verkraftet es, wenn in seinem Inneren ständig Zellen explodieren. Hämoglobin, der rote Farbstoff der Erythrozyten, wird freigesetzt, seine Abbauprodukte alarmieren das Immunsystem. Es kommt zu Entzündungsreaktionen, die heftige Fieberschübe auslösen. Da sich die Merozoiten gleichzeitig ins Blut ergießen, treten regelmäßig abgestimmte Fieberattacken auf, typisch für die verschiedenen Malaria-Arten: Die seltene Quartana (Plasmodium malariae) und die Tertiana (Plasmodium vivax, einst Europas Hausparasit und Plasmodium ovale) verlaufen milder. Zumindest im Vergleich zur Tropica (Plasmodium falciparum), ihrer „bösen Schwester“ aus Afrika, wirkt die europäische Form wie ein harmloser Schnupfen.

An diesem Punkt der Infektion zeigt sich die zerstörerische Fratze der Malaria, die den gesamten Organismus attackiert. Wiederkehrende Fieberanfälle, begleitet von Schüttelfrost und starkem Schwitzen, Kopf- und Muskelschmerzen sowie Erbrechen zermürben den Körper. Die hohen Temperaturen schädigen die Organe. Die Komplikationen folgen auf dem Fuß: Anämie, Gelbsucht, Koma. Besonders die Tropica-Malaria endet unbehandelt in etwa 20 Prozent der Fälle tödlich. Besonders gefährdet sind Menschen mit geschwächtem Immunsystem und Kinder. Es ist tatsächlich erschütternd, dass drei Viertel der Verstorbenen Kinder unter fünf Jahren sind.

Keine dicke Lippe riskieren

In der Parasitologie unterscheidet man zwischen Zwischenwirtin und Endwirtin. Die Zwischenwirtin beherbergt die unreifen Entwicklungsstadien des Parasiten – gewissermaßen die Kinderstube. Die Endwirtin hingegen ist der Ort, wo die erwachsenen Parasiten ihre Fortpflanzung vollziehen. Hier schließt sich der Kreislauf, hier beginnt die nächste Generation. Manche Parasiten sind dabei erstaunlich wählerisch.

Die Malaria-Erreger degradieren den Menschen, ähnlich dem Pausenclown in einer Zirkusvorstellung, zur Zwischenwirtin. Die umjubelten Trapezkünstler in der Manege sind indes die Gametozyten – die Aussteiger unter den Merozoiten. Diese Geschlechtszellen des Parasiten haben das Blutkörperchen-Abschlachten hinter sich gelassen und wechseln die Laufbahn: Statt weiter zu zerstören, stimmen sie nun das „Sag zum Abschied leise Servus“ an, während sie im Blut kreisen und auf die nächste hungrige Mücke warten. Doch warum besucht der Parasit den Menschen, bevor er zur Mücke zurückkehrt?

Nun, die Gametozyten im Blut sind das Liebespaar des Parasitenreichs. Mikrogametozyten, die galanten Romeos, und Makrogametozyten, die holden Julias, die sich nach der Blutmahlzeit der Mücke in deren Darm treffen. Ein unkonventionelles Date, aber Liebe geht bekanntlich durch den Magen. Die Gametozyten sind die Spermien und Eizellen der Plasmodien, die in den Mücken zu einer Zygote verschmelzen. Die nächste Generation ist geboren und startet den Kreislauf neu.

Ein weiterer Grund für die Wanderlust der Plasmodien ist schlicht der Platzmangel. Man kann aus einer Mücke eben keinen Elefanten machen. Daher hat der Parasit beschlossen, Menschen(affen) als Erweiterung der Hotelkette zu installieren, eine Art Hostel mit fragwürdiger Hygiene, aber bei der Fortpflanzung ist man zu Kompromissen bereit.

Außerdem wäre da noch die leidige Sache mit der genetischen Vielfalt. Man kennt das ja aus der jüngeren menschlichen Geschichte: Zu viel Inzucht führt zur Habsburger-Lippe. Also schicken die Parasiten ihre Nachkommen auf Wanderschaft, in der Hoffnung, dass sich das Erbgut regelmäßig durchmischt. So tummelt sich die Brut im Blut, vermehrt sich und freut sich auf die Rückkehr zur Mücke.

Puristen mögen bei diesem Aufwand nur den Kopf schütteln. Einfacher wäre es, die Gametozyten direkt von Mücke zu Mücke zu übertragen – ähnlich wie Treponema pallidum. Der Erreger der Syphilis bleibt dem Menschen zwar treu, zeigt sich jedoch entzückt, wenn seine Wirtin es mit der Treue weniger genau nimmt.

Forschungen zeigen, dass Parasiten nicht nur Verwandlungskünstler innerhalb ihrer Entwicklung, sondern auch evolutionären Experimenten aufgeschlossen sind. Der Mensch wurde erst vor Zehntausenden Jahren zum Opfer. Zuvor traf es Gorillas, die zwar an Malaria erkranken, aber weniger leiden als ihre felllosen Verwandten. Das Plasmodium suchte unter dem tropfenden Blätterdach des Regenwalds ein gemütlicheres Zuhause. In einem visionären Moment wählte der Parasit einen radikalen Wandel: den Artensprung. Ein kleiner Flug für die Mücke, ein großer Sprung für den Parasiten. Homo sapiens, oft Ziel evolutionärer Gemeinheiten, wurden zu neuen Zwischenwirten. Im Vergleich zum Gorilla bot der Mensch nur eine geringe intellektuelle Verbesserung und war charismatisch eher ein Abstieg, aber immerhin konnte er sich bei Regen in Lehmhütten verkriechen.

Ein Leuchtturm des Duftes

Eines muss man parasitären Kreisläufen lassen: Sie sind für die meisten Beteiligten unbequem, aber stets effizient und ideenreich. Die Evolution strebt über Äonen von Generationen nach Perfektion. Vor einigen Jahren entdeckten Wissenschaftler Erstaunliches: Ein Parasit manipuliert höher entwickelte Arten mit verblüffender Raffinesse. Stellen Sie sich vor, Sie stünden hungrig vor zwei Bäckereien. Beide locken mit feinstem Gebäck in der Auslage, doch nur eine verbreitet den Duft frischen Brotes. Ihre Wahl wäre klar. Genau diesen Trick nutzt das Plasmodium. Es verwandelt den menschlichen Körper in einen olfaktorischen Leuchtturm für Moskitos. Forscher untersuchten dies an Mäusen – die vermutlich nicht gefragt wurden, ob sie Lust auf Parfüm-Experimente haben: In der infektiösen Malaria-Phase (dem Gametozyten-Stadium) verströmen infizierte Mäuse mehr und stärkere Duftstoffe als gesunde. Diese chemischen Signale wirken wie ein blinkendes Neonschild für Moskitos: „Frisches Blut – jetzt zum halben Preis!“ Besonders perfide: Diese Manipulation tritt auf, wenn die Mäuse noch putzmunter aussehen, aber bereits wandelnde Parasitenschleudern sind.

Solche Erkenntnisse sind aber nicht nur skurril, sondern auch nützlich. Entschlüsseln wir die chemischen Signale, könnten wir sie blockieren – mit Insektensprays oder Mückenfallen, die endlich einmal funktionieren. Die veränderten Duftstoffe könnten auch als Biomarker dienen, um infizierte, aber symptomfreie Menschen zu identifizieren. Ein entscheidender Schritt im Kampf gegen Malaria.

Am Ende bleibt die Frage: Wer manipuliert wen besser? Wir, die selbst ernannte Krone der Schöpfung, glauben, alles im Griff zu haben – bis ein blinder, hirnloser Einzeller uns vorführt. Während wir über Künstliche Intelligenz und Fusionsenergie nachdenken, zeigt uns das Plasmodium, dass wir nicht einmal unsere eigene Ausdünstung kontrollieren können.

Para MatchParasit sucht Wirt

Mitochondrium, 1,5 Milliarden Jahre

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