Pariser Romanze (Historischer Liebesroman) - Franz Hessel - E-Book

Pariser Romanze (Historischer Liebesroman) E-Book

Franz Hessel

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Beschreibung

Diese Ausgabe von "Pariser Romanze " wurde mit einem funktionalen Layout erstellt und sorgfältig formatiert. Franz Hessel (1880-1941) war ein deutscher Schriftsteller, Übersetzer und Lektor. Von 1906 bis kurz vor dem Ersten Weltkrieg lebte Hessel in Paris, wo er in den Künstlerkreisen von Montparnasse verkehrte, vor allem in dem berühmten Café du Dôme, in dem sich die ausländischen Künstler trafen. Aus dieser Zeit stammt seine Bekanntschaft mit dem französischen Kunsthändler und Schriftsteller Henri-Pierre Roché und der jungen Malerin Helen Grund, die er 1913 heiratete. Der Ehe entstammte der spätere Diplomat und Widerstandskämpfer Stéphane Hessel. Nach dem Krieg ließ sich die Familie in der Villa Heimat am Ortsrand von Schäftlarn südlich von München nieder. Im Jahr 1920, als seine Ehe bereits zerrüttet war, veröffentlichte er den Roman Pariser Romanze, in dem er seine Zeit in Paris und die Bekanntschaft mit seiner Frau literarisch verarbeitete. Aus dem Buch: "Mein lieber Claude. Gestern habe ich mir im Dorf ein paar Schulhefte gekauft. Dahinein will ich für Dich Briefe schreiben, wenn ich Muße habe und an Paris denke. Ob Du sie je lesen wirst und wann und wo? Jetzt bin ich mit dreiunddreißig Jahren ein deutscher Rekrut. Auf dem leeren Feld zwischen Kanal und Fort mache ich in Reih und Glied Freiübungen. Nachts liege ich mit zwanzig Kameraden zusammen in Stube Nr. 107. Die ersten Nächte konnte ich nicht recht einschlafen in meinem hohen, heißen Oberbett. Das viele fremde Leben, das mit Atmen, Seufzen und Schnarchen auf mich eindrang, verschob, durchschnitt, übertrieb meine Gedanken. Die wenigen Minuten Schlaf begannen und endeten in heftigen Träumen, die mich beim Erwachen kaum verlassen wollten."

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Franz Hessel

Pariser Romanze

(Historischer Liebesroman)

Glücksgeschichte aus unheilvoller Zeit

Books

- Innovative digitale Lösungen & Optimale Formatierung -
2017 OK Publishing
ISBN 978-80-272-2394-7

Inhaltsverzeichnis

I

II

III

IV

I

Inhaltsverzeichnis

Januar 1915.

Mein lieber Claude. Gestern habe ich mir im Dorf ein paar Schulhefte gekauft. Dahinein will ich für Dich Briefe schreiben, wenn ich Muße habe und an Paris denke. Ob Du sie je lesen wirst und wann und wo?

Jetzt bin ich mit dreiunddreißig Jahren ein deutscher Rekrut. Auf dem leeren Feld zwischen Kanal und Fort mache ich in Reih und Glied Freiübungen. Nachts liege ich mit zwanzig Kameraden zusammen in Stube Nr. 107. Die ersten Nächte konnte ich nicht recht einschlafen in meinem hohen, heißen Oberbett. Das viele fremde Leben, das mit Atmen, Seufzen und Schnarchen auf mich eindrang, verschob, durchschnitt, übertrieb meine Gedanken. Die wenigen Minuten Schlaf begannen und endeten in heftigen Träumen, die mich beim Erwachen kaum verlassen wollten.

In diesen Träumen bin ich immer in Paris. Ich stehe auf der Plattform des Autobus Opera-Montsouris. Unterwegs will ich absteigen bei dem Café, in dem die deutschen Freunde sitzen, oder an Deiner Ecke. Da sehe ich an mir herab und finde mich in deutscher Uniform. In der ersten Zeit war es der eng-harte blaue Rock mit den fettgeputzten Knöpfen, später der weitfaltige feldgraue. So darf ich mich doch vor den Kellnern nicht sehen lassen, so kann ich nicht an Deiner Pförtnerin, der guten Madame Thibaut, vorbei, deren Mann jetzt vielleicht gegen Deutschland im Feld steht! Auch habe ich nicht einmal umgeschnallt. Wenn mich ein Vorgesetzter sähe ...!

Komm ich traumwandelnd tiefer in die Stadt, so wird das sanfte Flußab und Hügelauf der Straßen zu steilen Bergpfaden. Von den rotangelaufenen Erdgeschossen der Seitengassen rinnt es wie Blut am Pflasterrande her. Tausend Gitterbalkons, klein wie Schwalbennester, sind voll Flüstern und Zwitschern. Von Kellern herauf dringt Backofenwärme. Lichtschein fällt auf die nackten Schultern der Bäcker und ihre mehligen Arme, die in dem schwellenden Teige wühlen. In die weißen Massen tauchen Mädchen ihre breiten Puderquasten und umtupfen das Lächeln der rotumrissenen Münder.

Auf buntem Asphalt unter gewittergrauem Himmel gleiten Gummiräder der Fiaker und Autos des Blumenkorsos durch wellen von welkduftenden Blüten, ohne sie zu zerdrücken. Aber unter den Bäumen der Metroeingang führt schlundtief hinab in einen Bergwerkstollen, aus dem es dauerknattert wie Maschinengewehrfeuer.

Nun steht rings um den holden Park Monceau ein ganzes Stadtviertel in Flammen, und als ich mich einem brennenden Hause nähere, um die schönen, reichgekleideten Kinder zu retten, die sonst im Garten spielen, tritt mir ein Hausmeister in Perücke und altertümlicher Lakaientracht entgegen und ruft: Wo sind die Träger? Wo sind die Sänften?

In den Champs Elysées da, wo sonst eine singende, geigende Musikhalle flimmerte, wo weiße Abendmäntel an roten Tischlampen vorbeifluteten, wächst aus verwildertem Gesträuch einer Schuttstätte ein Riesenbrunnen: Sandsteinerne Tritone mit zerbrochenen Hörnern an Trümmerlippen, bröckelnde Torsen von Nymphen und hoch oben über künstlichem Felsengebirge — wie es in Zoologischen Gärten für die Gemsen und Steinböcke errichtet wird —, in fahlgoldenem Gewande ein Riesenweib, die Augen eingesetzte Wundersteine, das Haar rotgetönt, marmorne Brüste mit bläulichen Spitzen und um den Gürtel die andächtig angeschmiegten Tiere der Diana von Ephesus.

Aber aus dem Gesträuch klettert über den Schutt mit steifen Wackelgliedern der Guignol des Kindertheaters.

Statt Dir zu schreiben, möchte ich lieber von Dir hören. Ich weiß nur, Du bist noch in Paris und hast einen Posten bei einem Stadtkommandanten. Ob Du wirklich meine kleine Wohnung übernommen hast, wie Du mir im letzten Brief versprachst? Es wäre so beruhigend, Dich an meinem Schreibtische zu wissen oder an dem Kamin, an dem mir unsere Pfeifen ausklopften. Dort liesest Du im Lehnstuhl oder auf der Couchette ausgestreckt. Und dann gehst Du in meine kleine Küche und kochst ein Abendbrot, wie wir es uns oft zusammen bereitet haben. Das wird dann auf dem Klapptisch aus rohem Holz in der Stube aufgebaut.

Oder wollen mir gleich in der Küche essen? Das ist so lustig. Und dann hinunter gehen in die befreundete Nacht des stillen Boulevards und die Avenue hinab und am hohen Gitter des Gartens Luxembourg entlang? Später vielleicht in die hellen lauten Cafés des Quartiers. Oder hinüber ans andere Ufer in die andere Stadt. Oder nur immer auf und ab am Gitter in zeitlos langen Gesprächen voll junger Weisheit und erfahrener Torheit.

Ich schreibe bei einem Karbidlämpchen, auf meinem Strohsack sitzend, und denke an mein großes Pariser Bett. Du hast es mit mir ausgedacht, Claude, als ich mir im letzten Jahr endlich ein eigenes Zuhause einrichtete. Nach ganz alten Betten, die Du im Süden gesehen hattest, zeichneten mir uns etwas auf mit runden Holzbögen an Kopf- und Fußende. Damit gingen mir zu dem Schreiner in der Vorstadt hinter dem Invalidendom und besahen auf seinem großen Speicher vielerlei Holz. Der Raum duftete von all den guten Stämmen aus den Pyrenäen, den Vogesen und den Karpathen. Und als wir längst ein helles Eichenholz ausgesucht hatten und zwei Stücke Maserung, die zusammengefügt den Bogen wie mit einem braunen Fittich ausfüllten, besuchten wir immer wieder die anderen Wälder des Speichers. Ja, nun ist es wohl Dein geworden, was Du mitgeschaffen hast. Du warst immer so froh an allem Handwerk und ließest Dir genau zeigen, wie Längseite und Breitseite ineinandergriffen. Als das Bett dann schließlich in meinem Schlafzimmer aufgebaut wurde und wirklich dastand, tat es Dir fast leid, daß wir nicht mehr in den Speicher gehen konnten zu den duftenden Wäldern.

Diese kleine Wohnung, zwei Zimmer, Flur und Küche, in der ich lange bleiben wollte und kaum ein Jahr blieb, sollte der Hafen sein nach mancherlei Irrfahrt. Aus allen früheren Wohnungen vertrieb mich die „Jetztzeit“. Ich hatte mich immer im Alten, Bröckelnden angesiedelt, weshalb? Das ist schwer zu sagen.

Da war zuerst das schmale, sieben Stockwerk hohe Montmartre-Hotel, in dem ich ganz oben eine Mansarde bewohnte, wo gerade Bett und Tisch Platz hatten und mein großer schwarzer Reisekoffer die Bank spielte. Aber das Fenster öffnete sich zu einem Balkon, von dem man weithin die Dächerinseln und schrägen Straßenrinnen fluten sah und die Kuppeln und Türme auftauchen, funkeln und in Dämmerung verschwimmen. Dort wurden alle Stimmen und Schreie von Paris zu einem Chor, fern und laut, der wunderbar einwiegte und weckte. Die Treppe, sehr breit für ein so schmales Haus, hatte müdegetretene Stufen. In ihrem Staube lagen abgefallene Blumenblätter. Denn auf dem schwindsüchtig grünen Platz vor der Türe war Blumenmarkt, und es wohnten viele Frauen im Hotel. Nicht solche, die ihr Glück gemacht haben, zu denen Kavaliere und Lieferanten teure Buketts tragen und auf deren Treppen Seidenpapier liegt. Nein, meine Nachbarinnen kauften ihre Blumen selbst und billig. Es waren Anfängerinnen, die noch nicht wußten, sollten sie ins fleißige Schneideratelier unten in der Stadt oder zum Nachmittags-Tanz-Tee im Moulin-Rouge oder bergauf zu den Malern des „Hügels“. Und so taten sie dies alles durcheinander, und weil sie sehr früh oder sehr spät aufstanden, sahen sie immer ein wenig verschlafen aus. Und von ihren ausgetretenen bürgerlichen Stiefelchen waren wohl die Stufen der Treppe so müde, und auch von den erschöpften, einst niedlichen Stoffschuhen der Älteren, die „das Leben“ mitgemacht, kein Glück gehabt hatten und nun mit ein wenig Elend häuslich geworden waren. Gingen ihre Türen auf und so roch es nach den guten Kräutern des pot-au-feu, nach Kamillen, Lindenblüten und Lawendel. Und Kätzchen schlüpften an ihren Röcken vorbei.

Ich kannte keine von den Nachbarinnen und war doch mit allen vertraut. Ich war viele viele Stunden ganz allein in meiner Kammer und fühlte mich nie verlassen. Der morsche Lehnstuhl hielt mich wie ein Freund umarmt. Der Spiegel überm Kamin gab mir mehr als mein Bild: Da war allerhand um meinen Kopf herum, was er in seinem Glase wie von altersher gesammelt hielt. Die rostigen Stäbe des kleinen Balkons, ein wenig verbogen und vom Regen angebohrt, wurden mir zum köstlichen schmiedeeisernen Gitterwerk eines Grabdenkmals in einem alten Park. Und dazu paßte auch der brüchige Steinboden, der im Wetter zerging wie Sandstein alter Statuen in königlichen Gärten, wie Kathedralenstein, wie Tuffstein antiker Bäderruinen, wie Tropfstein in den Höhlen. All dies Zerfließen, Abtropfen, Rinnen tat mir wohl. Ich wurde nicht traurig, wenn ich ein Buch zu Ende gelesen hatte oder wenn ein Tag versank. Denn in dem beständigen Vergehen hörte nichts auf. Und im Einschlafen fühlte ich noch Licht in der Dunkelheit, und Duft im Geruch meiner ausgelöschten Kerze.

Im Sommer dann war ich auf dem Lande; und als ich im Herbst wiederkam und mein altes Hotel aufsuchte, ging ich erst daran vorbei, dann kehrte ich um und sah: es war nicht mehr da. Da stand ein frischgestrichenes weißes Haus. Und die Pförtnerin sagte: Es sind Verbesserungen gemacht worden, mein Herr. sie sagte auch, ich könnte das kleine Zimmer oben nicht mehr haben, da würde umgebaut; aber unten gäbe es bessere. — Im Treppenhaus standen Farbtöpfe der Maler. Die Stufen waren entblößt. In der Mitte aber stieg ein noch unfertiges Liftgebäude metallglänzend zwischen Holzgerüsten auf. Da mußte ich fortgehen, und die Concierge sah ein, daß mir die unteren Zimmer zu teuer waren.

Dann fand ich in Passy einen Pavillon. Die Glastür war nur eine Stufe höher als der wilde Garten. Vom Schreibtisch, einem Sekretär mit vielen Fächern und Schiebladen, sah ich in einen Hofwinkel, wo Gipstrümmer eines Bildhauerateliers umherlagen, unter anderen eine kleine Sirene, die seltsam lächelnd auf ihre zerbrochenen Fischschwänze hinabsah. Die liebte ich sehr.

In den Zimmern neben und über mir wohnten bei einer weisen Frau Damen, die sich eine Weile zurückgezogen hatten. Die saßen hier und da im Garten, empfingen Besuch von flüsternden Freundinnen und diskret tröstenden Freunden und gingen schwer und schwank am Arm der Tröster durch das Herbstlaub. Mein Zimmer war ganz schmal; aber in den Wänden waren tiefe Wandschränke eingelassen und das Bett stand in einem Alkoven. Das gab soviel Winkel und heimliche Ecken. In den Fächern des Sekretärs fühlten sich meine Zettel an wie billets-doux und meine Hefte wie alte Pergamentrollen. Und in diesem Zimmer besuchte mich bisweilen eine Frau, die mir oft Vorwürfe machte, sich in den Winkeln umsah und in die Schreibtischfächer schaute. Und ich liebte es sehr, ihr dabei zuzuschauen.

Ein großes Neubaugerüst, das an den Garten stieß, störte mich erst nicht. Es war, da die Arbeit stockte, wie eine verlassene Palissade. Aber mit einmal fing es hinter den Balken an zu lärmen. Das feindliche Zischen der Steinsäge zerschnitt die Luft. Und dann erschienen einzeln, rechtwinklig, ausgeschnitten wie aus Papiermaché die Steinquadern des neuen Hauses. Da wurde es auch im Pavillon laut: Harte Worte fielen, wo sonst geflüsterte glitten; Kochtöpfe klirrten ärgerlich, Türen polterten. Durch das Zischen der Säge schrillte bisweilen ein Schrei. Das Schüttern und Stampfen hieb klaffende Risse in die Tapeten meiner Wandschränke. Eine Ratte fuhr aus dem AIkoven und verschwand in einem Loch an der Gartentür. Statt welken Laubes roch ich Ausgußgerüche. Immer höher wuchsen nebenan die schrecklichen unwahrscheinlichen Quadern grell und neu; und schließlich waren sie das Wirkliche, und mein Pavillon war nur noch eine Baracke. Da zog ich bei erster Gelegenheit aus dieser quälenden Doppelwelt fort.

Die nächste Unterkunft war wohl das Atelier tief im Süden der rue Vercingétorix, das mit der Holzgalerie, wo Du mich zum erstenmal besuchtest und Dich über die Hühner und Bauernblumen im Hof freutest, und das Schönste — die Mönchszelle in dem Klosterbau bei den Invaliden. Sie kam der Erinnerung am nächsten an die kahlen Kammern von San Marco, deren einziger Schmuck die lichte Freske des Angelico ist.

Aber nirgends blieb ich lange und war immer der letzte Mieter des Verfallenden, der Gegenspieler des Trockenwohners. Und als ich vernünftig werden wollte und eine richtige Wohnung in einem neuen Hause bezog, da kam der Krieg und trieb mich fort.

Die letzten tage vor Kriegsausbruch habe ich gottlob nicht in Paris erlebt, nicht dies ungewisse Warten und Nichtwissen, soll man bleiben, soll man fort, und all die mesquinen Feindseligkeiten, die vielen deutschen Freunden den Abschied von der Stadt vergällten. Ich war um diese Zeit in Flandern, da wo jetzt gekämpft wird. Ich lag tagelang in den Dünen und am Strande mit Büchern, die nach Meersalz rochen und durch die Sand rieselte, und ging Wege durch den niedern, im lockeren Sande krüppelnden Buschwald. Da suchte ich Ruhe nach einem Erlebnis, das mich aus der Pariser Versunkenheit aufgeschreckt, eine kurze Zeit verführt hatte, das Leben der Lebendigen mitzuspielen, und von dem ich Dir erzählen will, Claude. Denn das ist wohl das Einzige gewesen, das Du nicht gegenwärtig oder aus gleichzeitigem Berichte miterlebt hast. Du warst ja schon im Frühjahr aufs Land gegangen zu Deiner Mutter. Und schreiben konnte ich Dir davon nicht, weil ich keine Worte, weder französische noch deutsche, dafür fand.

Schon war von der Strandeinsamkeit — ich sprach fast mit niemandem, kannte nur die Krabbenfischer, deren hüpfenden Netzen ich morgens nachging, und die Kinder, die Sandburgen bauten und bunte Papieraeroplane steigen ließen — schon war das Gleichmaß fast erreicht, ich wurde schon reif, nach Paris zurückzukehren und mit Dir am Kamin von dem Erlebten zu sprechen, wie wir von Bildern, Büchern und Erlebnissen zu reden pflegten. Da kamen die Unheilstage und ich mußte fort nach Deutschland in überfüllten stockenden Zügen.

Von dieser Zeit, die viele andere als groß empfanden, die mich aber nur befremden und entsetzen konnte, will ich nichts aufschreiben. Wenn ich im Kasernenhof oder auf dem Dorfplatz mitten unter den Stehenden und Wartenden stehen und warten mußte, um notiert und zugeteilt und wieder notiert und neu zugeteilt zu werden, dachte ich an all die anderen Kasernenhöfe und Marktplätze Europas, auf denen die Freunde herumstanden und warteten wie ich, statt daß wir beisammen saßen und von dem neuen Abendlande redeten, dem Zukunftslande der besten Europäer, an dem wir bauen wollten, um den ewig unverzeihlichen Fehlern der Erben Karls des Großen wiedergutzumachen, wir seligen Toren.