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Zehn BildungsbürgerInnen gehen an einem deutschen Herbstabend zur Spielzeiteröffnung in die Oper. Dort wird mit "Sneak Opera" ein neues dramaturgisches Konzept erprobt, bei dem die Zuschauer nicht wissen, was gezeigt werden wird. Das Team um Regisseurin Ernestina Lubitschowskaja hatte zunächst den Stoff Œdipa Œcologica selbst entwickelt, dann aber kurzfristig einen unliebsamen Parsifal aufs Auge gedrückt bekommen, der um das Hologramm von Maria Callas herum inszeniert werden muss. Zeitgleich macht sich in der Provinz eine gut organisierte Gruppe Nazi-Prepper auf den Weg, um das vollständig von KI gesteuerte Opernhaus bei der Premiere in seine Gewalt zu bringen. Als sich die Geiselnehmer nach erfolgter Abriegelung die Masken herunter ziehen, stellen die jeweils vorgestellten Zuschauer und Geiselnehmer fest, dass jeder von ihnen einen aus der anderen Gruppe sehr gut kennt.
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Seitenzahl: 474
Veröffentlichungsjahr: 2024
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PARSIFOECA
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Vorspiel auf dem Theater
I. AKT. 1. Aufzug
I. AKT 2. Aufzug
I. AKT 3. Aufzug
II. AKT Vorrede
II. AKT 1. Aufzug
II. AKT 2. Aufzug
Zwischenbetrachtung
III. AKT 1. Aufzug
III. AKT 2. Aufzug
III. AKT 3. Aufzug
III. AKT 4. Aufzug
VORPRODUKTION
III. AKT 5. Aufzug
III. AKT 6. Aufzug
OEDIPA OECOLOGICA
III. AKT 7. Aufzug
PRODUCTION HELL
IV. AKT 1. Aufzug
IV. AKT 2. Aufzug
IV. AKT 3. Aufzug
V. AKT 1. Aufzug
V. AKT 2. Aufzug
V. AKT 3. Aufzug
V. AKT 4. Aufzug
V. AKT 5. Aufzug
V. AKT 6. Aufzug
AFTERMATH
Ende
Personenverzeichnis
JAN LOX
# p @ r s i f a l
Œ d i p aŒ c o l o g i c a
Drehbuch für einen dramatisch-komisch-tragischen Gesellschaftsroman im Dark-Heist-Thriller-Stil (auch Ensemble-Action-Katastrophen-Tramödie) mit Marc H., Liv Lisa F., Elias M., Heike M., Alexander ., Daniel B., Corinna H., Matthias B., Veronika F., August D., Serdar S., Sandra H., Bibiana B. (aufgrund von Terminproblemen ersetzt durch Saralisa V.), Katharine H. W., Wotan Wilke M., Maryam Z., Till S., Martin W., Volker B., (ersetzt durch Michael I.) René H., Julia L., Thorbjörn B., Lea S., Martin M., Gina-Lisa M., Maria B., Jürgen V., Louis H., Lars E., Udo K., Sepp B., Milton W., Tom S., Andreas L., Hannes J., Laura de B., Moritz B., Franz R., Ulrich T., Lars R., Günter S., und anderen.
Copyright © 2024 Jan Lox
All rights reserved.
DIE ERDERWÄRMUNG, DIE schmelzenden Polkappen, der Anstieg der Meeresspiegel und die verbreitete Verschmutzung von Luft und Wasser könnten die Lebensbedingungen auf der Erde dramatisch verschlechtern, und in Zukunft könnte ein sich aufschaukelnder Wettlauf zwischen den menschlichen Möglichkeiten und den von Menschen verschuldeten Naturkatastrophen entstehen. Wenn wir unsere Macht nutzen, um die Naturgewalten zu bändigen und das Ökosystem nach unseren Wünschen und Vorstellungen zu manipulieren, kann dies immer mehr unbeabsichtigte und gefährliche Nebenwirkungen mit sich bringen. Diese lassen sich vermutlich nur durch noch drastischere Eingriffe in das Ökosystem kontrollieren, was wiederum noch schlimmeres Chaos verursacht.
Yuval Noah Harari
Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss
in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte
Alexander Gauland
Mit diesem Zeichen
bann ich deinen Zauber
Wie die Wunde er schließe
die mit ihm du schlugest
in Trauer und Trümmer
stürz er die trügerische Pracht
Parsifal
Wie nur von gerupften Engelsflügeln gebremst fällt der trudelnde Blick des Betrachters aus allen Wolken auf ein von grünem Rasen umgebenes Opernhaus zu. Durch Aberhunderte von Jetstreams, deren kryptografische Botschaften sich in zerfetzte Schleier verlieren, bricht die aufgehende Sonne, taucht die Szene in ein Spektrum violetten Lichts, dessen Schatten smaragdfarben leuchten. Sanft und ohne Rebound landet die abstürzende Perspektive neben einer Dachluke. Kurz vor dem - wie von Raketenrückstoß gedämpften - Aufsetzen öffnet sich die Luke, klappt dabei mit einem Knall auf das Dach des Opernhauses und während die Kamera in ein 360-Grad Schwebetraveling um die Luke herum einschwenkt, klettert erst ein langer, dünner Mensch (gespielt von MARC HOSEMANN) mit bunter Wollmütze, grüner Bomberjacke, schwarzer, abgetragener Cordhose und Doc-Martens aus der Öffnung, gefolgt von einer zweiten, etwas kleineren Gestalt (verkörpert von LIV LISA FRIES) mit fleckig-roter Deutsche-Vermögensberatungs-Schiebermütze, blauer Stoffjacke, beiger Blaumann-Arbeitshose und ausgelatschten NB-Joggingschuhen. Schnitt auf eine Stelle, an der sehr viel Vogelschiss einen an beiden Enden über den Kothaufen hinaus ragenden Riss in der Dachpappe nur teilweise verdeckt. Die beiden Handwerker treten hinzu, sehen sich an. „SCHEISSE“, sagt der Große und macht sich an die Arbeit. Mit einem Schneeschieber kratzt er die Vogelkacke mühsam weg, was nur teilweise gelingt. „SCHEISSE“, sagt der Kleine. Der Schieber bricht ab. „SCHEISSE“, sagt der eine. „SCHEISSE!“, sagt der andere verärgert. Sie heben ein Stück Dachpappe am Riss vorsichtig hoch und schauen darunter. Schnitt auf eine Kameraeinstellung von unter der Pappe. Die Beiden lugen in den Riss hinein. „(So eine) SCHEISSE“. Diensteifrig klettern sie durch die Luke wieder hinunter. Beim Schließen der Klappe (eine Filzstift-Schmiererei auf der Innenseite des Dachrandes droht: ich weiss, wo du wohnst, Skywalker) klemmt sich der Lange den Finger ein. „SCHEISSE!“ Sie steigen in einen Lastenaufzug, drücken auf K2, drehen den Schlüssel um, der offene Aufzug schließt sich geräuschvoll. Schweigend stehen sie etwas verloren in der Lastenkabine, der Lange hat den Finger in den Mund gesteckt. Das Fahrwerk ächzt. Im Keller angelangt treffen sie dieleitende Ingenieurin (gespielt von BIBIANA BEGLAU) , die einen senfgelben Daunen-Anorak und nagelneue Jeans trägt. Wortlos gehen sie durch das sehr ordentlich betonierte, von Neonlicht durchflutete, zweite Kellergeschoss, wo Kulissen lagern. Der kleinere der beiden Handwerker trägt eine Flex, deren Kabel hinter ihm her über den Boden schleift. Sie schieben eine Kulisse zur Seite, öffnen eine halb verdeckte Tür, durch die sie mit Taschenlampen eine weitere Treppe hinabsteigen. Im dritten, aus alten Backsteinen gemauerten Untergeschoss treten sie an eine Stelle, wo, gleich neben einem Blitzableiter, ebenfalls ein offener Riss klafft. Einer läßt seine Taschenlampe fallen. „SCHEISSE!“ Die drei knien und beugen sich davor. Wieder springt die Kamera per Schnitt in den Riss und sieht die drei an die Öffnung heran treten – und ein viertes, undeutliches Gesicht. „SCHEISSE, SCHEISSE, SCHEISSE!“ Die Ingenieurin und die 4. Gestalt verschwinden in kurzer Abfolge aus dem Bild. Schnitt: Die Ingenieurin guckt auf ihr Handy. „SCHEISSE“. Mit Gesten deutet sie den beiden anderen an, keinen Empfang zu haben und deswegen schnell wieder hoch zu wollen. Der kleinere Handwerker hat die Flex angeworfen und setzt einen horizontalen Schnitt oberhalb des Risses. Als die Ingenieurin das Telefon in die Tasche stecken will, fällt es herunter, sodass alle sehen können, dass sie gerade mit einerleicht bekleideten Trans-Person Bilder ausgetauscht hatte. Beim Aufheben verliert sie das Gleichgewicht und stößt den flexenden Handwerker so an, dass dieser abrutscht. Der Lange versucht zu verhindern, dass sich der flexende Kollege an der kreischenden Trennscheibe verletzt. Obwohl alle losgelassen haben, läuft der in der Wand steckende Trennschleifer alleine weiter, ohne herunter zu fallen. Gleichzeitig greifen die beiden Handwerker nach der Maschine. Einer von beiden mehr mit Absicht, der andere eher aus Versehen, flexen die beiden Durch Mitleid Wissenden den Blitzableiter durch. Es funkt, dann wird alles still und dunkel. Simultan entfährt es ihnen, mit je vorwürfigem, wehleidigem sowie selbstanklagenden Tonfall - „Oh SCHEISSE!“. Sie rappeln sich umständlich hoch, die Taschenlampen gehen wieder an. Der Riss ist plötzlich doppelt so groß wie zuvor, der Blitzableiter durchtrennt, die glühenden Enden biegen sich so langsam wie geräuschvoll auf. In diesem Moment kündigt sich durch ein rauschendes Geräusch eine Erscheinung an: ein Speer kommt durch die Katakomben angeflogen und hält über ihnen inne, bleibt stehen in der Luft. Musikeinsatz aus der Ouvertüre des Parsifal von R. Wagner. Mit offenen Mündern starren sie in das Dunkel über ihnen, wo der transparent leuchtende Speer schwebt. „Heilige SCHEISSE!“, flüstern sie im Chor. Ehrfurchtsvoll. Eine feminin wirkende Hand mit Tätowierungen zwischen den Fingern greift nach oben. Eine Zweite, maskulinere kommt hinzu.
Schnitt auf Schwarz und Stille.
Titelsequenz
Computergenerierte, mit Ölfarbe gemalte- und Scherenschnittelemente komponieren sich aus dem Schwarz zu einem tiefgründigen Kitsch-Panorama mit Märchenschloss, dunklen Wäldern, strahlenden Berggipfeln und verwaister Drachenhöhle. Die Kamera begibt sich bei sehr langsamem Herauszoomen in eine genauso langsame Vorwärtsfahrt, sodass eine minimale Bewegung in das Bild hinein entsteht. Auf dem See im Vordergrund beginnt wie in Zeitlupe ein Schwan mit Heiligenschein von rechts nach links durchs Bild zu ziehen. Im Himmel erscheinen die Buchstaben Œdipa Œcologica. Ohne Vorankündigung wird der Schwan von einem Pfeil getroffen und stirbt in einer dramatischen Pose. Schreie von Tieren und Menschen schwellen nun aus der Tiefe des Raums stetig an. Eine Blutlache breitet sich auf dem See aus, die Buchstaben fallen einzeln herunter und teilweise in den See, zum Teil erhebt sich aus ihnen in Fraktur der Schriftzug #Parsif@l am Seeufer. Um das Bild hat sich ein prunkvoller, vergoldeter Rahmen gebildet. Von hinten macht sich jemand geräuschvoll an der Schrift digital zu schaffen und ändert den Schriftzug schließlich in #p@rsifœca. Eine Person in einem Predator-Anzug (Tarnkappe) stellt sich von links kommend vor das Gemälde, schneidet es unter Schmerzschreien der Leinwand mit einem Cutter-Messer heraus und verläßt mit ihr das Bild nach rechts. In dem leeren Rahmen ist nun eine vergilbte Blümchentapete sowie der Schatten einer Glühbirne mit Einschaltkette aus Messing sichtbar. Die Kamera fährt weiter vorwärts, bis der Rahmen nach außen verschwunden ist.
VOR DER BLÜMCHENTAPETE greift von unten die Silhouette einer reifen weiblichen Hand ins Bild nach der Schaltkette und zieht. Die Filament-Dioden-Glühbirne über der Ablage eines begehbaren Wandschranks blendet auf. Mit erleuchteten Fingerspitzen erreicht ERIKAS Hand die Krempe eines eleganten Filz-Herrenhuts, an dessen Schärpe sich eine Anstecknadel mit Speer und Kelch geöffnet hat. Sie hebt den Hut herunter und löscht mit der Kette das Licht.
Den Hut mit der Hand entstaubend kommt ERIKA, (gespielt von CORINNA HARFOUCH) ins Wohnzimmer. Die Anstecknadel fällt herunter und sie tritt darauf, bemerkt es, hebt sie auf. Sie ist verbogen, ein Teil des Ansteckmechanismus ist abgebrochen. Sie versteckt siein ihrer Hinterhand. Im Wohnzimmer überreicht sie den Hut ihrem Mann HELMUT (gespielt von MATTHIAS BRANDT), der wie Goethe im Mantel auf der Biedermeier-Chaiselongue liegt. Beide sind als Gymnasiallehrer gerade in den Ruhestand getreten. Er hat starke Zahnschmerzen, nach denen sie ihn aber nicht fragt.
Helmut
(emotional unbeteiligt, im Subtext leidend und grollend)
Wenn ich doch nur in Worte fassen könnte, wie alles angefangen hat.
Erika
(emotional distanziert, den aggressiven Ausbruch bis zur Unkenntlichkeit unterdrückend)
Quäle dich doch nicht so, Helmut. Es gibt nicht den einen Grund.
Helmut
Am Abgrund nach vorne sehen bedeutet...
Erika
(ihm das Wort abschneidend)
…dass es auch keinen Sinn hat, den eigenen Metaphern KEIN Bein zu stellen.
Er sieht zu ihr hoch, nimmt nun den Hut wortlos, findet sofort heraus, dass die Nadel fehlt.
Helmut
Wo ist die Brosche? Ich kann unmöglich zu einer Veranstaltung gehen, bei der auch nur im Entferntesten die Möglichkeit am Horizont dämmert, dass Wagner gegeben wird, ohne diese Nadel zu tragen. Speer und Gral! Ach, ich seh euch schwinden...
Erika
Keine Ahnung. Vielleicht hast du sie letztes Jahr in Bayreuth verloren. Ruf doch mal Egenolf an, der kann sich vielleicht noch erinnern, ob du sie damals noch hattest.
Helmut erhebt sich. Die Eheleute vereint, dass sie ihren Job nicht mögen, weil sie mit Kindern eigentlich gar nichts anzufangen wissen. Und mit Jugendlichen schon gar nicht. Was man ihnen aber erst auf den zweiten Blick ansieht, wenn sie sich schon wieder von einem abgewandt haben, um etwas anderes zu tun. Sie beginnen zu streiten, ob sie überhaupt zur Premiere in die Oper gehen sollen. Es ist ein Streit, der jahrelang eingeübt ist: keiner wird laut, beide bleiben stets höflich und hinterher haben beide massive Kopfschmerzen. So auch heute – keine Eskalation. Erika ist heute gar nicht nach Oper, sie würde stattdessen viel lieber in die Stadthalle zum Dia-Vortrag von einem Bergsteiger, der alle 7 eisfreien Summits in 14 Tagen bestiegen hat. Helmut hatte gesagt: „Es ist dieses neue Konzept. Man geht in die Oper, ohne zu wissen was kommt, ohne sich vorbereiten zu können. Die totale Sinnlichkeit nennen sie es. Aber ich habe im Urin, dass es letztlich Wagner wird.“ Helmut, Mitglied einer Freimaurerloge, ist genau wie Erika gereizt und zugleich freundlich. Bevor sie aufbrechen, telefoniert Erika noch ganz kurz mit ihrem Sohn Carl. Schließlich verlassen sie gemeinsam das Haus, nachdem Erika im Badezimmer heimlich die Nadel aus ihrem Handballen gezogen und den blutigen Anstecker in ihre Handtasche hat fallen lassen. Von innen erlebt der Zuschauer, wie Helmut seinen eisernen Jagdflintenschrank öffnet, eine neue Anstecknadel herausholt, und den Schrank wieder schließt, sodass die Leinwand schwarz wird.
Aus dem Dunkel heraus komponiert sich in blassen Farben eine langsam rotierende Gensequenz auf einem Monitor, die sich in den schwarzumrandeten Nerd-Brillengläsern von HENRIQ GRILLET (verkörpert von ALEXANDER SCHEER), einem smarten, dunkelhaarigen 34-Jährigen spiegelt. Hinter Glaswänden zeichnet sich in zahnpastaweißen Räumen eine Hightech-Labor-Umgebung eines Biotech-Startups ab; Maschinen zum automatischen Befallen von Reagenzgläsern arbeiten unaufgefordert neben Laboranten, die unter elektronischen Mikroskopen mit mundgesteuerten Saugvorrichtungen Zellmaterial rekombinieren. Das von Henriq gegründete Unternehmen hat die Genschere Cripsr weiterentwickelt und damit Millionen an Risikokapital eingesammelt. Ihr Ziel: die Erweiterung der menschlichen Sinnesorgane um das Hören von Infraschall, sodass auch weit entfernte Zusammenhänge, ähnlich wie bei Elefanten oder Fledermäusen, und auch Lichtreize im ultravioletten Spektrum vom Menschen wahrgenommen werden können. Henriq's Plan, derartige Fähigkeiten über die Keimbahn genetisch in menschliche Embryonen zu implementieren, hat in den nationalen und europäischen Ethik-Komissionen zwar für Empörung und Aufregung gesorgt, doch die Investoren sind weiter zuversichtlich.
In seiner Kindheit hatte er mal eine Nanny, die seine Phantasie nicht nur aufgrund ihres Äußeren anregte - ganz im Gegensatz zu seiner Mutter - mit kleinen Brüsten, tiefer Stimme und leichten Parfums, engen Hosen und stets offenem Haar - sondern auch aufgrund der Geschichten, die sie ihm vorlas. Ihre Fürsorge war so eindeutiggewesen wie seine eigene gegenüber den Mitarbeitern heute - frisches Obst, Chips und die Aufforderung, sein Geschirr gefälligst selbst abzuwaschen. Die Begegnung mit Ihr währte nur kurz, nachdem die Mutter schnell Wind davon bekommen hatte, dass sie sie, auch ohne ein einziges kritisches Wort zu sagen, als schlechte Mutter bloßstellte. Sie kam dann einfach nicht mehr. Es musste in dieser Zeit gewesen sein, dass Henriq ein Faible für Zeitdehnungen entwickelt hatte.
Neben einem später hinzugekommenen, ausgeprägten Hang für Opern weiß er schon seit er 13 ist, dass er auf Männer steht und hat auch nie einen Hehl daraus gemacht. Am liebsten sind ihm schwarze SS-Uniformen, deren autoritäre Ausstrahlung ihn stimuliert. Beides nimmt er als natürliche Gegebenheiten an, denen er letztlich keine größere Bedeutung beimisst. Das Geschäft hat immer Vorrang. Seine zwischenzeitlich breiten Raum in seinem Leben einnehmende Angst vor sexuell übertragbaren Krankheiten hält sich inzwischen in Grenzen, denn notfalls, so ist er sich sicher, wäre er in der Lage, Medikamente zu designen, um sie im Fall einer Ansteckung auch bei resistenten Keimen erfolgreich bekämpfen zu können. Auch wenn er aus seiner sexuellen Orientierung kein Geheimnis macht, stößt er damit immer wieder an Grenzen. Sein größter Konkurrent ist ein israelisches Startup, das sich eine etwas andere Weiterentwicklung von Crispr patentieren ließ und ihm mit einem – wie er eher zufällig über Buschfunk erfuhr -fast doppelt so großen Budget seine Patente kürzlich abkaufen wollte. Sie haben ihre Labors im außereuropäischen Ausland, und dort gibt es keine funktionierenden Ethik-Regelungen. Seitdem hasst er Juden und weiß, dass auch mindestens zwei Mitglieder der für ihn zuständigen Kommission ähnlichen Einstellungen anhängen. Während er sein Aussehen vor dem Spiegel seines Apartments im 37. Stock eines Wolkenkratzers kontrolliert, schickt er über sein Handy eine Videobotschaft mit einschlägigem Querdenker-Inhalt an seinen Cousin.
JORDIS ATEYEV (gespielt von SANDRA HÜLLER) sitzt bereits im Taxi, was zwar nur schwer mit ihrem Umweltgewissen zu vereinbaren ist, aber mit dem Klapprad zur Oper zu fahren sähe auch irgendwie komisch aus. Schließlich ist sie mit einem Whistleblower verabredet, der über ein israelisches Biotech-Startup einen Skandal entfesseln möchte, indem er mit ihr einen Dokumentarfilm über das Ganze dreht. Zwar macht sie eigentlich nur Spielfilme, aber seit ihre beiden letzten Projekte weder in Cannes noch sonst irgendwo erfolgreich waren, überdenkt sie gerade ihre eigene No-Dok-Doktrin. Eine gute TV-Serie ist ihr noch nicht angeboten worden, auch diesbezüglich hatte sie sich innerlich neu positioniert, zumal Netflix den ganzen europäischen Produktionsablauf mit den Förderzusagen nur bei TV-Beteiligung aus den Angeln gehoben hat. Dass die Streamerei, abgesehen vom Kinosterben, selbst eine zusätzliche, immer gigantischer werdende Umweltsünde darstellte, die die Klimabilanz der ohnehin schon Co2-dreckigen Filmindustrie weiter ins Minus ziehen würde, war eigentlich ein guter Grund, beim eigenen Modell zu bleiben, hieß aber, wie es aussah, für sie als Arthouse-Produzentin auf lange Sicht auch wirtschaftlichen Selbstmord.
Mit ihrer neuen Frisur ist sie alles andere als glücklich. Die auf Friseurbesuche bisweilen folgenden, totalen Einbrüche des seelischen Gleichgewichts tanzen dann eine Runde Swing mit dem Gedanken, ja eigentlich nichts richtig zu können. Eine Freundin hat es kürzlich Impostor-Syndrom genannt, und sie war dankbar, ein Wort für ihren Zustand genannt bekommen zu haben. Einer blonden Frau in ihrem Alter die Haartracht zu versauen kam einer völligen Entwaffnung gleich. Auch die Befürchtung, dass die eigenen Ohren im Alter zu wachsen beginnen werden, findet sie punktuell extrem besorgniserregend. Das elektrisch betriebene Taxi, in dem sie sitzt, hat keinen Fahrer. Dafür superschnelles Internet an Bord. Ihr Handy meldet den Eingang einer Nachricht ihres angehenden Whistleblowers, der einen Link mit einem Foto schickt, damit sie ihn im Foyer der Oper erkennen kann. Sie sieht sein Bild nur für Sekundenbruchteile, aber lange genug, um ihre filmerfahrene, erotisch angeregte Phantasie wahrzunehmen, dass er so gut aussieht, dass er als Hauptdarsteller mindestens einen 45-Minüter tragen kann, bevor ein Skype-Anruf das Bild auf ihrem Handy verdeckt. Ihre Mutter. Ausgerechnet jetzt. Wieso ruft JETZT ihre Mutter an? Sie hat sich seit Jahren nicht gemeldet – seit sie das Haus ihrer Kindheit verkauft hat, um sich angeblich in Österreich nieder zu lassen, in der Nähe von Salzburg. Jordis zögert, aber erneut nur für Sekundenbruchteile. Ihre Mutter ist zwar inzwischen völlig ins Reich der Chemtrail-Theoretiker abgedriftet, aber einfach so ohne Grund ruft sie nicht an. Vielleicht ist ja was Schlimmes. Trotz all ihrer früheren Erfolge konnte sich Jordis mit Blick auf die Rente immer noch nicht richtig absichern, und so nimmt sie den Anruf kurzerhand an. Ihre Mutter möchte wissen, wo sie gerade ist. Auf dem Weg ins Kino, lügt Jordis. Ah, sagt die Mutter, ich wollte nur sicher gehen, dass du heute nicht auf die Idee kommst, in die Oper zu gehen. „Deswegen rufst du mich an?“ „Ja.“ „Aber sonst ist alles in Ordnung?“ „Ja. Lass uns ein anderes Mal telefonieren.“ Und schon ist das Gespräch wieder zu Ende. Wieso sollte sie nicht in die Oper gehen? Jordis geht sonst nie in die Oper. Konnte ihre Mutter doch hellsehen? Immer, wenn sie es früher versucht hatte, war Jordis vor Scham im Boden versunken, denn sie hatte kein einziges Mal recht gehabt. Aber dass sie ausgerechnet heute in die Oper gehen würde, war schon etwas seltsam. Wahrscheinlich nur ein Zufall. Die Skype-Oberfläche verschwindet. Gibt das Bild von diesem Whistleblower wieder frei. Neben dem Bild läuft ein Countdown – noch 4 Sekunden. Wenn er auch eine gute Stimme hatte und seine Story gut genug war, würde er, so ihr zweiter erster Instinkt, einen Film auch über 90 Minuten tragen. Mit einem Effekt löst sich das Foto auf.
Jordis' überstürzte Idee vom Opernbesuch mit ihm – alles nur generöses Mitleid? Bestimmt wieder eine dieser Eingebungen nicht von ihr selbst, sondern eigentlich aus dem Portemonnaie ihres Ehemannes. Aber naja, Oper - warum nicht? Immerhin eine Gelegenheit zu vervollständigtem Erwachsensein. Mit vier Kindern und das unfreiwillig alleinerziehend durchaus eine Rarität. Ganz weit hinten die Tränen. Ach Elsa. Jede Tröstung der halb fertigen Wesen illusorisch, trotz oder wegen der Routine als Kindertherapeut, von den eigenen Schmerzen mal ganz zu. Schweigen. Schwarze Wände in Weiß. Die beiden Großen zu ihren Großeltern väterlicherseits mit dem Auto, demnächst TÜV fällig. Volle Zuwendung, selber tieftraurig wegen anderer Sachen und verkorkstem Leben, hoffentlich ohne langfristige Folgeschäden für die beiden großen Kinder, deren Papa immer breit, Halleluja. Die große Eigene, grade mal 8, voll erwischt, emotional die ganze Breitseite, über Wochen tiefes Schluchzen jeden Abend über Stunden, jetzt bei ihrer Freundin, deren Mutter im Bilde, zugewandt, hilfsbereit. Ihr Kopf auf seinem Schoß, bis zum Schlaf, dabei der geronnene, daueraktive Hirnstrom: Und woher das Geld? Große Zwangs-Rätsel überall. Zukunft? Reine Spekulation, einfach Funktionieren, Schlafen, Return. Nachts wach und ohne Kaffee über die Formulare für die Haushaltshilfe vom Amt. Der kleine Jonas bei Elsas Mutter, ein robuster Kerl von 4, Danke Oma, immer wieder mit der Frage, wie weiter? So? Irgendwie. Elsa mit ihrer erratischen Art, weg für immer. Ihr Lachen wie ein Geist in den leeren inneren Hallen, in denen ein zartrosa Seidenteppich langsam vor sich hin löchert. Elsa, für immer in seinem Herz, bis zum letzten Schlag. Der Steinmetz des Grabsteins, ein alter Freund der Familie, blindes Verstehen, Dankbarkeit für die rücksichtige Umsicht der ganze Freunde. Der große Schock in allen Knochen, bis heute, 5 Monate nach dem Unfall. In der Kammer die blaue Urne. 14 Monate nach der Trennung und 7 Wochen nach Beginn des insgesamt dritten, irgendwie vernünftig-verzweifelten Versuchs mit Elsa. Vorher, in Freiheit, die Begegnung mit Jordis, und dann Elsas Zusammenstoß mit der Straßenbahn. Sofort tot, keine Schmerzen, wenigstens etwas. Beim Blick in seine Brieftasche zwischen den Fingern ihr Personalausweis, daneben seiner. Schuldgefühle trotz allem. Eine rollende Träne in FLORIAN SCHWARZMANNS Gesicht (gespielt von VOLKER BRUCH (gefeuert und ersetzt durch MICHAEL IHNOW)), gestochen scharf, knapp unter dem Auge.
Der Gedanke an Lenny, Sohn eines Personenschützers, und seine Ängste. Der Vater früher in Afghanistan mit der Bundeswehr. Gezocke, sinnlos und doch allen Jungs mit 13 das Liebste auf der Welt, Fussball längst weit abgeschlagen auf dem dritten Platz mit 20 Punkten Differenz, dazwischen nur noch Porno. Lenny's Ablösung von Mama in vollem Gange, raus aus dem Bett mit 12, endlich nachts alleine, endlich Ende Gelände mit der emotionalen Bewachung der Mutter. Loslassen! Aber wie, beim ersten Versuch? Noch so ein abwesender Vater, auf der Flucht vor der Beziehung zur Mutter. Auf ihrem Nachttisch ein Stapel Krimi-Thriller. Angst? Kein Wunder. Florian geht durch den Garten seines Landhauses, mit einem Buch in der Hand: „Vor dem Fest“ von Saša Stanisic. Er reicht es seinem Nachbarn, dem Lehrer der Dorfschule, über den Zaun. „Mich würde interessieren, was du darüber denkst!“
TOBIAS RENNER (gespielt von DANIEL BRÜHL), 32 Jahre, Personenschützer, holt seinen Sohn LENNY von der Therapie ab. Auch wenn dafür im Film natürlich gar keine Zeit ist. Im Wartezimmer kommt es zu einem kurzen, technischen Dialog mit dem Therapeuten Florian Schwarzmann. Schnitt auf den Rücksitz des Autos, wo Lenny sein Handy herausholt und spielt. Tobias sieht es, sagt aber nichts. Im Rückspiegel sieht er sich selbst als Offizier bei einem Einsatz im Irak ebenfalls auf dem Handy dieses Spiel spielen. Auf dem Autodisplay seines Dienstwagens erscheint das Bild seines Kollegen René Freiherr von Lötzow, als dieser anruft. Er drückt ihn weg und sagt nun doch zu Lenny, er solle nicht so viel spielen. Der Junge schaut auf. Dann instruiert er nach einem Schnitt seine Mannschaft bei einem Einsatz im Mannschaftsraum eines geschlossenen Mercedes-Sprinters. Alle tragen schwarze Uniformen mit dem Aufdruck SEK, kugelsichere Westen, Helme, das neue HK433, sind im Gespräch fast vermummt, ziehen nach dem Marschbefehl ihre Masken über die Gesichter und verlassen das Fahrzeug. Der Zugriff auf das Anwesen eines libanesischen Drogenbosses (verkörpert von SERDAR SUMUNÇU) erfolgt von einer Seite über das Nachbargrundstück, zu dem sich nun auch Tobias Zugang verschafft. Zwei seiner Kollegen zertrampeln ein Blumenbeet und verschwinden in einer Hecke. Tobias, der seine Maske noch nicht hochgezogen hat, blickt sich um, sieht dabei hinter der vollflächigen Glasfront der zum Garten gehörigen, modernen Villa eine Familie aus Vater, je einem Jungen und Mädchen im Teenager-Alter und Mutter am Esstisch sitzen. Sie starren ihn an. Er gibt ihnen ein abwiegelndes Handzeichen, dass sie sich nicht aufregen sollen, deutet Richtung Hecke, legt den Zeigefinger auf den Mund. Zieht nun die Maske hoch und marschiert mit der Maschinenpistole im Anschlag über den Rasen, zertrampelt das gleiche Rosenbeet ebenfalls und verschwindet im Gebüsch.
Der Versicherungsmanager RICHARD BREITSCHUH (57 Jahre, gespielt von AUGUST DIEHL), hat gerade mit einem typischen Geräusch einen Domaine de La Borie Blanche 2001 geöffnet, den Korken aus dem Longeril an die Nase gehoben, um das Aroma zwischen Beeren, trockener Erde und einem Hauch Nelken zu veratmen. Er sieht die schweren Schlieren des Probeschluckes im Glas herunter rinnen, läßt das flüssige Rubin über die gespitzte Zunge gleiten, nickt zufrieden und trägt die Flasche hinter SOPHIA, 49, seiner Frau in zweiter Ehe (gespielt von HEIKE MAKATSCH), ihres Zeichens Architektin bei einem großen Autobauer, zu seinen beiden halbwüchsigen Kindern aus erster Ehe her zum Tisch im Esszimmer, wo diese bereits wartend in ihre Handys starren, die sie nur zögernd sinken lassen. Richard schenkt auch den Kindern ein kleines Glas ein. Als Jura-Student gehörte er einer schlagenden Verbindung an, was sich bis heute an einer Schmiss auf seiner linken Wange ablesen läßt, inzwischen gehört er schon länger zum rechten Flügel der konservativen Partei, die seit 35 Jahren die Regierung stellt. Seine Entscheidung, nach dem Studium in die Wirtschaft zu gehen, hatte ausschließlich finanzielle Gründe; als Richter hätte er sich seinen Lebensstil einfach nicht leisten können. In Nadelstreifen hat er mit Schürze am Küchenblock gestanden, es gibt lauwarmen Tafelspitz nach Rezept seiner Mutter, der geliebten Hannelore, das Tischgespräch dreht sich um Sophia, die es satt hat, sich jeden Monat an einen anderen, stetig größer werdenden Neuwagen gewöhnen zu müssen, der ihr von ihrer Firma gestellt wird – was Ansgar, Richards Sohn aus erster Ehe, total cool findet, viel cooler als die schwarze S-Klasse von Papa – als plötzlich vermummte Polizisten durch den Garten stürmen. Der letzte der Männer hält sich bei heruntergezogener Maske den schwarz behandschuhten Zeigefinger auf den Mund. Richard und Tobias sehen sich an. Der Mann in Kampfmontur signalisiert, dass er weiter muss, verhüllt nun erst sein Gesicht und trampelt drauflos in die Hecke. Alle sitzen wie versteinert, nur Sophia nicht, die nichts gemerkt hat und weiter Salat isst. Valentina, Richards Tochter aus erste Ehe, sagt: „Papa? Was war das denn?“ Das Telefon klingelt. Richard antwortet nach einer Pause. „Das waren drei Polizisten in Kampfausrüstung, die durch unseren Garten gelaufen sind. Ich glaube, sie wollen nicht zu uns.“ Ansgar hält vier Finger hoch. „Vier! Papa, das waren vier!“ verbessert Ansgar. Sophia hat von all dem, was gerade im Garten passiert ist, nichts mitbekommen, ist ans Telefon gegangen, kommt zurück, reicht Richard das schnurlose Gerät: „Vier was?“ „Nichts. Vier alle“ entgegnet Richard lächelnd. „Hier, Dein Bruder“.
SOPHIA VOGT (49, gespielt von HEIKE MAKATSCH) stockt der Atem. Gerade hatte sie noch über die Knoten in ihrem Dickdarm nachgedacht, in denen sich Scheisse festgesetzthatte, während sie über den Zwang sprach, ständig ein neues Auto zu bekommen, ohne dass sie es bestellen musste, war ja Teil ihres Vertrages, geschenkt obendrauf, irgendwie war ihr das alles zu viel, da konnte man sich ja an gar nichts so richtig gewöhnen, immer musste man alles gleich wieder aufgeben, kaum hatte man sich minimal eingegroovt und überhaupt, sie wurde ja auch gar nicht gefragt, wie sie die Dinger fand, mit ein paar Kilometern auf dem Tacho wurden sie dann weiter gereicht, ihr unter dem Hintern weg gezogen, um als Jahreswagen irgendwem anderes drunter geschoben zu werden. Was für eine Strategie der Selbstentwertung, diese Autos wurden immer riesiger, das gefiel ihr zwar auch, aber jetzt hatte Richard wieder Tafelspitz gemacht, er wusste doch, dass sie das nicht essen konnte, auch wenn er ihr eigentlich schmeckte, aber naja, in der Paartherapie hatte sie ja gelernt, dass aggressiv werden auch nichts bringt, aber eben abgegrenzt zu sein, das war ganz schön schwierig mit Valentina und Ansgar, vor allem deren Mutter, diesem rotbehuften Monstrum, dem nichts recht zu machen war, die armen Kinder, armer Richard, aber warum hatte dieser Mensch diese Frau überhaupt geheiratet, warum musste sie überhaupt immer allen alles recht machen? Wieso hatte sie ihn geheiratet - eine Frage, die sie sich zu stellen verbot. Jetzt schaufelte sie wortlos ihren leckeren Salat in sich hinein, fühlte sich einerseits verhärmt, Richard kredenzte wie üblich den Rotwein, auf dessen Etikett das Attribut weiss verzeichnet ist, toller Gag, haha, wie oft noch?, sie merkte gar nicht, wie die anderen am Tisch vom Donner gerührt wurden, weil dieses Dressing über den noch lauwarmen Beluga-Linsen war so lecker, sie wurde erst aus ihrem Konkon gerissen, als das Telefon klingelte, sie sofort aufsprang wie wenn ihr eine Sprungfeder aus dem Arsch geschossen wäre, und dann sah sie den Menschen in der Hecke verschwinden und gleichzeitig das Räuspern von Richards Bruder am anderen Ende der Leitung, also übergibt sie den Hörer, hörte Richard noch sagen, dass gerade drei Bullen durch den Garten getrampelt seien, doch das ist nicht ihr Bier, bis sie das zertrampelte Beet sieht, rausrennt und rumschreit, sich aber wieder nicht aufregen will, völlig entnervt ins Schlafzimmer verkrümelt und der Sprachnachricht ihrer kleinen Cousine zuwendet, bis sie Schüsse hört, gedämpft durch die Dreifachverglasung, sie denkt an Dogs of Berlin, weil ja eh klar ist, dass die Bullen zum Nachbarn wollen, da braucht Richard ihr gar keine Vorträge halten, sie kann sich ja selber auch einen Reim auf Dinge machen, auch wenn sie im Gegensatz zu ihm unpolitisch ist, dafür ist er immer weg, bei irgend welchen Gremien oder auch auf den Closed Weekends, wo sie die dann mit den total langweiligen anderen Ehefrauen der Parteibonzen herum hängen muss, Hauptsache noch ein Spa, dessen Architektur sie dann natürlich immer scannt und alles eigentlich immer ziemlich grauenhaft findet, was bleibt einem da übrig, als in dem, was man nur mit viel gutem Willen als Freizeit bezeichnen kann, vor Streamingserien auf dem Sofa zu versauern, die sie eigentlich auch nur guckt, weil Richard mal wieder eine neue, die gefühlt siebzehnte Midlifecrisis mit einer neuen Aktivität bewältigen muss, nach zuletzt noch Jagen und Motorradfahren steht jetzt Dark Tourism auf dem Programm, sprich, er will mit ihr nach Tschernobyl, dabei will sie besser gleich ins Bett, mit Tee und Bauchschmerzen, und schon gar nicht in die Oper, die gerade angekommene Nachricht ihrer Cousine Krissy aus Westfalen ist auch total langweilig, aber irgendwie auch süß, ein Sportvideo, Geländelauf in Camouflage, den Ton hat sie abgeschaltet, um nicht wahnsinnig zu werden, und dann kommt noch eine Nachricht, von Harry, da macht ihr Herz einen kleinen Luftsprung. Werde auch da sein zur Premiere morgen Abend. Richard ahnt nichts von der Affäre, was für Sophia die Sache mit dem drohenden Herzinfarkt nicht besser macht.
HARRY FINKE, (verkörpert von BIBIANA BEGLAU) leitendeIngenieurin des Opernhauses (43 Jahre), blickt im Gehen mit einem verschmitzten Lächeln auf ihr Handy. Sophia hat sie mal auf einer Baustelle näher kennen gelernt - nicht irgendeiner Baustelle, sondern der des BKA-Neubaus in Berlin, wo sie die Bauaufsicht hatte und Sophia auf der Büroseite am Rande des Nervenzusammenbruchs stand. Mit Ansage, die Rede war von Herzinfarkt, vorprogrammiert mit Ende 39. Und dann ihre wilde Affäre, die vor allem für Sophia überraschend kam, weil sie sich ja eigentlich schon viel länger kannten und sie sagte, dass sie keine Ahnung gehabt hätte. Auf dem Weg über den Schnürboden holt Harry einen reifen Pfirsich aus der Tasche ihrer senfgelben Jacke, verschlingt ihn voller Gier, während sie athletisch in die Knie geht, um sich elegant unter einem hüfthohen Hindernis hindurch zu schlängeln. Schwebend, ohne Bodenhaftung läßt sie die Topologie ihres zwischen hartem Licht und scharfen Schatten wechselndem Parcours, vorbei an Seilen, Gewichten, Haken und Scheinwerfern, wie in Trance hinter sich und kommt erst in einem offen stehenden, schmalen Aufzug zum Stehen, der sich schnell schließt und sirrend abwärts rauscht. Im Spiegel wird sie eines kleinen Spritzers … Ketchup? auf ihrer senfgelben Jacke gewahr, den sie mit vorgeschobenem Unterkiefer eingehend mustert. Sie tritt näher an den Spiegel. „Dirty Harry“ haucht sie mit geschürzten Lippen ihrem eigenen Bild entgegen. Fragt sich, wie sie den am Besten heraus bekommt, ohne dabei das nagelneue Stück schon am zweiten Tag vollständig zu ruinieren. „Hey Cosy. Hast Du eine Idee für diesen Fleck auf meiner neuen Jacke?“ Eine Frauenstimme (Gesprochen von KATHARINE HANNAH WEBER) ertönt aus dem Off: „In der Requisite oder in der Künstlergarderobe müssten laut Einkaufsliste mehrere Fleckentferner vorrätig sein.“ „Danke Cosy. Du bist ein Schatz. Fährst du mich noch in die Künstlergarderobe?“ „Ok, Harry“ „Aber vorher möchte ich mich noch mal eben kurz mitteln. Halte bitte einfach mal eben an.“ „Kein Problem, Harry.“ Der Lift bleibt stehen. In Großaufnahme ihres Gesichts schließt Harry die Augen. In ihrem Kopf ist in halbtransparenten Bildern zu sehen, wie Harry und Sophia sich in jüngeren Jahren im Internat über den Weg laufen, Sophia ist mit Erik Müller unterwegs, mit dem Harry bis heute in Kontakt geblieben ist. Aus einem Fach hinter dem aufspringenden Spiegel holt sie eine Gymnastik-Matte, die sie im Lift ausrollt, hängt ihre Jacke an einen Haken auf der Innenseite der Spiegeltür, legt das Handy auf eine Ablage ebendort. Beim Abstreifen ihrer knöchelhohen Sneakers kommen an beiden Füßen Prothesen zum Vorschein, als sie ebenso zügig wie formvollendet eine einfache Berg-Yoga-Übung macht. Geschmeidig und mit leisen Gaspatronen-Geräuschen dehnen sich die künstlichen Gelenke in extreme Posen. Kurz darauf sitzt sie mit vor der Brust verschränkten Händen und geschlossenen Augen im Lotus-Sitz vor dem Spiegel. Sophia und Erik haben sich in einem „Ooooom“ leise knisternd aufgelöst. Im Aushall meldet das Handy eine Nachricht von
NAHID ALEMANN, 29 (gespielt von MARYAM ZAREE), einer aufstrebenden Labormedizinerin, die gerade nicht so richtig weiß, wo ihr der Kopf steht. Erst kürzlich von einem Postdoc-Studienaufenthalt aus Baltimore zurück gekehrt, stapeln sich Umzugskisten in ihrer neuen Wohnung - und genau so fühlt sie sich: aufgestapelt, hingestellt, unausgepackt. Sie läßt das Handy auf das Sofa sinken und starrt ein Loch in die Luft. Mit Harry hatte sie noch in Amerika zu texten begonnen, als sie gerade in den letzten Zügen ihrer Forschung steckte, hatten sie ein Match, eher zufällig als irgendwas anderes. „Schon komisch“, sagt sie mit starrem Blick ins Leere der halben Trance zu sich selbst: „da versucht man den ganzen Tag dem Zufall wissenschaftlich den Garaus zu machen, und dieser Gauner schleicht sich einfach durch die Hintertür ins eigene Leben“. Sie öffnet eine Kiste aus dem Karton vor dem Sofa in Reichweite, holt ein Foto in einem Bilderrahmen heraus. Ihr Vater, dieser seltsame Mensch, der sich so naiv wie unverfroren in Ägypten an ihre Mutter heran gemacht hatte, naja was heißt das schon. Sie lagen sich im Gedränge des Attentats auf Sadat plötzlich in den den Armen, während weiter unten geschossen wurde. Klingt nach Märchenstunde, aber ihre Mutter hatte das Ganze nie bestritten. Kaum war sie ihm dann nach Deutschland hinterher gereist, die Flucht aus dem Iran fortsetzend, kam es erst zur Hochzeit, ihrer Geburt und dem Bruch nach wenigen Ehejahren, weil sich heraus stellte, dass ihr Vater bereits verheiratet war und schließlich wegen Polygamie und Meineid für vier Jahre in den Knast wanderte. Damit nicht genug, denn ihr Vater hatte schon vor seiner Zeit im Gefängnis damit begonnen, seinen Neigungen zu folgen und sich Männern zugewandt, und als er nach einem Jahr wieder draußen war, verließ er die Familie, um sich in die Szene zu stürzen und statt wie bisher in Gas-Wasser-Scheiße zu machen ein kleines Theater eröffnete. Immerhin: ihre Mutter konnte sich endlich niederlassen - doch dafür war jetzt sie, Nahid, irgendwie auf der Flucht – zwischen Billigfliegern, Stipendien und online-Bekanntschaften auf gefühlten 37 Kontinenten. Und dann diese Zufälle: ihr Vater hatte Karten für die Oper, und auch wenn sie sich teilweise als zweite Wahl vorkam, weil wahrscheinlich irgendjemand anderes abgesprungen war, fühlte sie sich plötzlich genau am richtigen Ort: Harry war ausgerechnet technische Leiterin dieses Theaters, in das ihr Vater sie mitnehmen wollte, zu einer Premiere – das neue Konzept der Oper sah vor, nicht zu verraten, welcher Stoff gezeigt werden würde. Sneak-Opera. Dazu sagt man nicht nein, auch wenn man noch so durcheinander ist und man sich im Badezimmer einen blauen Fleck am Waschbecken geholt hat, weil verpennt, und die dreckigen Klamotten noch ungewaschen auf dem Boden herum liegen. Zum Glück sieht niemand die Wäsche, und auch den blauen Fleck nicht. OMG! Harry war kein Sonderfall, sondern ein weiterer Baustein, der in ihrem Leben die Regel als Regel bestätigte, nicht als Ausnahme. Dabei wünschte sie sich nichts sehnlicher, als endlich etwas Ruhe, Ordnung und Vorhersehbarkeit. Sie hält sich die gestoßene Hüfte und humpelt zurück zum Sofa, nimmt das Handy und schreibt im Stehen eine Nachricht an ihren Vater.
Nach drei ruhig entspannten Weihnachtstagen, verbracht im Bauernhaus von Friederike mit Nahid und Holger, und einer Heimreise im EC in den Abendstunden des zweiten Weihnachtstages und dem vorherigen, üppigen Weihnachtsessen bei Gudrun und Heiko verlief die Nachweihnachtswoche zuhause ebenso ruhig und entspannt. Einige längere Telefonate mit den alten Klassenkameraden aus der Realschulzeit, Heinz Lengsfeld und Hans-Josef Krug, einer Attacke gegen den jetzigen Schulleiter der Realschule, der nach ihrem früheren Schulleiter Christof Stierer benannt wurde, einem Regierungsrat Dr. Schwengler, der von einer Zusammenarbeit mit Ehemaligen wenig hält und einer Erinnerungskultur, sowie Treffen von ehemaligen Schülern eine Absage erteilte, einer Attacke also gegen diesen von Gestalt kleinen Mannes bei der Stirnbergzeitung in Oer-Erkenschwick. Wahrscheinlich bekommen solche kleinen Angriffe der Gesundheit von GERNOT ALEMANN (79, gespielt von GÜNTER SCHANZMANN), denn er fühlt sich wieder besser nach dem Krankenhausaufenthalt im November und den vier Aufführungen von „Notre Carmen“ Mitte Dezember im Marstall.
Doch, wie meistens in seinem Leben, folgt das unschöne, das Unglück, das Überraschende, das wenig Erfreuliche, das scheinbar immer nur ihm passiert. Ein guter Vorsatz - oder ist es nur die Tarnung eines guten Vorsatzes (?) läßt ihn seinen alten Freund, der sich allerdings nie als seinen Freund bezeichnet hat, noch bezeichnen würde, Volker Spengler, der in einem betreuten Wohnen seit einiger Zeit lebt, im Winterdorffkiez aufsuchen. Bei Feinkost Ragocki in der Wilmershöher Straße kauft er ihm seinen geliebten Heringssalat und ein Stück Aal. Und läßt sich dann von ihm verulken.
Abends dann im „Tabasco“, das er sich geschworen hatte, niemals mehr aufzusuchen, traf er zwar Vorsichtsmaßnahmen, trotzdem öffnete ein flinker Trickdieb, der ihn in ein Gespräch verwickelte, den Reißverschluß seiner Jackentasche und entwendete ihm das darin verwahrte Geld. Gernot bemerkte die Öffnung erst im „Blue Boy“; war genervt von der penetranten Anmache, gab Getränke aus, obwohl sein Vorsatz war, es nicht zu tun. Alle wollen nur das eine, sein Geld. Doch die Hoffnung höret nimmer auf, das Vertrauen auch nicht.
Es war schon gegen morgen des Samstages, als er in die U-Bahn einstieg. Am Bahnhof sprachen ihn zwei sichtlich betrunkene Figuren an. Zu spät bemerkte er, dass sie versäumt hatten, am Alex auszusteigen. Als er ausstieg, stiegen auch sie aus und folgten ihm. Der Größere und wohl auch stärkere Typ outete sich als Pole, dessen Säuferseele sich nach Wodka sehnte. Ihre Suche nach Alkohol landete ergebnislos vor seiner Haustür. In der Wohnung angekommen, leerte der Pole alle noch aufzufindenden alkoholischen Getränke. Der andere outete sich als halber Türke und halber Deutscher, zumindest als nicht Alkohol trinkender Moslim. Beide hatten sich in einer Kneipe kennen gelernt, wo es Transvestiten gegeben haben müsse. Der Pole hätte einen davon angemacht, weil er schon lange keine Frau gehabt hätte, wie der Halbtürke sagte, der selbst von seiner Frau geschieden sei.
Gernot opferte seine letzten 40 Euro, sodass die beiden loswollten, aber darauf bestanden, ihnen einen Schlüssel für die Rückkehr in seine Wohnung mit zu geben. Er fügte sich in sein Schicksal. Eine Auflehnung oder Weigerung vermied er wegen möglicher Unberechenbarkeiten seiner „Gäste“, vor allem des Polen.
Sie kamen tatsächlich zurück, ohne Wodka, den hatte der Pole unterwegs, oder schon im Laden mit einigen rohen Eiern zu sich genommen. Dann fiel er plötzlich einfach um. Gernot schob ihm ein Kissen unter den Kopf, breitete eine Decke über und ließ ihn in der Küche liegen. Dem Türken bereitete er auf dem Ausziehsofa in seinem Wohn-Schlafzimmer ein Nachtlager. Erst am frühen Nachmittag wurde er durch Telefonläuten wach. Der Pole saß in der Küche auf einem Stuhl und schlief.
Später versuchte er, sich Kaffee zuzubereiten, erzählte, dass er 17 Jahre im Gefängnis verbracht hätte, zwei Menschen umgebracht, und immer das Alkoholproblem und die Wutausbrüche. Er zeigte sein Zeugnis, dass er an Deutschkursen mit Erfolg teilgenommen hatte. Er wisse nicht, wie er seinen Heimathafen bei Köln erreichen könne. Sie machten sich auf den Weg zum zum Bahnhof, nach einem Hin und Her um eine Fahrkarte, die er noch bezahlte, ließ er beide dort stehen und machte sich davon.
Auf dem Rückweg musste er an das Gestotter seines Freundes Einar Schleef denken, stolperte über eine Unebenheit im Gehweg und verletzte sich bei dem Sturz am Knöchel. Auf seinem Anrufbeantworter fand er einen Anruf von Samuel vor, der zwei Steuerkarten für den Opera-Sneak im Parkett auf seinen Namen an der Kasse zur Abholung hinterlegen ließ. davon einen Notsitz. Sicher würde auch wieder Egenolf Richter dabei sein, dieser eingebildete Idiot. Ihm war völlig schleierhaft, wie es soweit hatte kommen können. Gleich rief er seine Tochter an - Nahid fing sofort an, über ihren Bruder zu sprechen, der sich wieder einmal sehr über den Vater erbost hatte.
„Opernkritiker? Geradezu lachhaft! Was sich diese jungen Leute herausnehmen, das ist nicht einfach eine Unverschämtheit, das ist INFAM! Und dieser Wicht von Burghausen, der schimpft sich doch tatsächlich immer noch einen Chefredakteur, der druckt das auch noch! So ein dahergelaufener Hänfling! Dabei ist er nichts weiter als ein GNOM! Das ist doch Hinz und Kunst! Ist das doch. Ein anmaßender SCHRAT, der in die Kirche schifft! Sprache von Unterirdischen - Gedanken jenseits des Bedeutungslosen. Beim Dreitage-Barte des Propheten, sie scheinen alle nicht zu wissen, wen sie da vor sich haben, diese flüchtig hingemachten Bildungsneger! Ich bin EGENOLF RICHTER (66 Jahre, gespielt von HARALD GLÖÖCKLER aka SERDAR SUMUNÇU), und nicht irgend ein dahergelaufener Lump, der mal einen Hörsaal von innen gesehen und die eingeritzten Pimmel mit den Fingerchen abgetastet hat! Die Spucke bleibt einem weg wie dem Wald der Regen...Was bilden die sich eigentlich alle ein? Waldspaziergang – my Ass! Jeden Tag treiben sie eine andere Sau durchs globale Dorf! Aber wartet nur, ihr werdet alle noch an meinem Trog Wasser saufen! Ihr digitalen Hütchenspieler, die einem noch in die versalzene Suppe spucken, um dem verliebten Koch zu sagen – wir mögen dich, Sonnenschein, aber du musst deine Tags noch optimieren! Überall hören sie mit ihrer Software das Gras wachsen – das ist doch die wahre Austreibung des Geistes aus den Geisteswissenschaften, aus Literatur, Musik und allen anderen Künsten! Sie treten der Psychoanalyse erst in die Eier und sie dann in die Tonne, nur um dann heraus zu finden, dass man sich irgendwann an das Rauschen der Klimaanlage gewöhnt hat – das nennen sie dann das Unbewusste! Warum kritisieren sie überhaupt Opern? Sie wollen Versen Geld geben!“
Egenolf lacht über seinen eigenen Witz laut heraus. Nachdem sein schallendes Gelächter jauchzend und stöhnend ausgehaucht ist, läuft er durch den Verhall seiner großbürgerlichen Wohnung im Zuckerbäcker-Biedermeier-Rokoko-Barock-Stil wieder aufgebracht umher, liest dabei in einer mehrfach immer weiter nach hinten umgeschlagenen Zeitung. Im Morgenmantel. Es herrschen helle, gelbliche Farben, Gold und Spiegel vor, Sofas sind mit gestreifterSeide bespannt und laden zum aufrechten Sitzen ein, an den Wänden hängen Originale aus dem 18en und 19en Jahrhundert – Landschaften, Szenen, Portraits, aber des gibt auch einen Corbusier-Stuhl. „Das Fell des Kleinen versaufen! Das könnte Euch so passen. Hinterher haben sie dann immer nur mit den Wölfen geheult. Rattenfänger hin oder Fallensteller hinterm Berg hervor.“ Er wirft die Zeitung auf einen hohen Stapel seinesgleichen, lässt sich in einen Chippendale-Sessel fallen, sein Rehpinscher springt unter der Kamera heraus auf ihn zu, dreht sich um, fletscht die Zähne, knurrt uns Zuschauer an. Will dann weiter, auf den Schoß hüpfen, doch im Sprung erlahmt das arme Tier, kratzt mit den Krallen der Vorderbeine Laufmaschen in den seidenen Morgenmantel, ohne das Abrutschen verhindern zu können, doch der Griff vom Herrchen fängt ihn auf. „Geht es schon wieder los, kleiner Freund? Heute kann ich dich aber nicht mehr zu Doktor Bovensiepen bringen, Schätzelchen.“ Egenolf streichelt den Hund, der gequält ein leises Jaulen von sich gibt; auf einen Versuch, das Tier einzurenken, reagiert dieser mit einem großen Fleck, der sich kreisförmig auf dem Morgenmantel ausbreitet. Schnitt auf das Gesicht des Hundes, das im ebenfalls goldenen Badezimmer gepflegt wird. Egenolf, nun mit nacktem, behaarten Oberkörper und umgebundenem Duschtuch singt beim Trinklied von Verdis Traviata laut mit. „Meine Liebe ist dahin, mein Schätzchen.“ Er sieht ein Foto eines nackten jungen Mannes an, entzündet es mit einem langen Streichholz, läßt beides fallen und im Waschbecken verbrennen. „Weißt du noch, als wir damals mit Helmut und Erika diesen Spaziergang gemacht haben? Helmut, dieser alte Versager, als Student hat er immer die größten Töne gespuckt, wie wir die Welt verändern würden, er wollte von Wien direkt in den Himmel. Und jetzt? – ein Lehrer. Oberstudienrat. Damals hattest du ja deinen ersten Anfall, ist noch gar nicht so lange her. Sehr jung warst du damals, dein Blut war irgendwas zwischen rosa und hellblau. Damals gab es diesen Menschen da noch nicht, aber was solls, es werden schon noch andere kommen.“ Er blickt abfällig auf das verbrannte Foto und zerstochert die Asche. Vorsichtig schnallt er den Rehpinscher in einen zweirädrigen Wagen, der dem Tier die Hinterbeine ersetzt. „Kannst du dir vorstellen, dass ich mal mit einer Frau verheiratet war? Was für ein Irrsinn, nicht wahr? Aber Erika hat mich geliebt. Heute Abend kannst du ihr wieder begegnen, sie ist alt geworden, auch etwas bitter, habe sie länger nicht gesehen. Ich glaube sogar, wir sitzen nebeneinander – bei diesem Sneak-Opern-Abend. Ich habe ja nichts darüber herausfinden können, was heute gegeben werden wird. Dieses Konzept ist gar nicht schlecht, finde ich. Es bildet unsere Zeit ziemlich genau ab, denn selbst, wenn jetzt eine neue Technologie entwickelt wird, entscheiden trotzdem die Menschen, was daraus wird. Man weiß also, dass etwas neues kommt, aber was es sein wird - …?
Angespanntes Warten auf den neuen Messias – den einen, der alles richtet. Den, der in jeder Hinsicht geeigneter ist als alle anderen, die auch versuchen, der Menschheit einen Dienst zu erweisen und dadurch alles offenbar nur noch schlimmer machen. Parsifal, der irdische, franko-alemannische Teutone, säkularer Heilsbringer und Retter der Kunst, im Gegensatz zu Jesus auch im Mythos Vater mindestens eines leiblichen Kindes, Lohengrin. Ungeachtetaller Kulturlasten aus den Federn linkshändischer Auktorial-Gottheiten schnarcht es irgendwo tief unten. Da tut sich etwas gütlich an nicht rechtzeitig upgedateten Träumen.
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NAHID ALEMANN STEIGT in ein Taxi.
Nahid
Zum Opernhaus, bitte.
Sie hat nach der Einarbeitung der Hinweise der Reviewer noch den Artikel für die Publikation fertig bekommen und rausgeschickt, ein gutes Gefühl, trotz des ganzen Chaos das eigene Leben wenigstens an dem Punkt noch im Griff zu haben, Cloud sei Dank. Nachdenklich schaut sie ein wenig aus dem Fenster, wo Häuserfassaden im Dämmerlicht vorbeiziehen.
Taxifahrer
Sie gehen in die Oper? Das ist nicht mehr so üblich. Was wird denn dort gegeben?
Nahid
Das weiß ich nicht, aber das ist auch so gedacht.
Taxifahrer
Sie gehen in die Oper, ohne zu wissen, was gespielt wird?
Nahid
Ja, das ist das neue Konzept.
Taxifahrer
Oper ist doch sehr teuer, oder nicht? Sie scheinen ja ganz schön in Saus und Braus zu leben.
Nahid
Sie überschreiten gerade ihre Kompetenzen, mein Herr.
Taxifahrer
Naja, interessieren Sie sich eigentlich für so jemanden wie mich?
Nahid
Sind sie promoviert? Ich könnte jemanden gebrauchen, der meine Beiträge auf Englisch redigiert.
Taxifahrer
Nein, kann ich nicht. Ich bin Taxifahrer. Und unser Beruf wird systematisch zerstört.
Nahid
Eigentlich wollte ich nur zum Opernhaus gefahren werden.
Taxifahrer
Ja, das werden sie ja auch, aber ganz so einfach ist das nicht. Ich freue mich ja, dass sie da sind und wollte nicht unverschämt sein.
Nahid
(holt ihren Lippenstift heraus)
Immerhin haben sie es gemerkt.
Das Taxi wird von einer schwarzen Mercedes S-Klasse geschnitten, sodass der Fahrer zu einer Vollbremsung gezwungen ist und Nahid nur mit Mühe verhindern kann, sich den Lippenstift durch das ganze Gesicht zu schmieren. Der Taxifahrer kurbelt das Fenster herunter, lehnt sich heraus und schreit mit einer Geste hinter dem Mercedes her.
Taxifahrer
He, Arschloch! Ich ficke deine Mutter, du Hurensohn!
Er kommt wieder rein und kurbelt das Fester wieder hoch.
Taxifahrer
Sehen sie, wie schwer unser Beruf ist? Ständig passiert sowas.
Nahid
(geht wieder dazu über, ihre Lippen zu schminken)
Sie scheinen ganz schön unter Druck zu stehen.
Taxifahrer
Ich habe 4 Kinder zuhause.
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Richard Breitschuh beobachtet im Rückspiegel einen Taxifahrer, der halb aus seinem Fahrerfenster heraus geklettert ist, und ihm etwas zuzurufen scheint.
Sophia
Ich will übrigens auf keinen Fall nach Tschernobyl.
Richard
Ist OK. Ich kann auch alleine hinfahren.
Sophia
Mensch Richard, muss es denn dieser beschissene Ort sein? Ist dein Leben nicht grässlich genug?
Richard
Immerhin bin ich der Strahlenschutzexperte der Fraktion.
Sophia
Na dann sei von mir aus Strahlenschutzexperte. Ich will da nicht hin. Kannst Du nicht jemand anderen als Strahlenschutzexperten finden und wir fahren nach Petra?
Richard
Da war ich schon mit Penelope und den Kindern.
Sophia
Wirklich? Wieso hast du mir das noch nie erzählt?
Richard
Habe ich.
Sophia
Du musst mich verwechseln.
Richard schweigt. Sie hat ihn auf dem falschen Fuss erwischt, er hatte es tatsächlich jemand anderer erzählt, von der Sophia aber auch nichts wissen sollte.
Richard
Doch, ganz sicher. Du musst es vergessen haben.
Sophia
Immer diese Penelope. Ständig muss ich mich über deine Vergangenheit ärgern.
Richard
Sophia, bitte reg dich jetzt nicht auf, Schatz, ja?
Richard sieht sie an. Sophia sieht nach vorne wird auf einen Fahrradfahrer aufmerksam, auf den der Mercedes plötzlich zusteuert.
Sophia
(schreit)
Vorsicht!
Richard
Was denn?
Er lässt das leicht eingeschlagene Lenkrad los, woraufhin (Schnitt auf Vorwärtsfahrt hinter dem Auto her) der Wagen automatisch eine Kurve um den Radfahrer macht.
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Bei dem Fahrradfahrer handelt es sich um Florian Schwarzmann, der so in Gedanken versunken ist, dass er die Bewegung des schwarzen Mercedes gar nicht bemerkt. Er hat eine hüftlange Blouson-Jacke über sein Jackett gestreift und muss sich etwas beeilen, um noch rechtzeitig zum Opernhaus zu kommen. Jordis weiß schon Bescheid, dass er spät dran ist, doch das Schöne an ihr ist, dass sie keine schwachen Nerven hat und ihm auch keine Vorwürfe machen wird. Allerdings fragt er sich schon,
Florian
(Selbstgespräch auf dem Rad)
Warum eigentlich ausgerechnet Oper? Jordis ist schon ein echtes Mysterium. Sie ist doch sonst eigentlich auch kein Fan dieser Kunstform, aber egal. Hoffentlich ist es nicht so langweilig wie sonst in der Oper. Die geben sich ja scheinbar alle Mühe, der Sache etwas Neues abzugewinnen. Wenn ich einschlafe und schnarche, oh Gott, dann bin ich Jordis sofort wieder los, hoffentlich nicht, bittebitte.... seit Monaten hab ich mich nicht ausgeruht, ein Wunder, dass ich beim Lesen nicht immer weggedämmert bin. Waren schon spannend, die Gedanken von diesem Harari. Zugleich deprimierend und erhellend und zuweilen lustig.
Er fährt durch eine zerschlagene Bierflasche auf dem Radweg.
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Direkt neben ihm fährt eine Honda Gold-Wing an der Stelle vorbei, auf der Erika und Helmut sitzen, und sich über Funk von Helm zu Helm miteinander unterhalten.
Helmut
Du fährst heute ganz schön schwungvoll.
Erika
Was dagegen?
Helmut
Nein. Im Gegenteil. Wie spät ist es eigentlich? Schaffen wir noch einen Sekt, bevor es losgeht?
Erika
(gibt Gas)
An mir solls nicht liegen. Was machen eigentlich deine Zahnschmerzen?
Helmut
Naja, gerade sind sie weg. Diese amerikanischen Qualoodes-Tabletten sind ziemlich gut, bin aber auch etwas belämmert.
Erika
Hast doch hoffentlich Nachschub mit?
Das riesige Motorrad rollt über eine dunkelgelbe Ampel um eine Ecke und überholt nun eine zügig fahrende Straßenbahn, in der Gernot Alemann sitzt und gerade von einem Straßenmusiker angebettelt wird. Er holt sein Portemonnaie heraus und wirft eine Münze in dessen Klingeldose. Von den beiden jungen Männern, die in der nächsten Reihe sitzen, wird der Musiker tätlich angegriffen und stürzt auf den Boden, wo die beiden Männer auf ihn eintreten. Gernot steht auf und geht dazwischen, wird ebenfalls umgestoßen und mit Tritten malträtiert. Jetzt stehen auch andere Fahrgäste auf und versuchen, die Auseinandersetzung zu schlichten, woraus sich eine Massenschlägerei entwickelt, während die Straßenbahn weiterfährt. Gernot krabbelt aus dem Pulk heraus, drückt die Haltetaste und steigt an der Haltestelle in der Nähe der Oper aus der Bahn, in der die Schlägerei weiter geht.
Außen / Abenddämmerung-Vor dem Opernhaus
Ein Reporter, gespielt von VINCENT CASSEL, spricht mit französischem Akzent in eine Kamera, während im Hintergrund Menschen in das Opernhaus strömen. „Zur Premiere, die das große Jubiläum des weltweiten Sieges über die faschistische Diktatur begeht, wird auch die AFPND- Außenministerin erwartet. Und sie kann sich immer noch sehen lassen, immerhin ist sie jetzt schon 59. Seit Gentechniker ihre Alterungsgene abgeschaltet haben, bleibt sie rein äußerlich schon seit 25 Jahren 34 und seither im Amt. Ihre Art Diplomatie hat Schule gemacht: Es ist ein offenes Geheimnis, dass sie ihre Minister immer abwechselnd ranläßt, aber auch die Amtskollegen aus anderen Ländern.“
Eine Kolonne schwarzer Limousinen fährt im Hintergrund vor. Der Moderator rennt umgehend von der Kamera weg, hin zu dem Pulk Fotojournalisten und Kameras, die das Aussteigen der Ministerin an ihre Sender und sonstigen Organe liefern müssen. Der Kameramann nimmt kurzerhand die Kamera und stürmt hinter seinem Redakteur her, sodass nun in einer extremen Wackelkamera und entsprechenden Geräuschen abwechselnd der Fußboden, Lichtstreifen, Gesichter zu sehen, und dazu Gesprächsfetzen, Atemgeräusche und das Ächzen und Klappern der EB-Team-Materialien zu hören sind.
Jordis beobachtet aus der nur leicht sirrenden Stille ihres fahrerlosen Taxis, wie in der Vorfahrt des Opernhauses die schwarzen Limousinen einer Regierungsdelegation zum Stehen kommen und ein Blitzlichtgewitter über den aussteigenden Personen niedergeht. „Ich möchte zahlen“ sagt sie, und wartet mit gezückter Kreditkarte auf die Bereitstellung des Betrages. Sie hält die Karte über das Gerät im Armaturenbrett, es piepst, dabei wird ein schwerer Brillantring an ihrer Hand sichtbar. Die motorgesteuerte Schiebetür öffnet automatisch, beim Aussteigen rutscht Jordis' Portemonnaie aus ihrer Handtasche auf den Rücksitz.
Sie steuert nun zu Fuß auf die Menschentraube zu, neugierig darauf, jemanden zu treffen, denn da ist sie sich sicher: sie wird heute Abend, auch ohne verabredet zu sein, nicht auf illustre Gesellschaft verzichten müssen – auch nicht hier, obwohl Oper eigentlich noch nie ihre Szene war. Ob es da so eine gute Idee ist, diesen jungen Mann mit seiner Whistleblower-Geschichte zu treffen... naja, mal sehen. Dann erblickt sie Yuval Noah Harari, der gerade aus der zweiten Limousine steigt. Sofort schlägt ihr Herz höher, denn er ist für sie ein wahrer Prophet, und ihn so unvermittelt zu sehen kommt einem völlig unerwarteten Erlösungserlebnis sehr nahe. Sie muss kurz an die jungen Dinger denken, die im Angesichts der Beatles nichts anderes tun konnten als kreischen...kann sich aber selbst beherrschen, obwohl ihr in diesem Moment für Sekundenbruchteile genau danach ist.Von hochaufgeschossenen Sicherheitsleuten umringt begibt sich das ungleiche Paar - Harari und die ewig junge Außenministerin - unter ständiger Begleitung der Medientraube über den roten Teppich in das Foyer des Opernhauses. Jordis erkennt einige der Leute aus dem Medienpulk, und läuft neben dem Geschehen auf das Eingangsportal zu, als sie eine Nachricht auf ihrem Handy empfängt.
Habe einen Platten, komme
erst kurz vor knapp. Florian.
Innen / Nacht- Eingangsbereich Opernhaus
Egenolf Richter betätigt sich im Strom der Gäste als dampfplauderende Hobby-Psychoanalyse-Maschine, schwadroniert vom Konzept der Metonymie in Lacans Traumtheorie. Auch Martin Sonneborn (gespielt von sich selbst) lauscht, wie Richter in einem Strom unendlichen Namedroppings seine zahlreichen Gesprächspartner mit Hanussens Rolle beim Reichstagsbrand und Arnolt Bronnen durchaus geistreich auf Distanz hält. Weiter unten wuselt der kleine Freund des Kritikers auf seinem Wagen das eigene Hinterteil hinter seinem Herrchen her Gassi durch einen Parcour der Beine und Füße in Stilettos, Lack-Loafers und Gesundheitsschuhen, die in das Theater strömen. Nervöse Neugier und Vorfreude auf die Premiere mischen sich in den hohen Hallen des Eingangsgewölbes mit der Anspannung der zahlreichen Sicherheitsleute, die sich in Zivil unter das Publikum gemischt haben; man erkennt sie an fast unsichtbaren, drahtlosen Ohrstöpseln, dunklen Anzügen mit eingenähter Unnahbarkeits-Steppkante und ausdruckslosen, Freundlichkeit heuchelnden, geschminkten, wie Masken aufgesetzten Gesichtern. Aus einer Ecke beobachtet Henriq Grillet das Ganze ruhig und mit messerscharfem, in Zügen überheblichem Blick für alle Details und spottet einen Taschendieb, der einer jungen Frau im kleinen Schwarzen das Handy aus der Svarowsky-Handtasche stiebitzt. Ein kaum wahrnehmbares Lächeln huscht über seine Lippen.
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Harry Finke beobachtet aus der sicheren Distanz des Kontrollraums die Situation vor dem Theater. An einer der Übergangsstellen ihrer linken Unterschenkelprothese hat sie eine wund gescheuerte Stelle, die sie nebenher fachfräuisch verarztet. Sie hat die Prothese soeben wieder angelegt, als die Außenministerin in den Bereich der ersten Kamera kommt, umgeben von Leibwächtern. Im Getümmel fällt der Blick vor allem auf einen der Leibwächter:
Schnitt vom Monitor auf Tobias Renner, der an diesem Abend kurzfristig eingesprungen ist, um die Außenministerin zu schützen, die ein auffälliges türkisfarbenes Abendkleid mit Straßbesatz im Bereich des Oberkörpers gewählt hat. Eigentlich ist er gar nicht mehr im operativen Geschäft, sondern koordiniert Einsätze wie diesen aus der Distanz. Aber jemand fiel aus und so musste er mal wieder selber ran. Fit genug ist er, hat so etwas schon zu oft gemacht, um dieses Mal besonders nervös zu sein, trotz der langen Pause. Die Außenministerin kennt er von früheren Einsätzen, sie ist in ihrem Verhalten absprachefähig und im Gegensatz zu den Männern aus der ersten Regierungsbank gut zu steuern. Das einzige, was ihn stört, ist heute ihr Parfum. Sie hat ein anderes als sonst, das er noch nicht kennt.
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Innen / Nacht- Künstlergarderobe
Aufflackernde Birnen rund um einen Schminkspiegel in einer Einzelgarderobe des Theaters erleuchten den Vordergrund, der vom Spiegel ganz ausgefüllt wird. Im Off betritt eine Person den Raum. Das Geräusch eines Kühlschranks, der geöffnet wird und wieder zufällt, Klirren von Glas, das an eine Flasche stößt. Schritte kommen näher. Ein als Horrorclown geschminkter Mann setzt sich in BH und Feinripp-Unterhemd vor den Spiegel. Holt die Futter aus dem BH. Nimmt die falschen Fangzähne aus dem Mund, wirft sie in ein Glas im Vordergrund. Dreht eine Piccolo-Sektflasche auf und schenkt sich ein Glas ein, nimmt einen spitzmundigen Schluck, blickt über den Spiegel in die Kamera. Beginnt, sich mit einem Wattepad abzuschminken.