Partner des Satans - G.F. Barner - E-Book

Partner des Satans E-Book

G. F. Barner

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Beschreibung

Nun gibt es eine exklusive Sonderausgabe – G.F. Barner Classic Begleiten Sie die Helden bei ihrem rauen Kampf gegen Outlaws und Revolverhelden oder auf staubigen Rindertrails. G. F. Barner ist legendär wie kaum ein anderer. Seine Vita zeichnet einen imposanten Erfolgsweg, wie er nur selten beschritten wurde. Als Western-Autor wurde er eine Institution. G. F. Barner wurde als Naturtalent entdeckt und dann als Schriftsteller berühmt. So unterschiedliche Romanreihen wie "U. S. Marines" und "Dominique", beide von ihm allein geschrieben, beweisen die Vielseitigkeit dieses großen, ungewöhnlichen Schriftstellers. Western von G. F. »Nicht – nicht«, sagt der Hagere unterdrückt und streckt die Hand jäh aus. »Nicht schießen!« »Der verdammte Spitzel!« Der kleine krummbeinige Mann atmet tief durch. Nichts als Wut ist in ihm, als der hagere Mister seinen Revolver spannt und den Hammer zurückhält. Der Hagere ist so eiskalt wie diese Frühlingsnacht, die einen Wettersturz bringen kann. »Bist du verrückt, hier zu schießen? Sie werden ihn hier finden, der Sheriff kommt. Und dann gibt es Fragen. Wir sollen ihn nur beobachten, vorläufig.« »Der sieht doch alles vom Schuppendach aus«, zischt der kleine Mann. »Verdammt, da oben im Haus ist Licht, er blickt hinein und sieht, was dort passiert. Er sieht den Boss.« Einen Moment kichert der hagere Mann hinter der Stallecke leise. »Na und?«, fragt er dann ganz leise und höhnisch.

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G.F. Barner Classic – 27 –

Partner des Satans

G.F. Barner

»Nicht – nicht«, sagt der Hagere unterdrückt und streckt die Hand jäh aus. »Nicht schießen!«

»Der verdammte Spitzel!«

Der kleine krummbeinige Mann atmet tief durch. Nichts als Wut ist in ihm, als der hagere Mister seinen Revolver spannt und den Hammer zurückhält. Der Hagere ist so eiskalt wie diese Frühlingsnacht, die einen Wettersturz bringen kann.

»Bist du verrückt, hier zu schießen? Sie werden ihn hier finden, der Sheriff kommt. Und dann gibt es Fragen. Wir sollen ihn nur beobachten, vorläufig.«

»Der sieht doch alles vom Schuppendach aus«, zischt der kleine Mann. »Verdammt, da oben im Haus ist Licht, er blickt hinein und sieht, was dort passiert. Er sieht den Boss.«

Einen Moment kichert der hagere Mann hinter der Stallecke leise.

»Na und?«, fragt er dann ganz leise und höhnisch. »Und wenn er nun nichts mehr mit seinem Wissen anfangen kann? Tarnt sich der Narr als Prospektor und denkt, wir merken nicht, dass ihn die Wells Fargo geschickt hat. Vielleicht haben sie in zehn Stunden einen Agenten weniger, die prächtigen und ehrlichen Burschen von der Wells Fargo?«

»Luke, das ist dein Ernst?«

»Denkst du, ich mache Spaß?«, zischelt der hagere Luke. »Immer ruhig, Steve. Sie haben ihn geschickt, weil sie wissen wollen, wer ihre Transporte überfällt. Jetzt hat er es herausgefunden, der Schlaukopf. Runter, ducken!«

An der Dachkante rührt sich etwas. Dann fliegt ein Seil in die Gasse. Der Mann hat es doppelt genommen, um einen Dachsparren gelegt und rutscht nun herunter. Blitzschnell holt er das Seil ein, steckt es unter seinen Umhang und hastet nach einem sichernden Blick davon. Als er an der Laterne an der Gassenecke vorbeikommt, bescheint ihn einige Sekunden das düstere Licht.

»Na also«, sagt Luke eisig. »Mister Kim Turner, jetzt weißt du zu viel, mein Freund. Und daran kann man sterben. Los, geh ihm nach, aber pass auf, dass er dich nicht sieht. Ich will wissen, ob er nach Rapid City reitet. Nimmt er seinen Gaul, dann verfolgst du ihn, bis du weißt, in welche Richtung er verschwindet. Sie haben ihre Zentrale in Rapid City, die Burschen von der Wells Fargo. Ich wette, er wird Meldung machen wollen, dass er endlich weiß, wer hinter den Überfällen steckt. Los, geh schon.«

Der kleine Mann ist gleich darauf weg. Luke aber hastet ins Haus, reißt eine Tür im Obergeschoss auf und ist mit einem Satz am Fenster. Dann fliegen die Überhänge zu.

»Vorhänge zieht man zu«, sagt er bissig. »Da haben wir es, ihr habt abgerechnet, was? Und Turner ist auf dem Schuppendach gewesen. Er hat alles gesehen, Freunde. Boss …«

Der große, schwere Mann am Tisch springt mit einem Fluch auf.

Der andere Mann, schmal, kühl und ein helles Hemd mit einer Seidenschleife am Leib, hebt gemächlich den Kopf.

»Hölle und Pest, der Vorhang«, stößt der schwere Bursche entsetzt heraus. »Dieser dreimal verfluchte Turner, ich habe gewusst, dass es so kommen würde. Also ist er doch Agent der Wells Fargo. Warum sagst du nichts, bist du stumm? Stumm, ja, stumm. Luke, könnt ihr ihn erwischen?«

»Nicht hier in der Stadt«, erwidert Luke heiser. »Ich bin sicher, er reitet nach Rapid City und sagt seinen Leuten Bescheid. Er wird es nur nicht schaffen.«

Der schlanke Mann steht auf, lehnt sich an die Wand und schnippt die Asche von seiner Zigarre.

»Verflucht, da kannst du ruhig bleiben?«, faucht ihn der große Bursche an. »Sie wissen Bescheid. Und …«

»Es ging gut, solange ihr auf mich hörtet«, antwortet der Schlanke kühl. »Keinen Mord, ich habe es euch immer gesagt. Mit einem Mord fängt es an, und mit einem anderen hört es auf. Ihr habt mich überstimmt, ich denke nur noch für euch. Und ich sage euch, es geht schief.«

Lukes Gesicht zuckt heftig.

»Boss«, sagt er gepresst. »Boss, das war doch …«

»Bin ich eigentlich noch der Boss?«, fragt der schlanke Mann träge. »Ihr werdet ihn umbringen, den nächsten Mann. Und ich werde zusehen müssen wie so oft, wenn ihr eine Narrheit gemacht habt.«

»Ich bin kein Narr, hörst du?«, knurrt der große Bursche und hebt drohend die Faust. »Luke, wo ist Steve?«

»Ihm nach. Er sieht ihn nicht, keine Sorge. Steve ist der ideale Schatten. Dieser verdammte Turner, jetzt ist er schon in seinem Zimmer. Ich wette, er macht sich zum Ritt nach Rapid City fertig. Soll er etwa hinkommen?«

»Natürlich nicht, aber lasst ihn weit genug reiten. Es muss aussehen, als hätte man ihn überfallen. Luke, hat euch jemand bemerkt?«

»Uns hat hier in Deadwood noch nie einer gesehen«, murmelt Luke achselzuckend. »Boss, wie tun wir es am besten?«

»Was?«

Der schlanke Mann fährt herum und sieht den schweren Burschen und den hageren Luke durchdringend an.

»Ich habe damit nichts zu tun. Das ist alles«, sagt er eisig. »Soll ich euch noch einen Rat geben, wie man jemand umbringt? Zum Teufel, ich habe es geahnt, und jetzt hängen wir alle drin. Lasst mich in Ruhe!«

Er dreht sich um und stampft aus dem Zimmer.

Der schwere Mann blickt Luke düster an.

»Da hast du es, Luke. Turner kommt nicht bis Rapid City, verstanden? Das ist ein Befehl.«

»Dann muss ich mir etwas einfallen lassen. Es ist draußen verdammt kalt geworden. Man sollte denken, es wird Frühling, dabei riecht es nach Schnee. Es weht verdammt scharf draußen. Also gut, Turner kommt nie nach Rapid City, nicht lebendig.«

*

Der Knall kommt in jenem Augenblick, als Turner nur noch neun Meilen bis Rapid City zu reiten hat.

Das wilde Peitschen des Schusses jagt links von Turner eine Schneewolke aus den Büschen. Vor einer Stunde hat es begonnen, sacht zu schneien. Und durch den beim Schuss aufgewirbelten Schnee weiß Turner, wo der Mann im Hinterhalt liegt. Es ist Kim Turners weiter Umhang, der den Schützen narrt. Die Kugel faucht durch den Umhang. Und kaum bekommt der Stoff einen Schlag, als sich Turner auch schon fallen lässt.

Er stürzt zur rechten Seite vom Pferd, nimmt sein Gewehr mit und holt noch im Fallen aus. Der Kolben der Waffe trifft das Pferd. Es springt erschreckt von diesem Hieb weiter, während sich Kim Turner nach links rollt. Vor ihm ist ein kleiner Erdaufwurf mit zwei, drei mageren Büschen. Turner rollt auf ihn zu, ehe der zweite Schuss fällt.

In diesen Sekunden erinnert sich Kim Turner an Wesley Corgan, den Chiefagenten der Wells Fargo und dessen Ratschlägen. Nicht umsonst ist Turner über ein halbes Jahr unter Corgan geritten und hat von ihm gelernt.

Kim Turner streckt sein Gewehr an der rechten Seite des Erdaufwurfs und der Büsche vorbei. Dann drückt er blindlings ab, reißt die Waffe zurück, rollt sich zur linken Seite des Erdbuckels und kommt hoch.

»Narr«, sagt Turner grimmig, als der Schuss vom Bachlauf und den anderen Büschen her kracht. Die Kugel schlägt rechts in den Erdbuckel. »Da hast du was.«

Er sieht die weiße Schneewolke drüben zwischen den Büschen, nimmt sein Gewehr an die Schulter und zielt genau unter die Wolke.

Corgan …, denkt Turner, als er den Finger durchzieht, Corgan, du hast recht behalten. Der Narr glaubt wirklich, ich liege rechts am Erdbuckel. Verdammt, sie müssen wissen, dass ich kein Prospektor bin.

Im selben Augenblick hört er das grelle, fauchende Peitschen keine dreißig Schritte hinter ihm.

Der Schlag trifft seinen Rücken. Sein Zeigefinger zieht noch durch, und auch aus seiner Waffe bricht ein Schuss. Aber die Kugel jagt durch die Büsche am Bachufer.

Kalt, denkt Turner, während ihm das Gewehr aus den Händen gleitet und sein Körper auf die Seite kippt, es ist so kalt.

Seine Gedanken verwirren sich. Er glaubt Corgans Stimme zu hören und das Gesicht des Chiefagenten über sich zu sehen.

»Jeden Freitag, Kim, hörst du? Melde dich jeden Freitag in Rapid City und bring deinen Bericht schriftlich mit. Ich werde in zwei oder drei Wochen selbst kommen. Wage dich nicht zu weit vor, Kim. Du hast noch nicht genug Erfahrung. Du bist gut, Junge, du kennst eine Menge Tricks, aber noch lange nicht alle. Wage dich nicht zu weit vor …«

Corgan, denkt Turner und friert entsetzlich, Corgan, bist du schon in Rapid City, dann komm her und hilf mir. Die Kälte, Corgan, es ist so kalt. Corgan, glaube mir, ich hätte ihn erwischt, aber da war noch einer am Hang, Corgan. Sie haben rechts und links des Weges gelauert. Und ich dachte, da wäre nur einer. Corgan, sie haben mich mit einem Trick getötet.

Die Kälte nimmt zu, bis sie Turner vollständig lähmt. Er liegt jetzt still, er ist tot.

In den Büschen knackt es. Vom Bach aus kommt der kleine Mann keuchend angerannt.

»Mensch, Mensch, Luke«, keucht der kleine Steve verstört. »Der hätte mich beinahe erwischt. Alle Teufel, ist er tot?«

»Der erwischt niemand mehr«, antwortet der hagere Luke. »Hol sein Pferd und dann weg hier. An den Büschen in Bachnähe ist genug Deckung, falls doch noch jemand kommt. Schätze, es wird bei dem Schneefall keiner mehr suchen.«

*

»Mister Corgan!«

»Ja?«, fragt der Mann am Stall und sieht sich kurz um. »Noch was, Flint?«

»Corgan, es riecht nach Schnee«, murmelt der Leiter der Hauptstation, Flint, leise. »Die letzte Stagecoach ist durch, na gut. Er kommt vielleicht zu Pferd.«

»Die Kutsche ist keinem Reiter begegnet«, erwidert Lesley Corgan kühl. »Ich habe gefragt, Flint. Freitags hat sich Turner zu melden, entweder schriftlich oder persönlich. Schriftlich nur, wenn er aus dringenden Gründen selbst nicht kommen kann. Turner weiß genau, was dringende Gründe sind. Kein Brief, kein Turner.«

Flint schweigt, schüttelt nur den Kopf. Er hat Corgan nur einmal vorher gesehen und ihn etwas anders in Erinnerung gehabt, denn damals hat Corgan gelacht. Es war bei irgendeiner Geburtstagsfeier in Omaha. Das ist zwei Jahre her. Heute wirkt Corgan düster, irgendwie mürrisch und verschlossen.

Als sich Corgan umwendet und das zweite Pferd heranzieht, fällt der Laternenschein auf sein Gesicht. Es ist ein längliches, hartes Gesicht mit hellen Augen, einem schmalen Mund und tiefen Falten von der kräftigen Nase her bis zu den Mundecken.

Viel ist es nicht, was Flint von Corgan weiß. Angeblich soll Corgan im Indianergebiet New Mexicos aufgewachsen sein. Sein Vater war schon Handelsagent der Wells Fargo für den Indianerstreifen. Man sagt, Corgan sei schon über dreißig Jahre alt und mehrfach totgesagt worden. Als er sich nun bewegt, macht er jeden Handgriff so ruhig, als hätte er vor einer Stunde bei Kutschenankunft keine plötzliche Eile an den Tag gelegt.

Dieser ruhige, beinahe träge wirkende Mann ist Chiefagent der Wells Fargo und soll fast alle Staaten kennen.

»Mister Corgan, Schnee in den Black Hills.«

»Ich weiß, was das heißt«, antwortet Corgan knapp. »Keine Sorge, Flint, noch gibt es keinen Sturm. Das sind erst seine Vorboten. Die Laternen, mein Freund.«

Flint bringt ihm schweigend die beiden Laternen und sieht zu Corgan hoch. Corgan überragt ihn um anderthalb Köpfe und wirkt in seiner Felljacke wie ein Riese. Dabei ist Corgan hager.

»Entweder sehen wir uns noch, oder ich gebe Nachricht mit der nächsten Kutsche aus Deadwood, Flint. Das ist alles!«

»Ja, Mister Corgan.«

Corgan steckt die lange Holzstange unter die Sattelgurtschlaufe, legt sie am Sattelring mit einem Riemen fest und hebt dann kurz die Hand. Dann reitet er wortlos an.

»Verteufelt kalt«, sagt Flint, als er ins Haus zurückhastet. »Möchte nicht die ganze Nacht bei dem Wetter unterwegs sein. Aber Corgan macht das anscheinend nichts aus. Schneefall in den Bergen, da findet man keine Spur. Und dann bei Nacht? Was will er da schon sehen?«

*

Corgan reißt einmal hart an den Zügeln. Augenblicklich hebt das Pferd den Kopf und wiehert in die stiebenden Wirbel des Flockentanzes hinein.

Als es weitergeht und keine Antwort kommt, zieht Corgan die Kapuze wieder fest zu. Er starrt auf den Weg, aber die Furchen sind kaum zu sehen. Der Schnee liegt bereits sieben Zoll hoch. Dennoch rechnet sich Corgan eine Chance aus. Es ist vielleicht hart, das Pferd alle hundertfünfzig Schritt zum Wiehern bringen zu müssen. Aber es ist die einzige Möglichkeit, ein anderes Pferd antworten zu lassen.

Wesley Corgan hat die Stange nun wie eine Deichsel an der rechten Flanke des Pferdes befestigt. An der Spitze der Stange baumelt die Laterne und wirft ihren Schein auf den Weg. Das Licht reicht nur nicht weit. Dunkel, ein Hang links, dann die Biegung, und Corgan hält wieder, lockert die Kapuzenschnur. Danach erfolgt das Zügelrucken.

Das Wiehern schallt durch die Stille. Einmal, zweimal prustet das Pferd störrisch.

Corgan dreht sich mit einem Ruck nach rechts. Dünn, vom Schneefall geschluckt, ist die Antwort jetzt da. Augenblicklich schwenken Corgans beide Pferde. Sie trotten etwa dreißig Schritte. Lichtschein gaukelt über Büsche hinweg. Noch ein Rucken, das Wiehern hell und scharf und deutlich die Erwiderung.

Zwei Minuten darauf steigt Corgan ab. Er stampft ein paarmal, nimmt die zweite Laterne, steckt sie an und geht los. Er hat das Pferd vor sich. Die Zügel sind um ein paar Buschzweige geschlungen und straff verknotet worden. Wasser glänzt dunkel, Wellen plätschern leise. Am Ufer ist ein Streifen Schelfeis zu erkennen, neben dem es einen kleinen Buckel gibt. Die Laterne schwenkt höher, bis der Strahl den Buckel voll erfasst hat und Corgan kniet.

»So ist das«, sagt Corgan dann heiser und hebt den Mann an. »Du warst auf irgendetwas gestoßen, Junge, ich wusste es, als ich deinen ersten Bericht vor mir hatte. Das war so deine Art, die Dinge herunterzuhandeln. Und jetzt?«

Er blickt in das Gesicht, in dem nicht mal ein Staunen steht. Danach sieht er die Taschen nach und findet sie alle nach außen gewendet. Selbst die Satteltaschen des Pferdes sind leer.

»Siebentausend Digger in der Deadwood Region«, murmelt Corgan bitter. »Vielleicht dreihundert Schurken, und zwei haben Kim aufgelauert, zwei oder mehr, denke ich. Eine Kugel von vorn, die andere von hinten. Raubmörder nehmen immer alles mit, manchmal sogar das Pferd, aber das ist oft zu gefährlich, weil man den Brand erst ändern muss. Ein H im Kreis? Das ist nicht sein Pferd, das er hatte, als er von Rapid City fortritt. Es muss ein Brandzeichen sein, das in dieser Gegend bekannt ist. Manche Leute erschießen einen Gaul und schneiden den Brand heraus, das ist auch eine Methode.«

Corgan ist sicher, dass dies kein Raubmord gewesen ist. Er kauert eine ganze Weile stumm neben seinem Mann und trägt ihn dann zum Pferd. Dort bindet er ihn fest, nimmt seine Decke und zurrt sie über ihm zusammen.

Nach kaum zehn Minuten reitet Corgan im scharfen Trab zurück.

Der Schneefall hört kurz vor Rapid City auf. Und als Corgan die Lichter sieht, sagt er düster: »Man soll sich nie zu sehr darauf verlassen, dass hinter einem nichts ist. Es kann schon vor einem sein. Habe ich dir das nicht oft genug gesagt, Junge? Du hast es zu schnell geschafft, fürchte ich, und zu viel gewusst. Morgen bin ich in Deadwood, Kim, und dort gibt es sicher Leute genug, die mich kennen.«

Corgan sieht sich nicht um. Er braucht auch nicht nach Spuren zu suchen, wenn es Tag wird, das weiß er. Der Schnee deckt alles zu, der Boden darunter ist steinhart gefroren.

Der Schlüssel zu jenen finsteren Dingen, die Kim Turner herausfinden sollte, liegen in Deadwood.

Dort sind auch jene Männer zu finden, die bis jetzt neun Transporte der Wells Fargo überfallen und beraubt haben.

Jene Banditen hat Kim Turner gesucht. Er muss sie auch gefunden haben, denn sonst würde er noch leben. Zu viel gewusst. Daran ist Turner gestorben …

*

Der Mann ist klein, hat nur noch wenig Haare auf dem Kopf und muss sich nun gegen die Tür stemmen.

»Der Sturm«, sagt er heiser zu Corgan. »Da hat doch unten wieder einer die Tür aufgelassen. Gegenzug, Mister, aber …«

Er sagt nichts mehr, denn es gibt einen berstenden Knall vor ihnen in der Dunkelheit des Zimmers. Danach klirrt es wild, Schnee fegt quer durch den Raum, Wind heult mit jähem Fauchen los.

»Das Fenster ist offen«, erklärt Corgan knapp und nimmt die Lampe hoch. »Schnell, Mann, die Tür wieder zu.«

Der kleine Mann flucht, als er gegen den hereinbrausenden Wind die Tür schließen und sie mit aller Macht festhalten muss. Dennoch kracht sie schwer ins Schloss. Im flackernden Lampenschein starrt der Mann nicht nur auf den hereinwirbelnden Schnee, sondern auch auf den Wirrwarr in diesem Raum. Draußen heult der Sturm. Gerade noch kann Corgan unterhalb des Fensters die Umrisse des Daches eines Schuppens oder Anbaues ausmachen.

Die Sicht beträgt keine zwanzig Schritte mehr. Was draußen tobt, das ist ein Schneesturm, durch den sich Corgan die letzten fünfzehn Meilen nach Deadwood und bis zu jenem Hotel gekämpft hat, in dem Turners Zimmer gewesen war.

»Verdammt, verdammt«, sagt der Clerk des Hotels verstört und stolpert über die Matratze. Sie liegt mitten im Zimmer, und ihre Eingeweide hängen heraus. »Wer hat denn hier gehaust?«

Er zieht den Vorhang vor das Fenster. Jetzt bleibt wenigstens der Schnee draußen, der Wind hat keine so harte Gewalt mehr. Dann sieht der kleine Mann sich nach Corgan um und starrt auf das wüste Durcheinander.

»Mister Turner sagte, er würde bald wiederkommen. Hören Sie, wer hat das gemacht?«

»Nun, wer?«, fragt Corgan kurz. »Moment, Mann, haben Sie den ganzen Tag unten gesessen?«

»Sicher, bis auf ein paar Minuten vielleicht, die ich zu tun hatte, in der Küche, Mister. Hier ist immer Betrieb. Und bei Tag, wer geht hier bei Tag hoch? Die sind doch durch das Fenster …«

»Ja«, sagt Corgan kühl. »Sie sind durch das Fenster hereingestiegen. Bei dem Schneesturm sieht man keine zwanzig Schritte weit, wie? Sie konnten es unentdeckt tun und hier alles durchsuchen.«

Corgan sieht eine Sekunde dem kleinen Mann in die ungläubigen Augen. Dann geht er zum Packen, der in der Ecke liegt. Der Inhalt des Packens ist verstreut worden. Ein Buch hat keinen Rücken mehr, selbst der Umschlag ist abgerissen. Von einer Tasche aus Leder gibt es nur noch Fetzen. Gegenstände von Turners Prospektorausrüstung, die Turner zur Tarnung mitgenommen hatte, liegen auf dem Tisch und am Boden.