Per sempre - In ewiger Liebe - Lucy M. Talisker - E-Book
SONDERANGEBOT

Per sempre - In ewiger Liebe E-Book

Lucy M. Talisker

0,0
7,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Dekadenz und leidenschaftliche Abenteuer in der Toskana

Die Kunsthistorikerin Alessia reist in die Toskana, um für den Principe von Montepulciano als Kuratorin zu arbeiten. Doch während sie in die Welt der Fürsten und Renaissance-Bälle eintaucht, findet sie sich in den Fängen der beiden Erbprinzen wieder. Emilio, ungezügelt und forsch, verführt Alessia nach allen Regeln der Kunst. Doch der schweigsame und geheimnisvolle Luca hat Vorlieben, die in Alessia ungeahnte Sehnsüchte wecken. Er wird ihr eine neue Welt der Lust eröffnen ...

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 371

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Das Buch

Die Kunsthistorikerin Alessia reist in die Toskana, um für den Principe von Montepulciano als Kuratorin zu arbeiten. Doch während sie in die Welt der Fürsten und Renaissance-Bälle eintaucht, findet sie sich in den Fängen der beiden Erbprinzen wieder. Emilio, ungezügelt und forsch, verführt Alessia nach allen Regeln der Kunst. Doch der schweigsame und geheimnisvolle Luca hat Vorlieben, die in Alessia ungeahnte Sehnsüchte wecken. Er wird ihr eine neue Welt der Lust eröffnen ...

Zur Autorin

Die 1985 in der Nähe von London geborene Lucy M. Talisker stammt aus einer Künstlerfamilie. Ihre Eltern zogen mit ihr bereits als kleines Kind quer durch die Welt. Später studierte sie Literaturwissenschaften und Germanistik in Berlin und begann während des Studiums erotische Gedichte und Kurzgeschichten zu schreiben.

Lucy M. Talisker

Per sempre – In ewiger Liebe

Erotischer Roman

WILHELM HEYNE VERLAGMÜNCHEN

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.
Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.
Copyright © 2018 by Lucy M. TaliskerCopyright © 2018 der deutschsprachigen Ausgabeby Wilhelm Heyne Verlag, München,in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,Neumarkter Str. 28, 81673 MünchenRedaktion: Anita HirtreiterUmschlaggestaltung: Nele Schütz Designunter Verwendung von © Shutterstock/Xenia_ok, Morozova OxanaSatz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad AiblingISBN: 978-3-641-21903-1V002
www.heyne.de

1. KAPITEL

Es dämmerte, als das Taxi unterhalb der Porta al Prato, des imposanten Stadttors aus gelblichen Sandsteinquadern, anhielt.

»Von hier aus müssen Sie zu Fuß gehen, Signorina. Autos sind in der Altstadt von Montepulciano verboten«, sagte der Fahrer knapp und machte sich daran, ihr Gepäck aus dem Kofferraum zu laden. Müde stieg Alessia aus, schwang sich ihren großen Rucksack über die Schulter und griff nach dem schweren Koffer. Sie war nach der langen Zugfahrt von Norddeutschland bis in die Toskana und der Taxifahrt vom Bahnhof bis vor die mittelalterliche Stadtmauer völlig erledigt.

Umständlich begann sie in ihrer Handtasche nach dem Portemonnaie zu graben. »Wissen Sie vielleicht, wie ich zum Haus von Principe Farnese komme? Ich kenne mich in Montepulciano leider überhaupt nicht aus.«

»Die Via di Voltaia nel Corso hier hinter der Porta al Prato hoch, vorbei am Caffè Poliziano. Halten Sie sich rechts, und wenn Sie die Piazza Grande erreichen, müssen Sie wieder rechts«, erklärte er in schnellem Italienisch. »Dort, in der engen Gasse, finden Sie den Palazzo Farnese. Achten Sie auf den steinernen Löwenkopf. Der ist nicht zu übersehen.« Er nickte ihr aufmunternd zu und stieg in sein Auto.

Alessia sah ihm nach, als er mit quietschenden Reifen davonfuhr. Obwohl der Fahrer nicht besonders gesprächig gewesen war, fühlte sie sich jetzt, ohne ihn, mit einem Mal schrecklich allein und verlassen. Dabei flanierten um sie herum eine ganze Menge Menschen, die durch den imposanten Bogen des Stadttors in die Innenstadt strebten.

Trotzdem hatte sie das Gefühl, unsichtbar zu sein. Niemand beachtete sie. Sie beobachtete die Pärchen, die Hand in Hand oder Arm in Arm nur Augen füreinander hatten. Die meisten waren Touristen, ausgerüstet mit Kamera und Reiseführer, aber auch ein paar Einheimische, die sich zielstrebig zwischen ihnen hindurchschlängelten. Alle schienen ein Ziel zu haben und erwartungsvoll darauf zuzusteuern.

Alessia dagegen wusste nicht so recht, was sie im Palazzo von Principe Leonardo Farnese erwartete. Seine Stellenanzeige, die sie vor ein paar Wochen in einem Fachmagazin entdeckt hatte, hatte für die frischgebackene Kunstwissenschaftlerin allerdings sehr interessant geklungen:

Cataloguer gesucht

Ihre Aufgaben:

Katalogisierung von privaten KunstgegenständenRecherche in Dokumenten aus der RenaissanceVerfassen von Zustandsberichten

Ihr Profil:

FACHLICHE KOMPETENZEN

abgeschlossenes Studium der Kunstgeschichte oder eines verwandten Fachesgutes Fachwissen innerhalb verschiedener Bereiche der Angewandten Künste und/oder Bildenden Künste mit Schwerpunkt Renaissancesehr gute Italienischkenntnisse in Wort und SchriftErfahrung in der Katalogisierung

PERSÖNLICHE KOMPETENZEN

strukturierter Arbeitsstil mit hohem Qualitätsbewusstsein und Liebe zum Detailfreundliches Auftreten und gute Umgangsformenselbstständiges und eigenverantwortliches Arbeitensofortige Verfügbarkeit

Wir bieten:

Eine abwechslungsreiche Tätigkeit mit flexibler Arbeitszeitregelung und leistungsgerechter Vergütung. Kost und Logis in unmittelbarer Nähe Ihres Arbeitsplatzes in einem Palazzo aus der Renaissance.

Die Arbeitsorganisation erfordert ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen.

Bitte senden Sie Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen (Lebenslauf, Zeugnisse, Foto) unter Angabe Ihrer Gehaltsvorstellung an:

Principe Leonardo Farnese

Palazzo Farnese

53045 Montepulciano, Toskana

Das Stellenprofil hatte Alessia sehr gereizt, zumal ihr erster Job nach der Uni, in dem kleinen Antiquariat in Wandorf, nicht ganz das gewesen war, was sie sich erträumt hatte. Das meiste, was sie dort für den Besitzer begutachtet hatte, war nur wertloser Trödel gewesen. Doch nachdem sie mit ihrem Freund Christian nach Niedersachsen gezogen war, musste sie sich glücklich schätzen, in der Kleinstadt überhaupt eine Stelle gefunden zu haben, die im weitesten Sinne mit ihrem Abschluss zu tun hatte.

Sie war einverstanden gewesen, mit ihm aus der hektischen Metropole in die Provinz zu ziehen. Hier wollten sie sich gemeinsam etwas aufbauen. Sie hatten sich vor knapp zwei Jahren in Hamburg kennengelernt, wo er BWL und sie Kunstgeschichte studierte. Christian wollte heiraten und für sich und seine Familie ein Haus bauen, und irgendwann würde er das Geschäft seines Vaters übernehmen. Er hatte alles genau geplant und war sich sicher, dass Alessia die Richtige dafür war, um seine Lebensziele umzusetzen.

Vor einem halben Jahr waren sie nach Wandorf gezogen, in die komplett möblierte Einliegerwohnung im Hause seiner Eltern. Hier hatte Alessia sich nie besonders heimisch gefühlt. Und Christians Mutter machte es ihr auch nicht gerade leicht …

Weder die Abstammung noch die Kochkünste ihrer Schwiegertochter in spe waren nach ihrem Geschmack. Als Halbitalienerin benutzte Alessia natürlich ausschließlich natives Olivenöl und verschmähte das Sonnenblumenöl, das seine Mutter bevorzugte. Wenn die köstlichen Knoblauchgerüche aus Alessias Küche durchs Haus zogen, rümpfte Christians Mutter die Nase. Die italienischen Gerichte waren ihr zu scharf, der Espresso zu stark, und sie mochte nur weiche Eiernudeln, keine Pasta al dente aus Hartweizengrieß.

Alessia bemühte sich, freundlich zu sein, und lobte den obligatorischen Sonntagsbraten mit der dicken braunen Soße, der im Eiche-rustikal-Esszimmer der Eltern pünktlich um zwölf Uhr mittags verspeist wurde – obwohl sie Mehlschwitze nicht ausstehen konnte.

Doch es blieb nicht bei unterschiedlichen Auffassungen in Sachen Essen. Alessia konnte ihrer zukünftigen Schwiegermutter fast nichts recht machen: Die Musik von Paolo Conte klang nicht so gut wie die von Helene Fischer. Ihre Röcke waren der Mutter zu kurz, und die Geschichte altertümlicher Kunst interessierte sie nicht. Ihr Malereigeschmack war der deutsche Wald samt Hirsch in Öl, der über dem Sofakoloss aus dunkelgrünem Samt im spießigen Wohnzimmer röhrte.

Als die Konflikte sich weiter zuspitzten und Christian sich so gut wie immer auf die Seite seiner Mutter schlug, kam es schon bald zum ersten großen Krach. Der entstandene Riss in ihrer Beziehung ließ sich nur mühsam wieder kitten. Von der Verliebtheit und erotischen Anziehungskraft der Anfangszeit ihrer Liebe war praktisch nichts mehr übrig geblieben. Sie hatten seit Monaten nicht mehr miteinander geschlafen.

Und dann fand Alessia vor ein paar Wochen heraus, dass Christian sie mit seiner Trainerin aus dem Fitnessstudio in Wandorf betrog …

Beim Gedanken an die unschöne Trennung spürte sie wieder den dicken Kloß im Hals. Doch genau den wollte sie jetzt endlich loswerden. Sie atmete tief durch, rückte den schweren Rucksack zurecht, griff nach dem alten Lederkoffer, der leider keine Rollen hatte, und schleppte sich die leicht ansteigende Kopfsteinpflasterstraße hinauf.

Gleich hinter der Stadtmauer nahm das Gedränge zu. Menschen schlenderten an den Schaufenstern und Auslagen unzähliger kleiner Geschäfte vorbei, blieben hier und da stehen, um sich die verlockend auf Tischen und an Ständern angebotenen Weine, Souvenirs und kulinarischen Spezialitäten anzusehen. Alessia hatte keine Augen für all die schönen Dinge, sondern ging zielstrebig zwischen ihnen hindurch.

Vor dem Caffè Poliziano machte sie eine kurze Pause. Es sah sehr einladend aus. Zu gerne hätte sie dort einen Espresso getrunken, doch sie wollte endlich ankommen und ihr schweres Gepäck loswerden. Deshalb begnügte sie sich mit einem Blick durch das große Fenster ins wunderschöne Innere des Jugendstilcafés. Hier würde sie demnächst herkommen und die italienische Lebensweise genießen, beschloss sie und wischte mit dem Handrücken über ihre feuchte Stirn.

Selbst am Abend flirrte die Luft. Die dicken Steinmauern der hohen Häuser hatten die Hitze des Tages gespeichert. Das kurze dünne Baumwollkleid klebte Alessia am Rücken. Ihr Aufzug war ihr ein bisschen peinlich. Ein adrettes Kostüm hätte sicher einen besseren ersten Eindruck auf ihren neuen Arbeitgeber gemacht. Was würde Principe Farnese von ihr denken, wenn sie so in seinem Palazzo aufkreuzte?

Erschöpft raffte sie sich wieder auf, bog in eine kleine Gasse ab und fand an der nächsten Ecke ein Hinweisschild zur Piazza Grande. Die schmalen Straßen wurden immer steiler, und sie musste ihren Koffer mehrmals absetzen, bevor sie endlich den weiten Platz vor dem Rathaus, das mit einem hohen Turm geschmückt war, erreichte. Links von ihr erhob sich die Kathedrale, an der bis 1680, über hundert Jahre lang, gebaut worden, deren Fassade aber bis heute unvollendet war. Alessia war hingerissen von der Renaissance-Architektur, die sie in dieser Stadt umgab. Sie bog nach rechts ab und schleppte sich weiter. Jetzt wurde es enger und ruhiger. Die Touristenströme verirrten sich scheinbar nicht bis hierher. In der düsteren Gasse war sie völlig allein.

Suchend ließ Alessia den Blick über die Fassaden der imposanten Gebäude schweifen, deren massive raue Sandsteinmauern sich dicht an dicht drängten. Ihr war ein bisschen unheimlich zumute, und sie hatte das Gefühl, als würden die riesigen Häuser sie erdrücken.

Dann entdeckte sie den steinernen Löwenkopf. Beinahe in Lebensgröße schien er aus der grauen Mauer herauszuspringen. Mit wallender Mähne und gefletschten Zähnen blickte die Raubkatze ein paar Meter über ihrem Kopf grimmig auf sie herab.

Alessia trat an die hohe doppelflügelige Holztür und suchte erfolglos nach einer Klingel mit Namensschild. Zögerlich ergriff sie den massiven, glänzend polierten Messingklopfer. Sie hob den schweren Ring an und ließ ihn zaghaft los. Der laute Knall, den er verursachte, als er zurückfiel, ließ sie zusammenzucken. Unsicher machte sie einen Schritt zurück und wartete.

Ob man sie gehört hatte? Wie groß mochte dieses Haus wohl sein? Sollte sie besser noch mal …? Bevor sie erneut nach dem Klopfer greifen konnte, wurde plötzlich die in das Portal eingelassene schmale Holztür einen Spaltbreit aufgezogen. In der Dunkelheit dahinter erkannte Alessia eine kleine rundliche Frau in Kittelschürze, die sie skeptisch musterte.

»Cosa vuoi?«

»Buonasera, Signora. Ich bin Alessia Schweighart aus Deutschland. Principe Farnese erwartet mich.«

»Ah! Sì!«, antwortete die Frau, und ein Lächeln machte sich auf ihrem Gesicht breit. »Sie sind die Kunstwissenschaftlerin.«

»Genau. Ich soll hier arbeiten.«

»Treten Sie doch ein, Signorina! Wir haben Sie erst morgen erwartet.« Sie öffnete die Tür ganz und bat Alessia mit einer einladenden Geste herein.

»Aber ich hatte Ihnen doch gemailt, dass ich einen Zug früher nehme«, erwiderte diese irritiert.

»Ach, solche neumodischen Sachen sind nichts für uns. Der Computer steht unten im Weingut, hier oben im Palazzo brauchen wir so was nicht. Aber ich habe alles vorbereitet. Ihr Zimmer ist schon fertig«, erklärte die Mittvierzigerin lächelnd. »Oh, lassen Sie mich Ihnen helfen. Der Koffer ist doch viel zu schwer für Sie. Morgen hätten wir jemanden zum Bahnhof geschickt, der Sie abholt.« Sie griff nach dem Lederkoffer, den Alessia vor der Tür abgestellt hatte.

»Aber nein, das schaffe ich schon«, widersprach sie verhalten, war jedoch froh, dass die kräftige Frau entschlossen ihr Gepäck anhob.

»Kommen Sie, kommen Sie! Ich zeige Ihnen Ihr Zimmer. Mein Name ist Gina. Ich bin die Haushälterin des Principe. Sie werden den Fürsten beim Abendessen kennenlernen.« Die rundliche Frau drehte sich lächelnd zu ihr um und verkündete stolz: »Es gibt Panzanella, Spaghetti alla Puttanesca und Bistecca alla fiorentina.«

Bei der Aufzählung all der toskanischen Köstlichkeiten lief Alessia das Wasser im Mund zusammen.

2. KAPITEL

Neugierig folgte sie der Haushälterin. Gina war einen halben Kopf kleiner als sie selbst und hatte ihre schwarzen Haare zu einem Dutt streng nach hinten gekämmt. Sonst war es meist Alessia, die mit ihren ein Meter sechzig zu den Menschen um sich herum aufblicken musste. Sie war schlank, doch ihre Brüste und ihr Po waren für ihren Geschmack ein wenig zu üppig geraten. Das lag vermutlich an ihren italienischen Genen. Im Gegensatz zu ihrem hageren deutschen Vater hatte ihre sizilianische Mutter eine sehr weibliche Figur gehabt.

Christian hatte ihre Rundungen geliebt, hatte anfangs gar nicht genug davon bekommen können. Er hatte sie ermutigt, T-Shirts mit tiefen Ausschnitten und enge Jeans zu tragen. Aber ohne ihn an seiner Seite gewann die schüchterne Alessia wieder die Oberhand. Unsicher zog sie am Saum ihres kurzen, locker schwingenden Kleids, als sie mit dem schweren Rucksack über der Schulter Gina durch die imposante Eingangshalle und dann eine breite Marmortreppe hinauf folgte.

Hätte sie doch bloß etwas anderes angezogen als dieses Sommerkleidchen, ging es ihr durch den Kopf. Zum Glück würde sie noch Gelegenheit haben, sich umzuziehen, bevor sie dem Fürsten gegenübertreten musste. Es war ihr sehr recht, dass sie ihren neuen Arbeitgeber erst später kennenlernen würde.

»Bitte sehr, Signorina Alessia!«, holte die Haushälterin sie aus ihren Gedanken, öffnete eine der zahlreichen Türen an dem weitläufigen Flur, trat ein und schaltete das Licht an. »Dies ist Ihr Schlafzimmer. Von hier haben Sie einen fantastischen Blick auf die Landschaft. Zum Bad geht es da drüben.« Sie wies auf eine Tapetentür und deutete dann auf die hohe, doppelflügelige Durchgangstür auf der gegenüberliegenden Seite. »Dort geht es zu Ihrem ufficio. Es gibt aber auch noch eine Tür vom Flur aus, sodass der Principe nicht durch Ihr Zimmer gehen wird, um zu Ihnen ins Büro zu kommen«, erklärte Gina fürsorglich.

Alessia blieb der Mund offen stehen, als sie ihr prächtiges Zimmer betrat. Rechts an der Wand dominierte ein riesiges Himmelbett mit kunstvollen Schnitzereien an den vier schmalen Säulen, die einen mintgrünen Baldachin aus seidig glänzendem Brokat trugen, den Raum. Im breiten Fenstererker stand ein zierlicher Tisch aus Nussbaum mit zwei gemütlichen Sesseln, die mit dem gleichen schimmernden Stoff bezogen waren. Ein großer Schrank aus dunklem Holz bot mehr als genug Platz für ihre bescheidene Garderobe.

Gina wuchtete das Gepäck auf einen Kofferständer daneben und fragte: »Kann ich Ihnen mit irgendetwas behilflich sein?«

»Nein, nein, vielen Dank.«

»Gut. Dann machen Sie sich doch erst mal frisch. Ich hole Sie später ab. Gegessen wird in einer Stunde im Sommerspeisezimmer. Ich hoffe, Sie haben Appetit.« Damit schloss sie lächelnd die Tür hinter sich.

Alessia ließ den schweren Rucksack auf den bunt gewebten Teppichläufer, der den ganzen Raum durchmaß, fallen und warf ihre große beutelartige Handtasche, in der sie gefühlt ihr halbes Leben durch die Gegend schleppte, auf die mintgrüne Überdecke, die das Bett bedeckte. Dann trat sie ans Fenster und öffnete die hölzernen Läden. Obwohl es schon dämmerte, war der Ausblick atemberaubend.

Der Palazzo stand ganz am Rande der Stadt, die auf einem Berg lag, sodass sie aus ihrem Fenster den Blick hinaus in die Weite der Landschaft genießen konnte. Sie schreckte zurück, als sie nach unten sah. Dort, direkt unter ihr, ging es steil hinab in die Tiefe. Sie genoss die leichte Brise, die jetzt in ihr Zimmer strömte und ihre erhitzte Haut kühlte.

Alessia riss sich von dem herrlichen Ausblick los und öffnete die Tür zum angrenzenden Arbeitszimmer. Überwältigt bestaunte sie den wuchtigen alten Schreibtisch aus rötlichem Mahagoni, dessen passender Sessel mit fein gearbeiteten Schnitzereien verziert war und in Richtung Fenster schaute. Sie bewunderte die hohen Wandregale, die sich fast bis unter die mit farbigen Freskenmalereien geschmückte Decke erstreckten und mit alten Büchern vollgestopft waren. In die Wand gegenüber war ein mannshoher Kamin eingelassen, doch für ein Feuer war es mitten im Hochsommer viel zu warm. Zwar war die Luft innerhalb der dicken Mauern des Palazzo deutlich kühler als draußen auf der Straße, dennoch brauchte Alessia dringend eine erfrischende Dusche.

Sie ging zurück, öffnete ihren Koffer und nahm die Kulturtasche heraus. Durch die Tapetentür gelangte sie ins Bad, das ebenso prächtig gestaltet war wie die anderen Räume. Sie sah sich nach der Dusche um, doch hier gab es nur eine große Badewanne, die auf vier golden glänzenden Tatzen auf dem schwarz-weiß gefliesten Schachbrettboden stand. Immerhin hatte die Armatur einen Duschschlauch.

Alessia drehte die Hähne für Kalt- und Warmwasser voll auf und schlüpfte aus ihrem Kleid. Sie hielt ihre Hand in den sprudelnden Schwall, drosselte das heiße Wasser ein wenig und entledigte sich ihres BHs und ihres Slips, bevor sie in die Wanne stieg. Sie setzte sich hin und betätigte den Schalter für die Dusche.

Sofort spritzte das Wasser kraftvoll auf ihre Haut. Sie seufzte wohlig auf, als sie das kühle Nass über ihren Rücken, ihren Busen und ihren Bauch rinnen ließ. Sie atmete tief durch und fühlte den Stress der Reise und der vergangenen Wochen von ihr abfallen.

Nachdem sie sich mit dem flauschigen weißen Duschhandtuch abgetrocknet hatte, betrachtete sie sich nackt im Spiegel. Eigentlich waren ihre Brüste gar nicht zu groß, befand sie, hob sie mit den Händen an und reckte sie ihrem Spiegelbild entgegen. Diese beiden weichen Kugeln mit den hübschen rosigen Brustwarzen brauchten einfach nur einen Mann mit entsprechend großen Händen. Lächelnd streichelte sie ihren Busen, während sie sich sorgfältig mit Bodylotion eincremte.

Als sie das Bad verließ, um sich anzuziehen, war sie in Gedanken schon beim bevorstehenden Abendessen mit Principe Farnese. Wie er wohl war – als Mensch und Arbeitgeber?

Der Antwortbrief auf ihre Bewerbung war mit energisch geschwungener Handschrift geschrieben worden – nicht schnell per Kuli, sondern sorgsam mit einem Füller. Er hatte auf ihre Fragen bezüglich der Stelle geantwortet, dass es um Papiere und Kunstgegenstände ginge, die sich seit Ewigkeiten im Besitz seiner Familie befanden. Um das Erbe zu regeln, wollte er alles genau katalogisieren und den Wert der Besitztümer in seinem Nachlass ermitteln lassen.

Aufgrund des Auftrags und der altertümlichen Sprache musste der Fürst schon recht alt und konservativ sein, hatte Alessia aus seinen Zeilen gefolgert. Daher hatte sie beschlossen, sich in seinem Haus angemessen zu kleiden, und ihr einziges dunkelblaues Kostüm eingepackt. Als sie die passende weiße Bluse aus ihrem vollgestopften Koffer zog, stellte sie fest, dass diese ziemlich zerknittert war. Sie zuckte mit den Schultern und entschied, sie zu tragen, obwohl sie Falten hatte.

Sie zog sich an, drehte ihre langen feuchten Haare im Nacken zusammen und legte ein dezentes Make-up auf. Dazu setzte sie noch die Brille mit dem großen schwarzen Gestell auf, die sie eigentlich nur zum Lesen und für ihre Arbeit brauchte, aber damit wirkte sie seriöser, fand sie. Alessia betrachtete sich im großen Wandspiegel, versuchte noch einmal, die Bluse glatt zu ziehen, und war einigermaßen zufrieden mit ihrer Erscheinung. So konnte sie Principe Leonardo Farnese gegenübertreten.

3. KAPITEL

Es klopfte energisch an ihrer Zimmertür. Gina lächelte sie an, als Alessia öffnete.

»Der Principe erwartet Sie. Folgen Sie mir bitte nach unten.« Mit schnellen Schritten ging die Haushälterin voran.

Als sie hinter ihr die breite Treppe in die riesige Eingangshalle hinunterging, betrachtete Alessia die hohen Wände des Palazzo, an denen überlebensgroße Porträts hingen. Von den düsteren Ölgemälden schauten die Vorfahren der Familie Farnese, die sich bis ins 11. Jahrhundert zurückverfolgen ließ, streng auf sie herab. Alessia hatte die Familiengeschichte recherchiert und war beeindruckt gewesen. Sogar ein Papst fand sich in der langen weitverzweigten Reihe der Ahnen.

Als sie in einen kleinen Gang einbogen, betrachtete Alessia einige Fotografien der Familie. Nach einer Serie von steifen Schwarz-Weiß-Porträts, die vermutlich die direkten Vorfahren des Principe darstellten, entdeckte sie auch ein paar wenige moderne Fotos in Farbe. Belanglose Bilder von irgendwelchen Familienfeiern huschten an ihren Augen vorüber, während sie Gina folgte.

Eins davon zog jedoch ihre Aufmerksamkeit stärker auf sich. Es war das Foto eines jungen, athletisch gebauten Mannes in einem gut geschnittenen Anzug. Er musste ungefähr in ihrem Alter sein, aber sein ernster Blick und seine vornehme Haltung ließen erahnen, dass er dem Adel entstammte. Besonders fasziniert war Alessia allerdings von seinen strahlend blauen Augen. Sie konnte sich kaum von diesem durchdringenden Blick losreißen, als die Haushälterin sie aufforderte, ihr durch den nächsten Gang zu folgen. Ob er auch ein Verwandter des Principe war?, grübelte sie.

Sie selber konnte ihre Vorfahren nur bis zu ihren Urgroßeltern zurückverfolgen. Ihr Vater stammte aus einer norddeutschen Kleinstadt und die Verwandtschaft ihrer Mutter von sizilianischen Fischern und Bauern ab. Bei der großen italienischen Sippe hatte Alessia meist die Ferien verbracht. Ihre zahlreichen Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen hatten immer für reichlich Trubel gesorgt.

Vermutlich ging es bei der Familie eines Fürsten von uraltem Adel nicht ganz so lebhaft und laut zu wie bei Tante Esmeralda und Onkel Peppi in Palermo. Hatte Principe Farnese überhaupt eine eigene Familie? War er verheiratet und hatte Kinder? Falls ja, waren diese sicher schon erwachsen. Zumindest musste es da irgendjemanden geben, für den er sein Erbe jetzt mit Alessias Hilfe regeln wollte.

Gespannt auf das, was sie erwarten würde, folgte sie Gina durch einen offenen Patio, wo die Haushälterin die hohe Tür zu einem lichtdurchfluteten Speisesaal aufdrückte und Alessia den Vortritt ließ. Unsicher trat sie ein.

»Buonasera, Signorina«, begrüßte sie eine warme vollklingende Stimme von der Stirnseite der langen, weiß gedeckten Tafel, die mitten im Raum stand. »Setzen Sie sich doch bitte zu mir.«

Beeindruckt musterte sie den älteren Herrn, der sich von seinem Sessel erhob und mit einer einladenden Geste auf den Stuhl neben sich deutete. Principe Farnese wirkte gleich auf den ersten Blick wie ein eleganter Gentleman. Er war groß und schlank, hatte glänzende, grau melierte volle Haare, die er nach hinten gekämmt hatte. Er trug einen maßgeschneiderten hellgrauen Leinenanzug, ein blaues Hemd und dazu einen feinen Seidenschal.

Alessia ging auf ihn zu und ergriff seine ausgestreckte Hand. Sein Händedruck war kraftvoll. Lächelnd stellte er sich vor: »Mein Name ist Leonardo Farnese, aber jeder nennt mich schlicht Principe. Herzlich willkommen, Signorina Swei…« Er hatte Schwierigkeiten, ihren deutschen Nachnamen auszusprechen.

»Schweighart, aber nennen Sie mich doch bitte einfach Alessia«, kam sie ihm zu Hilfe, erwiderte sein Lächeln und setzte sich.

Ihre Anspannung ließ langsam nach, als er eine lockere Unterhaltung mit ihr begann. Er schenkte Alessia Wasser und ein kleines Kristallglas leichten, eisgekühlten Weißweins ein, während er sie fragte, ob sie mit ihrem Schlaf- und Arbeitszimmer zufrieden war. Dann erkundigte er sich nach ihrer Familie, ihren italienischen Wurzeln und warum sie den Job in der Toskana angenommen hatte.

Sie vermied Details, als sie erklärte, weshalb sie Deutschland verlassen hatte, erzählte nur, dass sie mit ihren Aufgaben in dem Antiquariat, das eigentlich eher ein Trödelladen war, unterfordert gewesen sei. Als er nachhakte, gestand sie, dass sie sich vor Kurzem von ihrem Freund getrennt hatte und auf der Suche nach einem kompletten Neuanfang gewesen war.

»Es gab nichts mehr, was mich dort gehalten hat«, sagte Alessia mit leiser Stimme. »Meine Freundin Isabel wohnt in Hamburg und ist vollbeschäftigt mit ihrem Mann und ihrer kleinen Tochter, und meine Eltern sind beide vor ein paar Jahren gestorben.«

Als der Principe merkte, wie nah ihr der Verlust noch immer ging, sagte er mit warmer Stimme: »Das war sicher schlimm für Sie. Was ist passiert?«

»Ein Unfall«, erwiderte sie leise. »Als ich noch auf der Uni war. Aber inzwischen geht es ganz gut …«

Er nickte mitfühlend. Die junge Frau weckte seinen Beschützerinstinkt. »Ich hoffe, dass Sie sich hier bei uns gut aufgehoben fühlen werden.« Er lächelte ihr aufmunternd zu. »Genießen Sie doch den Abend und schlendern ein bisschen durch die Stadt. Und morgen erkläre ich Ihnen dann, was Ihre Aufgaben hier sind. Aber jetzt lassen wir es uns erst mal schmecken. Gina wird sonst ungehalten, wenn ihr Essen kalt wird.« Er zwinkerte ihr väterlich zu.

Erleichtert über den freundlichen Empfang, zog Alessia sich nach dem förmlichen Abendessen wieder ein leichtes Sommerkleid an, bevor sie sich aufmachte, ihre neue Heimat zu erkunden. Es war schon dunkel, doch die Gaslaternen verbreiteten ein warmes Licht, als sie auf die schmale Gasse trat.

Sie war ganz allein und konnte sich der Illusion hingeben, in die Zeit der Renaissance eingetaucht zu sein. Wenn die uralten Palazzi sprechen könnten, hätten sie sicher so manch spannende Geschichte erzählt. Wie mochte es im 15. und 16. Jahrhundert hier zugegangen sein? Damals flanierten die adligen Herren im geschlitzten Wams mit schräg auf dem Kopf sitzendem Barett durch die Straßen. Neben ihnen vornehme Damen in langen, hoch am Hals geschlossenen Kleidern und mit züchtigen Hauben auf dem Haar.

Ganz in Gedanken schreckte sie plötzlich zusammen, als sie an einem der hohen Gebäude um die Ecke bog und beinahe mit einem muskulösen jungen Mann zusammenstieß. Beide stoppten abrupt voreinander und starrten sich überrascht an.

»Scusi, Signorina!«, brachte der Mann mit den kurzen schwarzen Haaren schließlich hervor.

»Schon okay«, murmelte Alessia, blickte verwirrt zu Boden und versuchte, ihm auszuweichen. Doch auch er machte in diesem Moment einen Schritt zur selben Seite, verharrte kurz und wich dann zur anderen aus, zu der auch sie automatisch trat. Der absurde kleine Tanz brachte beide unwillkürlich zum Lachen.

»Bitte entschuldigen Sie«, stieß er amüsiert aus. »Ich wollte Ihnen nicht den Weg versperren. Normalerweise ist hier um diese Zeit niemand mehr unterwegs.«

»Verzeihen Sie, ich hab nicht aufgepasst«, antwortete Alessia und sah zu dem Mann, der fast einen Kopf größer und nur wenig älter war als sie, auf. In dem dämmrigen Licht wirkten seine Augen tiefschwarz und schienen sie in ihre unergründliche Dunkelheit hineinzuziehen.

Er trat einen Schritt zurück und brach den Blickkontakt ab. Jedoch nur, um sie interessiert zu mustern. »Suchen Sie ein Restaurant oder eine Bar? Vielleicht kann ich Ihnen etwas empfehlen.«

»Nein danke«, antwortete sie kurz angebunden und fügte freundlicher hinzu: »Ich hab schon gegessen. Vielleicht trinke ich noch irgendwo ein Glas Wein oder einen Espresso. Aber erst mal möchte ich nur spazieren gehen.«

»Natürlich«, erwiderte er höflich, »Montepulciano zeigt sich zu dieser Tageszeit von seiner schönsten Seite. Die Straßen sind nicht mehr überfüllt, und der Lärm weicht einer eigentümlich romantischen Stimmung.« Während er sprach, sah er sie durchdringend an, und ein wissendes Lächeln spielte um seine Lippen. Fast wirkte er arrogant. »Na ja, ich möchte Sie nicht aufhalten. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Aufenthalt in unserer kleinen Stadt. Bleiben Sie länger hier?«

Ein bisschen stolz erwiderte Alessia: »Ich bin keine Touristin, sondern wohne hier ganz in der Nähe.« In diesem Moment wurde ihr selbst erst richtig klar, dass sie ab sofort in Montepulciano lebte und arbeitete. Ein großartiges Gefühl.

Das Lächeln auf dem markanten Gesicht des Fremden wurde breiter. »Das freut mich zu hören. Mein Name ist übrigens Emilio.«

»Alessia. War nett, Sie kennenzulernen. Buonanotte, Emilio.«

»Buonanotte, Alessia.«

Sie gaben sich die Hand, und noch immer hatte er dieses süffisante Lächeln auf den Lippen. Sie konnte ihren Blick kaum von ihm wenden. Er hielt ihre Hand einen Moment länger, als nötig gewesen wäre, in seiner.

»Man sieht sich …« Er zwinkerte ihr zu, bevor er sich umdrehte und in der Gasse, aus der sie gerade gekommen war, verschwand.

Verstohlen schaute sie ihm hinterher und stellte verwirrt fest, dass sie hoffte, er würde recht behalten. Ob Emilio wohl ein Nachbar des Principe war?, fragte sie sich. Dann wäre das gar nicht so unwahrscheinlich. Alessia atmete tief durch und ging lächelnd weiter.

4. KAPITEL

Der kleine Reisewecker klingelte um halb neun. Verschlafen tastete Alessia nach dem Knopf zum Ausschalten. Als sie endlich die Lider aufschlug, sah sie sich im Halbdunkel verwirrt um und wurde sich bewusst, wo sie war. Trotz der geschlossenen Fensterläden spürte sie die sommerliche Wärme. Wohlig kuschelte sie sich noch einmal in das dünne Laken. Bilder eines Traums blitzten vor ihrem inneren Auge auf. Verschwommen erinnerte sie sich an die Gestalt eines Mannes, der sie mit glühenden Augen angesehen hatte und dessen Blick sie sich nicht hatte entziehen können.

Sie schreckte zusammen, als es an ihrer Zimmertür klopfte.

»Signorina Alessia? Sind Sie wach?«, hörte sie Gina fragen.

»Ja«, rief sie munter zurück. »In einer Viertelstunde bin ich fertig.« Sie sprang aus dem Bett.

»Gut, das Frühstück steht im Sommerspeisesaal bereit. Sie trinken doch Kaffee?«

»Ja, gerne einen Cappuccino«, antwortete Alessia durch die geschlossene Tür und ging ins Bad.

Frisch geduscht, zog sie wieder ihr dunkelblaues Kostüm über und lief die Treppe hinunter.

»Buongiorno«, grüßte Alessia die Haushälterin, die ihr gerade die Tasse mit einer imposanten Milchschaumhaube servierte.

»Buongiorno, haben Sie gut geschlafen?«, erkundigte sich Gina und lächelte ihr zu.

»Ja, sehr gut. Das Bett ist unglaublich bequem.«

»Und was haben Sie geträumt? Sie wissen doch: Das, was man in der ersten Nacht in einem neuen Bett träumt, geht in Erfüllung.« Sie zwinkerte Alessia wissend zu.

»Nun, ich …« Sofort sah Alessia wieder die glühenden Augen vor sich und wusste plötzlich genau, wem sie gehörten. Sie spürte, dass eine leichte Röte ihren Hals hinaufkroch. »Ich kann mich nur vage daran erinnern. Aber es war irgendetwas Schönes«, murmelte sie unsicher. »Was mit Blumen … und alten Büchern.«

»Ach«, antwortete Gina enttäuscht. »Na, da haben Sie wohl schon an Ihr Arbeitszimmer gedacht. Der Principe hat bereits gefrühstückt und erwartet Sie dann dort um zehn Uhr.«

»Danke, ich werde pünktlich sein.«

Alessia ließ sich ein warmes Cornetto zum Cappuccino schmecken. Ihr war das typisch italienische Frühstück ganz recht, da sie morgens sowieso noch keinen großen Appetit hatte. Sie trank noch einen zweiten Kaffee, bevor sie wieder hinauf in ihr Zimmer ging.

Gina hatte inzwischen ihr Bett gemacht und die Fenster geöffnet. Überwältigt bestaunte Alessia die fantastische Aussicht, die sie zum ersten Mal bei Tageslicht sah. Vor ihr lag die weite hügelige Landschaft der Toskana. Sie bewunderte die sorgfältig bearbeiteten Felder, die die Bezeichnung »Agrikultur« mehr als verdient hatten. Die Bauern legten bei der Bestellung nicht nur Wert auf den Ertrag, sondern auch auf die Schönheit ihrer Felder. Hier gab es keine öde Monokultur, wie sie es aus Norddeutschland kannte.

Unterhalb von Montepulciano wechselten sich endlose Reihen von Weinstöcken, an denen der edle Vino Nobile heranreifte, mit fruchtbarer sattbrauner Erde und gelb blühenden Sonnenblumenfeldern ab. Dazwischen schlängelten sich schlanke Zypressenalleen die Hügel hinauf und hinab und einzelne Pinien, mit ihren flachen, weit ausladenden Kronen, standen stolz inmitten wogender goldener Weizenfelder.

Die warme Luft duftete herrlich würzig, und Alessia atmete tief ein, bevor sie die Fensterläden wieder schloss, damit die Sonne ihr Schlafzimmer nicht aufheizte. Sie schaute noch einmal in den großen Spiegel neben dem Schrank, zog ihre Jacke zurecht und betrat das Arbeitszimmer.

Der Principe saß, vertieft in ein dickes Buch, am Schreibtisch und blickte erst auf, als sie zu ihm trat.

»Buongiorno, Signorina Alessia, setzen Sie sich zu mir.« Er rückte mit seinem Stuhl neben den schweren Schreibtischsessel und lud sie ein, sich daraufzusetzen. Dann zeigte er auf das aufgeschlagene Buch. »Schauen Sie, das ist der Stammbaum der Familie Farnese.«

Er deutete auf die bunte Zeichnung eines mächtigen Baums mit kräftigem Stamm und scheinbar unendlich vielen Ästen, an denen in schnörkeliger Schrift die Namen von Männern und Frauen verzeichnet waren. Alessia bewunderte die filigrane Arbeit und sagte: »Es muss großartig sein, wenn man seine Wurzeln so weit zurückverfolgen kann.«

»Ja, es ist eine Freude und eine Last zugleich«, seufzte der Principe. »Unter meinen Vorfahren gab es Bischöfe, Mätressen, Herzöge, Kardinäle und sogar einen Papst und eine Königin von Spanien. Seit 1711 gilt die männliche Linie eigentlich als ausgestorben, aber wie Sie an mir sehen können, haben sich ein paar meiner Ahnen trotzdem weiter fortgepflanzt.« Er lachte amüsiert auf. »Meine Erblinie stammt von einem der vielen Bastarde ab, die nachträglich als Erben anerkannt wurden und den Familiennamen weiterführten. Meine Recherchen haben ergeben, dass Odoardo Farnese, der Herzog von Parma und Piacenza, der mit einer Medici verheiratet war und mit ihr acht Kinder zeugte, nebenher noch weitere Nachkommen in die Welt gesetzt hat. Und diese sogenannten Bastarde bekamen einen Adelstitel. So wurde auch aus mir ein Fürst, also ein Principe, und meine Söhne tragen beide den Titel Principe ereditario, Erbprinz.«

»Tatsächlich?«, staunte Alessia. »Ich kenne mich mit dem Adel nicht aus und Prinzen und Prinzessinnen nur aus Märchen, Filmen oder der Klatschpresse. Leibhaftig getroffen hab ich noch keinen.«

»Nun, das wird sich bald ändern«, antwortete er lächelnd. »Ich plane ein kleines Fest, um Sie in Montepulciano offiziell willkommen zu heißen. Ich will ein paar alte Freunde der Familie einladen, und meine Söhne kommen natürlich auch. Mein ältester wohnt ein bisschen außerhalb auf unserem Weingut, und Luca, der jüngere, in Florenz. Sie werden beide bald kennenlernen. Dann wissen Sie auch, für wen Sie hier arbeiten.«

»Aber ich dachte, ich arbeite für Sie«, erwiderte Alessia überrascht.

»So ist es auch, aber die Nutznießer werden nach meinem Tod meine Söhne sein. Für sie will ich mein Erbe regeln und den alten Familienbesitz an die folgenden Generationen weitergeben. Neben dem Palazzo und dem Weingut handelt es sich dabei vor allem um Kunstgegenstände und Bücher aus der Renaissance. Um einen Überblick darüber zu bekommen und die Werte abschätzen zu können, brauche ich Ihre Hilfe und Kompetenz. Aber vor allem habe ich es mir zur Lebensaufgabe gemacht, den Stammbaum der Farneses um die verschollene Erblinie meiner Familie zu erweitern. Das bedarf natürlich intensiver Recherche. Trauen Sie sich das zu?« Er sah Alessia mit zusammengezogenen Augenbrauen kritisch an.

»Ich denke schon«, antwortete sie vorsichtig, um dann begeistert hinzuzufügen: »Die Epoche der Renaissance hat mich immer am meisten fasziniert, auch über mein Studium hinaus. Ich kann es kaum erwarten, jetzt endlich einige der alten Kunstwerke und Bücher mit eigenen Augen zu sehen und darin zu recherchieren.«

Angesichts ihrer Euphorie musste der Principe lächeln. Die junge Frau mit ihrer charmanten Mischung aus Schüchternheit und Neugier hatte ihm auf Anhieb gefallen. Seine Söhne hatten nie viel Interesse an der Familienhistorie gezeigt. Das war bei Alessia ganz anders. Er bedauerte einen Moment lang, dass sie nicht die Tochter war, die er sich immer gewünscht hatte. Doch er freute sich, sich nun jeden Tag mit ihr über ihre Recherchen und Fortschritte unterhalten zu können.

Er liebte die alten Schätze, die er vor allem hier, in seinem großen Palazzo, gesammelt hatte. Bisher waren ausgerechnet dem Haupterben, seinem Erstgeborenen, die verstaubten Bilder, Büsten und Bücher, die in den riesigen Kellerräumen lagerten, ziemlich egal gewesen. Luca, der jüngere dagegen, konnte sich für einige der historischen Möbelstücke im Palazzo begeistern und respektierte den Wunsch seines Vaters, diese einmalige Sammlung für nachfolgende Generationen zu erhalten. Wenn sein Erstgeborener demnächst deren materiellen Wert erkannte, würde sich sicherlich auch seine Einstellung zum Erbe der Farneses ändern, hoffte der alte Fürst. Und diese junge Frau würde ihm dabei helfen.

Nachdem er ihr alles genau erklärt hatte, machte Alessia sich euphorisch an ihre Arbeit. Sie war völlig in eins der vergilbten ledergebundenen Bücher versunken, als Gina ihr zum zweiten Frühstück einen Teller Tramezzini und Oliven auf den Schreibtisch stellte. »Möchten Sie ein Glas Wein dazu?«

»Nein danke, ich trinke weiter Wasser«, erwiderte sie und biss hungrig in eins der dreieckigen Weißbrote. »Oh, das schmeckt fantastisch!«

»Ach, das ist doch nur ein bisschen Pecorino mit getrockneten Tomaten und Pesto. Nichts Besonderes«, erwiderte die Köchin sichtlich geschmeichelt. »Essen Sie nur reichlich, damit es bis zum Abendessen reicht. Ich bereite heute Trippa alla fiorentina zu«, ergänzte sie stolz.

Alessia drehte sich bei dieser Ankündigung der Magen um. Das typisch italienische Gericht aus Kutteln war so gar nicht nach ihrem Geschmack. Aber das wollte sie Gina nicht sagen. Stattdessen nickte sie freundlich, murmelte: »Toll«, und nahm sich vor, lieber vorher noch irgendwo anders eine Kleinigkeit zu essen, ehe es im Palazzo Pansen gab. Doch erst mal machte sie sich weiter an die Recherchearbeit.

Als ihr Stunden später die Buchstaben vor den Augen verschwammen, sah sie auf die Uhr. Es war fast sechs, und sie beschloss, für heute Schluss zu machen. Bevor sie in die Stadt ging, brauchte sie aber noch eine Erfrischung. Im Bad schlüpfte sie aus dem unbequemen Kostüm und setzte sich in die breite Wanne. Sie ließ das Wasser über ihre langen dunklen Haare laufen und shampoonierte sie kräftig ein. Danach nahm sie das zart nach Zitrusfrüchten duftende Duschgel und begann, ihren Körper damit einzuschäumen. Sie ließ ihre Finger über ihre prallen Brüste streichen, spürte, dass sich ihre Nippel aufgrund des kühlen Wassers aufgerichtet hatten, und streichelte sie sanft. Langsam ließ sie eine Hand zwischen ihre Schenkel gleiten. Es fühlte sich gut an. Augenblicklich musste sie an Christian denken. Wie er sie dort berührt hatte – erst ganz zärtlich und dann immer leidenschaftlicher.

Sie griff fester zu, massierte ihre Scham und ließ einen Finger in sich hineingleiten. Ein leises Stöhnen entrang sich ihren Lippen, als sie einen weiteren Finger in sich hineinschob, und schließlich noch einen. Sie bewegte ihre Hand auf und ab, streichelte gleichzeitig ihre Brüste, drückte und zog an ihren Nippeln, bis sie spürte, wie sich ganz langsam eine wohlbekannte Wärme in ihrem Bauch ausbreitete, während das warme Wasser in die Wanne plätscherte.

Vor ihrem inneren Auge sah sie Christian, dessen kräftige Hände ihre Brüste umfassten, sie liebkosten und kneteten. Ihre Finger wurden zu seinem Schwanz, der kraftvoll in sie hineinstieß und sie einem erlösenden Orgasmus entgegentrieb. Sie legte den Kopf in den Nacken und genoss das erregende Gefühl. Ihre Hände glitten über ihren schaumigen Körper, die Brüste, den Bauch und schließlich wieder hinab zu ihrer Klitoris. Sie liebkoste die empfindsame Knospe, kniff mit Daumen und Zeigefinger leicht zu. Dabei schloss sie genüsslich die Augen.

Alessia stöhnte laut auf, als sie plötzlich kam. Sie stieß und streichelte weiter, während die heiße Welle in ihren Unterleib schoss und sie erzittern ließ. Das wollüstige Kribbeln breitete sich in ihrem ganzen Körper aus. Sie atmete schwer und genoss den intimen Moment.

Erst nach einer Weile öffnete sie die Augen und realisierte, wo sie war. Im Palazzo des Principe Farnese. Ohne Christian. Dieser Mistkerl, der sie mit der Trainerin aus seinem Fitnessstudio betrogen und den sie deshalb verlassen hatte. Jetzt war sie allein. In Italien, in einem fremden Haus, bei Menschen, die sie kaum kannte.

Wehmütig seufzte sie auf, riss sich jedoch schnell wieder zusammen. Schließlich war es ihre Entscheidung gewesen, den neuen Job in Montepulciano, so weit weg wie möglich von Wandorf, anzunehmen und Hals über Kopf abzureisen. Hier konnte sie endlich das tun, was sie im Studium gelernt hatte – sich mit alten Kunstgegenständen aus ihrer Lieblingsepoche, der Renaissance, beschäftigen. Dazu brauchte sie keinen Mann. Und für alles andere auch nicht, wie sie gerade hatte feststellen können. Lächelnd spürte sie dem Abebben des leichten Bebens in ihrem Bauch nach.

In Shorts und T-Shirt, mit zum Zopf hochgebundenen Haaren, machte sie sich erneut auf Entdeckungstour durch Montepulciano. Sie wollte ins Caffè Poliziano, um sich dort ein großes Stück Torte zu gönnen. Allein bei der Vorstellung lief ihr schon das Wasser im Munde zusammen. Aber vorher würde sie noch eine schöne Postkarte für ihre Freundin Isabel kaufen.

Alessia schlenderte in der warmen Abendluft zur Piazza Grande, fand in einem Geschäft eine Karte mit verschiedenen Motiven von Montepulciano und schlug den Weg hinunter zur Via di Voltaia nel Corso ein. Sie war begeistert, als sie das ganz im Jugendstil eingerichtete Café betrat.

In den Vitrinen am langen Tresen lockten unzählige süße Leckereien. Sie merkte sich den Namen einer hübsch verzierten Torte mit viel Schokolade, die sie später beim Kellner bestellen wollte, und schlängelte sich durch die Marmortischchen, an denen geschwungene Thonet-Stühle standen. Das Café war voll besetzt, die letzten Touristenpärchen mischten sich mit Einheimischen, die bei einem Glas Rotwein oder einer Tasse Espresso den Feierabend genossen.

Alessia hatte Glück, gerade wurde an der Rückseite des lang gezogenen Cafés der Tisch auf einem schmalen Balkon frei. Obwohl es schon dämmerte, hatte sie hier einen fantastischen Blick über die Landschaft, bis zu den fernen Bergen des Monte Amiata. Als der Kellner ihr den Kuchen servierte, war sie schon dabei, die Postkarte an Isabel zu schreiben. Sie berichtete vom herzlichen Empfang im traumhaften Palazzo und schwärmte, dass die Söhne des Principe echte Prinzen von altem Adel seien. Während sie die köstliche Torte genoss, stellte sie sich vor, wie die beiden wohl aussahen. Wie musste sie sich verhalten, wenn sie den Erbprinzen auf dem bevorstehenden Fest vorgestellt wurde?

Plötzlich bemerkte sie aus den Augenwinkeln, dass jemand neben ihr stand.

»Ist hier noch ein Platz frei, Signorina?«, fragte eine männliche Stimme.

Verblüfft drehte sie sich um und sah in die dunklen Augen des Mannes, mit dem sie gestern Abend auf der Straße beinahe zusammengestoßen war. Emilio …

Er lächelte auf sie herab. »Ich hatte nicht erwartet, Sie so schnell wiederzusehen.«

»Ich auch nicht«, antwortete sie überrascht. Sein Blick und sein Lächeln verwirrten sie.

»Darf ich mich zu Ihnen setzen?«

»Na klar … Gerne«, erwiderte sie und rückte ein Stückchen zur Seite, als er sich auf dem Stuhl neben ihr niederließ.

»Störe ich Sie auch wirklich nicht?« Er deutete auf die vollgeschriebene Postkarte.

Unwillkürlich legte sie ihre Hand darauf, denn sie wollte nicht, dass er las, was sie geschrieben hatte. Es kam ihr plötzlich sehr albern vor, wie sie von den Prinzen Farnese geschwärmt hatte. »Ach, das ist nur eine Postkarte an meine Freundin.«

»Wo lebt Ihre Freundin denn?«, wollte er wissen.

»In Hamburg. Da ist es jetzt nicht mehr so warm wie hier.« Was plapperte sie da bloß? Warum machte dieser Emilio sie derart nervös?

»Stammen Sie auch von dort?«

Alessia räusperte sich. »Ich hab in Hamburg studiert, aber zuletzt in einer Kleinstadt in Norddeutschland gelebt. Die kennen Sie bestimmt nicht.« Warum erzählte sie ihm das alles? Fehlte nur noch, dass sie ihm auch anvertraute, Christian verlassen zu haben, weil er sie betrogen hatte. Sie musste sich zusammenreißen.

»Was haben Sie denn studiert?«, fragte er interessiert weiter.

»Kunstgeschichte. Spezialgebiet Renaissance.«

»Da müssen Sie sich ja in Montepulciano geradezu heimisch fühlen.«

»Ja, es ist fantastisch. Und ich wohne nun sogar in einem Palazzo aus der Epoche«, erwiderte sie stolz.

»Ist es nicht furchtbar düster in so einem alten Kasten?« Er blickte sie belustigt an. »Ich lebe lieber etwas außerhalb auf dem Land. Sie sollten mich mal dort besuchen.«

Dieser Mann war wirklich forsch. Wollte er nur höflich sein, oder war es ihm ernst mit der Einladung? Alessia war verunsichert und suchte nach einer Antwort, die nicht zu abweisend klang. »Leben Sie dort mit Ihrer Familie?«

»Nein, ich lebe allein. Mal abgesehen von einer Haushälterin und einem Gutsverwalter.«

»Wie groß ist das Anwesen denn?«, fragte sie beeindruckt.

»Es ist ein Weingut. Knapp dreihundert Hektar in ausgezeichneter Lage. Dort baue ich vor allem Nobile de Montepulciano an. Mögen Sie Rotwein?«

»Ja, sehr.«

»Dann werden Sie meine Weine lieben! Es sind die besten!«, sagte er selbstbewusst. »Also, wann kommen Sie zum Tasting?«

»Dazu hab ich im Moment leider keine Zeit«, antwortete sie ausweichend. »Ich muss sehr viel arbeiten.« Sie kannte diesen Typen schließlich kaum. Auch wenn er wirklich attraktiv war, wollte sie seiner Einladung nicht so ohne Weiteres zustimmen.

»Aber am Wochenende werden Sie doch sicher freihaben?«, hakte er nach.

Der gibt nicht so schnell auf, dachte sie. So leicht würde sie allerdings nicht nachgeben. »Das muss ich noch alles mit meinem Arbeitgeber absprechen. Ich bin ja erst seit gestern hier«, versuchte sie, sich herauszuwinden.

Er schwieg, schaute ihr tief in die Augen und zuckte nur mit den Schultern. Genauso wie gestern Abend hatte er dieses arrogante Lächeln aufgesetzt. Alessia registrierte, dass zwei Frauen am Nebentisch verstohlene Blicke zu ihnen herüberwarfen. Sein gutes Aussehen schien nicht nur auf sie eine anziehende Wirkung zu haben.

»Ich muss jetzt leider wieder los, aber ich bin mir sicher, dass wir uns bald wiedersehen«, sagte er leise. Seine Stimme hatte etwas Hypnotisches.

Als er aufstand und Alessia seinen tollen muskulösen Körper musterte, bereute sie fast, seine Einladung ausgeschlagen zu haben. Vielleicht sollte sie …

Doch bis sie sich gefangen hatte, schlängelte Emilio sich bereits durchs Café zum Ausgang, ohne sich noch einmal nach ihr umzuschauen. Alessia atmete tief durch und dachte: Warum bringt dieser eingebildete Typ mich bloß dermaßen durcheinander?

Sie schüttelte den Kopf, hielt nach dem Kellner Ausschau und bestellte sich ein Glas Rotwein. Dann ließ sie den Blick über die sanften Hügel mit den Weinstöcken schweifen. Irgendwo dort unten lag das Weingut von Emilio.

5. KAPITEL

Am nächsten Vormittag saß Alessia konzentriert am Schreibtisch und blätterte durch einige der alten Folianten. Sie war auf der Suche nach Hinweisen für mögliche Fehltritte von Odoardo Farnese, die sie schließlich zur Linie des Principe führen würden. Doch immer wieder schweiften ihre Gedanken ab – zu Emilio.

Er war verdammt selbstbewusst und schien sich seiner Sache äußerst sicher zu sein. Sein italienischer Macho-Charme wirkte auch bei ihr, wie sie sich eingestehen musste. Vielleicht lag es allerdings auch daran, dass sie seit der Trennung von Christian keinen Mann mehr im Bett gehabt hatte. Aber war dieser Emilio der Richtige, um sich mit ihm zu trösten?