Perlen vor die Säue - Karl Hugo Pruys - E-Book

Perlen vor die Säue E-Book

Karl Hugo Pruys

4,8

Beschreibung

"Ein unverzichtbares Nachschlagewerk", so urteilt die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Nach dem großen Erfolg von "Bis in die Puppen" nimmt Karl Hugo Pruys die Herausforderung 100 weiterer Redensarten an und forscht im Irrgarten der deutschen Sprache nach Herkunft und Bedeutung von Wendungen, die wir tagtäglich gebrauchen. Haben Sie sich nicht auch schon gefragt, weshalb eine Sache einen Pferdefuß hat oder warum jemand in der Tinte sitzt? Karl Hugo Pruys gibt Antworten!

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Seitenzahl: 115

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Karl Hugo Pruys

Perlen vor die Säue

Noch mehr populäre Redensarten

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten.Dieses Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung auf DVDs, CD-ROMs, CDs, Videos, in weiteren elektronischen Systemen sowie für Internet-Plattformen.

ebook im be.bra verlag, 2012

© der Originalausgabe:edition q im be.bra verlag GmbHBerlin-Brandenburg, 2008KulturBrauerei Haus 2Schönhauser Allee 37, 10435 [email protected]: Robert Zagolla, BerlinUmschlag und Textillustration: Ansichtssache, BerlinISBN 978-3-8393-2106-5 (epub)ISBN 978-3-8393-2107-2 (pdf)ISBN 978-3-86124-631-2 (print)

www.bebraverlag.de

Heilige Einfalt!Noch ein Redensarten–Buch!?

Eine kleine Einführung

Der Band »Bis in die Puppen«, der die Herkunft und Bedeutung der 100 populärsten Redensarten »ins Visier genommen« hat, erfreut sich bis zur Stunde beim Lesepublikum großer Beliebtheit. Hiermit wollten es Verlag und Autor nicht bewenden lassen. Als Zugabe gibt es nun also »Perlen vor die Säue«: Der Titel ist (hoffentlich) nicht wörtlich zu nehmen, denn es wird vorausgesetzt, dass Sie, lieber Leser, die Lektüre durchaus zu schätzen wissen.

In dem einen oder anderen Fall werden hier vielleicht sogar »Eulen nach Athen« getragen, wenn es darum geht, zu erklären, was die deutsche Sprache an Kuriosem, Geistreichem, zuweilen Tiefgründigem und zugleich Lehrreichem zu bieten hat. D as vorliegende Buch geht der oft verwirrend buntscheckigen Sprachgeschichte nach, um dem Leser »ein Licht« zur Erhellung auch der dunklen Seiten von Redewendungen und Metaphern »aufzusetzen«. Der Bogen ist dabei weit, sehr weit, gespannt. Er setzt nicht selten in den verborgenen Winkeln antiker Kulturen an. Oder beim Jiddisch, dem unsere Alltagssprache so viel zu verdanken hat. Oder in der Bibel, die nicht umsonst in alten Zeiten als das Buch der Bücher galt. Ob Sie nun »Chuzpe haben« oder es für »Nebbich« halten, wenn andere »Perlen vor die Säue« werfen – stets wandeln Sie dabei auf den Spuren von Gegenwart und Vergangenheit.

Unterdessen beginnt in Deutschland ein neues Verständnis für die Wurzeln unserer facettenreichen Sprache zu erwachen. Beleg dafür könnte auch das vermehrte Interesse an Herkunft und Bedeutung deutscher Redensarten sein. Kommen Sie also mit auf eine heitere Entdeckungsreise zur Erforschung ihrer Quellen! Lassen Sie uns den »springenden Punkt« suchen und herausfinden, »wo der Hund begraben liegt«!

Damit Sie nach der Lektüre nicht gegen den Autor »vom Leder ziehen« oder ihm »die rote Karte zeigen«, sei noch einmal darauf hingewiesen, dass hier nicht versucht wird, die jeweils zu hundert Prozent historisch richtige Ableitung chemisch rein aus dem Wust der einschlägigen Literatur herauszufiltern. Die Vielfalt der möglichen Deutungen ist ja häufig erst das Salz in der Suppe. In diesem Sinne sollte erneut ein Buch entstehen, das nicht akademisches Wissen trocken vermittelt, sondern auf unterhaltsame Art Lust an der Beschäftigung mit Sprache weckt. Denn – »frank und frei« gesprochen – das ist doch wohl »das A und O«.

Karl Hugo Pruys

Inhalt

Kapitel 01

Kapitel 02

Kapitel 03

Kapitel 04

Kapitel 05

Kapitel 06

Kapitel 07

Kapitel 08

Kapitel 09

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

A

Das ist das A und O

Etwas, worauf man auf keinen Fall verzichten kann, etwas wirklich Wichtiges und Grundlegendes – das nennt man auch heute noch gern »das A und O« einer Sache. Aber woher stammt diese Redensart? Bibelfeste Zeitgenossen erinnern sich an die Offenbarung des Johannes, wo es in Kapitell, Vers 8, heißt: »Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende, spricht Gott, der Herr, der da ist und der da war und der da kommt, der Allmächtige.«

Das A und O zum Verständnis dieser Aussage ist die Kenntnis alter Sprachen: Im Altgriechischen nämlich, aus dem Martin Luther das Neue Testament übersetzt hat, beginnt das Alphabet mit Alpha (A) und endet mit Omega (Ω). Von daher markieren diese beiden Buchstaben tatsächlich den Anfang und das Ende – und sind damit unverzichtbar für das Ganze. Vornehmlich die christliche Kirche bediente sich seit jeher dieser symbolhaften Umschreibung der Allmacht Gottes; und diese Tradition war es wohl auch, die Luther bewog, den Allmächtigen nicht sagen zu lassen: »Ich bin das A und das Z« – wie es ja dem lateinischen (und deutschen) Alphabet gemäß heißen müsste.

Und so hat sich die Bedeutung bis heute gehalten: Während es beim »A und O« um das geht, was unabdingbar wichtig im Leben ist: um Grundsätzliches, nicht Austauschbares und Unersetzliches, ist das moderne »von A bis Z« ganz profaner Natur. Nachschlagewerke und Handbücher schmücken sich gern mit diesem Zusatz, um auf ihre lexikalische Vollständigkeit zu verweisen – dabei liegt nun jeder Gedanke an Metaphysisches fern.

Ganz anders ging es da Samuel Liddell MacGregor Mathers, als er im Jahre 1903 einen geistlichen Orden unter dem Zeichen »Alpha et Omega« begründete. Dieser Orden verfügte allein in Großbritannien über drei Tempel; weitere Versammlungshäuser gab es in Frankreich und den USA. Heute werben im Internet unter der magischen Rubrik »Alpha et Omega« auch Privatclubs um Mitglieder. Man gibt sich dort selbst bieder und gönnerhaft, wie die Regel eines dieser Clubs ausweist: »Mitglieder, die Raucher sind, dürfen ihrem Laster bei uns weiterhin frönen. Und Mitglieder, die zu tief ins Glas geschaut haben, können bei uns übernachten …« – Offensichtlich weiß man hier genau darüber Bescheid, was wichtig und notwendig ist.

Sich aus der Affäre ziehen

Das bringt so mancher fertig, dem der Boden unter den Füßen zu heiß wird: Er entwindet sich einer höchst unbequemen Lage. Das hat mit dem Französischen, aus dem das Wort übernommen wurde, zunächstwenig zu tun; »affaire« bedeutet dort ganz neutral »Sache« oder »Angelegenheit«. Im Geschäftsleben heißt etwa »être en affaires« nichts weiter als »beschäftigt sein, zu tun haben«. Bei einer »affaire de coeur« handelt es sich (schon weitaus anspruchsvoller) um eine Herzensangelegenheit, bei einer »affaire d’honneur« um einen Ehrenhandel, wie man früher sagte – also um ein Duell. Eine »affaire« kann aber auch ein Prozess sein, ein Kampf oder gar eine Schlacht. Im deutschen Sprachgebrauch haftet der Affäre immer etwas Dunkles, Unschönes, Entlarvendes an. Sie steht synonym für einen Skandal (»Spendenaffäre«) oder auch für eine außereheliche Beziehung (auf Französisch: »affaire d’amour«). Wenn eine solche Affäre ruchbar wird, dann ist es für die Beteiligten tatsächlich an der Zeit, darüber nachzudenken, wie sie sich aus derselben ziehen können.

»Sich aus der Affäre ziehen« ist letztlich die wörtliche Übersetzung von »se tirer d’affaire«, was der Franzose mit einer gewissen Bewunderung noch steigern kann: »s’en tirer élégamment«, also sich »elegant aus der Affäre ziehen«. Im Sportteil deutscher Zeitungen kann man dagegen öfter die Wendung lesen, eine Mannschaft habe sich »mit Anstand aus der Affáre gezogen«. Das zeugt von einem Missverständnis der ursprünglichen Bedeutung: Nach dieser Lesart windet man sich nicht heraus oder stiehlt sich davon, sondern man stellt sich einer Situation und macht das Beste daraus. Das ist wohl typisch deutsch und entspricht der Vorstellung, dass man sich mühen sollte, »den Karren aus dem Dreck zu ziehen«. Wer sich aus der Affäre zieht, lässt aber den Karren lieber stecken, und sieht zu, dass er sich ↑ aus dem Staub macht. Das ist oft erfolgreicher als zu versuchen, sich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf zu ziehen wie weiland Baron Münchhausen. Und wenn gar nichts mehr hilft, dann heißt es: Man sollte nun endlich einen Schlussstrich unter die Affäre ziehen.

Da laust mich doch der Affe

Wer im Zoo Affen beobachtet, wird feststellen, dass sie sich den lieben Tag lang gegenseitig das Fell zu kraulen pflegen. Bei dieser landläufig mit »lausen« umschriebenen Tätigkeit fehlt ihnen allerdings jedes Anzeichen von Erstaunen, Überraschung oder Verwunderung – von jenen Gefühlen also, die ein Mensch meint, wenn er ausruft: »Da laust mich doch der Affe!« In der Tat ist das Lausen bei den Primaten eine eher entspannende Angelegenheit, eine soziale Interaktion wie beim Homo sapiens der gepflegte Smalltalk. Die Affen suchen dabei auch in den seltensten Fällen Läuse – wie man gern annimmt –, sondern sie entfernen beim Kraulen vor allem kleine, salzige Hautschuppen, die sie dann mit Genuss verspeisen.

Das »Lausen« dient auch der freundlichen Kontaktaufnahme – die allein bei Menschen zu Erstaunen oder gar Erschrecken führt, wenn sie unvermutet damit konfrontiert werden. Und genau daher kommt die Redewendung: Schon im Mittelalter führten umher ziehenden Schausteller Affen mit sich, die Kunststücke vorführten oder mit einem Hut Geld einsammelten. Zuweilen sprang nun ein solcher Affe auf die Schultern eines arglosen Zuschauers und begann diesem die Haare zu »lausen«, was den solcherart Beglückten nicht nur erschreckte, sondern auch peinlich berührte, weil die Umstehenden nun glauben mussten, er habe Ungeziefer auf dem Kopf. Das verdutzte Gesicht des Opfers inspirierte die Rheinländer zu der Redensart: »De mischte Gesicht, als wenn e vom Affen gelaust wure wär«. Die Berliner prägten dann im 18. Jahrhundert den heute noch gebräuchlichen Ausruf: »Ick denke, der Affe laust mir!«

Es gibt auch Varianten dieser Wendung, die eine abschlägige Antwort umschreiben sollen, etwa: »Da müsst ich ja vom Affen gelaust sein«, oder: »Du bist wohl vom Affen geflöht«. Überhaupt spielen Affen eine zentrale Rolle in vielen verschiedenen Redensarten. Vom wilden Affen gebissen sein, heißt, von allen guten Geistern verlassen, von Sinnen sein. Jemanden zum Affen halten, meint: ihn verhöhnen, lächerlich machen, veralbern. Im 18. Jahrhundert kam die Wendung auf, »seinem Affen Zucker geben« – was soviel bedeutet wie: ungehemmt seinen Launen und Marotten frönen. Ungezählte Komposita künden von der Beliebtheit des Affen in deutschen Metaphern, als da sind: Affenliebe, Affenschande, Affentheater, Affentanz, Affenhitze und so fort. Und wer zu tief in die Flasche geschaut hat, klagt anschließend darüber, einen Affen sitzen zu haben.

Das Amen in der Kirche

Nur fünfzehn Prozent der katholischen und weniger als zehn Prozent der evangelischen Gemeindemitglieder besuchten im Jahr 2007 regelmäßig den Gottesdienst. Würden nicht zumindest an den großen Festtagen des Kirchenjahres ein paar mehr Menschen den Weg in die Kirchen finden, wäre die Redewendung: »Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche« für viele wohl gar nicht mehr verständlich. Wer einmal an einem Gottesdienst teilgenommen hat, der weiß aber: Das »Amen« kommt ganz sicher, sogar mehrmals, daran ist kein Zweifel. »Amen« ist daher immer noch die vielleicht meistverbreitete Bekräftigung im sprachlichen Umgang überhaupt.

Das Wort stammt aus dem Hebräischen und bedeutet: »Ja, gewiss! « Es wurde vom Alten Testament ins Neue übernommen, ist gleichermaßen in die christliche Liturgie wie in die islamische Religion eingegangen und dient als Formel für die Zustimmung der Gemeinde zu Rede, Gebet und Segen. Erstaunlicher Weise kommt es in der Bibel gar nicht so oft vor, dafür aber im 5. Buch Mose gleich mehrmals hintereinander: Moses schließt dort jedes seiner zwölf Fluchworte über Gesetzesbrecher mit den Worten »Und alles Volk soll sagen: Amen.«

Heutzutage wird das »Amen« weit über Kirche und Religion hinaus verwendet. Man sagt es, um keinem Zweifel an der Verbindlichkeit einer Zusicherung Raum zu geben, wohl auch, um einen längeren Dialog zum friedlichen Schluss gelangen zu lassen: Nun mach mal ein Ende und sag endlich »Amen« dazu! Wer allerdings zu allem »Ja und Amen« sagt, der ist als kritikloser Opportunist bei den meisten nicht unbedingt gut angesehen.

Jemandem angst und bange machen

Wer hat Angst vor dem Schwarzen Mann? So hieß ein heute kaum mehr geläufiges Spiel unter Kindern. Doch jemandem »angst und bange machen« – das gibt es noch immer, und zwar in vielfältigen Formen. Zum Beispiel, indem man jemanden in die Enge treibt, was bereits den Zustand der Angst lautlich beschreibt. Denn »Angst« gehört zur Wortgruppe von »eng« und meint »Enge« oder »Beklemmung«. Die Angst kann einem »im Nacken sitzen«, man kann es aber auch mit ihr »zu tun bekommen«. Die Angst ist eine Weltmacht, ein allgegenwärtiges Phänomen. Ein Psychologe hat ihr nicht weniger als 426 (!) Namen gegeben, eine Differenzierung ohnegleichen. So soll man unterscheiden – nur wenige Beispiele – zwischen der Katagelophobie (= Angst vor Spott), der Koitophobie (= Angst vor dem Geschlechtsverkehr), der Neopharmaphobie (= Angst vor neuen Drogen), der Pantophobie (= Angst vor Leid und Krankheit), der Porphyrophobie (= Angst vor der Farbe Lila), der Pteromerhanophobie (= Flugangst) und vielen mehr.

»Bange« wiederum ist ein Synonym für Angst, es kommt von »be-ange« (also beengt) und hat mithin den gleichen Wortstamm. Luthers Bibelübersetzung hat das ursprünglich nur im Nieder- und Mitteldeutschen bekannte Wort »bange« als Adverb in die Schriftsprache eingeführt, erst später wurde es als Adjektiv und dann als Substantiv (»Bange haben«) gebräuchlich. Im Buch des Propheten Jeremia heißt es, dem König von Babel werde »so angst und bange werden wie einer Frau in Kindsnöten« (Jer. 50, 43). Und der Prophet Jesuch Sirachbeschreibt, dass die Weisheit, demjenigen, der nach ihr strebt, anfangs »angst und bange macht und ihn mit Strenge erzieht«, bevor sie ihm ihre Geheimnisse offenbart (Sir. 4, 19). Angst und bange machen gehört schon lange zum Geschäft des Lebens. Das Ziel ist klar; es heißt: Einschüchterung, wodurch sich die Willfährigkeit des Gegners, manchmal auch eines Partners, erzwingen lässt. Erst seit dem 19. Jahrhundert gibt es die gegenläufige Aufforderung: »Bange machen gilt nicht!«

Etwas mit Argusaugen betrachten

Der griechische Hirte Argos, lateinisch Argus, war von riesenhafter Statur und hatte über hundert Augen am Körper, mit denen er in alle Richtungen gleichzeitig blicken konnte. Deshalb wählte ihn die Göttin Hera zum Wächter über die schöne Io, die Tochter des Pelasger-Königs Inachos,