Perry Rhodan 113: Der Loower und das Auge (Silberband) - Kurt Mahr - E-Book

Perry Rhodan 113: Der Loower und das Auge (Silberband) E-Book

Kurt Mahr

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Beschreibung

Im Jahr 3587 stehen die Menschen und die anderen Bewohner der Milchstraße im Zentrum kosmischer Ereignisse. Weltraumbeben erschüttern die besiedelten Sonnensysteme der Galaxis, und eine sogenannte Materiequelle wird manipuliert - das wird in naher Zukunft zum Untergang mehrerer Sterneninseln führen. Um das zu verhindern, sind Perry Rhodan, sein Raumschiff BASIS und dessen Besatzung in der fernen Galaxis Erranternohre unterwegs. Dort existiert die Materiequelle, und dort muss er einen Zugang zu den Kosmokraten erzwingen, die als einzige den drohenden Untergang abwenden können. Dafür muss Rhodan das mysteriöse Auge in seinen Besitz bringen - ein uraltes Werkzeug, das von den Loowern geraubt wurde. Auch in der heimatlichen Galaxis wächst die Gefahr. Mit ihrer Raumflotte haben die Orbiter das Sonnensystem besetzt - sie sehen in den Menschen gefährliche Feinde aus ihrer Vergangenheit, gegen die sie vorgehen müssen. Die Terraner scheinen auf verlorenem Posten zu stehen ...

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Nr. 113

Der Loower und das Auge

Im Jahr 3587 stehen die Menschen und die anderen Bewohner der Milchstraße im Zentrum kosmischer Ereignisse. Weltraumbeben erschüttern die besiedelten Sonnensysteme der Galaxis, und eine sogenannte Materiequelle wird manipuliert – das wird in naher Zukunft zum Untergang mehrerer Sterneninseln führen.

Um das zu verhindern, sind Perry Rhodan, sein Raumschiff BASIS und dessen Besatzung in der fernen Galaxis Erranternohre unterwegs. Dort existiert die Materiequelle, und dort muss er einen Zugang zu den Kosmokraten erzwingen, die als einzige den drohenden Untergang abwenden können. Dafür muss Rhodan das mysteriöse Auge in seinen Besitz bringen – ein uraltes Werkzeug, das von den Loowern geraubt wurde.

1.

Mausbiber Gucky versteifte sich, als er den fremdartigen Druck auf seinem Bewusstsein spürte. Sekundenlang befürchtete er, wieder in eine jener Traumwelten versetzt zu werden, die auf diesem Planeten zum Standardangebot für verirrte Reisende gehörten.

Doch der erwartete Effekt blieb aus. Die uralte Feuerstelle im Wald, Zeugnis einer fremden Zivilisation, veränderte sich in keiner Weise.

»Gucky an ERRANTHE – erbitte Antwort!« Mehrmals rief der Ilt nach der Korvette, aber das Funkarmband blieb stumm. Das Schweigen behagte ihm nicht, deshalb konzentrierte er sich auf die Teleportation zurück zum Lagerplatz ...

... er schaffte es nicht. Der Druck, den er vor wenigen Minuten gespürt hatte, musste ihn seiner Mutantenfähigkeiten beraubt haben. Auch sein Versuch, die Mannschaft der Korvette telepathisch zu erreichten, wurde zum Fehlschlag.

Am Rand der Feuerstelle lagen die korrodierten Überreste eines fremdartigen Geräts. Gucky fixierte einen von Grünspan überwucherten Metallstab und versuchte, ihn telekinetisch zu bewegen – vergeblich.

Er musste den Rückweg zum Lager wohl oder übel zu Fuß bewältigen. Nach einer halben Stunde erreichte er den Waldrand und sah auf der Geröllhalde das sechzig Meter durchmessende Beiboot der BASIS.

Alles blieb ruhig, nur das Rauschen des Windes war zu hören. Die grauen Wolken hingen tief, es würde bald regnen. Gucky lief auf eine der Hütten zu, die zwischen den letzten Bäumen errichtet worden waren, und trat ein. Die Deckenlampe brannte, an einem der Arbeitstische saß ein Spezialist der technischen Abteilung. In sich zusammengesunken, schnarchte der junge Mann aus Leibeskräften. Eine Frau kauerte an den Arbeitstisch gelehnt auf dem Boden, sie schlief ebenfalls.

Gucky inspizierte auch die anderen Hütten. Er fand überall nur schlafende Besatzungsmitglieder.

Schließlich ging er zur ERRANTHE weiter. Die untere Polschleuse der Korvette war geöffnet, das Antigravfeld in Betrieb.

Er schwebte zur Schleuse hinauf und von dort durch den Axialschacht bis zur Zentrale. Er hatte ohnehin nur noch schlafende Menschen erwartet, dennoch wurde ihm mulmig zumute, als er Perry Rhodan und Atlan vor einer Kartenprojektion, an der sie gearbeitet hatten, in tiefem Schlaf fand.

Die Aktivatorträger in die Krankenstation teleportieren, das konnte Gucky nicht mehr. Entschlossen rüttelte er Rhodan mit beiden Händen, da erklang vom Hauptzugang her ein Geräusch.

Ärgerlich funkelte der Ilt die schmächtige Gestalt in der Schottöffnung an.

»Du hättest wenigstens ein Wort sagen können, Milder. Schleiche gefälligst nicht so herum!«

»Ich dachte, dich könnte niemand überraschen.« Milder Dano, ein Mitglied der Astronomiegruppe, grinste spöttisch. »Außerdem hatte ich nicht erwartet, dass hier noch jemand wach sei.«

Der Mann war weit über hundert, ging leicht vornübergebeugt und stand in dem Ruf, ein sonderbarer Kauz zu sein. Gucky hatte bisher nur wenig mit ihm zu tun gehabt.

»Was ist geschehen, Milder?«

Der Astronom machte eine hilflose Geste. »Weiß ich's? Ich unterhielt mich mit Kanthall, da fing er an zu gähnen, setzte sich in einen Sessel und war Sekunden später völlig weggetreten ...«

»Wann war das?«

Dano schaute auf sein Kombiarmband.

»Vor knapp eineinhalb Stunden. Ich dachte mir schon, dass das wichtig sein könnte.«

Der Ilt rechnete zurück. Etwa zu dem Zeitpunkt hatte er den eigenartigen mentalen Druck gespürt.

»Du hast dich umgesehen?«

Dano nickte. »Alle schlafen ...«

»Warum du nicht?«

»Weiß der Himmel. Ich vermute, dass es sich um denselben Vorgang handelt, der bisher die Traumzustände auslöste. Mit den Träumen habe ich nie viel Schwierigkeiten gehabt. Ich brauchte mich nur daran zu erinnern, dass ich träumte, und schon war ich in der Wirklichkeit. Ich nehme an, ich bin konditioniert – so wie du!«

»Besser als ich«, korrigierte der Ilt. »Mir sind alle Parakräfte abhandengekommen.«

»Das ist es also!« Dano reagierte ehrlich bestürzt. »Ich dachte, du wolltest mich mit deinem scheinbaren Erschrecken vorhin foppen.«

Gucky war in seinen Gedanken schon weiter. »Hast du versucht, einen der Schlafenden behandeln zu lassen?«

»Ich wollte mich erst überzeugen, dass außer mir wirklich keiner mehr wach ist.«

»Dann hilf mir, einen Transportroboter aufzutreiben!«, verlangte der Ilt. »Perry muss als Erster untersucht werden.«

»Eine Exasperal-Injektion kann nicht vorgenommen werden«, erklärte die Medoanlage. »Der Schlafzustand des Patienten wird durch äußere Beeinflussung des Neuralnetzes herbeigeführt, dabei besteht der Verdacht auf paramentale Einflussfaktoren. Ihre Wechselwirkung mit der durch Exasperal hervorgerufenen Neuralintensivierung ist nicht zuverlässig vorhersagbar, eine dauerhafte Schädigung des Patienten könnte nicht ausgeschlossen werden.«

»Also ...?«, drängte der Ilt.

»Schlafen lassen«, brummte Milder Dano.

»Es ist ratsam, den Patienten in seinem gegenwärtigen Zustand aufmerksam zu beobachten«, antwortete die Medoanlage.

»Es gibt rund einhundert Patienten mit diesem Symptom«, stellte Gucky klar.

»Aktuell verfügbar ist die Kapazität für die Aufnahme von sechs Patienten. Jeder Mehrbedarf muss mit der Zentralanlage abgesprochen werden.«

»Zur Zentrale haben wir keinen Zugriff.« Der Ilt seufzte. »Die BASIS befindet sich außerhalb unserer Reichweite.« Nachdenklich musterte er Perry Rhodan, der unverändert schlafend in der Diagnosemulde ruhte.

»Immerhin können wir noch fünf in diesem Zustand hierher bringen«, bemerkte Dano.

Der Transportroboter, der Rhodan aus dem Kommandoraum geholt hatte, stand reglos neben dem Türschott. Gucky befahl ihm, Atlan und vier weitere Besatzungsmitglieder aus der Zentrale der ERRANTHE ins Lazarett zu holen.

Sie saßen einander gegenüber und aßen lustlos. Was er an Nährstoffen brauchte, hatte der Ilt zuvor schon in Form zweier Konzentrattabletten zu sich genommen.

»Ich habe heute eine neue Feuerstelle untersucht«, sagte er.

»Neu? Was kann daran neu sein?«, erwiderte Dano träge. »Alle sehen gleich aus: ein festgestampfter Platz, Anzeichen vorübergehender Bautätigkeit, zurückgelassene Abfälle, darunter Maschinenteile.«

»Hast du je einen dieser Orte gesehen?«

»Mit eigenen Augen? Nein. Ich bin Astronom, kein Archäologe.«

»Dann rede nicht so geschwollen daher. Es gibt sehr wohl Unterschiede bei den Feuerstellen. Nicht nur nach Umfang, Alter und Fundgegenständen, sondern auch nach technologischem Niveau.«

»Versteht sich. Wenn es Altersunterschiede gibt, dann natürlich Unterschiede in der technischen Entwicklung. Je jünger, desto fortgeschrittener, nicht wahr?«

»Falsch. Altersanalysen haben ergeben, dass sich die Technologie der fremden Zivilisation abwärts entwickelt hat. Die ältesten Fundstellen zeigen die am höchsten entwickelte Technik.«

Dano trank geräuschvoll aus seinem Laktose-Becher. »Wo hat man so etwas schon gehört?«, fragte er zwischendurch.

»Immer wieder mal«, antwortete der Ilt. »Zeitlich degenerierende Technologie ist oft das Resultat eines Fremdeinflusses. Eine fremde Macht bringt fortschrittliche Technik und zieht sich danach zurück. Die Beschenkten finden sich mit den neuen Errungenschaften aber nicht zurecht und verlieren sie allmählich wieder.«

»Na gut«, kommentierte Dano. »Rätsel gelöst.«

Gucky schüttelte den Kopf. »Der Platz, den ich mir heute ansah, stammt aus der Zeit vor dem Fremdeinfluss.«

»Woher willst du das wissen?«

»Bisher fanden wir bei allen Feuerstellen Überreste robotischer Gerätschaften. Die von heute weist nichts dergleichen auf. Es gibt diesen sogenannten Landeplatz, der ist aber von Radspuren zerfurcht. Sie sind weitgehend versteinert und lassen das Profil gut erkennen.«

Dano zog die Brauen hoch. »Hast du dir das alles ansehen können?«

»Leider nein! Ich habe nur Hinweise, aber keine Gewissheit, ich muss mich noch einmal intensiv umsehen ...«

Er brachte den Satz nicht zu Ende. Alarm gellte durch die ERRANTHE.

Aus der wolkenverhangenen Düsternis jenseits der Moräne näherten sich große schüsselförmige Fahrzeuge. Offenbar von Prallfeldern getragen, glitten sie mit geringer Geschwindigkeit dicht über den Boden hinweg.

Zwischen den Fahrzeugen bewegten sich unförmige sechsgliedrige Gestalten. Sie liefen nicht nur auf den Beinen, sondern benützten für die Fortbewegung zugleich das aus der Körpermitte wachsende kräftige Armpaar, was ihnen eine gebeugte Haltung abverlangte. Das obere Armpaar befand sich in Schulterhöhe, und zwischen den Schultern saß ein kugelförmiger, eigentlich viel zu klein anmutender Schädel.

»Kellner«, sagte Gucky scheinbar ohne jeden Zusammenhang.

»Wie ...?«

»Ich frage mich schon lange, wo hier auf Guckys Inn die Bedienung bleibt.« Der Ilt machte eine fahrige Geste in Richtung des Holoschirms, der die Näherkommenden zeigte. »Dort ist sie endlich!«

»Woher kommen die Kerle?«, fragte Dano. »Und was wollen sie?«

»Sie kommen vielleicht aus den Höhlen unter uns. Und falls sie wissen, dass hier an Bord jeder schläft, dann kommen sie, um zu plündern. Die Transportfahrzeuge haben sie gleich mitgebracht; mit den Scheiben könnten sie fast die ganze ERRANTHE abtransportieren.«

»Sie werden sich die Köpfe einrennen!«, feixte Dano. »Auf mich machen sie nicht den Eindruck, als könnten sie unseren Schutzschirm durchdringen.« Er schaute verblüfft, als Gucky den Kopf schüttelte.

»Kein Schutzschirm, keine Gegenwehr!«, sagte der Ilt. »Wir lassen sie einfach gewähren.«

»Aber warum ...?«

»Sie sollen uns den Weg ins Planeteninnere zeigen! Wir müssen die Traummaschine finden.«

Es geschah zu Beginn aller Zeiten, dass der Erste Diener des Donners Gesetze erließ, die das Geschick der Valugi in eine zukunftsverheißende Bahn lenkten.

»Fortan sollen Häuser nicht mehr aus Stein, sondern nur aus biegsamem Holz gebaut werden, damit sie sich rasch auseinandernehmen und auf Wagen mühelos transportierten lassen«, sagte Trahdor, der Erste Diener des Donners. »Wer diesem Gebot zuwiderhandelt, der soll gefesselt in einer Höhle der giftigen Dämpfe abgelegt und dem Tod überlassen werden, den der Gott des Donners ihm zugedacht hat.«

Dies war das erste Gesetz. Die Valugi befolgten es, weil sie das Gesetz für weise hielten, und vor allem, weil sie Trahdor um seiner Weisheit und Weitsicht willen verehrten.

»Außerdem sollen jene, die Trepiden und Rensen züchten, von nun an besonderen Wert darauf legen, dass ihre Tiere sich durch Stärke und Schnelligkeit auszeichnen«, sagte Trahdor weiter. »Das Wohl des Volkes hängt davon ab, dass es sich in Gefahrenzeiten schnell an einen sicheren Ort begeben kann.

Die weisen Frauen und Männer, die sich auf die Zucht von Zugtieren verstehen, werden einen Rat bilden, der den erfolgreichsten Züchtern Preise zuspricht, auf dass sie für die Dauer des nächsten Umlaufs nicht den zehnten, sondern nur den zwölften Teil ihrer Habe und ihres Einkommens an Steuern entrichten.«

Auch dies war ein wichtiges Gebot, denn viele Züchter waren vor Jahren dazu übergegangen, Tiere nur für Rennzwecke und damit für den Zeitvertreib der Valugi zu produzieren. Um einen mit Hausrat beladenen Wagen zu ziehen, waren diese Trepiden und Rensen wenig geeignet.

»Von heute an soll es einen neuen Kalender geben, nach dem sich unser Leben richten wird«, sprach der Erste Diener des Donners weiter. »Wir werden nicht darauf warten, bis der Gott des Donners uns seinen Zorn spüren lässt, sondern wir wollen ihm zugestehen, dass er aufgrund unserer Unvollkommenheit zwar mit gutem Anlass zornig ist, uns ansonsten aber den Folgen seines Wütens künftig rechtzeitig entziehen. Der Gott des Donners hat es in unsere Bewusstseine gelegt, die Zeiten, zu denen er zornig wird, im Vorhinein zu wissen. Mithilfe dieser seiner Gnade werden wir uns an den ›Tagen des Gehorsams‹, die der neue Kalender enthält, von unseren Wohnorten fortbewegen und jeweils einen ungefährdeten Ort aufsuchen.«

Diejenigen, die genau zuhörten, erkannten, dass Trahdor ungeachtet seiner frommen Redeweise vorhatte, den Gott des Donners zu übervorteilen, und sie verehrten ihn dafür umso mehr. Zu ihrer Ehrfurcht trug bei, dass Trahdor bei seinem Amtsantritt den hochtrabenden Titel seiner Vorgänger, »Meister des Donners«, abgelegt hatte und sich stattdessen »Diener des Donners« nannte.

»Und schließlich sollen sich die, denen die Gabe des scharfen Denkens zu eigen ist, Mühe geben, ein besseres Rad zu entwickeln«, beendete Trahdor die Reihe seiner Gebote. »Die Reisen zwischen den Orten, an denen wir während eines Umlaufs unser Lager aufschlagen, müssen unbeschwerlicher und mit weniger Aufenthalten vonstattengehen. Wer glaubt, ein besseres Rad gefunden zu haben, der soll es mir vorführen. Ich werde das Rad prüfen und den Erfinder, so er ehrlichen Herzens ist, belohnen, auch wenn sein Rad keine Verbesserung bringt. So aber einer kommt, um sich unter dem Vorwand, ein besseres Rad gefunden zu haben, meine kostbare Zeit zu erschleichen, sollen ihm fünfzehn Hiebe auf den Rücken gegeben werden.«

Damit waren die neuen Gebote formuliert. Obwohl die valugischen Erfinder sich ob der Einschränkung bezüglich ehrlicher und unehrlicher Herzen voller Ungewissheit zwischen den Falten der Brust kratzten, fanden sich etliche, die schon kurz nach Trahdors Aufforderung an seinem Hof erschienen, um ihm ihre Erfindung vorzuführen.

Unter ihnen war einer, der sich Chroderson nannte und ein völlig neues Prinzip entwickelt hatte.

»Die Schwerfälligkeit unserer Räder, Herr, liegt nicht an den Rädern selbst, sondern daran, dass sie mit den Achsen fest verbunden sind und diese sich mit ihnen drehen müssen.«

»Wie sollte es sonst gehen?«, fragte Trahdor misstrauisch.

Chroderson ließ von seinen Helfern eine kräftige hölzerne Achse und zwei Scheibenräder herbeischaffen. Er zeigte Trahdor und seinem Gefolge eines der beiden Räder. Dieses enthielt als Nabe nicht das übliche mit Stutzen versehene Loch, sondern innerhalb des Loches einen Kranz, in dem zahlreiche rund geschliffene kleine Holzstücke ruhten. Ihre rötliche Farbe verriet, dass sie aus dem ungemein harten Holz des Beruda-Baums gefertigt waren.

»Diese Holzstücke, Herr, rollen rings um die Achse, während das Rad sich über ihnen hinwegdreht«, erklärte Chroderson. »Dadurch kann die Achse fest mit dem Wagen verbunden werden, ohne dass das Rad eine Behinderung erfährt.«

Eine Vorführung überzeugte den Ersten Diener des Donners nachhaltig. Chroderson ließ beide Räder auf die Achse montieren und sorgte mit Pflöcken, die an den Radnaben eingeschlagen wurden, dafür, dass sie nicht hinunterrutschen konnten. Dieses Gebilde rollte leichter, als man je eine Achse mit zwei Rädern sich hatte bewegen sehen.

Chrodersons Auge in seinem kleinen kugelförmigen Schädel leuchtete in den Farben der Begeisterung.

Die Landung auf dem Planeten, der den Namen Guckys Inn erhalten hatte, war die Folge einer langen Vorgeschichte.

Nach den Geschehnissen im Mata-Sektor hatte das terranische Fernraumschiff BASIS jene Koordinaten erreicht, die nach Pankha-Skrins Angaben den Standort der Materiequelle beschrieben. Allem Anschein nach gab es im Umfeld dieser Position nicht einen einzigen Stern, allerdings stellte sich bald heraus, dass der scheinbar leere Raumabschnitt eine undurchdringliche Barriere aufwies. Die BASIS wurde von ihr abgelenkt wie ein flach auf eine Wasserfläche geworfener Stein.

Mausbiber Gucky war nach einer Folge willkürlicher Teleportationen und vor allem in nicht mehr ganz nüchternem Zustand auf die andere Seite der Barriere gelangt. Später war es ihm auch gelungen, eine Korvette der BASIS durch das Hindernis hindurchzubringen. Die ERRANTHE stieß auf ein Sonnensystem, dessen fünfter Planet annähernd erdähnlichen Charakter aufwies: Guckys Inn, eine rätselhafte Welt.

Schon bald nach ihrer Landung wurden die Mitglieder der ERRANTHE-Expedition Opfer kollektiver Traumzustände, die lebensbedrohliche Ausmaße annahmen. Der Verdacht kam auf, dass die Träume von einer Maschine erzeugt würden und dass diese Maschine in einem der von Gucky entdeckten riesigen subplanetarischen Hohlräume stand.

Den Versuch, einen Weg ins Innere des Planeten zu finden und die tückische Maschine abzuschalten oder zu zerstören, hatte der unheimliche Gegner allem Anschein nach unterbunden, indem er seine Opfer in den Tiefschlaf versetzte.

Das fremde Wesen war deutlich größer als zwei Meter, und es stand auf zwei kurzen, stämmigen Beinen. Ein übergroßes Auge bedeckte fast die gesamte Vorderfläche des kugelförmigen Schädels.

Gucky kauerte zwischen zwei Speicheraggregaten und beobachtete den Ausstieg des Antigravschachts. Erst vor einigen Sekunden war der Fremde aus der Schachtöffnung gekommen. Er hatte sich, auf den Beinen und dem mittleren Armpaar gehend, einige Schritte weit in die Zentrale hineingewagt und sich dann erst aufgerichtet.

Seine Haut war schwarz, ebenso der unförmige Schutzanzug, dessen Helm geöffnet im Nacken hing. Aus der Nähe wirkte der »Kellner« noch massiger, ein Eindruck, den vor allem die tonnenförmig aufgewölbte Brustpartie hervorrief.

Dieses Wesen untersuchte einige Geräte in einer Art und Weise, die nicht eben ein Übermaß an Sachverstand verriet. Vor allem interessierte es sich für die schlafenden Besatzungsmitglieder. Nach dem vergeblichen Versuch, jemanden aufzuwecken, ging der Fremde zum Antigravschacht zurück und gab eine Reihe von Lauten von sich.

Gucky ließ seinen Translator aufzeichnen. Die Sprechöffnung des Kellners, stellte er interessiert fest, befand sich offenbar nicht im Schädel, sondern oberhalb der mächtigen Thoraxwölbung.

Mehr als ein Dutzend der Fremden kamen aus dem Schacht und wurden von dem Ersten offensichtlich eingewiesen. Sie fingen an, Geräte zu demontieren und alles lose Herumliegende aufzusammeln. In den angrenzenden Räumen machten sie sich bald ebenfalls zu schaffen, zumal immer mehr Kellner aus dem zentralen Antigravschacht hervorquollen.

Kein Zweifel, sie waren gekommen, um die ERRANTHE zu demontieren.

Der Ilt zog sich zurück. Hinter den Speicheraggregaten befand sich in Bodenhöhe die Öffnung eines Abluftstollens. Das Gitter war nur angelehnt. Gucky schob sich in den Stollen hinein und zog das Gitter hinter sich zu.

Unbehelligt gelangte er bis in die Nähe des Klimaaufbereiters. Der Sog war hier bereits beachtlich stark, und der Ilt musste sich wie in einem Sturm vorankämpfen, bis er in den nächsten Seitenstollen abbiegen konnte, an dessen Ende er das Belüftungssystem wieder verließ.

Er erreichte einen Lagerraum. Um zu Milder Danos Versteck zu gelangen, musste er den davor verlaufenden Korridor überqueren. Entschlossen ließ er das Schott aufgleiten ...

... eine mächtige schwarze Gestalt wuchs vor ihm auf.

Gucky hatte eine Begegnung mit den Fremden vermeiden wollen, aber nun blieb ihm keine Wahl. Er riss den Schocker hoch und drückte ab. Der Kellner brach mit einem glucksenden Geräusch zusammen.

Der Ilt hastete weiter. Das niedrige Schott, das zu Danos Versteck führte und lediglich für einfache Instandhaltungsroboter gedacht war, lag nur wenige Meter entfernt. Doch Gucky hatte plötzlich das eigenartige Empfinden, die Wände, der Boden und die Decke würden vor ihm zurückweichen. Er wurde zur Mikrobe inmitten eines expandierenden Universums. Obwohl er sofort losrannte, hatte er schon keinen Boden mehr unter den Füßen – und noch bevor er erkannte, dass er einer Halluzination zum Opfer gefallen war, verlor er das Bewusstsein.

Sein Aufwachen war mühsam. Er fühlte sich erschöpft und ausgelaugt, aber da war etwas, das ihn schüttelte und brummende Geräusche von sich gab.

»Lass mich doch ...«, ächzte der Ilt.

»Gott sei Dank, er wacht auf«, hörte er eine vertraute Stimme.

Gucky öffnete die Augen. Vor sich sah er Milder Dano, der ihn an den Schultern gepackt hielt und mit aller Kraft schüttelte. »Lass mich in Ruhe, Mensch!«, fuhr er den Astronomen an. »Mir wird übel!«

Dano strahlte breit. »Ich dachte schon, du seist eingeschlafen wie die andern.«

Der Ilt sah sich um. Der Astronom hatte allem Anschein nach das Versteck gewechselt. Gucky erinnerte sich an den eigenartigen Vorfall, kurz nachdem er den Kellner unschädlich gemacht hatte. »Wo hast du mich gefunden?«, fragte er.

»Ich hörte auf dem Gang ein Rumoren, also sah ich vorsichtig nach und fand dich und einen der Kellner bewusstlos auf dem Boden. Ich schleppte dich ins Versteck – gerade noch rechtzeitig, denn der Schwarze wurde schnell wieder munter. Er tappte wie suchend umher, dann ging er davon – wahrscheinlich, um Unterstützung zu holen. Deshalb zog ich um. Wir befinden uns jetzt in einer Flutkammer auf dem untersten Deck.«

Flutkammern waren die Zylindertanks, die beim Leerpumpen einer Schleuse die evakuierte Luft aufnahmen.

»Wie lange ist das her?«, erkundigte sich Gucky.

»Dreiundachtzig Minuten«, antwortete Dano gewohnt präzise.

»Und wie lange war der Kellner deiner Schätzung nach bewusstlos?«

»Höchstens zwei Minuten. Warum?«

»Ich verpasste ihm eine volle Schockerladung«, murmelte der Ilt und berichtete dem Astronomen von seinem Erlebnis.

»Hört sich bedrohlich an«, murmelte Dano. »Der Kellner hätte mindestens eine Stunde lang auf dem Kreuz liegen müssen. Stattdessen fällst du um, und er steht wieder auf.«

»Beinahe, als hätte er die Schockenergie auf mich reflektiert.« Gucky machte eine Geste, als wollte er das Thema beiseitewischen. »Was treiben die anderen?«

»Sie räumen das Schiff aus – und sie nehmen die Schlafenden mit.«

»Wir müssen sie daran hindern!«

»Nicht die geringste Aussicht, mein Freund.« Dano schüttelte den Kopf. »Vor allem ohne deine Psi-Kräfte? Es sei denn, du willst mit Geschützen gegen sie vorgehen. Aber selbst dann wüssten wir nicht sicher, was geschieht.«

»Wir dürfen sie nicht aus den Augen lassen und müssen wenigstens hinter ihnen her!«, beharrte der Mausbiber.

»Ein Gleiter steht bereit«, sagte Dano. »Ich habe Vorräte und Waffen an Bord gebracht. Allerdings erscheint es mir ratsam, dass wir die Schocker gegen Thermostrahler und Desintegratoren austauschen.«

Sie verließen die Flutkammer und standen gleich darauf in der unteren Polschleuse der ERRANTHE. Gucky spähte nach draußen und sah, dass sich der Zug der Kellner vor den Hütten formierte. Die schüsselförmigen Fahrzeuge waren voll beladen und setzten sich langsam in Bewegung.

»Ob sie jemanden zurückgelassen haben?«, murmelte der Ilt.

»Von unseren Leuten? Keinen Einzigen. Sie hatten alle unter dem Schiff abgelegt, bevor sie auf die Schüsseln verteilt wurden: einhundertundfünf Männer und Frauen.«

Der Gleiter, den Milder Dano vorbereitet hatte, stand neben zwei weiteren Flugmaschinen in einem kleinen Hangar über dem Äquatorwulst. Gucky nahm zur Kenntnis, dass die Kellner sich für die Bordfahrzeuge der ERRANTHE offenbar nicht interessiert hatten.

Milder Dano entfernte sich für wenige Minuten und kam mit zwei mittelschweren Strahlern zurück. »Ich hoffe, dass wir diese Waffen trotzdem nicht brauchen«, sagte er.

Der Ilt startete den Gleiter und verließ den Hangar.

Es regnete, die Wolken hingen tief. Der Zug der Kellner war schon im Dunst verschwunden. Gucky flog in die Richtung, in der die Fremden verschwunden waren. Er hielt die Maschine in geringer Höhe und nutzte jede Deckung aus.

Nach einer Viertelstunde tauchten aus den wehenden Regenschleiern schemenhaft die ersten Kellnergestalten auf. Sie achteten nicht darauf, was hinter ihnen vorging.

Dano hantierte an den Messgeräten des Gleiters. Er stellte fest, dass die Schüsselfahrzeuge elektromagnetische Störgeräusche erzeugten, die leicht registriert werden konnten. Damit erhielt Gucky die Möglichkeit, einige hundert Meter weit zurückzufallen, denn er war auf Sichtkontakt nicht mehr angewiesen.

Nach fünf Kilometern stand fest, dass die Kellner auf ein Tal südlich der Moräne zuhielten. Gucky kannte das Gelände von seinen Streifzügen während der Suche nach weiteren Feuerstellen.

»Von hier an drehen wir den Spieß um«, sagte er zu Dano. »Bis das Tal sich teilt, sind uns die Plünderer sicher. Wir müssen nur herausfinden, welche Abzweigung sie nehmen.«

Er zog den Gleiter in die Höhe und flog im Sichtschutz der Regenwolken über die Kolonne der Fremden hinweg nach Süden.

Es hatte aufgehört zu regnen. Zeitweise brach sogar die Sonne zwischen den Wolken hindurch und bemühte sich, den Boden zu trocknen.

Der Bergzug, der das Tal teilte, endete im Norden mit einer senkrecht abfallenden glatten Felswand. Die Abbruchkante wurde von Bäumen und niederem Buschwerk gesäumt; Gucky hatte den Gleiter davor gelandet. Nun saß er neben Dano nahe der Felskante und blickte in das Tal hinab, in dem sich der Zug der Kellner näherte. Immerhin dauerte es eineinhalb Stunden, bis die Spitze der Kolonne in Sicht kam.

»Merkwürdig«, murmelte Dano. »Sie sollten sich entweder rechts oder links halten, je nachdem, in welches Seitental sie wollen. Trotzdem marschieren sie in der Mitte.«

Der Ilt schob sich ein Stück weiter nach vorn. Tief unter ihm, am Fuß der Steilwand, lag viel Geröll, zum Teil sogar mächtige Felsblöcke. Fast hatte es den Anschein, als habe der Berg einst eine andere Form gehabt und die Wand sei erst durch eines der häufigen Beben entstanden.

»Kann sein, dass ihr Ziel näher liegt, als wir annehmen.« Gucky bewegte sich noch ein wenig weiter auf die Felskante zu.

»Denk dran, dass du momentan ein ganz normaler Mensch bist!«, warnte Dano. »Falls du abstürzt, ist es aus und vorbei mit dir.«

»Danke für das Kompliment, Mensch.« Gucky entblößte grinsend seinen Nagezahn.

In der nächsten Sekunde verlor er den Halt. Nur weil er sich instinktiv nach hinten warf, wurde Danos Befürchtung nicht Realität. Wo der Ilt eben noch gestanden hatte, löste sich ein breites Band vom Nordrand des Plateaus und stürzte samt Erdreich, Büschen und Bäumen donnernd in die Tiefe.

Der Fels ächzte unter der Last der anwachsenden Schwerkraft. Gucky und sein Begleiter hatten Mühe, sich überhaupt noch auf den Beinen zu halten, für sie wurde der Rückweg zum Gleiter ein Kampf um jeden Meter. Währenddessen brach die Vorderkante des Plateaus stückweise ab und rutschte krachend ins Tal. In einem Moment wieder verminderter Gravitation gelang es dem Ilt, den Rand des offenen Einstiegs zu fassen und sich hinaufzuziehen. Er wandte sich um und half Dano an Bord.

Schwerfällig bockend hob der Gleiter ab. Gucky zog ihn über den Plateaurand hinweg.

Dass Milder Dano angespannt in die Tiefe starrte, fiel ihm erst auf, als der Mann ungläubig aufschrie: »Schau dir das an! Die Kerle scheinen das Beben überhaupt nicht zu spüren; sie marschieren einfach weiter, und ... he – sie verschwinden in der Felswand!«

Als das Beben nach einer halben Stunde endete, war von den Kellnern und ihren Fahrzeugen keine Spur mehr.

Mehrmals umrundete der Ilt das Plateau, das nur noch zur Hälfte vorhanden war. Er überzeugte sich davon, dass keine Gefahr von nachstürzendem Felsgestein bestand, dann ließ er den Gleiter langsam absinken und landete inmitten des aufgeschütteten Gerölls am Fuß der Wand.

»Du bist sicher, dass sie durch die Felsen hindurch verschwunden sind?«, wollte Gucky wissen.

»Ganz sicher.«

»Die Burschen halten offenbar nichts davon, sich das Leben leicht zu machen. Inmitten dieser Lawine ... Sieh dir das an! Fällt dir etwas auf?« Der Ilt deutete auf einen niedrigen Wall Muttererde und Wurzelwerk, der sich der Länge nach über das Geröllfeld zog.

Dano betrachtete zunächst den Wall, dann schaute er zur Kante des Plateaus hinauf. »Was von da herunterkam, ist nur in einen begrenzten Bereich gefallen.«

»Und der Wall markiert die Grenze. Rechts davon wäre alles zerschmettert worden; links ist kein einziger Felsbrocken aufgeschlagen.«

Sie durchsuchten das Geröll und fanden ihre Vermutung bestätigt. Die Felsblöcke zur Linken des Walls waren schon vor langer Zeit herabgestürzt, zwischen ihnen fand sich kein einziger frischer Pflanzenrest.

»Das kann nicht mit natürlichen Dingen zugegangen sein«, sagte der Astronom. »Du hättest sehen sollen, wie sie mitten durch das Beben stapften, als merkten sie überhaupt nichts davon. Sie besitzen irgendeine Kraft, die sie schützt.«

Gucky deutete auf die Wand. »Nachdem wir wissen, welchen Weg sie genommen haben, sollten wir ihnen folgen.«

Die Valugi waren niemals ein großes Volk. Als ihre Zivilisation den Höhepunkt erreichte, zählten sie nur drei Millionen Seelen.

Ihr Lebensinhalt war, dem Zorn des Donnergotts zu entgehen. Mithilfe des Kalenders, den der Erste Diener des Donners ihnen gegeben hatte, wählten sie die Tage, an denen sie Rast machten und ihre Häuser aufschlugen, und die Tage, an denen sie weiterzogen, bevor der Gott des Donners den Boden erschütterte, Berge zerstörte und Risse durch ihre Welt zog. Ständig bewegten sie sich auf demselben Pfad rings um ihre Welt, und der Pfad war gesäumt von alten und noch älteren Lagerstätten früherer Generationen. Die Valugi hatten längst erkannt, dass ihre Welt kugelförmig war, denn nach jedem »Umlauf« kehrten sie zumindest in die Nähe ihres Ausgangsorts zurück.

Es war die Einunddreißigste Dienerin des Donners, Tarrulah, die mit einem eigenen Gesetz das Geschick der Valugi abermals in eine neue Bahn lenkte.

»Nachdem unsere Weisen gelernt haben, den Ablauf der Zeit an der Stellung der Gestirne zu ermitteln, und nachdem wir erfahren haben, dass unsere Welt regelmäßigen Jahreszeiten unterworfen ist, erlasse ich folgendes Gesetz:

Hinfort wird das Volk der Valugi jedes Mal, wenn es von einer seiner Lagerstätten aufbricht, einen neuen Weg einschlagen. Dieser Weg soll nicht nur nach Westen, sondern auch nach Norden und Süden und allen dazwischen liegenden Richtungen verlaufen, und sein Kurs soll jeweils von den Weisen nach ihrem besten Gutdünken festgelegt werden, auf dass die Valugi nicht von einem Ort, an dem der mäßige Zorn des Donnergottes droht, an einen solchen ziehen, an dem sie vom vollen Zorn getroffen werden.«

Mit anderen Worten: Die Weisen hatten den Zusammenhang zwischen Ort, Zeit und dem Zorn des Donnergotts herausgefunden und verstanden es, die gefährlichsten Kombinationen daraus zu meiden.

Infolge dieses Gesetzes drangen die Valugi in unbekannte Gebiete vor. Da sie allein ihre Welt bewohnten, brauchten sie weder Zeit noch Anstrengung für den Kampf mit anderen Völkern zu verschwenden und hatten Muße, die Welt zu erkunden und von ihr zu lernen.

Am Fuß eines Berges, weit im Süden der warmen Zone, fanden Sucher Stücke eines bisher unbekannten Metalls mit äußerst merkwürdigen Eigenschaften. Sie waren regelmäßig geformt und ähnelten den Bergkristallen, die in den Höhlen nördlicher Gebirge gefunden wurden. Hielt man zwei Metallkristalle mit den schmalen Enden gegeneinander, so zogen sie einander an oder stießen sich voneinander ab. Drehte man eines der Metallstücke um seine Querachse und wiederholte den Versuch, wurde auch die Wirkung umgekehrt.

Die Weisen stürzten sich mit großer Wissbegierde auf das neue Metall, und über ihren Forschungen vergingen Jahre. Die Einunddreißigste Dienerin des Donners war längst in die Höhle der Götter eingegangen, und ihr Nachfolger, der Zweiunddreißigste Diener des Donners, lenkte die Geschicke des valugischen Volkes, da ließ sich ein junger Valugi bei Chramron melden, dem Zweiunddreißigsten Diener. Der Valugi erklärte, er habe eine Maschine erfunden, die Metall schmelzen könne.

Eine Vorführung wurde anberaumt. Das Kernstück der Maschine war ein gewaltiger Metallkristall. Er stand auf einem schmalen Podest. Über ihm hing eine aus mehreren Windungen bestehende Spirale, die aus dem seit langer Zeit bekannten Kupfer gefertigt war. An beiden Enden verlief die Spirale zu dünneren, biegsamen Metallfäden, die zu einem Trog führten, in dem ein faustgroßes Stück Zinn lag. Die Metallfäden endeten auf der Oberfläche des Zinnblocks.

Der junge Erfinder schickte einige seiner Helfer unter den Dachfirst hinauf. Dort war eine Vorrichtung angebracht, mit der die Kupferspirale auf und ab bewegt werden konnte. Die Spirale senkte sich dabei über den Metallkristall, ohne ihn jedoch zu berühren.

Auf einen Befehl des jungen Valugi hin wurden die Helfer tätig. Die Spirale senkte und hob sich rhythmisch, und für geraume Zeit war unklar, was damit bezweckt werden sollte. Plötzlich aber schrie eine Frau in Chramrons Gefolge überrascht auf. Aller Blicke richteten sich auf den Trog mit dem Zinnklotz. Das Zinn glühte in schwachem Rot, während die Kräfte, die aus den Drahtenden quollen, seine innere Struktur zerstörten und es in eine Flüssigkeit verwandelten.

2.

Mit entelechischer Geduld ertrug Burnetto-Kup die seit Wochen andauernde Ereignislosigkeit an Bord der DROGERKOND. Es hatte Fehlschläge gegeben – Vorstöße ins Leere wie zuletzt, als sein Schiff den Ort einer gigantischen Explosion anflog, er dort aber nur eine halb erkaltete, sich langsam ausbreitende Gaswolke vorfand. Vergeblich alle Versuche, herauszufinden, was dort explodiert war. Er konnte nur vermuten, dass es sich um eine der Kosmischen Burgen gehandelt haben musste, die sich angeblich nahe der Materiequelle befanden.

Lediglich der Helk Nistor hätte vielleicht Licht in das Dunkel bringen können. Nistor war einer jener typisch loowerischen Roboter, die aus mehreren Segmenten bestanden und von denen jedes autark handeln konnte, sobald es die Situation erforderte. Aber Nistor verhielt sich schweigsam, und Burnetto-Kup hatte keinen Versuch unternommen, das zu ändern; es wäre ihm ohnehin nicht möglich gewesen.

Der Helk meldete sich nur dann, wenn es galt, einen neuen Kurs festzulegen.

Ihr Ziel war es, den ehrwürdigen Quellmeister Pankha-Skrin zu finden und ihm das geheimnisvolle Auge zu übergeben, das Nistor in sich trug. Dieses Auge wurde gebraucht, sobald der Vorstoß in den Bereich jenseits der Materiequellen beginnen sollte.

Für Burnetto-Kup, der sich fast ständig im Kommandostand der DROGERKOND aufhielt, schien dieser Tag wie so viele andere zu werden. Fast wünschte er sich die sechs aufsässigen Siganesen herbei, die auf Nistors Wunsch die Expedition begleiteten. Er hatte sich oft über sie geärgert – aber selbst dieser Ärger war der Monotonie des Tagesablaufs vorzuziehen.

Unvermittelt meldeten die Orter der DROGERKOND, dass sie am Rand ihrer Reichweite ein fremdes Objekt erfasst hatten.

Vavo Rassa gähnte ausgiebig und musterte dabei seine rechte Hand. »Mir wächst vor lauter Langeweile schon gelbe Haut zwischen den Fingern«, beklagte er sich.

Rassa, mit mehr als zehn Zentimetern Leibesgröße beinahe ein Gigant unter den Siganesen, war der unbestrittene Anführer des siganesischen Expeditionskorps auf der DROGERKOND. Der Helk Nistor hatte sich dunkel geäußert, er werde die Miniaturmenschen für seine Suche »im Kleinen« brauchen.

»Hör auf zu jammern«, mahnte Bagno Cavarett. Der Subschwingkreis-Kybernetiker hockte auf der Kante seiner Koje, der obersten in einem dreistöckigen Schlafgestell, und ließ die Beine baumeln. Er hatte einen kahl rasierten Schädel, weil er unter der ständigen Furcht lebte, es könne ein Haar in eines der empfindlichen positronischen Geräte fallen, mit denen er seine meiste Zeit verbrachte.

»Lass mich jammern!«, knurrte der »Bulle« Rassa. »Etwas anderes bleibt mir nicht mehr übrig.«

Niemand außer Cavarett hörte sein Klagen. Die anderen vier Siganesen schliefen.

»Ich schlage dir eine Wette vor«, sagte Rassa, da Bagno Cavarett auf seine letzte Äußerung nicht reagierte. »Ich wette, dass auch der Rest dieses unsäglichen Tages so unerträglich bleibt, wie er angefangen ...«

Weiter kam er nicht.

Dumpfe Glockenschläge hallten durch die DROGERKOND: Alarm.

Nistor, der Helk des Quellmeisters Pankha-Skrin, ruhte in einem eigens für ihn hergerichteten Hangar. Der Helk – ein Roboter nach terranischem Sprachgebrauch – war in integrierter Form eine siebzehn Meter lange und sechseinhalb Meter durchmessende Walze mit unregelmäßiger Oberfläche. Die Loower verbesserten ihre Helks, indem sie ihnen nach Bedarf Zusatzgeräte einbauten, was die Roboter mitunter nicht besonders regelmäßig wachsen ließ.

Vavo Rassa betrachtete den Helk als seinen einzigen loowerischen Freund. Das hing damit zusammen, dass Nistor die Regeln der entelechischen Logik vorübergehend ablegen und mit dem Siganesen Unterhaltungen führen konnte, wie dieser sie von seinesgleichen gewohnt war.

Wie immer machte Rassa es sich zwischen zwei Zusatzaggregaten des Helks bequem. Seinen Sprachverstärker hatte er abgeschaltet; die Akustikerfassung des großen Roboters war empfindlich genug, die Flüsterstimme des Siganesen auch ohne Verstärkung zu verstehen.

»Ich habe eben bei Burnetto-Kup vorbeigeschaut«, eröffnete Rassa. »Er hat etwas entdeckt und weiß nicht, was er davon halten soll. Warum hilfst du ihm nicht?«

»Deine Informationen sind nicht mehr aktuell«, antwortete Nistor. »Ich habe dem Kommandanten die nötigen Daten zugeleitet.«

»Und warum nicht auch mir? Ich wüsste ebenso gern, woran wir sind.«

»Du hättest im Kommandostand bleiben und alles Wichtige von Burnetto-Kup erfahren können.«

»Ja, hätte ich«, gab Rassa zu. »Aber du weißt, wie das so geht. Der Loower hat viel zu tun und will nicht gestört werden, und ich habe manchmal nicht die vornehmste Art ...«

»Ich weiß.« Es klang beinahe so, als schwänge in der Stimme des Roboters gutmütiger Spott mit. »Unsere Orter haben offenbar ein fremdes Raumfahrzeug erfasst, das mindestens um eine Größenordnung mächtiger ist als die DROGERKOND. Es bewegt sich unter konventionellem Antrieb auf erratischem Kurs ...«

»Wie meinst du das?«

»Der Fremde fliegt eine Zeit lang geradlinig, als nähere er sich einem bestimmten Ziel, doch letztlich weicht er aus, als würde er abgedrängt. Eine Analyse der Triebwerkstätigkeit ergibt, dass die Kursänderung nicht von dem Fahrzeug ausgeht, sondern ihm durch eine Anomalie des Weltraums aufgezwungen wird – durch eine Verspannung des Raum-Zeit-Gefüges, wenn du so möchtest.«

»Verstehe! Und wir können uns dem Fremden nicht so nähern, wie wir das gerne wollten, weil uns dieselbe Verspannung im Wege steht.«

»Das ist richtig«, gab der Helk zu.

»Dann sollten wir den Fremden einfach ignorieren und weiterfliegen.«

»Das wäre taktisch unklug, weil wir uns schon in Zielnähe befinden. Uns muss deshalb alles in diesem Raumsektor interessieren. Daher unterstütze ich ...« Nistor unterbrach sich mitten im Satz.

»Unterstützt du ... was?«, drängte der Siganese.

»Ende der Unterhaltung«, sagte der Helk abrupt.

Es geschah zum ersten Mal in der seit Jahrtausenden währenden Existenz des Helks Nistor, dass er einem Phänomen gegenüberstand, das seine gesamte Aufmerksamkeit erforderte. Er sah die Struktur des umgebenden Raumes in Form binärer Zahlenmuster und damit die vierdimensionale Krümmung des Raumgefüges, eine mächtige Kugel in der Weite des Nichts. Er sah zugleich die Umrisse zweier Fahrzeuge, der DROGERKOND und des fremden großen Raumschiffs. Sie bewegten sich entlang der Kugelaußenfläche und wurden abgelenkt, sobald sie in die Kugel vorzustoßen versuchten. Zwischen der DROGERKOND und dem Fremden befand sich ein Stück aufgewölbter Kugelwandung.

Nistor zweigte einen Bruchteil seiner Kapazität ab, um herauszufinden, welcher Mechanismus das Bild erzeugte und warum es ohne sein Zutun entstanden war.

Im Rahmen metalogischer Emotionalität reagierte der Helk sogar erstaunt, als er feststellte, dass sein Ladegut zu hektischer Aktivität erwacht war. Das Auge hatte mittels überlichtschneller Impulsströme Verbindung mit Nistors Zentrallogik aufgenommen. Dieser Kontakt war ohne die überwachenden Monitorkreise zustande gekommen, das Auge hatte sozusagen das Unterbewusstsein des Helks direkt angesprochen, und dadurch waren Sensoren aktiviert worden, die Nistor das Bild der vierdimensionalen Raumstruktur vermittelten. Die Binärmuster, die seine Kombinatorkreise etwas erkennen ließen, zu dem er eigentlich gar nicht fähig war, hatte das Auge für ihn aufbereitet.

Der Helk nahm zur Kenntnis, dass das Auge entweder über eigene Intelligenz verfügte oder von einem uralten Programm gelenkt wurde, das mindestens bis in die Zeit zurückreichte, als es noch zu Laire gehört hatte.

Nistor erkannte, dass die unerwartete Tätigkeit des geheimnisvollen Geräts mehr bezweckte als nur das Erkennen der Raum-Zeit-Verspannung. Da musste noch sehr viel Wichtigeres sein ...

Der Helk sah es.

Ein dünner, lichtloser, geradliniger Kanal führte durch die milchige Wandung der Kugel in deren Inneres. Der DROGERKOND wurde ein Weg gezeigt, auf dem sie weiter vorstoßen konnte.

In Wahrheit war Vavo Rassa keineswegs der eitle Geck, den er so gern spielte. Die Art, wie Nistor ihn abgefertigt hatte, bedrückte ihn nicht, weil er verstand, dass Wichtiges im Gang war.

Was vorging, würde er am ehesten im Kommandostand erfahren, also kehrte er auf dem kürzesten Weg dorthin zurück.

Die Szene, die er vorfand, wirkte angespannt. Die Loower verharrten mehr oder weniger reglos an ihren Arbeitsplätzen, der Helk hatte die Steuerung des Schiffes übernommen. Hin und wieder gab Nistor knappe Erläuterungen.

»Wir nähern uns jetzt der Mündung des Kanals ...«

Rassa erschrak, als er zum großen Hauptschirm aufsah. Die Sternenfülle ringsum war verschwunden, Schwärze breitete sich aus. Es erschien ihm, als stürze das Raumschiff der Loower in einen endlosen Abgrund.

Mithilfe seines Mikrotriebwerks schwebte er zu Burnetto-Kups Konsole. Der Kommandant beobachtete die Datenanzeige. Rassa, längst mit der loowerischen Symbolik vertraut, erkannte rasch, dass sich die DROGERKOND durch eine Zone ungewöhnlich starker Raumkrümmung bewegte – oder, was annähernd dasselbe sein musste, durch einen Bereich stark variierender Gravitationsfelder.

Eine Verspannung des Raum-Zeit-Gefüges, hatte der Helk erklärt. Zwei Schiffe, die sich hilflos an der Außenfläche der Verspannung entlangtasteten.

Rassa wurde klar, was geschah: Nistor hatte einen Durchschlupf gefunden, etwas wie ein Wurmloch. Die DROGERKOND befand sich auf dem Weg ins Innere des von der Verspannung umschlossenen Teiluniversums.

»Hüllfeldgenerator höchste Leistung«, meldete sich der Helk. »Schwerkraftgradient achtzehnhundert G-Einheiten pro Meter.«

Rassa hielt den Atem an. Ein Gradient dieser Größe bedeutete, dass sich die Schwerkraft auf Meterdistanz um das Tausendachthundertfache der Normschwerkraft veränderte. Selbst der kräftigste Terkonitstahlträger wäre innerhalb eines derart stark variierenden Feldes binnen Sekundenbruchteilen zerrissen oder zu einem formlosen Klumpen gestaucht worden.

»Gradient nimmt ab. Zwölfhundert Einheiten pro Meter – eintausend – achthundert ...«

Der Siganese atmete auf. Er schaute hinauf zur optischen Erfassung, und während die Loower ihre Aufmerksamkeit auf die Daten konzentrierten, erhaschte er den ersten Blick in das abgeschlossene Teiluniversum.

»Wir sind durch!«, schrie er aus Leibeskräften.

Ein wenig ratlos nahmen die Loower zur Kenntnis, dass sie sich nach dem Durchbruch durch die Raum-Zeit-Verspannung in unmittelbarer Nähe einer großen gelben Sonne mit elf Planeten befanden. Von den Umläufern waren acht riesige Wasserstoffwelten, nur der fünfte Planet wies erträgliche Bedingungen auf.

»Das Ziel, auf das wir zustreben, ist mir unbekannt«, meldete der Helk Nistor. »Die Umgebung muss eingehend analysiert werden.«

Inzwischen waren alle Siganesen im Kommandostand eingetroffen. Rassa verteilte seine Gefährten an die Datenanschlüsse der Analysestationen, er wollte jede Information sofort vorliegen haben. Untereinander verständigten sie sich über Minikom.

Das Interesse der Loower konzentrierte sich schnell auf den fünften Planeten. Er durchmaß mehr als einundzwanzigtausend Kilometer und war damit ungewöhnlich groß. Unter der Annahme, dass seine Dichte innerhalb des für Sauerstoffwelten charakteristischen Bereichs lag, wurde eine Oberflächenschwerkraft von rund 1,6 Gravos errechnet.

Mehrere in kurzen Abständen durchgeführte Messungen ergaben jedoch Werte, die von 0,7 bis 1,8 Gravos schwankten. Zweifel an der Zuverlässigkeit der Messergebnisse schwanden, als festgestellt wurde, dass von dem Planeten schwache Schwerkraftwellen ausgingen.

Die DROGERKOND näherte sich bis auf wenige tausend Kilometer. Von der Oberfläche des Planeten war unter der nahezu planetenweiten Wolkendecke nicht viel zu sehen. Infrarot- und Mikrowellen-Beobachtung enthüllten jedoch die Umrisse vier umfangreicher Landmassen. In Äquatornähe gingen die Charakteristika fester und flüssiger Oberflächen ineinander über und lieferten Grund für die Annahme, dass sich dort heiße Sumpfflächen ausdehnten.

Vavo Rassa verließ endlich die Nische, in der er die letzte Stunde verbracht hatte, und schwang sich auf die Konsole des Kommandanten.

»Was versprichst du dir von einer Landung?«, fragte er.

»Stör mich nicht!«, wehrte Burnetto-Kup ab. »Das Schwerkraftfeld des Planeten flattert. Ich habe Mühe, einen stabilen Orbit zu finden.«

»Kann das der Bordrechner nicht erledigen?«

Der Loower drehte seinen nierenförmigen Doppelkörper ein wenig. Der höckerförmige Wulst am oberen Ende des Rückgrats, dort, wo beide Körperhälften sich vereinten, fuhr zwei Stielaugen aus und richtete sie mit durchdringendem Blick auf den Siganesen.

»Ich sagte dir eben erst, du sollst mich nicht immer ...«

Burnetto-Kup hatte die letzten Worte leiser gesprochen, als ginge ihm der Atem aus. Rassa sah, wie seine Augen an Glanz verloren und stumpf wurden. Der Oberkörper des Kommandanten schwankte und sank vornüber. Rassa sprang in letzter Sekunde beiseite, sonst wäre er in den Falten des Organkranzes begraben worden.

Gleichzeitig meldete sich sein Minikom.

»Was ist mit den Loowern los?«, fragte Sirke Fogel aufgeregt. »Sie kippen alle um.«

Rassa überflog das Halbrund des Kommandostands mit einem raschen Blick. Die Raumfahrer waren in ihren Sesseln vornübergesunken und hatten entweder das Bewusstsein verloren oder schliefen.

Er spürte die Gefahr förmlich und inspizierte die Fahrtanzeigen. Die DROGERKOND hätte mit einem Längsachsen-Neigungswinkel von 45 Grad in den Orbit einschwenken sollen. Stattdessen lieferte die Anzeige einen Wert von 270 Grad. Das Schiff zeigte mit der Spitze des kegelförmigen Rumpfes senkrecht nach unten!

»Keine Panik!«, sagte Rassa. »Aber ich glaube, wir stürzen ab.«

Zur Zeit des Siebenundfünfzigsten Dieners des Donners erlebte die Kultur der Valugi eine Blüte. Sie unternahmen ihre Reisen von einer Wohnstätte zur nächsten längst nicht mehr mit von Tieren gezogenen Wagen, sondern an Bord großer Landschiffe, die auf Luftkissen über den Boden glitten und von elektrischen, zum Teil sogar schon von Nuklearmotoren angetrieben wurden. Jedes Schiff bot Platz für eine Familie und ihren Hausrat, denn die Familie war nach wie vor der Kern der Gesellschaft.

In jenen Tagen hatte man längst gelernt, die Zornausbrüche des Donnergotts, die nun mit dem prosaischen Namen »Donnerbeben« bezeichnet wurden, auf die Stunde genau vorherzusagen. Trahdors Kalender war im Lauf der Generationen wesentlich verbessert worden.

Die schönen Künste erlebten eine ungeahnte Blüte. Dies waren die Tage der Dichter Gnesador, Yrtwain und Aischerbroth, deren Dramen in den Theatern gespielt wurden, und der Sängerin Iwailuq, deren Lieder die Zuhörer in tiefe Trauer oder in den Taumel der Begeisterung versetzten – je nachdem, wie Iwailuq es wollte.

Dies war aber auch die Zeit, in der die valugischen Wissenschaftler ihre Augen zu den Sternen erhoben und sich fragten, wie es möglich sein werde, die Nachbarplaneten zu besuchen. Karailtor, der Siebenundfünfzigste Diener, unterstützte diese Bemühungen und richtete eine eigene Schatulle ein, aus der er die Forschungen der Wissenschaftler finanzierte.

Karailtor galt als der weiseste und gütigste Herrscher, der je auf dem Thron des Dieners gesessen hatte. Daher herrschte nach seinem Tod tiefe Trauer, und die Valugi waren fest überzeugt, nun müsse eine Zeit des Unheils anbrechen. In der Tat entstand zunächst Streit um Karailtors Nachfolge, denn sein Testament enthielt keinen Hinweis auf einen möglichen Thronfolger. Ein Rat wurde gebildet, der sich für einen der fünf Bewerber zu entscheiden hatte. Der Rat stimmte für Beriwannik, eine schöne, junge, aber schwache Frau, und tatsächlich hatte Beriwannik Schwierigkeiten, ihren Willen durchzusetzen. Das Volk zerfiel in Fraktionen und politische Splittergruppen. Unzufriedenheit kehrte ein, und Iwailuq, die schon ein hohes Alter erreicht hatte, sang Balladen, in denen sie das Zeitalter Karailtors verherrlichte.

Eines Tages geschah das Unerwartete. Obwohl der Kalender das nächste Donnerbeben erst in fünf Tagen erwartete, wurde das weit ausgedehnte Lager der Valugi von einer Serie schwerer Erschütterungen heimgesucht, die zahllose Häuser zerstörten und Tausende Leben auslöschten. Kaum war das Entsetzliche geschehen, da meldete sich am Hofe der Achtundfünfzigsten Dienerin ein Valugi, der gekommen war, um Beriwannik eine wichtige Botschaft zu überbringen.

Als der Valugi vorgelassen wurde, erging es ihm zunächst wie jedem anderen Mann: Die Schönheit der jungen Dienerin erschütterte ihn derart, dass er minutenlang kein Wort hervorbrachte. Erst als Beriwannik ihm freundlich zuredete, konnte er seine Botschaft übermitteln.

»Gestern, Herrin, als das Unglück über das Lager hereinbrach, stand ich draußen im Feld und gewahrte ein riesiges, lichtschimmerndes Gebilde, das sich aus dem Himmel herabsenkte und nicht weit von meinem Haus entfernt aufsetzte.

Nachdem ich meine Furcht überwunden hatte, eilte ich dorthin, wo das schimmernde Fahrzeug gelandet war. Es sah auch aus der Nähe so aus, als bestünde es nur aus Licht – und es war viel größer als selbst dein Palast!

Nach einer Weile entstand eine Öffnung in der Wand aus Licht. Eine Gestalt kam zum Vorschein – größer als jeder Valugi und fremdartig. Der Fremde beherrschte unsere Sprache und sagte zu mir: ›Geh zu deiner Herrin und sag ihr, dass die Zeit der Unsicherheit, die Zeit des Streits und des Haders, vorüber ist. Sag ihr, es sei einer gekommen, der dem Volk der Valugi zu neuer Größe verhelfen will. Mach dich sofort auf den Weg und richte diese Botschaft aus. Denn übermorgen will ich selbst deine Herrin aufsuchen, und sie soll darauf vorbereitet sein.‹«

Angespannt hatte Beriwannik dem Boten gelauscht. »Und du? Was sagtest du?«, brach es aus ihr hervor.

»Ich zitterte, Herrin. Aber dennoch fragte ich ihn: ›Wer bist du?‹«

»Und was antwortete er darauf?«

3.

Sie brauchten zwei Stunden, um den Öffnungsmechanismus zu finden – ein kleines Gehäuse am Fuß der Felswand, das ihnen nur deshalb mehrmals entgangen war, weil es sich im Innern eines Steinbrockens befand.

Vor ihnen öffnete sich die Felswand zu einem gut acht Meter hohen und noch ein wenig breiteren Stollen. Großflächige Leuchtplatten an der Decke sorgten für Helligkeit.

»Worauf wartest du?«, drängte Milder Dano, als Gucky zögerte.

»Ich habe das unangenehme Gefühl, dass sich die Öffnung hinter uns schließen wird, sobald wir drinnen sind. Und ich frage mich, ob wir die Sonne danach wiedersehen werden.«

»Ich verstehe das.« Dano nickte knapp. »Aber da drinnen sind Perry Rhodan und Atlan, und irgendwo vor uns ist wohl auch die Traummaschine, die das Unheil angerichtet hat. Haben wir überhaupt eine Wahl?«

Gucky warf dem grauhaarigen Astronomen einen verwunderten Blick zu. »Du hast eine unnachahmliche Art, die Dinge ins rechte Licht zu setzen. Natürlich bleibt uns keine Wahl.«

Da die Kellner Fahrzeuge mit sich führten und der Stollen offenbar weit genug war, schlug Dano vor, den Gleiter mitzunehmen. Der Ilt war hingegen der Ansicht, dass das Fahrzeug leicht zu orten sein würde, dass es aber außerhalb des Felsens eine deutliche Markierung sein könne, falls es der BASIS noch gelang, die Barriere zu durchdringen. Guckys Argumente gaben den Ausschlag.

Sie stopften sich die Taschen voll mit Proviant und Ausrüstung und machten sich auf den Weg. Hinter ihnen schloss sich das als Felswand getarnte Tor.

Der Stollen verlief zunächst eben, führte bald jedoch sanft abwärts. Dano und der Ilt schritten fast zwei Stunden lang kräftig aus. Von den Kellnern, die vor ihnen diesen Weg genommen hatten, entdeckten sie keine Spur.

Das Ende des Stollens bildete ein kreisrunder, senkrecht in die Tiefe führender Schacht. Er durchmaß an die zwölf Meter und verfügte über zwei schiebebühnenähnliche Vorrichtungen, mit denen schwere Lasten bis zur Schachtmitte befördert und dort abgekippt werden konnten. Dano warf einen kleinen Gegenstand in die Tiefe. Das Versuchsobjekt sank langsam abwärts, in dem Schacht herrschte also ein künstliches Schwerefeld.

Ohne brauchbaren Anhaltspunkt schätzte Gucky die Tiefe auf mehrere hundert Meter bis mehrere Kilometer. Ebenso wie Dano prüfte er den Antigrav und das Feldtriebwerk seiner Montur, dann sprangen sie beide in die weite, hell erleuchtete Öffnung.

Über mehrere hundert Meter sanken sie nur langsam tiefer, danach nahm die Fallbeschleunigung deutlich zu. Nach Guckys Schätzung wurden sie schließlich gut einhundert Kilometer pro Stunde schnell. Er blickte besorgt in die Tiefe.

Etliche Kilometer mochten sie inzwischen überwunden haben, aber noch war kein Ende des Schachtes zu erkennen.

Dano verfolgte die Anzeige seines Armbandthermometers. Bislang gab es nur eine Temperaturerhöhung um zwei Grad Celsius. Die Vermutung, dass Guckys Inn anders aufgebaut sei als normale Planeten, erschien umso plausibler.

Mehrere Stunden vergingen, aber es war immer dasselbe Bild: Großflächige Leuchtplatten glitten heran, huschten vorbei und blieben hinter den beiden Eindringlingen zurück. Gucky schloss mitunter minutenlang die Augen, um diesem Albtraum wenigstens für kurze Zeit zu entgehen.

Manchmal erschien es ihm schon, als falle er nicht mehr, sondern bewege sich mit großer Geschwindigkeit aufwärts, und seine Vorstellungskraft hatte keine Mühe, die Illusion zu akzeptieren.

Wie lange noch ...? Gucky reagierte irritiert auf das undeutliche Gefühl eines sanften Drucks.

»Vorsicht!«, hörte er Dano rufen. »Ich glaube, da kommt was!«

Der Druck wurde deutlicher, der Fall wurde gebremst. Die Leuchtplatten in den Wänden kamen mit einem Mal sehr viel langsamer entgegen. Statt der konturlosen Lichtfülle des ewig tiefen Schachtes erblickte der Ilt eine in orangefarbenes Licht getauchte Plattform. Er hielt die Hand am Regler seines Feldtriebwerks – das Antigravfeld des Schachtes machte jedoch keinen Unterschied zwischen Befugten und Unbefugten. Gucky und Milder Dano wurden sanft abgesetzt.

Der breite Schachtausgang erlaubte den Blick auf eine riesige, leicht geneigte Felsplatte. Sie war glatt wie erstarrter Schmelzfluss und schien sich von einem Ende der Welt bis zum anderen auszudehnen. Und nirgendwo gab es den geringsten Anhaltspunkt, in welcher Richtung sich die Kellner bewegt haben mochten.

Den Kopf in den Nacken gelegt, folgte Dano dem Verlauf der Decke mit den Augen.

»Das ist eine natürliche, durch Gesteinsverschiebung entstandene Höhle«, behauptete er. »Zwei Felsschichten haben sich entlang dieser Naht voneinander gelöst und die Fläche entstehen lassen.«

»Stabil, meinst du?«, fragte der Ilt.

Dano deutete zu den über die Deckenfelsen verteilten Leuchtplatten. »Stabil genug für den, der sich hier unten eingenistet hat.«

Gucky nickte zögernd. Er glaubte, in der Ferne einen Lichtstreifen zu sehen, der intensiver zu sein schien als die Lampen. Die Helligkeit verlief quer und verlor sich seitlich in verwaschener Undeutlichkeit. Es sah aus, als öffne sich dort die gewaltige Höhle.

»Also wissen wir wenigstens, in welche Richtung wir gehen müssen«, sagte Dano verblüffend heiter.

Der Ilt wandte sich um und musterte die nähere Umgebung. »Wir sollten unseren Weg markieren. In diesem Gelände könnten wir tagelang umherirren, ohne den Schacht wiederzufinden.«

Milder Dano grinste jetzt. »Ich erwarte, dass sich hier unten umwälzende Dinge tun werden. Danach brauchen wir den Schacht hoffentlich nicht mehr, um an die Oberfläche zu gelangen.«

Wie riesig die Höhle war, erkannten sie, als sie zwei Stunden marschiert waren, ohne dass der ferne Lichtstreif größer geworden wäre. Milder Dano war müde und erschöpft, und auch Gucky hielt eine Pause für angebracht.

Sie ruhten eine halbe Stunde und aßen eine knappe Ration Konzentratproviant. Der Ilt bedauerte bereits seine Entscheidung, den Gleiter an der Oberfläche zurückzulassen.

Aber selbst die mächtigste Felsfläche hat irgendwann ein Ende. Nachdem die beiden wieder aufgebrochen und geraume Zeit weitergegangen waren, rückte der helle Streifen endlich mit jedem Schritt näher. Er weitete sich, und noch lange bevor sie den Rand der Ebene erreichten, wurde ihnen klar, dass sie ein atemberaubender Anblick erwartete.

Staunend und stumm standen sie schließlich da, und vor ihnen fiel der Fels in eine lichterfüllte bodenlose Tiefe ab. Sie fühlten sich winzig am Rand des gigantischen Hohlraums, in dem sich ihre Blicke verloren. Über ihnen wölbte sich eine viele Kilometer durchmessende ebenmäßig geformte Felsenkuppel. Im Zenit schwebte ein Gebilde, dessen Lichtfülle der Sonne nicht nachstand. Die Kuppel bildete das obere Ende eines kilometerweiten Schachtes, von dem man sich unschwer vorstellen konnte, dass er bis zum Mittelpunkt des Planeten reichte.

Der Ilt schaute über den Abgrund hinweg zur jenseitigen Felswand. Das war gewachsenes Gestein, von Rissen, Spalten und Adern andersartiger Substanzen durchzogen, und hier und da durchzog kristallines Mineral den Fels und funkelte im Widerschein der künstlichen Sonne.

Der Ilt legte sich auf den Boden und spähte über die Felskante hinweg in die Tiefe. Weit unten sah er mehrere intensive Lichtpunkte, die er für Sonnenlampen ähnlich der im Zenit hielt. Überhaupt fiel es ihm schwer, die Entfernungen und Größenverhältnisse abzuschätzen.

Sein Blick folgte dem Verlauf der Kante. Die Felsebene, über die Dano und er gekommen waren, mit der vierzig Meter hohen Decke, bildete einen breiten Spalt in der Schachtwand. Der Spalt verlief mit einer schwachen Abwärtsneigung, er zog sich die Wand entlang und führte zur Hälfte um den Schacht herum, bevor er verschwand. Gucky sah das Ende, vielleicht eineinhalb Kilometer tiefer, auf der gegenüberliegenden Seite.

»Da entlang führt unser Weg, mein Freund«, sagte der Ilt, nachdem er sich wieder aufgerichtet hatte, und zeigte auf den Verlauf des Spalts. »Die Kellner können nur diesen Weg genommen haben. Ich schlage vor, wir gehen die Hälfte der Strecke, dann legen wir uns hin und gönnen uns einen Raumhelm voll Schlaf.«

»Wenigstens geht's bergab«, brummte Dano.

Der Boden war glatt, als hätten Millionen Füße alle Unebenheiten des Felsens abgeschliffen. Nach etwa zehn Kilometern hatten Dano und der Ilt den Schacht zu einem Viertel umrundet. Wenn sie an der Felswand in die Höhe blickten, sahen sie den Weg, den sie gekommen waren. Die beiden redeten kaum noch, und als Gucky sich von der Kante zurückzog und eine flache Vertiefung als Ruheplatz bestimmte, ließ Milder Dano sich einfach auf den Stein sinken.

Der Astronom erwachte erst nach etlichen traumlosen Stunden. Gucky war nirgendwo zu sehen. Dano rief nach ihm, erhielt jedoch keine Antwort. Das beunruhigte ihn nicht sonderlich, da seine Stimme kaum sehr weit trug. Er zerbrach einen Konzentratriegel und schob sich ein Stück in den Mund.

Dano kaute noch, als Gucky zurückkam und sich neben ihn setzte. Der Ilt wirkte nachdenklich.

»Ich habe mich dahinten ein wenig umgesehen«, sagte er nach einer Weile. »Dort ist eine Feuerstelle. Damit ist Atlans Theorie, dass es sich um Abfälle handelt, die von Raumfahrern zurückgelassen wurden, endgültig erledigt. Die Feuerstellen stammen nicht von Fremden, sondern von Eingeborenen.«

»... den Kellnern?«

»Von wem sonst? Im Gegensatz zu der Feuerstelle, die ich im Wald fand, wimmelt es dahinten aber von Robotbauteilen. Sieht beinahe so aus, als hätte hier jemand eine Roboterwerkstatt unterhalten.«

»Was schließt du daraus?«

»Nichts anderes als bisher. Die Kellner haben zunächst aus eigener Kraft eine Zivilisation mit bedeutender Technologie entwickelt, und irgendwann erfolgte ein Eingriff von außen. Dieser Kontakt brachte sie einen gewaltigen Schritt vorwärts. Sie verstanden es plötzlich, Roboter zu bauen, und ihre Kenntnis der künstlichen Schwerkraft rührt wahrscheinlich auch von jenem Eingriff her.«

»Das ist eine hübsche Theorie.« Dano nickte gemächlich. »Aber was findest du daran so aufregend?«

»Du musst den größeren Zusammenhang sehen, Milder. Wo sind wir hier denn? Im Innern einer Raum-Zeit-Verspannung in einem Bereich des Universums, in dem es eine Materiequelle gibt. Wir zweifeln nicht daran, dass die Verspannung künstlichen Ursprungs ist; sie wurde als Versteck angelegt, das nur von Befugten betreten werden darf.« Gucky wartete auf eine Bemerkung, die nicht kam, und fuhr ruhig fort: »Solche Manipulationen der Urkräfte des Kosmos sind typisch für die Handlungsweise der ehemaligen Mächtigen. Von den Mächtigen wissen wir indes, dass sie nicht mehr am Leben sind. Nur in einem Fall ist dies fraglich.«

»Kemoauc!« Dano staunte. »Du glaubst, Kemoauc hätte in die Entwicklung der Kellner eingegriffen?«

»Mit dem Gedanken spiele ich in der Tat«, sagte der Ilt.

Er stand auf. Milder Dano kam ebenfalls mit einiger Mühe wieder auf die Beine.

Neun Kilometer waren es noch bis zum Ende des Spalts, eine Strecke von knapp zwei Stunden.

Sie hatten drei Viertel des Weges schon hinter sich, als Milder Dano das seltsame Fahrzeug bemerkte. Es kam von der Felswand zur Rechten, hatte die übliche Schüsselform und zog in großer Entfernung an den beiden Beobachtern vorbei. Sein Ziel war das Ende des Spaltes, es verschwand darin, ohne die Geschwindigkeit zu verringern.

»Also weiter!«, drängte der Astronom. »Ich will endlich wissen, was hier los ist!«

Als die Valugi weitergezogen waren und ihre nächste Wohnstätte tief im Süden erreicht hatten, am Rand der Sümpfe, bauten sie für den Erschütterer des Universums einen prächtigen Palast, größer und schöner als der Palast der Achtundfünfzigsten Dienerin des Donners. Und sie ließen den Erschütterer wissen, dass er willkommen war und sie ihn als Gast betrachteten.

Das leuchtende Schiff des Erschütterers schwebte über den Sumpf heran und erfüllte den Tag mit Helligkeit, als stünden plötzlich zwei Sonnen am Himmel. Die Valugi hatten den Palast wohlweislich weit außerhalb ihrer Stadt angelegt, weil sie meinten, dass der mächtige Gast womöglich nicht in ihrer unmittelbaren Nähe wohnen wolle, aber mehr noch, weil sie ihn fürchteten.

Am nächsten Tag machte der Mächtige der Dienerin des Donners seine Aufwartung. Die Valugi sahen ihn von Weitem, eine gigantische Gestalt mit fremdartiger Körperform, ein gewaltiges Haupt, von dem langes Haar wallte, zwei durchdringende kleine Augen, in denen dennoch das Feuer der Weisheit glühte.

Jene, die zum Hofstaat der Dienerin gehörten, wussten später zu berichten, dass er die Sprache der Valugi wie einer von ihnen beherrschte. Aber sie vermochten nicht zu sagen, worum es bei dem Gespräch gegangen war – und das behielt die schöne Beriwannik zunächst für sich. Denn der Besitz des Geheimnisses verlieh ihr eine ungeahnte Stärke. Selbst ihre ärgsten Feinde begegneten ihr von nun an mit Achtung, sogar mit Ehrfurcht. Sie verhandelte mit einer Macht, die von den Sternen gekommen war. Und wenn man den knappen und nicht besonders ausführlichen Bemerkungen glauben durfte, die ihr in Augenblicken der Aufregung oder der Freude entfuhren, dann stand den Valugi aufgrund dieser Verhandlungen ein Goldenes Zeitalter bevor.

Das hatte der Erschütterer des Universums während jener ersten Begegnung zu Beriwannik gesagt: »Man nennt mich den Erschütterer des Universums, weil mir Mächte zur Verfügung stehen, mit denen ich an den Grundfesten des Kosmos rütteln kann. Du sollst mich jedoch Freund nennen. Ich bin seit Jahrtausenden auf der Suche nach einer Welt wie der euren. Nun habe ich sie gefunden, aber sie ist bewohnt von einem freundlichen und intelligenten Volk mit hoher Kultur. Ich kann nicht weitere Jahrtausende damit verbringen, nach einer anderen Welt zu suchen, die für meine Zwecke ebenso geeignet ist. Deshalb stehe ich als Bittender vor dir, meine Freundin. Ich bitte um die Hilfe des stolzen Volkes der Valugi, und ich muss dir erklären, dass die Valugi, sobald sie mir helfen, einschneidende Änderungen ihres Lebenswandels erfahren werden. Sie müssen Gewohntes aufgeben und sich mit Ungewohntem abfinden. Sie müssen alte Werte als nichtig betrachten und sich neue Werte zum Maßstab setzen. Sie müssen die Götter vergessen und anerkennen, dass es von nun an nur noch eine Autorität gibt: die des Abkommens, das wir miteinander treffen.

Wenn ihr mir Hilfe gewährt, verspreche ich euch Reichtum, Fortschritt und eine Sorglosigkeit des Lebens, wie ihr sie nie zuvor gekannt habt. Meine Technik ist der euren um tausend Generationen voraus. Was ihr davon braucht, will ich euch geben, wenn ihr meine Bitte erfüllt.«

Beriwannik hatte den hohen Gast ehrfürchtig empfangen. Nun empfand sie keine Scheu mehr vor ihm, und als er zugab, dass er die Hilfe der Valugi brauche, da sah sie mit weiblicher Geschäftstüchtigkeit ihre Chance, den größten Handel aller Zeiten zu tätigen.

»Welche Art Hilfe brauchst du, mein Freund?«, fragte sie ihren Gast.

»Kennt ihr die Ursache der Beben, die diesen Planeten in unregelmäßigen Abständen erschüttern?«

»Unsere Wissenschaftler haben eine Theorie aufgestellt, wonach unsere Welt zum größten Teil hohl ist. In dieser Höhlung befindet sich eine Menge losen Gesteins, das unter gewissen Umständen in Bewegung gerät. Daher kommen die Erschütterungen.«

»Ich muss deine Wissenschaftler loben«, antwortete der Erschütterer und lächelte, was dadurch zum Ausdruck kam, dass seine Augen noch heller strahlten als zuvor. »Sie haben eine Komponente des Phänomens klar erkannt. Aber die wirkliche Ursache des Problems ist die Sonne. Sie ist der Sitz von Kräften, über deren Natur ich deinen Wissenschaftlern gern berichten will. Diese Sonnenkräfte verursachen die Beben.«

»Du hast noch nicht gesagt, mein Freund, wofür du unsere Hilfe brauchst«, erinnerte ihn Beriwannik.