Perry Rhodan 143: Ordoban (Silberband) - Kurt Mahr - E-Book

Perry Rhodan 143: Ordoban (Silberband) E-Book

Kurt Mahr

5,0

Beschreibung

Es ist eine Geschichte von gigantischer Bedeutung, und sie beginnt vor Äonen in einer weit entfernten Spiralgalaxis: Der erfolgreiche Heerführer Ordoban lässt ein technisches Gebilde erbauen, in dem er sich verewigen möchte. Nach Jahrtausenden der Entwicklung wird er zum Kommandanten einer gigantischen Wachflotte ernannt, die ein kosmisches Objekt beschützen soll.   Seine neuen Auftraggeber sind die Kosmokraten, uralte Wesen von unfassbarer Macht, die in weiten Teilen des Universums wirken. Doch sie haben auch mächtige Feinde – und als diese angreifen, wird das Objekt entführt. Aus Ordobans Wachflotte wird die Endlose Armada, die seitdem das Universum durchstreift.   Als Perry Rhodan mit seinen Gefährten auf die Armada trifft, erkennt er rasch, dass er die Kontrolle über sie gewinnen muss. Nur so kann er eine Katastrophe in der Milchstraße verhindern – denn dort sollen bald die geheimnisvollen Chronofossilien aktiviert werden ...

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Nr. 143

Ordoban

Cover

Klappentext

Vergangenheit

Kapitel 1-10

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

Kapitel 11-20

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

19.

20.

Kapitel 21-30

21.

22.

23.

24.

25.

26.

27.

28.

29.

30.

Kapitel 31-35

31.

32.

33.

34.

35.

Nachwort

Zeittafel

Impressum

Es ist eine Geschichte von gigantischer Bedeutung, und sie beginnt vor Äonen in einer weit entfernten Spiralgalaxis: Der erfolgreiche Heerführer Ordoban lässt ein technisches Gebilde erbauen, in dem er sich verewigen möchte. Nach Jahrtausenden der Entwicklung wird er zum Kommandanten einer gigantischen Wachflotte ernannt, die ein kosmisches Objekt beschützen soll.

Seine neuen Auftraggeber sind die Kosmokraten, uralte Wesen von unfassbarer Macht, die in weiten Teilen des Universums wirken. Doch sie haben auch mächtige Feinde – und als diese angreifen, wird das Objekt entführt. Aus Ordobans Wachflotte wird die Endlose Armada, die seitdem das Universum durchstreift.

Vergangenheit

Vor Jahrtausenden hatte es begonnen. Drei raumfahrende Völker im zentrumsnahen Ashshatu-Arm der riesigen Spiralgalaxis Behaynien waren der blutigen Streitereien müde geworden und hatten ein Bündnis geschlossen. Dem Zwang enthoben, einen großen Teil des Volksaufkommens für Kriegskosten zu verschwenden, nahmen die drei Zivilisationen einen erstaunlichen Aufschwung. Sie erforschten Behayniens Weite und nahmen Kontakt zu anderen Sternenvölkern auf.

Der Bund der Drei mit seiner blühenden Kultur entwickelte sich zum zivilisatorischen Zentrum für immer mehr Völker. Einige hatten selbst schon eigene Sternenreiche aufgebaut, als sie in den Sog des Bundes gerieten. Andere, die erst seit wenigen Jahrhunderten die interstellare Raumfahrt beherrschten, waren froh, dass sie als annähernd gleichberechtigtes Mitglied aufgenommen und nicht unterdrückt wurden.

So entstand das Imperium von Nor-Gamaner aus siebzehn hauptsächlichen und 146 nachgeordneten Zivilisationen. Die beteiligten Völker sahen es als ihre Aufgabe, die Galaxis Behaynien bis hinaus in die materiearme Weite des Halos zu erforschen und Frieden zu verbreiten.

Im Jahr 12.370 Malkatu war dieses Ziel weitgehend erreicht. Lediglich eine Gruppe von Kugelsternhaufen, deren Mittelpunkt mehr als eine halbe Million Lichtjahre von Behayniens Zentrum entfernt lag, widersetzte sich der Befriedung. Das Imperium nannte diese Zone Nagu Nakira, die Peripherie, und der Name war gleichbedeutend mit Blut und Tränen, Grausamkeit und Hinterlist. Über der Nagu Nakira schien Zaara, die Göttin des Zorns, die Schale ihrer seelenvergiftenden Gaben mit besonderem Eifer entleert zu haben. Die Völker der Peripherie sahen im steten Kampf ihren einzigen Daseinszweck. Selbst die erfahrensten Xenopsychologen des Imperiums fanden nicht heraus, warum es den Bewohnern von Nagu Nakira unmöglich war, die Vorteile friedlichen Zusammenlebens zu erkennen.

Unter den siebzehn hauptsächlichen Zivilisationen galt die der Saddreykaren als die älteste und angesehenste. Saddreykarisch war deshalb die erste Amtssprache des Imperiums. »Nor-Gamaner«, ein Wort aus dieser Sprache, bedeutete so viel wie »das Heer der fortschrittlichen Friedliebenden«. Der Konsensus der Völker, das Parlament des Imperiums, hatte seinen ständigen Sitz in Tatmu-Sharrata, der bedeutendsten Stadt des Planeten Saddreykar.

1.

Es war ein trauriger Zug, der sich durch die äußeren Zonen des Sternhaufens Nammuratu 38 schob und Kurs auf die Wurzel des Ashshatu-Arms nahm. Eine marode Sammlung halbwracker Raumschiffe, von denen die Hälfte auf der Strecke bleiben würde.

Der letzte Kampf des alten Recken, dessen Name schon Legende war, hatte mit einer fürchterlichen Niederlage geendet. Von den stolzen 16.000 Einheiten der XXV. Saddreykarischen Flotte waren nur knapp 1200 Schiffe übrig und jedes irgendwie beschädigt. Die Kampfkraft der Titalla, der Feuerwesen, war bei Weitem unterschätzt worden. Die XXV. Flotte war in eine Falle geraten, und nur der Schläue und Erfahrung des Feldherrn war es zuzuschreiben, dass der Gegner sie nicht vollends aufgerieben hatte. Desselben Feldherrn freilich, der alle Warnungen seiner Ratgeber in den Wind geschlagen hatte.

Er hatte für diese Sturheit gebüßt, war von einer Explosion auf der Brücke des Flaggschiffs lebensgefährlich verwundet worden. Trotzdem hatte er mit eisernem Willen die Rückzugsgefechte geleitet und war erst zusammengebrochen, als feststand, dass die Titalla die Verfolgung der fliehenden Einheiten aufgegeben hatten.

In den angeschlagenen saddreykarischen Raumschiffen kursierte nun das entsetzliche Gerücht: »Ordoban liegt im Sterben.«

Ordoban, die Legende, der unerschrockene Kämpfer für den Frieden. Ordoban, dem der Geruch der Unsterblichkeit anhaftete, nachdem er die statistische Grenze der Lebenserwartung vier Generationen hinter sich gelassen hatte.

»Bring mich nach Hause!«, hatte er in einem seiner letzten wachen Momente Azizbul angefleht, den Nächstkommandierenden. »Ein letztes Mal will ich Saddreys Wärme im Gesicht spüren; dann mag es zu Ende sein.«

Die Ärzte brachten es nicht übers Herz, ihm zu sagen, dass keine Hoffnung bestand. Die Triebwerke der am schwersten beschädigten Schiffe bestimmten die Geschwindigkeit der Flotte. Dass unter solchen Bedingungen der Heimflug Jahre in Anspruch nehmen würde, konnte sich der jüngste Kadett ausrechnen. Ordoban hatte allerdings nur mehr wenige Tage zu leben.

Die große Kammer, in der er ruhte, war abgedunkelt. Robotsysteme wachten über seinen Zustand. Die Ärzte hatten ihre Bemühungen aufgegeben. Die, denen der große Feldherr im Leben nah gewesen war, scheuten seine Nähe nun, da der Tod nahte.

Nur ein einziges Wesen harrte in der Kammer aus: Zibbatu, der Bucklige. Er war kein Saddreykare, sondern ein Zwerg mit verwachsenem Rücken. Nicht ein Haar wuchs auf seiner Schädelplatte. Sein Gesicht war faltig und verrunzelt. Besonders fiel jedoch auf, dass er zwei kleine Augen besaß anstatt des einen großen, das als Merkmal der Saddreykaren galt. Zudem waren seine Augen unterschiedlich groß. Kein Wunder, dass Zibbatu von der Besatzung des Flaggschiffs nur »Missgeburt« genannt wurde.

Niemand wusste, woher Zibbatu kam. Er war eines Tages erschienen. Fest stand nur, dass Ordoban ihn in sein Herz geschlossen hatte. Zibbatus Leben an Bord des Flaggschiffs wäre unerträglich gewesen, hätte nicht der Feldherr die Hand über ihn gehalten. Deshalb machte Zibbatu sich Sorgen. Was würde geschehen, wenn Ordoban ihn verließ?

»Komm her, mein Freund!«, hauchte der Sterbende.

Zibbatu beeilte sich, der Aufforderung zu folgen.

»Ich weiß, dass die Ärzte mir die Wahrheit verschweigen«, sagte der alte Recke kraftlos. »Ich werde Saddrey nie wiedersehen. Aber sie sollen mich tarkcieren, damit wenigstens mein Bewusstsein die Chance hat, zu überleben. Ich weiß, dass du dir um die Zukunft Sorgen machst, Zibbatu. Fürchte dich nicht, der Alte hat für dich gesorgt. Sie mögen dich verachten und dich Missgeburt nennen – dir wirklich wehzutun, werden sie nie wagen. Gib mir die Hand ...«

Zibbatu beugte sich nach vorn und streckte das schmächtige Ärmchen aus. Doch er bekam die Hand des großen Ordoban nicht zu fassen. Der leicht erhobene Arm des Alten zuckte, dann fiel er schlaff auf das Polster. Das Auge brach, sein roter Schimmer wurde fahl.

Ordoban lebte nicht mehr.

Das Schott öffnete sich, Azizbul stürmte herein. Lichter flammten auf und blendeten den Buckligen. Er hob einen Arm vors Gesicht, um die Augen zu schützen.

»Er will tarkciert werden«, sagte Zibbatu schrill.

»Scher dich fort, Missgeburt!«, herrschte der Nächstkommandierende ihn an.

Heftergel war sich über seine Bedeutung im Klaren. Er nahm mit Gelassenheit zur Kenntnis, dass Sorkalan seiner Bitte um eine Unterredung sofort stattgegeben hatte. Dabei hatte der Dritte Jugendunterweiser den Rang eines Ressortministers und rangierte in der Hierarchie der saddreykarischen Administration unmittelbar unter dem Präsidenten.

Heftergel wusste, was er seinem Ruf als Globetrotter schuldig war. Seine Kleidung wirkte unordentlich. Seine Haut war tief gebräunt, und sein großes, rubinrotes Auge zeigte zugleich jenen grünlichen Schimmer, den die längere Einwirkung energiereicher kosmischer Strahlung erzeugt. Seine Stiefel waren ausgetreten und im Übrigen viel zu schwer für Tatmu-Sharratas warmes Klima. Kurzum: Heftergel sah aus wie ein Landstreicher. Doch in eben dieser Aufmachung kannte ihn die Öffentlichkeit – ihn, den berühmtesten aller Weltraumjournalisten.

Einen krasseren Gegensatz als zwischen ihm, dem Sternenbummler, und dem hochgewachsenen aristokratisch schlanken Sorkalan konnte man sich kaum vorstellen. Das Auge des Ministers leuchtete in klarem Rot. Seine Kleidung war korrekt bis auf den Sitz des kleinsten Zierknopfs und dabei von jener gewollten Einfachheit, die nur die teuersten Manufakturen zu erzeugen verstanden. Sorkalan verzichtete auf Schmuck, während Heftergel etliche Ketten und Gehänge um den Hals baumelten.

Trotz der Gegensätzlichkeit begrüßten der Journalist und der Minister einander mit dem vertraulichen Gruß, indem sie die Hände gegeneinanderklatschten.

»Man sagte mir, dass deine Suche nach Neuigkeiten dich lange Zeit durch gefährliches Gebiet geführt hat«, eröffnete Sorkalan die Unterhaltung, nachdem er dem Gast einen Platz und den üblichen Willkommenstrunk angeboten hatte.

»Ich bin nicht auf der Suche nach Neuigkeiten schlechthin«, entgegnete Heftergel. »Ich war auf dieser Fahrt sechsundzwanzig Jahre unterwegs, zumeist in Regionen, aus denen es reguläre Kommunikation nicht gibt. Was ich zu berichten hätte, wäre einige Monate alt, bevor es die Öffentlichkeit erreichte. Nein, ich interessiere mich für Zusammenhänge, für fremde Kulturen und die Gründe, warum sie auf das Vordringen des Imperiums auf die eine oder andere Weise reagieren. Verstehst du? Dinge, die Bestand haben und uns – hoffentlich – lehren, die Mentalität fremder Völker zu verstehen.«

»Ein äußerst verdienstvolles Unterfangen«, sagte Sorkalan. »Dein Ruf beweist, dass du darin erfolgreich bist. Wo hast du dich in den sechsundzwanzig Jahren herumgetrieben?«

»Im Halo«, antwortete Heftergel. So beiläufig, als gehöre es zu den selbstverständlichsten Dingen der Welt, fügte er hinzu: »Die letzten zwölf Jahre in der Nagu Nakira.«

»Ajju Saddrey!«, entfuhr es Sorkalan wider Willen. »Du wagst viel, um unsere Wissbegierde zu befriedigen.«

»Und dort geschah es, dass ich meinem Grundsatz untreu wurde«, fuhr Heftergel unbeeindruckt fort. »Plötzlich hatte ich eine Neuigkeit, die der Öffentlichkeit sofort zugänglich gemacht werden musste. Ich brach meine Forschungen ab, um mein eigener Bote zu sein. Deshalb bin ich hier.«

»Du machst mich neugierig«, bekannte der Minister. »Was hast du zu berichten?«

»Versteh mich recht: Ich habe keine Beweise. Was ich übermittle, ist ein Gerücht – wenn auch eines, das überall in der Peripherie verbreitet wird. Ich halte es daher für zuverlässig.«

»Ich bitte dich, Heftergel ...«, drängte Sorkalan.

Heftergels Miene zeigte gutmütigen Spott. »Die Fünfundzwanzigste Flotte operiert im Kugelsternhaufen Nammuratu Achtunddreißig. Ihr Kommandant ist nach wie vor Ordoban.«

Sorkalan sog hastig die Luft ein. »Das ist ... unmöglich!«, stieß er hervor. »Es ist mindestens sechzig Jahre her, seit wir zuletzt von der Fünfundzwanzigsten Flotte hörten. Damals war Ordoban schon weit über dreihundert Jahre alt. Deine Gerüchtequelle muss falsch informiert sein. Die Fünfundzwanzigste ist verloren, und Ordoban muss, wenn er nicht in der Schlacht fiel, längst eines natürlichen Todes gestorben sein.«

»Das Imperium hat vor nicht allzu langer Zeit eine Ergebenheitsadresse der Kishadati erhalten?«, erkundigte sich Heftergel.

»Vor zwei Jahren, ja. Wir wunderten uns sehr darüber.«

»Ich war bei den Kishadati«, sagte der Journalist. »Sie waren dem Imperium wohlgesinnt, weil eine unserer Flotten sie aus der Knechtschaft eines anderen Volkes befreite. Die Kishadati stehen am Anfang ihrer Raumfahrt. Sie hatten keine Unterlagen über die Befreiungsaktion, aber sie schilderten mir den Kommandanten der Flotte. Warum würden Fremde, die von unserem Imperium nicht die geringste Ahnung haben, mir eine Beschreibung liefern, die genau auf Ordoban passt? Oder glaubst du, dass jemand Ordoban mit einem anderem verwechseln kann?«

»Nein, nein, bestimmt nicht«, wehrte der Minister ab. »Aber ... nach so langer Zeit? Ich meine, warum hat sich die Fünfundzwanzigste sechzig Jahre lang nicht gemeldet?«

»Du könntest deine Frage leicht selbst beantworten, würdest du dich in Nammuratu Achtunddreißig umsehen. Ich sage dir, Jugendunterweiser, es ist dort schlimmer als in der Hölle der Göttin Ishatu, an die unsere Vorfahren glaubten.« Heftergel erhob sich. »Ich habe einen Bericht abgefasst, der alle Einzelheiten enthält. Du brauchst ihn nur abzurufen. Kennbegriff: Ordoban.«

Noch lange, nachdem der Journalist gegangen war, saß der Minister nachdenklich an seinem Arbeitstisch. Schließlich fasste er einen Entschluss. Es dauerte nur Sekunden, bis er eine Verbindung mit Attanal, dem Vorsitzenden des Monumentalkomitees, hergestellt hatte.

»Aufregende Nachrichten, Vorsitzender«, sagte er. »Wenn das wahr ist, was ich soeben gehört habe, dann weiß ich ein großartiges, unübertreffliches Kernmotiv für dein Denkmal.«

Es war just in diesem Jahr 12.370 Malkatu den Verantwortlichen des Imperiums der Gedanke gekommen, dass es an der Zeit sei, den Errungenschaften ein Denkmal zu setzen, das die Größe und die Macht des Imperiums wiedergab und bis in alle Ewigkeit bestehen würde.

Eine Schale für das Monument war schon gefunden. Im Halo gab es die Überreste eines Protosterns, dem die Natur versagt hatte, den entscheidenden Schritt zur Bildung eines Sonnensystems zu vollziehen. Geblieben war ein brauner Zwerg inmitten einer Wolke aus kosmischen Trümmern. Die Astrophysiker hatten errechnet, dass es möglich sein werde, den braunen Zwerg und die Trümmerwolke zu einem annähernd scheibenförmigen Gebilde zusammenzubacken. Freilich würde die Arbeit gut ein Jahrhundert in Anspruch nehmen, aber was daraus erwuchs, ein Monument von der Größe eines mittleren Sonnensystems, konnte überzeugen. Freilich durfte das Gebilde nicht unter dem Einfluss seiner gewaltigen Masse kollabieren und sich unter Bildung eines Schwarzen Lochs selbst verschlingen. Doch dagegen wussten die Experten Mittel.

Für die Ausstattung des Monuments lagen Zehntausende von Entwürfen vor. Jede Phase der Entwicklung des Imperiums würde in belebten Gigant-Schaugruppen dargestellt werden. Jede der 163 Zivilisationen erhielt ihren eigenen Abschnitt, in dem sie sich der noblen Kunst des Selbstporträts hingeben konnte. Die Technik von Nor-Gamaner sollte in einem eigenen Abschnitt präsentiert werden. Kurz und gut, es war an eine permanente Ausstellung gedacht, in der jemand, der den Wunsch dazu verspürte, sein ganzes Leben verbringen konnte, ohne eine einzige Darbietung zweimal sehen zu müssen.

Es fehlte genau das, was Attanal als Kernmotiv bezeichnete. Etwas, das nichts mit Technik zu tun hatte und mit dem sich alle Zivilisationen des Imperiums identifizieren konnten. Etwas Großartiges, den Atem Beraubendes.

Sorkalan glaubte, gefunden zu haben, wonach Attanal suchte – falls Heftergels Gerücht Hand und Fuß hatte und Ordoban tatsächlich noch lebte. Allerdings würde man warten müssen, bis der alte Recke das Zeitliche gesegnet hatte. Ein Lebender eignete sich schlecht als Kernmotiv eines gigantischen Monuments.

Ein Hinweis in Heftergels Bericht gab Sorkalan zu denken: »Dem Gerücht zufolge plant Ordoban einen Vorstoß ins Reich der Titalla. Feuerwesen werden sie genannt, und sie beherrschen nahe des Zentrums von Nammuratu Achtunddreißig ein Konglomerat von Sonnen und Planeten. Falls Ordoban dieses Vorhaben durchführt, sehe ich schwarz für ihn und seine Fünfundzwanzigste Flotte.« Der Journalist klang besorgt. »Die Titalla sind nicht nur die verbissensten Kämpfer im ganzen Sternhaufen, es gibt zudem keine verlässlichen Angaben zum Stand ihrer technischen Entwicklung und ihres militärischen Potenzials.«

An dieser Stelle entschied Sorkalan, dass Heftergels Bericht keineswegs ausschließlich in das Ressort des Dritten Jugendunterweisers gehöre. Wenn es Ordoban an den Kragen ging, musste in erster Linie der Expansionskoordinator in Kenntnis gesetzt werden.

Sorkalan nahm die entsprechende Verbindung auf. Es zeigte sich, dass man andernorts Heftergels Gerücht weniger skeptisch gegenüberstand als im Jugendunterweisungsamt. Zehn Stunden nachdem Sorkalan den Expansionskoordinator informiert hatte, lief die größte Such- und Rettungsaktion an, die das Imperium bislang erlebt hatte.

Sämtliche Aspekte der Entwicklung wurden in Betracht gezogen. Es war denkbar, dass Ordobans Feldzug gegen die Titalla noch nicht begonnen hatte. Dann war die XXV. Flotte irgendwo außerhalb des Zentrumsgebiets von Nammuratu 38 zu suchen. Scoutschiffe übernahmen diese Aufgabe. Vielleicht war die Auseinandersetzung aber schon entbrannt. In dem Fall war es gut, könnte man Ordoban zu Hilfe kommen. Das war der Auftrag der XIII. und der XLIV. Flotte, die sich von ihren Aufmarschgebieten am Rand des Halos in Richtung Nammuratu 38 in Bewegung setzten. War die Kampagne indes bereits abgeschlossen, hatte Ordoban entweder gesiegt oder eine Niederlage erlitten. Im ersteren Fall brauchte man sich nur umzuhören. Die Nachricht von der Niederlage der gefürchteten Titalla würde so rasch die Runde machen, dass Informationen bezüglich Ordobans Aufenthaltsort überall zu erhalten sein mussten. Hatte er die Schlacht verloren, würde er sich schnellstens aus dem Sternhaufen zurückziehen, zweifellos in Richtung des Ashshatu-Arms, an dessen Wurzel das Heimatsystem Saddrey lag. Ein weiterer Verband von Scoutschiffen suchte daher die mögliche Rückzugsroute der XXV. Flotte ab.

Es war dieser Verband, von dem die erste Meldung kam. Die XXV. Flotte war gefunden – vielmehr, deren kümmerliche Überreste. Die 1200 Schiffe waren ohne Ausnahme so schwer beschädigt, dass an eine Wiederinstandsetzung nicht gedacht werden konnte. Eine Flottille mit Lazaretteinrichtungen, Ärzten und Medorobotern wurde sofort in Marsch gesetzt, um die Überlebenden des Feldzugs gegen die Titalla zu bergen.

Das Imperium neigte in Trauer das Haupt, kaum dass bekannt wurde, dass Ordoban seinen im Kampf erlittenen Verletzungen erlegen sei.

Der Präsident saß im Kreis seiner Minister und lauschte aufmerksam dem Vortrag des Nächstkommandierenden Azizbul. Sein Auge drückte gemessene Trauer aus. Chulijam hatte den legendären Ordoban nie zu Gesicht bekommen. Den greisen Recken so rasch wieder zu verlieren, nachdem man ihn erst aufgefunden hatte, erfüllte ihn jedoch mit tiefem Bedauern.

»... auf eigenen Wunsch unmittelbar nach seinem Ableben tarkciert«, beendete Azizbul seine Darlegung. »Das heißt, Ordobans Bewusstsein existiert im Zustand der suspendierten Animation und kann mit geeigneten Mitteln jederzeit wiedererweckt werden.«

Im Hintergrund des Raumes, jenseits einer schalldurchlässigen energetischen Barriere, hatte sich das Korps der Journalisten kein Wort des Vortrags entgehen lassen.

»Ich danke dir, Nächstkommandierender«, sagte der Präsident. »Ist das alles, was du mitzuteilen hast?«

»Ja«, bestätigte Azizbul. »Der energetische Behälter mit dem tarkcierten Bewusstsein des Helden steht dem Ersten Gesundheitsobmann zur Verfügung.«

»Selbstverständlich«, murmelte Chulijam.

Hinter der Barriere erhob sich ein kräftig gebauter Journalist und rief: »Ich finde es höchst absonderlich, dass Ordoban keine Aufzeichnung hinterlassen haben soll.«

Chulijam sah sich ratlos im Kreis seiner Minister um. »Wer ist dieser Kerl?«, fragte er halblaut.

»Heftergel, der berühmte Journalist«, antwortete Sorkalan, der Dritte Jugendunterweiser. »Er war es, der die ersten Nachrichten von Ordoban überbrachte. Ich hielt es für angebracht, ihn zu dieser Konferenz einzuladen.«

Chulijam musterte den abenteuerlich gekleideten Heftergel, dann seinen Jugendunterweiser. Sein Auge verriet, dass er von seinen Ministern, was die Auswahl von Gästen anbelangte, mehr Geschmack erwartet hätte.

Inzwischen reagierte Azizbul, der den Ausruf als gegen ihn gerichteten Affront empfand. »Es gibt keine Aufzeichnung«, sagte er laut, und seine Stimme verriet den aufkeimenden Ärger.

»Das glaube ich nicht!«, rief Heftergel.

»Man soll den Störenfried entfernen!«, befahl der Präsident.

»Einen Augenblick, Chulijam!«, schrie Heftergel. »Willst du nicht erst meine Beweise sehen?«

Der Präsident war verunsichert. »Du hast Beweise?«, fragte er matt.

Es stellte sich heraus, dass der Journalist umfangreiches Gepäck mit sich führte. Es bestand aus einem großen, quaderförmigen Kasten, dessen Deckel Heftergel soeben öffnete.

»Du, sag's ihnen!«, hörte man ihn brummen.

Aus dem Kasten hüpfte ein zwergenhaftes Wesen. Es hatte einen verwachsenen Rücken, ansonsten hätte man es als saddreykaroid bezeichnen können, wenn es nicht zwei Augen gehabt hätte.

»Ich bin Zibbatu, der Bucklige!«, rief der Zwerg schrill, bevor der Präsident und die Minister sich von der Überraschung erholen konnten. »Jahrzehnte war ich Ordobans engster Vertrauter und Freund. Selbstverständlich hat er eine Aufzeichnung hinterlassen – ein Testament, wenn ihr so wollt. Azizbul will es unterdrücken, weil er mich verachtet und glaubt, dass mir in Ordobans Letztem Willen zu viel Ehre widerfährt.«

Gänzlich verwirrt, wandte Chulijam sich von Neuem an den Nächstkommandierenden. »Sag, Azizbul – ist das so?«

Es brauchte keine Antwort. Azizbul war jäh fahl geworden, sein Auge schimmerte im Orangerot nackten Entsetzens.

»Ich habe keine weltlichen Besitztümer«, erklang tags darauf die knarrende Stimme des alten Helden. »Ich besitze nichts von materiellem Wert, das ich hinterlassen könnte. Umso aufmerksamer werdet ihr euch der Verwirklichung meines Vermächtnisses widmen, das sich auf Nichtmaterielles bezieht. Ich habe achtzig Jahre lang an den Grenzen des Reiches gekämpft, habe zahllose persönliche Opfer erbracht und zwölf barbarische Zivilisationen überzeugt, die Oberhoheit des Imperiums anzuerkennen. Das Imperium steht in meiner Schuld.

Mein Vermächtnis bezieht sich auf Zibbatu. Er ist mein Freund und Vertrauter. Ich habe die Verantwortung übernommen, für sein Wohlergehen zu sorgen. Hört aufmerksam zu, was ich in Zibbatus Interesse für ihn verlange.

Niemand soll je nach seiner Herkunft fragen. Zibbatu weiß nicht, woher er kommt, doch in seinen Adern fließt saddreykarisches Blut. Ärzte und Biologen haben das eindeutig ermittelt. Draußen in der Nagu Nakira, wo ich als bevollmächtigter Flottenkommandant den Präsidenten vertrete, habe ich Zibbatu das Bürgerrecht des Imperiums verliehen. Daran soll niemand rütteln.

Für Zibbatus leibliches und seelisches Wohlergehen muss auf Staatskosten gesorgt werden. Es darf meinem Freund an nichts mangeln. Es soll ebenso dafür gesorgt werden, dass niemand Zibbatu straffrei anfeinden, verspotten oder ihn auf sonst eine Weise diskriminieren kann.

Ich nehme an, dass man mich bei meinem Ableben tarkcieren wird. Sollte es dem Imperium in seiner unergründlichen Weisheit eines Tags angebracht erscheinen, mein Bewusstsein wiederzuerwecken, dann soll Zibbatu dorthin gebracht werden, wo mein Bewusstsein aufbewahrt wird, und es müssen Möglichkeiten geschaffen werden, dass ich mich mit ihm verständigen kann.«

Die kraftvolle Stimme schwieg. Chulijam, der Präsident, sah den Dritten Jugendunterweiser an. Sein Blick drückte Verständnislosigkeit aus. Wie kann man wegen einer Missgeburt so viel Aufhebens machen?, schien er zu fragen. Zibbatu selbst war während der Eröffnung nicht anwesend, er hatte Heftergel als seinen Advokaten geschickt. Bei allem Widerwillen war Chulijam nichts anderes übrig geblieben, als auf das Ansinnen des Zwerges einzugehen. Heftergel saß abseits und schnitt die Aufzeichnung mit. Er spürte die Abneigung, die der Präsident ihm gegenüber empfand, störte sich aber nicht daran.

»Ist das alles?«, fragte Chulijam nach einer Weile.

»Das ist noch nicht alles«, erklang Ordobans Stimme von Neuem, und der Präsident zuckte zusammen. Der alte Recke hatte die Reaktion seiner Zuhörer perfekt vorausberechnet. »Das, was euch am meisten Magengrimmen verursachen wird, kommt erst. Zibbatu hat seinen hässlichen Namen lange genug getragen. Er braucht nicht jedes Mal, wenn einer nach ihm ruft, an sein körperliches Gebrechen erinnert zu werden. Deshalb soll er einen neuen Namen erhalten, der seine Volkszugehörigkeit zum Ausdruck bringen wird. Von diesem Moment an wird mein Freund Saddreyu heißen.«

2.

Am Anfang war der Kosmos öde, finster und leer, und die Muttergöttin Asaredu, die einst allein den Götterhimmel bewohnte, fing an sich zu langweilen. Sie wollte Leben schaffen. Am lebendigsten von allen Elementen erschien ihr das Feuer. Deshalb schuf sie einen mächtigen Ball aus Feuer und säte in ihn hinein die Keime von Geschöpfen, an denen sie später ihre Freude haben wollte.

Doch das Feuer ließ die Keime nicht gedeihen, und der Kosmos blieb leer bis auf den Feuerball, an dem Asaredu sich bald sattgesehen hatte. Sie überzog ihn mit einer Schicht aus fester Erde, und auf der Erde schuf sie Pflanzen und Tiere. Es war indes dunkel über der Erdschicht, also machte Asaredu eine Sonne, die am Tag leuchtete, und mehrere Monde sowie Tausende von Sternen, die den Nachthimmel bevölkerten.

Schließlich kam die Zeit, da die Keime, die Asaredu in den Feuerball eingepflanzt hatte, zu sprießen anfingen. Sie drängten nach oben, wo die Tiere und Pflanzen, die Sonne, die Monde und Sterne waren. Aber die Erdschicht versperrte ihnen den Weg. Da vereinten sie ihre Kräfte und drückten gegen die Erdschicht, und es entstand ein Berg mit einer scharfen Spitze, den man den Berg Na'ada nennt. Dennoch war der Weg für die Keimlinge nicht frei. Da vereinten sie ihre Kräfte ein zweites Mal, und unter ihrem Ansturm brach die Spitze des Berges Na'ada ab. Das Feuer strömte aus dem Innern des Berges und ergoss sich über das umliegende Land. Aus den Keimen wurden denkende Wesen, die bald die Herrschaft über Tiere und Pflanzen übernahmen und auf der Erdschicht über dem Feuerball lebten wie die Götter im Götterhimmel.

Das war die saddreykarische Schöpfungsgeschichte. So war sie über fast tausend Generationen hinweg überliefert worden, und den Berg Na'ada gab es immer noch. Er war ein geometrisch perfekter Konus, dessen Spitze entlang einer makellos geraden, horizontalen Linie abgeschnitten worden war. Unterhalb des Schnittes erstreckte sich die Senke eines erloschenen Kraters, durch den zu Anfang aller Zeiten das mit Keimlingen belebte Feuer ausgeströmt war.

Saddrey war ein Wort der Ursprache und bedeutete »die Spitze«. Saddreyu hieß »die brechende Spitze«. Sie war zum Symbol geworden. Im saddreykarischen Staatswappen erschien eine stilisierte Darstellung des Berges Na'ada während der Eruption: ein aufrecht stehendes Trapez und schräg darüber ein sich zur Seite neigendes gleichschenkliges Dreieck.

Dass Ordoban der zweiäugigen, buckligen Missgeburt ausgerechnet den heiligen Namen Saddreyu gegeben hatte, rechnete man ihm als enorme Geschmacklosigkeit an. Jedoch war der Ruhm des Helden so groß, dass man seinem Wunsch stattgab.

Im Jahr 12.484 Malkatu wurde das Monument fertiggestellt. Es war ein technisches Wunderwerk. Jahr für Jahr würden Milliarden Touristen den Koloss besuchen, um sich die Geschichte des Imperiums und seine Errungenschaften vor Augen zu führen. Die kommerziellen Reiseunternehmen auf den hunderttausend Welten von Nor-Gamaner schlugen längst unermüdlich die Reklametrommel. Für acht Jahre waren alle Flüge zum Loolandre ausgebucht.

So hatte man das Monument genannt: Loolandre – das Zeichen der Größe.

Attanal, der Vorsitzende des Monumentalkomitees, hatte den Namen kurz vor seinem Tod ersonnen. Attanals Nachfolger wurde Sorkalan, seit zehn Jahren Präsident emeritus des Imperiums. Sorkalan hatte sich um den rein zeremoniellen Posten beworben und dabei verlauten lassen, er wolle sich auf seine alten Tage wenigstens am Rand noch ein wenig nützlich machen.

Tatsächlich spielte sich Sorkalans Tätigkeit überall ab, nur nicht am Rand. Dem ehemaligen Dritten Jugendunterweiser und Präsidenten fiel die Aufgabe zu, das sogenannte Kernmotiv des Denkmals zu motivieren. Der Vorschlag, Ordobans Bewusstsein zum Zentrum des Loolandre zu machen, war seinerzeit auch bei den nicht-saddreykarischen Zivilisationen des Imperiums wohlwollend, mit Beifall und sogar mit Begeisterung aufgenommen worden. Gesetz und Ethik geboten, dass man Ordobans Genehmigung einholte, bevor man ihn in das Monument einbaute. Die Frage war aufgeworfen worden, wann man das Bewusstsein des Helden aus der Tarkcier-Kapsel befreien und reaktivieren solle, damit es die entsprechende Erlaubnis abgeben könne. Zu jener Zeit hatte Sorkalan noch intensiven Kontakt mit dem Weltraumjournalisten Heftergel gepflegt. Heftergel, der Ordoban sogar persönlich kannte, hatte geraten, das Bewusstsein erst dann wiederzuerwecken, sobald das Denkmal vollendet war. Ordoban müsse beeindruckt werden, argumentierte Heftergel, denn für eine kleinkarierte Sache würde er sich nicht zur Verfügung stellen. Das fertige Loolandre könne seinen Eindruck selbst auf den an größte Maßstäbe gewöhnten Feldherrn nicht verfehlen. Sorkalan hatte sich diesen Standpunkt zu eigen gemacht und sich damit durchgesetzt. Kaum trat er Attanals Nachfolge an, tat er ein Übriges, um zu gewährleisten, dass Ordoban sich der Verlockung, das Kernmotiv des Loolandre zu sein, auf keinen Fall widersetzen könne: Er schuf ein Netzwerk fünfdimensionaler Feldlinien, die das gewaltige Monument durchzogen. Entlang der Feldlinien konnte Ordoban, sobald er wiedererweckt war, psionische Signale senden, die auf dem Weg über Rezeptoren auf unzählige technische Elemente einwirkten. Ordoban würde jeden einzelnen Aspekt des Loolandre kontrollieren und nach seinem Belieben gestalten können. Das würde ihm, der stets die Macht seines Ranges genossen hatte, über alle Maßen gefallen.

Den Ort, an dem Ordobans Bewusstsein untergebracht werden sollte, nannte Sorkalan die Halle der Sterne. Es war ein gewaltiger Kuppelraum von einem Kilometer Durchmesser und 1500 Metern Höhe. Die Innenwandung bestand aus Samtmetall. Die Sterne am Nachthimmel Saddreykars waren durch Milliarden von Lichtpunkten repräsentiert, wobei Wert darauf gelegt wurde, die Farbe jedes Himmelskörpers bis in die winzigste Nuance nachzuahmen. Wenn Ordoban sich mit seinem Mentalauge umsah, würde es ihm vorkommen, als stände er zu Hause auf einem einsamen Berggipfel.

In der Mitte der Halle wurde ein flaches Podest errichtet. Darüber würde der Energiekäfig schweben, der Ordobans Bewusstsein befähigte, bis ans Ende der Zeit zu überleben. Darüber hinaus blieb die Halle schmucklos. Den Eingang bildete ein überdimensioniertes zweiflügliges Portal, dessen Außenseite mit mehreren Lagen kristallinen Materials beschichtet wurde. In die Kristallschicht brannte man das heilige Symbol der Saddreykaren ein: den Berg mit der brechenden Spitze. Das Portal erhielt den Namen »Tor des Saddreykaren«.

Schließlich wurde die Tarkcier-Kapsel mit Ordobans suspendiertem Bewusstsein ins Loolandre gebracht und auf dem Podest in der Halle der Sterne aufgestellt. Mit der Kapsel kam Saddreyu, der in den vergangenen mehr als einhundert Jahren kaum merklich gealtert war. Er sollte zugegen sein, sobald Ordoban erwachte.

Sorkalan bedauerte zutiefst, dass er nicht auch Heftergel zu der bevorstehenden Feier hatte einladen können. Der Journalist war von einer Reise an die Grenzen des Halos nicht zurückgekehrt. Da er mittlerweile an die 250 Jahre alt sein müsste, durfte Sorkalan wohl annehmen, dass Heftergel nicht mehr unter den Lebenden weilte.

Die Saddreykaren hatten schon lange aufgehört, an die Götter der Vorfahren zu glauben. Die Namen der Gottheiten wurden hin und wieder als Floskeln der gepflegten Unterhaltung und in Ausrufen des Schreckens oder der Freude verwendet. Darüber hinaus war von der alten Mythologie nichts übrig geblieben.

Als Sorkalans Psychotechniker sich anschickten, die Tarkcier-Kapsel zu öffnen, hörte man den würdigen Greis ein halblautes Stoßgebet murmeln: »Asaredu, Mutter aller Götter, lass es gelingen!«

»Ein großartiges Denkmal habt ihr errichtet«, sprach die wesenlose Stimme. »Und ihr nennt es Zeichen der Größe? Kein schlechter Name.«

Sorkalan, Saddreyu, etliche Psychotechniker und eine Handvoll Vertreter der Regierung standen am Fuß des Podests. Die Tarkcier-Kapsel hatte sich aufgelöst. Über der mächtigen Platte aus kostbarem Xynarit, der Abdeckung des Podests, schwebte ein Netz aus bunten Energiefäden, die eine Prothese, einen Körperersatz für Ordobans unsichtbares Bewusstsein bildeten. Die psionischen Sensoren, die die Umwandlung von Mentalsignalen in akustische Sprache und umgekehrt ermöglichten, waren in die Oberfläche des Podests eingebettet.

»Du hast unsere Bitte gehört, großer Ordoban.« Sorkalans Stimme zitterte vor Erregung. »Wie entscheidest du?«

»Übe dich in Geduld, junger Freund«, sagte die mentale Stimme mit einem Unterton freundlichen Spotts. »Gib mir Zeit, mich ein wenig umzusehen. Es ist nicht leicht, mit all den Geräten umzugehen. Wenn ich mich entschlösse hier zu bleiben, hätte ich Jahre zu tun, um alles zu erlernen und zu verstehen.«

Schweigen herrschte innerhalb des riesigen Doms. Sorkalans Auge tränte vor Anspannung. Minuten später erklang von fern ein rumpelndes Dröhnen und Rumoren. Einer der Techniker fuhr erschreckt auf. Auf dem Miniaturmonitor, den er an seinen Handrücken geklebt hatte, blinkte ein Warnlicht in hektischem Rhythmus.

»Das tut mir leid, Freunde.« Ordoban klang erheitert. »Es scheint, dass ich mit einer der Schaltungen nicht ganz zurechtgekommen bin. Aber wie ich euch kenne, werdet ihr das Schaustück in wenigen Tagen rekonstruiert haben.«

»Deine Antwort, großer Held!«, flehte Sorkalan.

»Zibbatu ... äh, Saddreyu, bist du hier?«, hallte es durch den Dom.

»Hier bin ich, Freund!«, kreischte der Zwerg.

»Haben sie dich gut behandelt?«

»Vorzüglich. Ich danke dir, dass du ...«

»Spar dir unnötiges Geplapper. Wenn ich mich entschlösse, auf eure Bitte einzugehen, und wenn Saddreyu eines Tages das Zeitliche segnet, habe ich dann die Möglichkeit, ihn zu tarkcieren?«

»Du brauchst ihn nicht ... zu tarkcieren.« Sorkalan konnte vor Aufregung kaum sprechen, seine Stimme flatterte. »Du hast die Möglichkeit, Saddreyus Bewusstsein sofort zu manifestieren. Die Psychotechnik hat in den vergangenen hundert Jahren bedeutende Fortschritte erzielt.«

»Gut so«, lobte Ordoban.

Wieder herrschte Stille. Minuten verstrichen. Schließlich hielt Sorkalan es nicht länger aus. Er kniete auf der untersten Stufe des Podests nieder.

»Sei nicht grausam, Ordoban«, bat er bebend. »Gib uns deine Antwort.«

Donnerndes Gelächter hallte durch den gigantischen Dom.

»Was hattet ihr erwartet? Dass ich mir einen so wundervollen Spielplatz entgehen lasse? Natürlich gehe ich auf eure Bitte ein. Mit Vergnügen ...«

Sorkalan gab einen seufzenden Laut von sich und sank vornüber. Die Techniker und Regierungsvertreter brachen in Jubel aus. Saddreyus faltiges Gesicht glänzte vor Freude, und aus seinen ungleich großen Augen rollten die Tränen.

Nur Sorkalan regte sich nicht mehr. Die Aufregung hatte sein überanstrengtes Herz zum Stillstand gebracht.

So begann für Ordoban gegen Ende des 125. Jahrhunderts Malkatu eine neue Zeit der Glorie, die alles in den Schatten stellte, was er während seines physischen Daseins erlebt hatte. Das provisorische Gespinst der Energiefäden über dem Podest war durch einen golden schimmernden, hyperenergetischen Kokon ersetzt worden, der dem Bewusstsein des Helden als Gehäuse diente. Es war darin keineswegs gefangen. Ordoban konnte vielmehr Teile seiner Mentalsubstanz abspalten und sie an jeden beliebigen Ort des Loolandre schicken. Ihm stand sogar die Möglichkeit zur Verfügung, Bewusstseinssplittern pseudomaterielle Form zu geben. Davon machte er rege Gebrauch, denn er ergötzte sich am Entsetzen der Touristen und Schaulustigen, wenn er ihnen als Gespenst erschien. Für die Rückkehr zur Halle der Sterne diente den Bewusstseinsfragmenten die charakteristische Hyperstrahlung des goldenen Kokons als Leuchtfeuer.

Nach Milliarden zählten die Besucher jedes Jahr, um das größte Monument aller Zeiten zu bestaunen. 750.000 Lichtjahre betrug die Entfernung vom Loolandre bis zur entferntesten Sonne auf der gegenüberliegenden Seite Behayniens. Und selbst von dort kamen die Besucher zu Millionen. Das Loolandre wurde zur Wallfahrtsstätte. Niemand, der die weite Reise unternahm, wollte zurückkehren, ohne von Ordoban in Audienz empfangen worden zu sein. Hätte das Bewusstsein des Helden nicht die Fähigkeit besessen, sich in nahezu unendlich viele Splitter aufzuspalten, niemals wäre es möglich gewesen, die Wünsche aller um Audienz Ersuchenden zufriedenzustellen. So war Ordoban zu jeder Zeit in mindestens tausend Erscheinungen unterwegs, um zu den ehrfürchtig lauschenden Touristen zu sprechen.

Ordoban lebte wie in einem Rausch. Er genoss seinen Ruhm und die Ehrfurcht der Besucher in jeder Hinsicht. Hymnen wurden zu seiner Ehre komponiert und während der Audienzen gesungen. Eine davon, »Ordoban, du Herr der Flamme ...« war ein Kampflied, das ihn an die Zeit seiner Siege in der Nagu Nakira erinnerte. So beschäftigt war er mit dem nicht immer seriösen Trubel des Ordoban-Kults, dass manchmal Tage vergingen, ohne dass Saddreyu nur ein einziges Wort von ihm zu hören bekam. Als der Bucklige sich darüber beschwerte, wehrte Ordoban ab.

»Wir werden später genug Zeit füreinander haben. Du glaubst hoffentlich nicht, dass der Zulauf bis in alle Ewigkeiten so anhalten wird?«

Es war Saddreyu nicht klar, wie ernst Ordoban diese Bemerkung meinte. Später stellte sich heraus, dass das Bewusstsein recht gehabt hatte.

Ordoban hielt Verbindung zur Außenwelt. Die großen Hyperfunkstationen des Loolandre erhielten Informationen von allen Zentren des Imperiums. Im Jahr 12.629 Malkatu zerbrach der letzte Widerstand in der Nagu Nakira. Damit unterstand ganz Behaynien – mit Ausnahme des gigantischen Schwarzen Lochs im Zentrum der Riesengalaxis – der Oberhoheit des Imperiums. Um jene Zeit war schon ein halbes Dutzend intergalaktischer Expeditionen unterwegs, riesige Raumschiffe, von denen jedes den Umfang einer Großstadt aufwies. Die Reise zur unmittelbar benachbarten Galaxis war mit achthundert Jahren veranschlagt, und keines der anfänglichen Besatzungsmitglieder würde lebend zurückkehren. Stolz erfüllte Ordoban, dass in einigen Jahrtausenden auch fremde Galaxien, die bislang in unerreichbarer Ferne zu liegen schienen, sich der Hoheit des Imperiums unterordnen würden.

Eines Tags war er mit einem seiner Bewusstseinssplitter unterwegs, um Touristen zu erschrecken. In einem belebten Schaustück, das den Start der ersten saddreykarischen Mondexpedition darstellte, fand er eine Gruppe junger Aihnoul; sie waren Humanoide, die wie Saddreyu zwei Augen besaßen. Als die Beleuchtung erlosch, blockierte Ordoban die Projektoren, sodass das pseudomaterielle Bild, das die Zuschauer zu sehen erwarteten, nicht materialisierte. Stattdessen erschien er selbst als gespenstisch monströse Leuchterscheinung in der Dunkelheit. Er stieß einen markerschütternden Schrei aus und tat, als wolle er sich auf die Aihnoul stürzen.

Unerwartet sanken die verängstigten jungen Wesen auf die Knie, reckten die Arme in die Höhe und fingen mit schwachen Stimmen an zu singen: »Ordoban, du Herr der Geister, beschütze uns vor allem Unheil ...«

Verblüfft und bestürzt zog er sich in den hintersten Winkel der Halle zurück, wandelte seine Gestalt in eine harmlos erscheinende Leuchtkugel und fragte: »Was wisst ihr von Ordoban?«

Im Chor antworteten ihm hundert helle Stimmen: »Ordoban ist der größte Held aller Zeiten, Helfer der Präsidenten, Wahrer des Imperiums, Herr der Geister, Beschützer der Sterne ...«

Ordoban zog sich blitzschnell zurück – beschämt, dass er derart devoten Verehrern seiner Person einen so schäbigen Streich hatte spielen wollen. Es schien, als sei es seinem Ruhm bestimmt, bis in alle Ewigkeit zu wachsen.

Die ersten Symptome waren unterschwelliger Natur. Eine Hymne des Jahres 13.508 Malkatu begann mit diesen Worten: »Heil dir, Ordoban, dem größten Präsidenten aller Zeiten ...« Allerdings war Ordoban nie Präsident gewesen. Er stutzte zunächst, schließlich entschied er, dass es gleichgültig sei, unter welchem Titel die Bewohner des Imperiums ihm Respekt zollten.

Da waren die Nachrichten aus dem Innenbereich Behayniens schon weit beunruhigender. Das Imperium hatte keine Aufgabe mehr. Behaynien war bis zu den Grenzen des Halos befriedet. Von den intergalaktischen Expeditionen war bislang keine zurückgekehrt, obwohl die Frist für jene mit dem kürzesten Weg längst abgelaufen war. Auf den zivilisierten Welten des Imperiums sprossen esoterische Kulte, von denen viele einer eschatologischen Philosophie huldigten und ein baldiges Ende der Existenz vorhersagten. Die Beziehungen zwischen den Republiken Saddreykar und Loutuhin, die zu den Gründermitgliedern des alten Bundes der Drei zählten und Jahrtausende hindurch in Eintracht miteinander gelebt hatten, waren auf einmal angespannt – einer Nichtigkeit wegen, die Ordoban nicht einmal eine zornige Reaktion wert gewesen wäre. Saddreykaren hatten sich auf einer loutuhinschen Ferienwelt in großem Maßstab eingekauft. Loutuhin sprach von Überfremdung und enteignete die Saddreykaren kurzerhand. Saddreykar wurde auf Loutuhin vorstellig. Die Verhandlungen blieben erfolglos, der Abbruch aller gegenseitigen Beziehungen stand unmittelbar bevor.

»Verrückte Narren«, grollte Ordoban. Er sandte persönliche Nachrichten an die Staatsoberhäupter beider Republiken und an den Präsidenten des Imperiums. Saddreykar antwortete sofort, man sei zum Einlenken bereit, sobald auf loutuhinscher Seite eine relevante Bereitschaft zur Versöhnung erkennbar werde. Der Präsident bedauerte, er habe keine Möglichkeit, in eine Streitsache zwischen zwei Mitgliederrepubliken einzugreifen. Und von Loutuhin aus verbat man sich jede Einmischung in interne Angelegenheiten. Ordoban schloss daraus, dass sich nicht nur die Denkweise der Bürger des Imperiums, sondern auch ihre Sprache grundlegend gewandelt hatte. Das war ihm andernorts schon aufgefallen; die Hälfte aller Nachrichten aus Behaynien verstand er kaum noch.

Im Jahr 13.613 Malkatu kehrte die erste der intergalaktischen Expeditionen zurück. Nicht jene, deren Route die kürzeste gewesen war, sondern eine, deren Ziel in acht Millionen Lichtjahren Entfernung gelegen hatte. Zudem kam nicht gerade die Expedition an, sondern nur ihr Raumschiff – mit achtzehntausend Leichen an Bord. Die Eschatologen trumpften auf: Sie hatten es schon immer gewusst – das Ende war nah.

Um die Mitte des 138. Jahrhunderts Malkatu wurde Ordoban von seinen Sorgen über den allgemeinen Zustand des Imperiums vorübergehend abgelenkt.

»Mein Körper ist müde«, eröffnete Saddreyu. »Er will sich für immer zur Ruhe legen.«

Sie unterhielten sich nun des Öfteren. Zwar hielt der Besucherzustrom im gewohnten Umfang an, doch Audienzen bei Ordoban waren nicht mehr so gefragt wie früher. Sie hatten nun häufiger Zeit füreinander.

»Deswegen mach dir keine Sorgen«, gab Ordoban zurück. »Ich beobachte dich seit geraumer Zeit und weiß, woran ich mit dir bin. Die Sublimierung ist vorbereitet.«

Diesen Ausdruck hatte er selbst geschaffen. Anhand seines eigenen Schicksals hatte er zu erkennen geglaubt, dass der organische Körper eigentlich nur eine Bürde war. Wenn er sein Leben noch einmal zu leben hätte, dann wollte er es von Anfang an als substanzloses Wesen tun. Das Abstreifen des sterblichen Körpers war ein Schritt nach oben. Diesen Vorgang, meinte Ordoban, beschreibe der Begriff Sublimierung recht gut.

Saddreyus leibliches Dasein endete am 34. Ashtaph des Jahres 13.752 Malkatu. Ordoban hielt Wort. Von da an durchstreifte der Bucklige als Geisteswesen die Weite des Loolandre. In dieser Existenzform war er beweglicher als zuvor. Ordoban bekam ihn wieder seltener zu sehen, jedoch konnten sie auf mentalem Weg über jede Entfernung hinweg miteinander kommunizieren.

Später wurden die Symptome deutlicher. Im Jahr 14.098 Malkatu war Ordoban, wie es ihm längst zur Gewohnheit geworden war, als pseudomaterieller Bewusstseinssplitter im Loolandre unterwegs. Es schien ihm, als sei die Zahl der Besucher in den vergangenen Jahren gesunken. Er wollte Auskunft darüber einholen, warum das so war.

In einer Ausstellung, die sich mit antiker Technik befasste, stieß er auf eine Gruppe von zwölf Touristen. Sie gehörten einem ihm bislang unbekannten nicht-saddreykaroiden Volk an, sprachen aber halbwegs verständliches Saddreykarisch. Er näherte sich ihnen in der Gestalt eines zweiköpfigen, schuppenhäutigen Plankh.

»Gefällt euch diese Ausstellung?«, fragte er.

»Gefallen ist nicht der richtige Ausdruck«, antwortete einer der Fremden. »Sie verdeutlicht uns die ausbeuterische Verkommenheit des imperialistischen Zeitalters.«

Ordoban musste eine Zeit lang nachdenken, bis er zu verstehen glaubte, was der Fremde meinte. Ihm lag nichts an einer ideologischen Diskussion, deshalb behauptete er: »Ordoban denkt anders über diese Dinge.«

Und dann erlebte er den Schock seines Daseins. Der Sprecher der Touristengruppe wandte sich ihm zu, musterte ihn misstrauisch und fragte: »Wer?«

Zu Beginn des 16. Jahrtausends Malkatu gewann der Niedergang an Schwung. Das Imperium begann zu zerfallen. Von den Nachrichten, die Ordoban empfing, kamen immer weniger in Saddreykarisch. Kleinmütiger Lokalchauvinismus hatte die alten Regionalsprachen wiederaufleben lassen. Ordoban hätte sie mühelos erlernen oder sich übersetzen lassen können, er verzichtete darauf. Er verstand ohnehin nicht einmal mehr das moderne Saddreykarisch.

Jährlich kamen nur noch ein paar Millionen Interessierte zum Loolandre anstatt wie früher Milliarden. Audienzen waren nicht länger gefragt, und die Fälle sinnloser Zerstörungswut häuften sich. Kostbare Einrichtungen wurden beschädigt. Ordoban gruppierte die auf seinen Befehl hörenden Roboter zu einer Schutztruppe. Sie sollten die Schätze des Loolandre vor Schaden bewahren.

Von den intergalaktischen Expeditionen war keine weitere zurückgekehrt.

»Es wird Zeit, dass wir uns auf die Einsamkeit vorbereiten«, sagte Saddreyu. »Du wirst nicht bis ans Ende der Ewigkeit mit mir allein vorliebnehmen wollen. Es stehen uns alle möglichen Experimentier- und Fertigungsmöglichkeiten zur Verfügung. Warum schaffen wir uns nicht ein Publikum? Einige Millionen synthetische Wesen, die wir den Bewohnern des Imperiums nachbilden?«

Ordoban hatte damals nicht viel von der Idee gehalten. Dass er später auf sie zurückkommen würde, ahnte er nicht einmal.

Im Jahr 17.001 Malkatu zählte die Registrierung nur achtzehn Besucher im Loolandre. Sie kamen allesamt einzeln in kleinen Raumschiffen, deren Antriebsprinzip Ordoban nicht kannte. In der Gestalt eines Saddreykaren näherte er sich einem dieser Gäste, einem älteren Aihnoul.

»Nanu?«, staunte der Zweiäugige. »Ich dachte, ich wäre der Einzige hier an Bord.«

»Vielleicht bist du es«, antwortete Ordoban zweideutig. Dann fragte er: »Kennst du Ordoban?«

Der Aihnoul lachte hell auf. »Ordoban, den größten Feldherrn, Präsidenten und Philosophen aller Zeiten? Natürlich kenne ich ihn. Ich meine – ich weiß von ihm und über ihn. Ich bin Historiker.«

Das war es also. Nur wer sich von Berufs wegen für die Geschichte des Imperiums interessierte, kam noch zum Loolandre. Und schließlich blieben auch diese Personen aus. Im Jahr 18.897 Malkatu wurde der letzte Besucher registriert. Das riesige Monument, für die Ewigkeit gedacht, folgte einsam und verlassen seiner Bahn, die es einmal im Lauf von acht Millionen Jahren rings um die Galaxis Behaynien führte.

Im 20. Jahrtausend wurden die Nachrichten aus Behaynien rar. Das Imperium war vollends auseinandergebrochen, die ehemaligen Mitgliedsstaaten zerfleischten einander in grausamen und sinnlosen Bruderkriegen. Unter solchen Umständen musste jeder auf seine Sicherheit achten, und dazu gehörte, dass der Gegner die interne Kommunikation nicht abhören konnte. Die großen galaktischen Sender der Vergangenheit wurden durch regionale Stationen mit eng begrenzter Reichweite ersetzt. Das wenige, was die Antennen des Loolandre weiterhin empfingen, war vielfach verschlüsselt. Zwar gelang es Ordoban mühelos, sämtliche Kodes zu knacken, dennoch verstand er die Inhalte der Nachrichten um keinen Deut besser. Die Sprachen der Behaynier waren ihm fremd geworden.

Mitunter wurden kräftige, kurze Hyperenergieechos empfangen. Das bedeutete, dass wieder ein Planet dem Beschuss mit mörderischen Waffen zum Opfer gefallen war.

Manchmal meinte Ordoban, er müsse in das hirnverbrannte Wüten eingreifen und den paranoiden Kriegern die Schädel gegeneinanderschlagen, bis sie wieder Vernunft annahmen. Das Loolandre besaß ein kräftiges Hypertriebwerk, das ihm die Beweglichkeit eines herkömmlichen Raumschiffs verlieh. Sobald er aber die Einzelheiten der Strategie definieren wollte, die ihm maximale Erfolgsaussichten versprach, wurde ihm die Unsinnigkeit eines solchen Vorhabens bald offenbar. Ordoban konnte sich mit den Behayniern kaum mehr verständigen. Ihre Mentalität war eine andere geworden. Sie würden nicht wissen, was er wollte. Gewaltanwendung kam nicht infrage. Gewiss, das Loolandre verfügte über eigene Waffensysteme. Sie gehörten zu den Ausstellungen der imperialen Geschichte und waren nicht einsatzbereit, allerdings würde es den Robotern leicht möglich sein, sie instandzusetzen. Letztlich blieben es Waffen des Altertums, die den Produkten der modernen Waffentechnik wahrscheinlich nicht gewachsen waren. Abgesehen davon war das Loolandre zwar groß und mächtig, doch die einander bekriegenden Regionalstaaten verfügten über Flotten in der Größe von Hunderttausenden oder gar Millionen Einheiten. Nein, die Rolle des Friedensbringers war nicht für Ordoban vorgesehen.

Im Jahr 20.113 Malkatu empfing das Loolandre die letzte Nachricht aus der Riesengalaxis. Sie war entzifferbar, blieb aber trotzdem unverständlich. Danach schwieg der Äther. Ordoban argwöhnte, dass der Bruderkrieg zu Ende gegangen war. Übrig geblieben waren vielleicht zwei bis drei Prozent der früheren Bevölkerung des Imperiums. Abgeschnitten von interstellaren Verbindungen, mit dem Kampf ums Überleben beschäftigt, würden sie innerhalb weniger Jahrhunderte in die Primitivität zurücksinken. Dann konnte der teuflische Kreislauf erneut beginnen.

Inzwischen hatte Ordoban sich Saddreyus Vorschlags von einst erinnert und mit Experimenten zur Züchtung synthetischer Intelligenzen begonnen. Er bedauerte nun, dass er Saddreyus Körper nicht konserviert hatte. Die sterbliche Hülle hätte ihm jene organische Zellsubstanz geliefert, die er mit großer Mühe erst herstellen musste.

Die Versuche nahmen Jahre in Anspruch. Das störte Ordoban nicht. Die Arbeiten lenkten ihn von den trüben Gedanken an das Schicksal des Imperiums und seiner Bürger ab. Saddreyu war ein aufmerksamer und ideenreicher Helfer. Die Bibliotheken, in denen das Fachwissen des 13. Jahrtausends Malkatu gespeichert war, erwiesen ihren unschätzbaren praktischen Wert. In kurzer Zeit lernte Ordoban alles über Genetik.

Der erste Brutversuch brachte ein zwiespältiges Ergebnis. Es bewies, dass Ordoban und Saddreyu auf dem richtigen Weg waren, aber auch, dass sie noch weit zu gehen hatten, bis sie endlich ein verwendbares Produkt erhielten. Wehmütig betrachtete der alte Krieger die tot geborenen, winzigen Geschöpfe, die sie nach einer Inkubation von dreißig Tagen aus dem Brutreaktor hervorgezogen hatten. Sie waren zwei Handspannen groß, haarlos und bar aller Geschlechtsmerkmale. Die Farbe ihrer Haut war ein mattes Silber. Was Ordoban jedoch am meisten ärgerte, war, dass sie zwei Augen besaßen. Nun, die nächsten Versuchsreihen würden ihm zeigen, ob sich daran etwas ändern ließ.

Um diese Zeit fand Ordoban Gefallen an der Meditation. Er versank in sich selbst und ließ seinen Gedanken freien Lauf. Während er meditierte, nahm er seine Umgebung nicht mehr wahr. Gewöhnlich erwachte er aus der Meditation gekräftigt und beseelt von einem unbändigen Drang, die Experimente zur Schaffung künstlichen Lebens auf der Stelle fortzusetzen.

Bald stolperte er über einen seiner alten Grundsätze – jenen, wonach das denkende Geschöpf kein Recht habe, auch nur eine Sekunde der Zeit, die ihm die Götter gegeben hatten, zu vertrödeln. Meditieren war in Ordnung, sagte er sich, aber es musste einen praktischen Nutzen erbringen.

Saddreyu gab ihm den entscheidenden Fingerzeig. Im Loolandre war die Geschichte des Imperiums bis zum 13. Jahrtausend Malkatu repräsentiert. Inzwischen schrieb man das Jahr 20.188. Wäre es nicht an der Zeit, fragte Saddreyu, dass man die Geschichte des Loolandre während der letzten siebeneinhalbtausend Jahre ebenso aufzeichnete?

Ordoban stürzte sich mit Feuereifer auf das neue Vorhaben. Das Netz hyperenergetischer Feldlinien, in das Sorkalan das Loolandre eingebettet hatte, verschaffte ihm Zugriff zu den großen Datenspeichern. Während Ordoban meditierte, rief er die gewünschten Informationen ab und verarbeitete sie zur Chronik des Loolandre. Die Arbeit bereitete ihm Vergnügen. Auf diese Weise erlebte er die letzten Jahrtausende ein zweites Mal mit all ihren Triumphen, leider auch mit allen Enttäuschungen und vor allem dem blutigen Bruderkrieg.

Dass all dies mit dem ursprünglichen Begriff der Meditation nichts mehr zu tun hatte, sondern anstrengende Arbeit war, störte den Helden nicht. Wenn er die Verbindung zu den Speichersystemen unterbrach und »erwachte«, vergingen gewöhnlich ein paar Dutzend Sekunden, während sein mentaler Gesichtssinn die Umrisse vertrauter Gegenstände wieder in den rechten Fokus rückte.

Auch an dem Tag, an dem er die Geschichte des 16. Jahrtausends Malkatu abschloss und der Chronik einverleibte, vollzog sich das Erwachen auf die übliche Weise. Wie immer empfand Ordoban den Drang, sich sofort mit Saddreyu in Verbindung zu setzen und nach dem Stand der Experimente zu fragen.

Diesmal war da etwas, was ihn störte. Etwas an dem Bild, das allmählich vor seinem Mentalauge materialisierte, stimmte nicht. Ein Fremdkörper war in die Halle der Sterne eingedrungen!

Als er kurze Zeit später wieder mit gewohnter Schärfe sah, starrte er fassungslos auf die Gestalt, die es sich auf der obersten Stufe am Rand des Podests bequem gemacht hatte.

Ein echter Saddreykare! Dessen großes Auge leuchtete in sanftem Rot. Die Kleidung entsprach der Mode zu Beginn des 125. Jahrhunderts in Tatmu-Sharrata.

Mühsam überwand Ordoban die Überraschung. Das Heisere der synthetisch erzeugten Stimme brachte seine Verwirrung realistisch zum Ausdruck, als er sagte: »Bruder von Saddreykar, was bringt dich zu dieser gottverlassenen Zeit ins Loolandre?«

Das Auge des Besuchers schimmerte heller. Die rechte Hand vollführte eine um Nachsicht bittende Geste.

»Ich bin kein Saddreykare, Freund Ordoban«, sagte der Fremde. »Ich erscheine dir in dieser Gestalt, damit du nicht unnötig erschrickst. Es gibt keinen Grund, vor mir zurückzuweichen. Die Botschaft, die ich dir bringe, ist eine erfreuliche.«

Verwundert lauschte Ordoban dem freundlichen und zugleich kraftvollen Klang.

»Wer bist du?«, fragte er.

3.

»Was ist ein Kosmokrat?«

»Kosmokraten sind Intelligenzwesen, die jenseits der Materiequellen leben«, antwortete der Fremde, der sich Tiryk nannte. »Dort gibt es einen Bereich, der nicht zu diesem Universum gehört und trotzdem mit ihm in Verbindung steht. Die Kosmokraten zählen sich zu den ordnenden Mächten, die den Mächten des Chaos gegenüberstehen.«

Darüber dachte Ordoban eine Zeit lang nach. Schließlich sagte er: »Ich höre zwar, aber ich verstehe nicht. Wenn das deine erfreuliche Botschaft ist, musst du sie mir erklären.«

»Das ist nicht meine Botschaft.« Tiryk lächelte. »Ich möchte dir eine Geschichte erzählen, wenn du Zeit hast, mir zuzuhören. Danach wird dir vieles klarer sein.«

Ordoban hatte Saddreyu und das Experiment längst vergessen. Der Fremde faszinierte ihn. »Ich habe Zeit«, sagte er. »Zeit ist das Einzige, von dem ich in Hülle und Fülle habe.«

Tiryk machte eine Geste des Themawechsels. »Es geht um grundlegende Dinge, die den Kosmos in seiner Gesamtheit betreffen. Du weißt, welcher Mechanismus es organischer Materie ermöglicht, sich ihrer eigenen Form bewusst zu werden und diese Form unverändert über zahllose Generationen hinweg fortzupflanzen?«

Ordobans Belustigung kam im Klang der synthetischen Stimme zum Ausdruck. »Organische Materie besteht aus Zellen«, antwortete er. »Jede Zelle enthält in ihrem Kern genetische Information, die mehreren Riesenmolekülen aufgeprägt ist. Die einzelnen Informationen nennen wir Gene. Die Riesenmoleküle sind gewöhnlich in Form einer Doppelhelix ausgebildet. Bei der Zellteilung entstehen neue Doppelhelices, die jedoch dieselbe genetische Information enthalten.«

»Gut«, sagte Tiryk. »Die Information ist der genetische Kode. Die ordnenden Mächte, die dem Chaos widerstreben, orientieren sich an einem moralischen Kode, der für das gesamte Universum Gültigkeit hat.«

Ordoban schwieg, obwohl sein Gegenüber eine zu Fragen geradezu auffordernde Pause machte.

»Seit Urzeiten befindet sich das Universum in einem Zustand der Polarisierung«, fuhr der Kosmokrat fort. »Den Kräften der Ordnung auf der einen Seite stehen die Kräfte des Chaos auf der anderen gegenüber. Wir wissen nicht, warum das so ist. Wir können nur feststellen, dass es eine Ureigenschaft des Universums ist, polarisiert zu sein – ebenso wie es eine Ureigenschaft des Universums ist, einem stetig höheren Grad der Unordnung, einem immer höheren Wert der Entropie zuzustreben. Wir vermuten, dass die Gegenüberstellung von Ordnung und Chaos, von These und Antithese, als Triebkraft die Entwicklung des Universums bewirkt. Insofern ist es nicht zulässig, von den Mächten der Ordnung als gut und jenen des Chaos als schlecht zu sprechen. Beide haben ihren Platz im Sein der Dinge. Die Aufgabe der ordnenden Kräfte ist es, das Chaotische nicht überhandnehmen zu lassen. Und ich nehme an, dass andererseits für die Mächte des Chaos die Maxime gilt, die Ordnung in die Schranken zu verweisen.

Das wichtigste Hilfsmittel, das den Mächten der Ordnung zur Verfügung steht, ist der Moralische Kode des Universums. Er enthält die nötigen Informationen, damit wir wirksam gegen die Kräfte des Chaos angehen können. Der Moralische Kode entstand gemeinsam mit Energie und Materie in der Mikrozeit nach der Urexplosion, der dieses Universum seine Existenz verdankt. Er ist der Garant dafür, dass die negativen Kräfte im Zaum gehalten werden können.

Wie der genetische Kode der Biologie hat auch der Moralische Kode die Form einer Doppelhelix. Wenn du von Riesenmolekülen sprichst, dann gewinnt das Wort ›riesig‹ in diesem Zusammenhang eine neue Bedeutung: Die Doppelhelix des Moralischen Kodes durchzieht das gesamte Universum. Ihre Länge lässt sich in konventionellen Maßeinheiten nicht angeben, denn sie ist unendlich.

Die Einzelinformation entlang eines biologischen Gens ist in Form von Peptiden verkörpert. Die Einzelinformation des Moralischen Kodes ist ein psionisches Feld von bedeutendem Energiegehalt. Eine schier unendliche Anzahl psionischer Felder ist entlang der Doppelhelix des Moralischen Kodes aufgereiht. Jedes Feld enthält einen Hinweis, der von den ordnenden Mächten abgerufen werden kann, wenn es gilt, dem Chaos Widerstand zu leisten. Wie die Gene des genetischen Kodes sind auch die des Moralischen Kodes anfällig für Mutationen, seien sie spontan oder durch äußere Einwirkung herbeigeführt. Freilich versuchen die Mächte des Chaos immer wieder, Mutationen des Moralischen Kodes zu bewirken. Gelänge ihnen das, dann müsste unter den Kräften der Ordnung Verwirrung entstehen, weil die in den psionischen Feldern enthaltenen Informationen verfälscht wären. Die Kosmokraten haben es übernommen, den Moralischen Kode gegen die Mutationsversuche der chaotischen Mächte zu schützen.«

Tiryk machte eine neuerliche Pause, doch Ordoban schwieg weiterhin. Eine ungeheure Erregung hatte sich des Helden bemächtigt. Das Bild, das der Kosmokrat entwickelte, bot ihm Einblicke in Geheimnisse des Kosmos, von deren Existenz er bislang keine Ahnung gehabt hatte. Das Eigenartige an der Situation war, dass er, der gewohnheitsmäßige Skeptiker, nicht im Geringsten an der Wahrheit des Gehörten zweifelte.

»Ruf dir das Bild vor Augen!«, forderte Tiryk ihn auf. »Die Gesamtheit der psionischen Felder, die entlang der Doppelhelix des Moralischen Kodes verteilt sind, nennen wir die Endlose Armada. Sie verdient diesen Namen in der Tat, denn die Doppelhelix läuft in sich selbst zurück, hat also weder Anfang noch Ende. Die Aufgabe, die Endlose Armada zu bewachen, können die Kosmokraten nicht selbst übernehmen. Ein Gesetz, dessen Bedeutung du schwerlich verstehen würdest, verbietet ihnen, sich in diesem Fall direkt in die Belange dieses Universums einzumischen. Die Kosmokraten werden im Sinn der ordnenden Mächte tätig, indem sie Aufträge an die Bewohner dieses Universums vergeben.«

Ordoban empfand einen ehrfürchtigen Schauder. Er ahnte, was kommen würde.

»Du weißt, worauf ich hinauswill, nicht wahr?«, sagte Tiryk. »In der Nähe der Galaxis Behaynien, an einer Einbruchstelle im Raum-Zeit-Gefüge des vierdimensionalen Kontinuums, befindet sich eines der psionischen Felder, von denen ich sprach. Es ist unbewacht. Wenn die chaotischen Kräfte den Standort des Psi-Felds bestimmen, werden sie darüber herfallen und eine Mutation auslösen. Das muss verhindert werden – ebenso wie die spontane Mutation des Feldes. Mein Auftrag an dich – solltest du gewillt sein, ihn anzunehmen – lautet daher: Stelle eine Flotte aus Raumschiffen zusammen und übernimm die Bewachung dieses einen psionischen Feldes.«

Der Kosmokrat schwieg. Ordobans Gedanken wirbelten durcheinander; er war wie in einem Rausch. Eine Raumflotte zusammenstellen! Eine Informationseinheit des Moralischen Kodes bewachen! Im Dienst der ordnenden Mächte stehen! An der Sicherung des Universums mitarbeiten! Kaum hörte er, dass Tiryk sich wieder an ihn wandte.

»Ich warte auf deine Antwort, Ordoban.«

Da brach es aus ihm hervor: »Wie könnte ich mich anders entscheiden? Ja, ja und ein drittes Mal, ja! Wenn du mir zutraust, dass ich diese Aufgabe zu deiner Zufriedenheit erfüllen kann – warum sollte ich dann an meiner Fähigkeit zweifeln?«

»Du hast ein Recht auf dein Selbstvertrauen«, bestätigte Tiryk. »Nicht umsonst habe ich mir den fähigsten Strategen der letzten fünfzehntausend Jahre ausgesucht. Meine Wahl wäre ebenso auf dich gefallen, wenn du nicht in diesem gigantischen Monument der Eitelkeit haustest.«

»Du weißt von mir?«, fragte Ordoban verwundert.

»Seit Langem. Mir stehen Informationsmöglichkeiten zur Verfügung, die du als ... nun, sagen wir, vorzüglich bezeichnen würdest.«

»Wie mächtig müsst ihr sein?«

»Macht ist nicht das, wodurch wir uns auszeichnen wollen«, antwortete der Kosmokrat in einem Anflug philosophischer Nachdenklichkeit. »Wir streben nach Einsicht – Einsicht in das Wirken des Kosmos.« Gleich darauf wurde er wieder sachlich. »Stell dir deine Aufgabe nicht zu leicht vor«, warnte er. »Die Flotte, die du zusammenziehen musst, um das psionische Feld zu schützen, wird von ungeheurem Ausmaß sein – weit größer, als sie eine einzelne Zivilisation hervorbringen kann. Du wirst Hunderttausende, vielleicht sogar Millionen Verbände verschiedenster Völker benötigen, um das Amt des Bewachers zuverlässig ausüben zu können.«

Ordoban kam aus dem Staunen nicht heraus. Schon bei der Vorstellung, wie eine solche Riesenflotte sich im intergalaktischen Raum ausnehmen würde, versagte seine Phantasie. Das Bild war für einen an herkömmliche Maßstäbe gewöhnten Verstand nicht fassbar.

»Der Aufbau der Wachflotte wird Jahrtausende in Anspruch nehmen«, fuhr Tiryk fort. »Wir stehen dir zur Seite, doch den größten Teil der Arbeit wirst du selbst leisten. Du brauchst eine Technologie, die der Flotte die nötige Beweglichkeit und Schlagkraft verleiht und die den individuellen Errungenschaften der integrierten Völker mühelos angepasst werden kann. Wir liefern sie dir. Wir geben dir Modelle von Fertigungsstätten, damit du eine Industrie erstellen kannst, und gehen dir zur Hand, wo wir können. Aber ich wiederhole: Die Hauptlast der Arbeit hast du zu tragen.«

»Das will ich tun!«, gelobte Ordoban.

»Ich gehe wieder«, sagte Tiryk. »In kurzer Zeit werden die ersten Transporte eintreffen.«

»Halt!«, rief der Alte. »Noch weiß ich nicht, an welchem Ort sich das psionische Feld befindet. Wohin soll ich mich wenden?«

»Dein zentrales Rechnersystem verfügt über die benötigten Informationen. Du rufst sie ab, indem du den Eigennamen des psionischen Feldes als Suchbegriff verwendest: TRIICLE-9.«

Ordoban schwirrten Hunderte von Fragen durch den Kopf. Doch kaum hatte der Kosmokrat den Namen genannt, war er verschwunden.

Bald nachdem Tiryk gegangen war, wich der nahezu magische Einfluss, mit dem der Kosmokrat den Alten in seinen Bann geschlagen hatte. Ordobans angeborenes Naturell gewann wieder die Oberhand. Er schimpfte sich einen Narren, dass ihn das bombastische Gerede des Fremden so sehr erregt hatte. Ordnende Mächte, Kräfte des Chaos, Moralischer Kode, Endlose Armada ...?

Immer mehr glaubte er, nur eine Halluzination erlebt zu haben. Wahrscheinlich hatte er zu angestrengt meditiert. Er erzählte Saddreyu von seinem Erlebnis. Anstatt zu lachen, wurde der Bucklige recht nachdenklich.

»Nach der Mode des 124. Jahrhunderts war der Fremde gekleidet?«, fragte Saddreyu. »Lassen wir die Möglichkeit außer Acht, dass du dir alles nur eingebildet hast: Wer wüsste heute noch, wie damals die Mode ausgesehen hat?«

»Du meinst ...«, stotterte Ordoban verblüfft, »es könnte etwas Wahres an dem Gerede sein?«

»Das meine ich«, bestätigte Saddreyu. »Es könnte.«

Von der Halle der Sterne aus nahm Ordoban Verbindung mit dem zentralen Rechnersystem auf. »Suchbegriff TRIICLE-9«, sagte er. »Gib mir alles, was du darüber weißt.«

Er hatte erwartet, als Antwort »Der Begriff ist mir unbekannt« zu erhalten – oder auch »Ich glaube wohl, du hast ein Loch im Kopf«, denn der Rechner entwickelte mitunter die Tendenz, persönlich zu werden.

»Willst du das alles auf einmal?«, fragte die Maschine stattdessen. »Das ist eine enorme Datenfülle. Damit wird dein Grips nicht fertig.«

»Du weißt tatsächlich einiges über TRIICLE-9?«, staunte Ordoban fassungslos.

»Mehr, als du in einem halben Jahr verdauen könntest«, beteuerte der Rechner.

Am darauffolgenden Tag wurden Ordobans Zweifel endgültig zerstreut. Eine Flotte von Raumschiffen, die in diesem Sektor des Weltraums nie vorher gesehen worden waren, landete auf der Oberfläche des Loolandre. Sie war mit Robotern bemannt, eigenartig anzusehenden Geschöpfen, deren Körper jeweils aus einem flachen Zylinder bestand und an beiden Enden mit ebenso flachen Kegeln abgedeckt war. Sie hatten flexible, tentakelähnliche Greifarme, die sie zu mehreren Metern Länge ausfahren konnten. Zudem schienen diese Roboter sich im Loolandre auszukennen, als hätten sie hier schon Jahrtausende verbracht. Mit unvorstellbarer Geschwindigkeit entluden sie die Schiffe. Produkte einer fremdartigen Technik wurden in die Lagerhallen des großen Denkmals geschafft. Nach zwei Tagen war alles ausgeladen. Zu Ordobans großer Verblüffung starteten die Schiffe ohne Besatzung, die Roboter blieben im Loolandre zurück. Einer von ihnen erschien kurz darauf in der Halle der Sterne. »Großer Ordoban, ich bin hier, um dir zu dienen und dich im Gebrauch der neuen Technik zu unterweisen«, erklärte er.

Da wusste Ordoban endgültig, dass er die Begegnung mit Tiryk nicht geträumt hatte.

Die folgenden Monate vergingen wie im Traum. Mithilfe des Roboters, dem er den Namen Hortevon gab, lernte Ordoban die fremde Technik verstehen. Hortevon besaß die Fähigkeit, selbst komplizierteste Zusammenhänge so darzustellen, dass ein einigermaßen wacher Verstand sie sofort verstand. Auch Saddreyu profitierte davon, denn er nahm an vielen Schulungen teil. Insgeheim verdächtigte Ordoban den Roboter, er sei mit hypnotisch-suggestiven Fähigkeiten ausgestattet. Das störte ihn nicht, wenn es nur dazu beitrug, ihm alles neue Wissen schnell begreiflich zu machen.