Perry Rhodan 1830: Der IQ-Dimmer - Ernst Vlcek - E-Book

Perry Rhodan 1830: Der IQ-Dimmer E-Book

Ernst Vlcek

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Beschreibung

Ronald Tekener im Einsatz - sein Ziel ist das Humanidrom Die angespannte Situation in der Milchstraße hat sich zum Jahresbeginn 1289 Neuer Galaktischer Zeitrechnung weiter zugespitzt. Zigtausende der mysteriösen Igelschiffe haben in der Galaxis zahlreiche Planeten besetzt und komplett von der Außenwelt abgeschnitten. Das in sich zerstrittene Galaktikum weiß keine Lösung, ist derzeit auch weit von einer Einigung entfernt: Misstrauen herrscht zwischen den großen Machtblöcken der Galaxis. Kein Mensch in der Milchstraße weiß zudem Bescheid, wo Perry Rhodan sowie seine Freunde Reginald Bull und Alaska Saedelaere sind. Die drei Aktivatorträger verschwanden im Pilzdom auf Trokan - dem "zweiten Mars" - und tauchten bisher nicht wieder auf. Während es Alaska in die Galaxis Bröhnder verschlagen hat, wo er sich zuletzt dem Zugriff der "Schrottsammler" erwehren musste, sind Rhodan und Bull in Plantagoo unterwegs und wollen dort zu den geheimnisvollen Galornen vorstoßen. Immerhin gelang es dem Arkoniden Atlan, die Liga Freier Terraner und das Forum Raglund zu einem Bündnis gegen die Tolkander zu bewegen. Erste Einsätze im Bereich des Humanidroms blieben ohne große Wirkung. Atlan hofft nun auf ein neues Hilfsmittel - es ist DER IQ-DIMMER …

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Seitenzahl: 135

Veröffentlichungsjahr: 2014

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Nr. 1830

Der IQ-Dimmer

Ronald Tekener im Einsatz – sein Ziel ist das Humanidrom

von Ernst Vlcek

Die angespannte Situation in der Milchstraße hat sich zum Jahresbeginn 1289 Neuer Galaktischer Zeitrechnung weiter zugespitzt. Zigtausende der mysteriösen Igelschiffe haben in der Galaxis zahlreiche Planeten besetzt und komplett von der Außenwelt abgeschnitten. Das in sich zerstrittene Galaktikum weiß keine Lösung, ist derzeit auch weit von einer Einigung entfernt: Misstrauen herrscht zwischen den großen Machtblöcken der Galaxis.

Kein Mensch in der Milchstraße weiß zudem Bescheid, wo Perry Rhodan sowie seine Freunde Reginald Bull und Alaska Saedelaere sind. Die drei Aktivatorträger verschwanden im Pilzdom auf Trokan – dem »zweiten Mars« – und tauchten bisher nicht wieder auf. Während es Alaska in die Galaxis Bröhnder verschlagen hat, wo er sich zuletzt dem Zugriff der »Schrottsammler« erwehren musste, sind Rhodan und Bull in Plantagoo unterwegs und wollen dort zu den geheimnisvollen Galornen vorstoßen.

Immerhin gelang es dem Arkoniden Atlan, die Liga Freier Terraner und das Forum Raglund zu einem Bündnis gegen die Tolkander zu bewegen. Erste Einsätze im Bereich des Humanidroms blieben ohne große Wirkung. Atlan hofft nun auf ein neues Hilfsmittel – es ist DER IQ-DIMMER …

Die Hauptpersonen des Romans

Ronald Tekener – Der Smiler kehrt aus Hangay zurück und lässt sich dimmen.

Atlan – Der Arkonide greift zu einem waghalsigen Plan.

Arfe Loidan – Die Xenomedizinerin macht sich Sorgen um »ihre« Simple Minds.

Agnes Figor – Eine terranische Schachmeisterin lässt sich freiwillig verdummen.

Chenobroczeket Fanczynoke

Prolog

Agnes Figor, Terranerin:

Eigentlich hatte ich keinen Grund, meinen Beitritt zur Flotte zu bereuen. Die Liga Freier Terraner zahlte gut, man kam viel in der Milchstraße herum, und über mangelnde Freizeit brauchte man sich auch nicht zu beklagen. Für mich, die ich ungebunden war, eine geradezu ideale Lösung.

Außerdem konnte ich bei meinem Job als Logistikerin und Syntronprogrammiererin an Bord der PAPERMOON ausgiebig meinem Hobby nachgehen: dem Schach. Ich war darin gar nicht schlecht. Das heißt, warum soll ich untertreiben: Ich war unter Terranern eine der besten Schachspielerinnen des Solsystems. Ich habe sogar schon Haluter geschlagen, und die gelten in dieser Disziplin eigentlich als unschlagbar.

Gegen den Bordsyntron der PAPERMOON oder sonst einen komplexen Schiffscomputer bin ich natürlich chancenlos. Aber mit Pikosyns, jene Mini-Syntrone, wie sie etwa in SERUNS eingebaut sind, nehme ich es jederzeit auf. Bei Einsatzmanövern, die in der Regel monoton ablaufen, ist das meine liebste Ablenkung, um nicht zu versauern.

Wie gesagt, mir gefällt es in der Flotte recht gut. Aber dieser Einsatz hier passt mir gar nicht. Denn er kreuzt sich mit den terranischen Schachmeisterschaften. Dabei habe ich meinen Urlaub schon vor Wochen angemeldet, und jeder an Bord weiß, wie sehr mir daran gelegen wäre, an den Meisterschaften teilzunehmen. Aber alle meine Interventionen haben nichts genützt.

Es herrscht wegen der Tolkander Alarmstufe eins im Solsystem. Das geht so weit, dass man in der LFT-Führung daran denkt, das gesamte Solsystem hermetisch abzuriegeln, hört man. Was an diesen Gerüchten dran ist und welche Schutzvorkehrungen im Falle eines Falles getroffen werden sollen, das scheint niemand so genau zu wissen. Man munkelt von technischen Problemen, die noch zu bewältigen sind.

Dieser Einsatz sollte mit den Tolkandern aber nur indirekt zu tun haben. Wir erfuhren erst nach dem Start der PAPERMOON, dass es sich um eine diplomatische Mission handelte und dass auch die Erste Terranerin Paola Daschmagan mit einem Rudel Diplomaten und sogar die Chefin des Terranischen Liga-Dienstes Gia de Moleon an Bord waren. Der Flug ging zum Planeten Raglund in der Eastside, der Regierungswelt des gleichnamigen Forums, in dem sich viele der nichthumanoiden Völker der Milchstraße zusammengeschlossen hatten, dem aber auch einige Lemurerabkömmlinge angehörten, die weder ins Kristallimperium noch in die LFT integriert waren, wie etwa Akonen oder Antis. Nach Raglund kamen zudem Vertreter der Camelot-Bewegung unter Homer G. Adams und dem Arkoniden Atlan.

Für uns, die gewöhnliche Mannschaft der PAPERMOON, gab es außer Bereitschaftsdienst rund um die Uhr nichts Aufregendes zu erleben. Bis auf einige Auserwählte des Wachpersonals blieben alle an Bord zurück. Einzige Abwechslung war der Anblick der monumentalen GILGAMESCH. Ein Zwölfflächner als Raumschiff mit einem Durchmesser von zweieinhalb Kilometern, das sich in dreizehn autarke Flugkörper aufsplittern konnte! Fast für jeden Zellaktivatorträger eines.

Aber auch an dem spektakulärsten Objekt kann man sich mit der Zeit satt sehen. Der Versuch unserer Ortungsspezialisten, die GILGAMESCH auszuspionieren, fiel, wie schon zuletzt im Solsystem, wieder fehl. Aber sie waren wenigstens beschäftigt. Wir anderen konnten nur Daumen drehen – und Schach spielen.

Die Mission auf Raglund war ein voller Erfolg. Die Völker des Forums Raglund und die Cameloter schlossen mit der LFT einen Beistandspakt gegen die Invasoren aus der Galaxis Tolkandier, die Tolkander. Alle feierten den Arkoniden Atlan als Vater dieses Bündnisses.

Danach ging es nicht etwa zurück ins Solsystem – ich wäre noch rechtzeitig zu den Meisterschaften gekommen –, sondern in den Einsatz. Ziel war das Scarfaaru-System mit dem Planeten Lokvorth und dem Humanidrom, das von den Tolkandern besetzt und in das für Galaktiker unpassierbare Tanglefeld gehüllt worden war.

Am sogenannten Point Survive sammelte sich eine Flotte aus fünftausend Raumschiffen. Dreitausend hatte die LFT beigesteuert, zweitausend stellte das Forum Raglund zur Verfügung. Die Cameloter beteiligten sich mit der GILGAMESCH und fünfzig Kreuzern.

Man musste sich fragen, was dieser Flottenaufmarsch sollte, obwohl es sowieso keine Möglichkeit gab, Lokvorth und das Humanidrom zurückzuerobern. Die Antwort gab der Tagesbefehl, der in knapper Amtssprache besagte, dass es unsere Aufgabe sei, Igelschiffe zu zerstören, Tolkander gefangen zu nehmen und Vivoc zu erbeuten.

So einfach, wie es sich sagte, war das aber nicht.

Der Sturm aufs Scarfaaru-System wurde von der gesamten Flotte vorgenommen, wenn der Großteil der Raumschiffe jedoch auch nur eingesetzt wurde, um einigen wenigen Einsatzschiffen Feuerschutz zu geben. Das Unternehmen wurde zum Desaster. Wir bezahlten den Angriff mit einigen Wracks und hohen Verlusten an Leben. Gefangene machten wir dagegen keine und kehrten unverrichteter Dinge zum Point Survive zurück.

Dort angekommen, machte uns Atlan in einer Durchsage neue Hoffnung. Er erklärte, dass auf Camelot an einem Mittel – er sagt Mittel und nicht Gerät oder Waffe – gegen den Tangle-Scan gearbeitet würde und wir mit diesem Schutz zum Humanidrom und nach Lokvorth vordringen könnten.

Das wäre natürlich eine feine Sache.

1.

Sara-Ti-H'ay, eine Kartanin aus Dao-Lin-H'ays traditionsreichem Familienclan, war die Kommandantin der SIOR-SA. Der Diskus war von Hangay in die Milchstraße unterwegs, um Informationen über die Tolkander-Invasion zu sammeln.

In Hangay kursierten die tollsten Gerüchte, und niemand war in der Lage, Fakten und Erfindung auseinanderzuhalten.

Sara-Ti-H'ay fragte mich: »Alles in Ordnung mit dir?«

»Ja«, behauptete ich. »Ich bin okay.«

Aber das stimmte nicht ganz. Ich wurde immer noch von dem Albtraum verfolgt, der eigentlich vor drei Wochen zu Ende gegangen war. Ich musste das Problem schleunigst bewältigen.

*

Da war nur Schwärze. Und ein Nichts. Leere im Gehirn.

Das Vakuum füllte sich allmählich mit Informationen. Bruchstückhaft und signalartig. Vereinzelt blitzten Namen und dazugehörige Bilder auf.

Amos-Tar-Ney. Der »Totengräber«, wie alle ihn nannten. Ein fetter, schmieriger Kartanin aus dem Volk der Karaponiden, der offiziell ein Bestattungsunternehmen auf dem Planeten Sumac führte. Egal, welcher Religion man angehörte oder welcher Abstammung man war, Amos-Tar-Ney warb damit, dass er für jede gewünschte Bestattungsart sorgen konnte. Sei es Einäscherung, Beisetzung im Planetenboden oder im Vakuum, oder eine exotischere Art der Bestattung, wie sie viele Kansahariyya-Völker von Hangay verlangten.

Tatsächlich war das bloß Tarnung. Amos-Tar war einer der Köpfe einer Verbrecherorganisation, die ihr Netz über ganz Hangay ausgeworfen hatte. Es hieß, dass er auch schon Kontakte mit den Galactic Guardians geknüpft hatte.

Ich war nahe daran, ihm das Handwerk zu legen … Und da setzte die Erinnerung aus.

Mein Gehirn war wie ausgelaugt. Mein Körper wie tot. Ich konnte mich nicht bewegen. Ja, ich war mir nicht einmal sicher, ob ich atmete. Meine Sinnesorgane lieferten mir keinerlei Informationen.

Ich wollte die Arme bewegen, wenigstens einen Finger krümmen. Den Befehl dazu konnte ich in Gedanken formulieren, aber er erreichte nicht sein Ziel. Zumindest merkte ich nichts davon.

Geh methodisch vor, sagte ich mir. Wer bist du eigentlich? Ich bin Ronald Tekener. Ich führe in Hangay eine Lebensgemeinschaft mit Dao-Lin-H'ay. Gelegentlich mache ich Abstecher in die heimatliche Milchstraße, besuche die alten Freunde auf Camelot. Zuletzt geschah das vor drei Monaten.

Perry, Atlan, Bully … Sie bauen an einem großen Raumschiff, wie es die Milchstraße noch nicht gesehen hat. Es ist noch nicht ganz fertig, aber einen Namen hat es bereits: GILGAMESCH. Für fast jeden Zellaktivatorträger ist ein eigenes Modul vorgesehen, in diesem gewaltigen Puzzle-Schiff. Wie ich mein Schiff nennen möchte? Da brauchte ich nicht lange zu überlegen: KENNON. Nach meinem unvergesslichen Freund aus USO-Tagen: Sinclair Marout Kennon.

Diese Erinnerungen bringen dir nichts, Tek! Was geschah, bevor du Mattscheibe hattest?

Ich war mit einem Einsatztrupp unterwegs nach Sumac, um Amos-Tar-Neys Nest auszuheben. Und dann? Wir umzingelten das Bestattungsunternehmen, drangen ein. Amos-Tars Leute erwarteten uns bereits. Irgend jemand musste unsere Aktion verraten haben. Ich wurde von meinen Leuten abgeschnitten und war umzingelt. Ich wurde entwaffnet.

Amos-Tar-Ney trat auf mich zu und sagte … er sagte … Nein, er paralysierte mich und sagte danach … er sagte: »Du bist unsterblich, Smiler. Für Unsterbliche habe ich eine ganz spezielle Bestattungsart …«

Und das war wirklich alles, woran ich mich erinnerte. Die Paralyse musste längst abgeklungen sein, aber ich fühlte meinen Körper noch immer nicht. Ich konnte nur denken, sonst nichts. Nein, das stimmte nicht ganz. Ich konnte denken und Emotionen verspüren.

Als mir einfiel, dass Amos-Tar von einer »speziellen Bestattungsart für Unsterbliche« gesprochen hatte, da erfasste mich Panik. Wer mich kennt, der weiß, dass ich kein ängstlicher Typ bin. Aber die Erinnerung an Amos-Tars unheilvolle Worte setzte mir arg zu.

Plötzlich bildete ich mir sogar ein, meinen Körper zu spüren. Er wurde von Wogen fiebriger Schauer gebeutelt. Ich schien in brennenden Schweiß gebadet.

Aber das war bloß Einbildung, die mir das durch meine Assoziationen hervorgerufene Entsetzen bescherte. Als ich den großen Zeh des linken Fußes bewegen wollte, fühlte ich wieder gar nichts. Dieser Fehlschlag hatte immerhin ein Gutes: Die Beschäftigung mit meinem Körper brachte mich zur Besinnung.

Ich konnte das Entsetzen in den Hintergrund drängen und meine Furcht eindämmen. Allerdings half mir auch klareres Denken nicht, irgend etwas zur Verbesserung meiner Lage zu tun. Ich war hilflos, völlig bewegungsunfähig.

Aber offenbar löste mein gesteigerter Denkprozess etwas aus. Irgendwo mussten meine Gehirnströme registriert worden sein und vorprogrammierte Vorgänge ausgelöst haben.

Die Finsternis löste sich auf und wich dem Bildnis von Amos-Tar-Ney. Ich sah die Bilder nicht mit den Augen, sondern sie wurden mir direkt ins Gehirn projiziert. Die starre Aufnahmeposition deutete auf eine fix montierte, automatisch arbeitende und wohl auch getarnte Kamera hin. Amos-Tar blickte in die Kamera, was den Eindruck erweckte, dass er mich direkt ansah, und hob achtunggebietend den Zeigefinger.

Die Kamera schwenkte über einen typisch terranischen Friedhof – ich wusste, dass ein solcher zu Amos-Tars Bestattungsinstitut gehörte – und dann zu einem offenen Grabschacht. Daneben stand ein offener Sarg, der in seinem Innern mit einer Unzahl technischen Geräts ausgestattet war. Ich sah, wie zwei Kartanin meinen reglosen Körper in den Sarg legten, mich an das Lebenserhaltungssystem und an andere Geräte anschlossen und dann den Deckel verschweißten.

Der Sarg wurde ins Grab gelassen, der Schacht zugeschüttet und mit Grasziegeln bedeckt.

Und dann sprach Amos-Tar-Ney mit erhobenem Zeigefinger in die Kamera:

»Du wirst hier lebendig begraben, Ronald Tekener. Für wie lange Zeit, das hängt einzig und allein von deinen Freunden ab. Vielleicht gehen sie auf einen Handel mit mir ein, dann kommst auch du frei. Wenn nicht, dann wirst du – bei vollem Bewusstsein – so lange büßen wie ich. Aber wünsche mir nicht den Tod, denn dann wirst du für ewig dort unten bleiben. Bei wachem Geist, aber bewegungsunfähig, stumm und taub …«

Bevor das Bild erlosch, sah ich meine Leute heranstürmen. Amos-Tar-Ney erschoss seine beiden Helfer, wohl um keine Mitwisser zu haben, dann warf er die Waffe weg und ergab sich.

Ich wusste nicht, wie lange diese Szene zurücklag. Aber damals hoffte ich noch, dass meine Leute mein Verschwinden richtig deuteten und mich ausschaufeln würden. Aber ich wartete und wartete, ohne dass jemand das Grab untersuchte, vor dem Amos-Tar gefangengenommen worden war.

Ich wusste nicht, wie lange ich mit wachem Geist dalag. Nichts anderes, als denken zu können und meine Gedanken im Kreise zu bewegen. Aber es erschien mir eine Ewigkeit. Die Zeit schien stillzustehen.

Aber noch schlimmer als das stille Nichts waren die Momente, in denen ich Bilder empfing. Irgendwo musste ein Empfänger installiert sein, der auf Wärme oder Bewegung oder auf Gehirnströme reagierte oder auch auf eine Kombination dieser Signale.

Als ich beim ersten Mal plötzlich unverhofft Bilder empfing, da schöpfte ich die Hoffnung, dass man mich entdecken könnte. Mein Gehirn empfing plötzlich die Bilder von zwei kartanischen Sicherheitskräften. Sie patrouillierten plaudernd an meinem Grab vorbei. Ich versuchte verzweifelt eine Möglichkeit zu ersinnen, um mich ihnen bemerkbar zu machen. Aber ich war hilflos – und das war das Schlimmste. Sie verschwanden aus dem Blickwinkel der Kamera, und es wurde wieder finster um mich.

Irgendwann später sah ich eine Trauerprozession aus fünf Terranern an mir vorbeiziehen. Zuerst tauchte der Sarg auf einem Antigravfeld auf. Dahinter kam ein Mann mit einer Frau. Dann zwei Kinder im Alter von etwa zwölf und vierzehn Jahren. Ein Junge und ein Mädchen. Den Abschluss bildete wieder eine Frau. Etwa um die Zwanzig und blond.

Der Trauerzug zog achtlos an meinem Grab vorbei. Nur die junge Frau, die den Abschluss bildete, warf unvermittelt einen Blick in Richtung meines Grabes. Sie schien mich geradewegs anzusehen!

Mädchen! Mädchen, hier bin ich!, schrien meine Gedanken. Wenn irgend etwas deine Aufmerksamkeit erregt hat, vielleicht die Lichtreflexion im Metall oder Objektiv der Kamera, dann geh der Sache nach. Komm her! Komm schon, sieh nach!

Aber sie wandte sich mit ausdruckslosem Gesicht wieder ab und entschwand aus dem Bild.

Das nächste Mal wurde ich durch einen Nager aufgeschreckt. Der kleine Schädling huschte schnüffelnd über den Grabhügel, verschwand aus dem Bild und kam wieder zurück. Das Tier musste mich mit seinen feinen Sinnen gewittert haben. Ich meine, es musste irgendwie erkannt haben, dass unter dem Erdhügel etwas Lebendiges vergraben war! Oder es hielt die Witterung für die Ausstrahlung von frischem Aas!

Das Tier begann mit seinen Vorderbeinen zu graben. Bald entschwand es aus dem Bildwinkel der Kamera, und ich sah nur noch, wie Erde durch die Luft flog. Das ging lange so, und es bildete sich ein beachtlicher Erdhügel.

Ich konnte es mir in erschreckenden Bildern ausmalen, wie der Nager sich immer tiefer durch den Boden zu mir vorarbeitete. Was für ein entsetzlicher Gedanke, bei vollem Bewusstsein angenagt, gar aufgefressen zu werden. Und sich nicht dagegen wehren zu können!

Was nützt in solch einem Moment die Versicherung der Ratio, dass ich in einem verrottungsfesten Sarg lag, den auch die schärfsten Nagetierzähne nicht knacken konnten. Der Verstand hat nichts zu melden, wenn die Todesangst einmal die Oberhand gewonnen hat.

Erst als das Bild erlosch, war ich sicher, dass das Tier unverrichteter Dinge abgezogen war. Diesmal empfand ich die schweigende Finsternis geradezu als Labsal.

Insgesamt empfing ich danach noch ein halbes dutzendmal Bilder, die in meiner Umgebung auftauchende Lebewesen ausgelöst hatten, ohne dass diese etwas anderes bewirkten, als mich in noch größere Verzweiflung zu stürzen.

So mochten Wochen oder Monate oder auch tausend Jahre vergangen sein. Tausendmal und öfter sehnte ich in dieser Zeit den Tod herbei. Aber das Versorgungssystem sorgte dafür, dass mein bewegungsunfähiger Körper mit allem Lebensnotwendigem versorgt wurde. Und mein Zellaktivator hielt mich zusätzlich am Leben.

Was einmal als besondere Gnade von ES für besondere Verdienste um die Menschheit gedacht gewesen war, wurde mir jetzt zum Fluch.

Dann aber trat irgendwann ein, was ich längst nicht mehr zu erhoffen gewagt hatte.

In meinen Körper kam langsam Leben. Ein anschwellendes und schmerzhaft werdendes Kribbeln zeigte an, dass die Lebensgeister in mich zurückströmten. Und dann hörte ich Dao-Lin-H'ays flüsternde Stimme.

»Tut mir leid, dass es nicht schneller gegangen ist, Lieber. Aber eigentlich hatten wir längst die Hoffnung aufgegeben, dich jemals zu finden. Amos-Tar-Ney kam damals während seiner Gefangennahme ums Leben. Irgend so ein rachsüchtiger Idiot hat ihn einfach erschossen.