Perry Rhodan 1854: Ein Bote Thoregons - Hubert Haensel - E-Book

Perry Rhodan 1854: Ein Bote Thoregons E-Book

Hubert Haensel

0,0

Beschreibung

Gefangen in der Pentrischen Wolke - ein ungeliebter Helfer erscheint Im Jahr 1289 Neuer Galaktischer Zeitrechnung, das dem Jahr 4875 unserer Zeit entspricht, steht die Milchstraße vor einer ihrer größten Bewährungsproben: Mit einer gigantischen Flotte, die weit über 200.000 Raumschiffe umfasst, haben die sogenannten Tolkander milliardenfachen Tod über insgesamt 52 bewohnte Planeten der Milchstraße gebracht. Auf diesen Welten wurde alles intelligente Leben ausgelöscht. Und es ist damit zu rechnen, dass dieser Massentod erst der Anfang einer ungeheuerlichen Entwicklung war. Auf 52 Welten verbreiten nämlich seitdem Wesen, die sich offensichtlich selbst als "Philosophen" bezeichnen, ihre Lehren von Tod und Untergang. In einer schreckenerregenden Vision erfuhren die Aktivatorträger Mila und Nadja Vandemar sowie Atlan, welches Schicksal auf die Milchstraße wartet. Wie das alles zusammenhängen mag, kann derzeit noch keiner der Beteiligten erahnen. Atlan und die anderen Aktivatorträger im Solsystem sehen nur noch eine Chance: Sie stoßen in die sogenannte Traumblase oder Traumsphäre vor und hoffen, von dort aus gegen den unheimlichen Gegner antreten zu können. Während sich die Bewohner der Menschheitsgalaxis auf eine Konfrontation vorbereiten, bei der sie offenbar so gut wie keine Chance haben, sind drei Menschen von der Erde in unbekannten Regionen des Universums unterwegs. Alaska Saedelaere verschlug es zuletzt in einen merkwürdigen Mikrokosmos; Perry Rhodan und Reginald Bull haben in der Galaxis Plantagoo mysteriöse Verbindungen zu den Ereignissen in der Heimat aufgefunden. Sie stießen auf die geheimnisvollen Galornen, die Herrscher über diese Galaxis. Und sie erkannten, welch mörderischen Hintergrund die so friedliebend wirkenden Wesen tatsächlich haben. Das alles hängt zusammen mit einem alten Auftrag - und diesen erhielt EIN BOTE THOREGONS …

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Veröffentlichungsjahr: 2014

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Nr. 1854

Ein Bote Thoregons

Gefangen in der Pentrischen Wolke – ein ungeliebter Helfer erscheint

von Hubert Haensel

Im Jahr 1289 Neuer Galaktischer Zeitrechnung, das dem Jahr 4875 unserer Zeit entspricht, steht die Milchstraße vor einer ihrer größten Bewährungsproben: Mit einer gigantischen Flotte, die weit über 200.000 Raumschiffe umfasst, haben die sogenannten Tolkander milliardenfachen Tod über insgesamt 52 bewohnte Planeten der Milchstraße gebracht. Auf diesen Welten wurde alles intelligente Leben ausgelöscht.

Und es ist damit zu rechnen, dass dieser Massentod erst der Anfang einer ungeheuerlichen Entwicklung war. Auf 52 Welten verbreiten nämlich seitdem Wesen, die sich offensichtlich selbst als »Philosophen« bezeichnen, ihre Lehren von Tod und Untergang. In einer schreckenerregenden Vision erfuhren die Aktivatorträger Mila und Nadja Vandemar sowie Atlan, welches Schicksal auf die Milchstraße wartet.

Wie das alles zusammenhängen mag, kann derzeit noch keiner der Beteiligten erahnen. Atlan und die anderen Aktivatorträger im Solsystem sehen nur noch eine Chance: Sie stoßen in die sogenannte Traumblase oder Traumsphäre vor und hoffen, von dort aus gegen den unheimlichen Gegner antreten zu können.

Während sich die Bewohner der Menschheitsgalaxis auf eine Konfrontation vorbereiten, bei der sie offenbar so gut wie keine Chance haben, sind drei Menschen von der Erde in unbekannten Regionen des Universums unterwegs. Alaska Saedelaere verschlug es zuletzt in einen merkwürdigen Mikrokosmos; Perry Rhodan und Reginald Bull haben in der Galaxis Plantagoo mysteriöse Verbindungen zu den Ereignissen in der Heimat aufgefunden.

Sie stießen auf die geheimnisvollen Galornen, die Herrscher über diese Galaxis. Und sie erkannten, welch mörderischen Hintergrund die so friedliebend wirkenden Wesen tatsächlich haben. Das alles hängt zusammen mit einem alten Auftrag – und diesen erhielt EIN BOTE THOREGONS …

Die Hauptpersonen des Romans

Perry Rhodan – Der Terraner stößt auf das Wesen, das ihn am meisten hasst.

Reginald Bull – Rhodans ältester Freund bleibt misstrauisch.

Foremon – Ein Adlat ist fast am Ziel seiner Wünsche.

A-Caliform – Der Clanführer der Zentrifaal hat mit seinem Leben so gut wie abgeschlossen.

Kaif Chiriatha

Prolog

Es war eine Katastrophe, die ungeahnte Folgen zeigen konnte. Mehrmals hatten die Mörder sich seinem Zugriff entzogen, aber nun – Foremon war ihnen wieder so nahe gewesen wie auf Galorn – war alles gescheitert. Die beiden Fremden hatten eine kriminelle Energie offenbart, zu der nur sehr wenige Wesen fähig waren. Andererseits hätten sie ohne eine solch schier unglaubliche Anstrengung niemals den vierten Boten von Thoregon töten und berauben können.

In unregelmäßigen Zeitabständen schreckte Foremon aus dem Stadium des Nichtdenkens auf, dann wirbelten seine Empfindungen, Gedanken und Gefühle durcheinander wie der erste Schnee im Morgengrauen über der Basaltebene, und er fröstelte. Doch das war keine von außen kommende Kälte, sie entstand tief in seinem Innern.

Die Fremden dürfen nicht mehr morden!, dröhnte es unter seiner Schädeldecke. Niemals wieder!

1.

Bericht Perry Rhodan

»Du und ich, wir treten jeder auf seine Weise für den Frieden ein. Unter diesen Voraussetzungen sollte es möglich sein, ein vernünftiges Gespräch miteinander zu führen. Das ist alles, um was ich dich bitte, Kaif Chiriatha.«

Das Translatorplättchen am Hals übertrug meine Worte ins Goo-Standard, die Umgangssprache der Galaxis Plantagoo.

Mein Gegenüber ließ keine Reaktion erkennen. Maskenhaft starr blickte das faltige blaue Gesicht, nur die breiten Hautlappen der Nasenflügel bebten leicht. Aber das war kaum Ausdruck einer Gemütsregung. Galornen atmeten offensichtlich in weit größeren Abständen als ein Mensch – die Hautlappen, die beinahe die Hälfte der Wangen bedeckten, zitterten bei jedem Atemzug.

»Nie ist es Fremden gelungen, in die Pentrische Wolke einzudringen«, sagte die Galornin langsam.

Ich spürte ihre Fassungslosigkeit, aber in ihrer Stimme suchte ich vergeblich nach Regungen wie Zorn oder Wut. Der dumpfe Bass, in dem Kaif Chiriatha sprach, klang gleichmäßig und angenehm.

Nur ihren Namen hatte sie mir bisher genannt. Und ich hätte blind sein müssen, hätte ich nicht gesehen, dass sie eine Frau war.

Verglichen mit Kaif Chiriatha schien selbst Reginald Bull an Auszehrung zu leiden.

Ein Ruck durchlief die Körpermasse der Galornin. Mit zwei Metern Größe und ihrer imposanten faltigen Fülle wirkte sie durchaus buddhaartig. Ihre runden schwarzen Augen hörten auf, mich zu taxieren, sie dirigierte die Roboter mit einer knappen Handbewegung.

»Bitte hör mir zu …«, begann ich.

Protest war sinnlos. Zuerst hatten die Roboter den galornischen Raumanzug ferngesteuert und ihn mir vom Leib geschnitten, nun hüllten sie mich in ein Fesselfeld und beraubten mich erneut jeder Bewegungsmöglichkeit. Ich war ihnen ausgeliefert.

Kaif Chiriatha starrte schon wieder auf das Passantum an meinem linken Handgelenk. Ihr Zusammenzucken in dem Moment, als mir der Raumanzug abgenommen worden war, hatte ich nicht übersehen. Obwohl sie sich Mühe gegeben hatte, ihre Überraschung hinter einer Maske aus Gleichgültigkeit zu verbergen.

Wie viel wusste sie über das Passantum, das offenbar nicht nur zur Kontrolle und Steuerung der Brücke in die Unendlichkeit diente, sondern wohl auch seinen Träger als »Boten von Thoregon« auswies? Ich musste an den Andro-Hüter Szuker denken, der Bully und mir nur des Passantums wegen geholfen hatte.

Ich wollte die Galornin danach fragen, aber die Roboter dirigierten mich zu einem offenen Gleiter. Gleich darauf versank ich in den nachgebenden Polstern einer Sitzbank. Einen Moment lang war mir, als würden tausend Saugnäpfe meinen Körper umschließen; das Material passte sich der Körperform unglaublich gut an.

»Du bist verkrampft, Perry Rhodan«, sagte Kaif Chiriatha unvermittelt. »Wenn ich mich nicht irre, nennen kriegerische Völker ein solches Verhalten auch Furcht vor Bestrafung. Das verrät mir deine Herkunft. Aber sei unbesorgt, dir wird nichts geschehen.«

Vielleicht. Vielleicht auch nicht.

Jedenfalls hätte ich nicht die Hand dafür ins Feuer gelegt. Obwohl ich ihre ungeheuer positive Ausstrahlung spürte.

Eine ähnliche Aura hatte ich schon in Gaalo wahrgenommen. Glücks-Reduktion nannten die Bewohner der Stadt das Empfinden, aller Sorgen und Nöte enthoben zu sein. Bully und ich hatten es ebenfalls gespürt. Zweimal sogar, um genau zu sein. Bei der Gelegenheit hatten wir aus der Distanz unseren ersten Galornen gesehen, einen Humanoiden mit blauer Haut, zwei Meter groß, unbekleidet und in einer Haltung, die manchen Terraner sofort an eine Buddhastatue erinnert hätte.

Viele Galornen kamen nach Gaalo, sobald sie ihr Lebensende nahen fühlten. Am Ende ihrer Existenz verströmten sie alles Positive ihrer Persönlichkeit in einer grellen Lichterscheinung. Der Augenblick der Glücks-Reduktion war mehr als nur beeindruckend gewesen. Sobald ich die Augen schloss und tief in mein Innerstes hineinhorchte, glaubte ich, noch immer davon zehren zu können.

Falls es sich nicht um eine Sinnestäuschung oder Halluzination gehandelt hatte, mussten die Galornen wirklich eines der friedfertigsten Völker des Universums sein.

Zumindest hatte ich das noch vor knapp vier Monaten – wenn ich richtig schätzte – angenommen, Anfang Dezember 1288 NGZ. Inzwischen hatte ihre leuchtend weiße Weste einige bedenkliche Flecken abbekommen. Mit dem Shifting das Volk der Zentrifaal seiner angezüchteten Aggressivität zu berauben und damit die verbleibende Lebensspanne jedes Individuums zu halbieren war ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Daran änderte der Deckmantel der Friedfertigkeit wenig.

Spürte die Galornin meine Gedanken? Wortlos ließ sie sich mir gegenüber nieder. Ihre auseinanderfließende Fleischfülle schien schier mit der weichen Polsterung zu verschmelzen.

Ich suchte den Blick ihrer tief in den Höhlen liegenden Augen und registrierte im selben Moment, dass Kaif Chiriatha hastiger atmete.

»Du hast mein Passantum gesehen …«

Sie schwieg. Eine Nuance von Ablehnung und Trauer schien sich plötzlich in ihrer Haltung auszudrücken.

»Ich würde gerne die Arme heben und dir meine leeren Handflächen zeigen«, begann ich von neuem. »Leider lassen die Roboter nicht zu, dass ich mich bewege.«

»Das geschieht zu deinem eigenen Schutz, Perry Rhodan.«

Eine Floskel, mehr nicht. Glaubte die Galornin eigentlich selbst daran? Oder – der Gedanke erschreckte mich – hatten die Zentrifaal und Bully sich ihrer Gefangennahme widersetzt? Hatten sie gar mit dem Leben für unseren Ausflug in die verbotene Zone bezahlt?

Was die Zentrifaal aus A-Califorms Clan, Reginald und ich gesehen hatten, war das größte Geheimnis der Galornen, für Außenstehende für alle Zeit tabu. Selbst das friedfertigste Geschöpf kann zur reißenden Bestie werden, sobald jemand an den Grundfesten seiner Existenz rüttelt. So mussten die Galornen unser Eindringen empfinden.

Meine Begleiter waren vor mir über den Transmitter in die azurblaue Stadt zurückgekehrt. Leider sah ich weder Reginald Bull noch einen der Zentrifaal.

Die Nebelwelt, die wir auf unserer Flucht vor den Galornen erreicht hatten, war das Ende einer Sackgasse gewesen. Von der hochgelegenen Station aus hatte sich ein weiter Blick über eine verbrannt wirkende Ebene geboten – ein Raumschiffsfriedhof besonderer Art. Keine Wracks, beileibe nicht, sondern für die Ewigkeit konservierte schwarze Galornenschiffe. Jedes von ihnen war eiförmig und gut neunhundert Meter lang gewesen, ein Typ, wie selbst die Zentrifaal ihn nie zu Gesicht bekommen hatten. Eine unüberschaubare Zahl.

Und nicht genug damit, dass von diesen schwarzen Raumern eine furchterregende, aggressive Ausstrahlung ausging – von Anfang an hatte uns ein schwerer mentaler Druck zugesetzt. Heftige suggestive Felder wiesen den Planeten unmissverständlich als Verbotene Zone aus.

Die Stimme der Galornin durchbrach meine Überlegungen. »Du wirst dir selbst großen Schaden zufügen, Perry Rhodan. Vergiss, was du auf Tribath gesehen hast! Vergiss es zu deinem eigenen Schutz.«

»Und zum Wohl der Galornen …«, konnte ich mir nicht verkneifen.

»Zum Wohl von ganz Plantagoo.«

Kaif Chiriatha schwieg wieder. Weil sie nicht wissen konnte, dass ich in der Absicht, den Raumer für die Flucht zu nutzen, eines der schwarzen Schiffe betreten hatte.

Die Galornin wusste ebenso wenig, dass ich in der Kabine des Kommandanten atemberaubende Einzelheiten über die Geschichte der Galornen erfahren hatte, über ihre blutige Vergangenheit, den Krieg gegen die Mocksgerger und die vielen Bruderkriege, in denen sie sich beinahe selbst zerfleischt hätten.

Der Schiffsname KEMPEST mochte ohne tiefere Bedeutung sein, einem Terraner wie mir legte er jedoch ein spontanes Wortspiel nahe: KEMPEST – Pest.

Vor 38.000 Jahren waren die Galornen die Pest von Plantagoo gewesen und hatten unsagbares Leiden und Sterben verbreitet.

Ich hatte aber auch die charakterliche Wandlung der Galornen hin zu den friedliebenden Wesen nacherlebt, die sie heute waren.

Ahnte Kaif Chiriatha zumindest, dass ich das Geheimnis ihres Volkes kannte? Vor allem, wusste sie selbst, was vor Tausenden von Jahren geschehen war?

Der Gleiter startete vom Rand des Transmitterplatzes. Der rote Kreis war nach wie vor leer. Auch konnte ich keine Galornen in der Nähe entdecken … als hätten die Bewohner der Stadt sich absichtlich zurückgezogen.

Die bungalowartigen Häuser fielen unter uns zurück. Der Gleiter beschleunigte in Richtung auf die Phalanx von Großgebäuden, die sich bis zu dreihundert Meter in den diesig grauen Himmel schraubten.

»Das ist Baaken Bauu«, sagte die Galornin.

»Die Stadt oder der Planet?«, fragte ich nach.

»Baaken Bauu nennen wir auch die azurblaue Stadt«, antwortete Kaif Chiriatha. »Unsere Welt heißt Helter Baaken.«

Ich war zwar ihr Gefangener, aber ich erhielt Informationen. Vielleicht ließ sich das ausdehnen. Oder war die Frau sicher, dass ich mein Wissen nicht mehr würde weitergeben können?

»Was ist mit meinen Begleitern geschehen?«, fragte ich freiheraus.

Die Zentrifaal hatten dem mentalen Druck auf Tribath nicht lange widerstanden. Und Bully war bei ihnen geblieben. Obwohl die vom Shifting betroffenen Zentrifaal nur noch Schatten ihrer selbst waren, konnte niemand ihre Reaktion in Extremsituationen vorhersagen. Wahrscheinlich hatte der Dicke einfach nur vorsichtig sein wollen.

Ich hatte Bullys Nachricht gefunden; er hatte sie eingeritzt: »Perry, wir gehen durch den Transmitter. Ich habe nicht mehr die Kraft, dich zu suchen. Reginald.«

»Den Zentrifaal geht es gut«, sagte Kaif Chiriatha. »Sie befinden sich in Sicherheit.« Die Galornin öffnete den Mund und ließ eine hellbraune, durchgehende Knochenleiste anstelle von Zähnen erkennen.

»Es geht ihnen nicht gut«, widersprach ich scharf. »Das Shifting hat sie zu psychischen Wracks gemacht.«

Ich konnte mich nicht zurückhalten, und nur einer fraglichen Diplomatie wegen zu beschönigen lag mir nicht. Kaif Chiriatha sollte wissen, woran sie mit mir war.

»Der Friede von Plantagoo war in Gefahr«, erinnerte mich die Galornin. »Wir dürfen niemals zulassen, dass unschuldige Leben durch die Aggressivität eines Volkes gefährdet werden.«

»Hast du je darüber nachgedacht, wie viele Zentrifaal an den Folgen des Shifting starben?«, wollte ich wissen.

Die Frau schaute mich ungläubig an. Langsam verschränkte sie die Hände vor dem feisten Leib, rückte ihre Speckwülste zurecht.

»Wir Galornen erhalten Leben, wir töten nicht«, sagte sie sanft.

»Dann sollten wir über die bedauernswerten Zentrifaal reden, denen durch das Shifting der Lebensmut genommen wurde, die sich selbst entleibt haben, weil sie es nicht ertragen konnten, dass die Galornen ihnen das halbe Leben wegnahmen. Unbeteiligte Zentrifaal, die nie ein Raumschiff von innen gesehen haben, die gar nicht an der Raumschlacht um Trieger beteiligt waren. Ist es wirklich das, was dein Volk unter Frieden versteht?«

Kaif Chiriatha schwieg.

Nach einigen Minuten, in denen der Gleiter weite Regionen von Baaken Bauu überquerte und mir klargeworden war, dass die Stadt ein riesiges Areal bedeckte und mindestens zwanzig Millionen Einwohner hatte, begann die Galornin mit beiden Armen zu wedeln. Knisternd folgten die Sitzpolster ihren Fettmassen.

»Wer bist du, dass du dir anmaßt, ehrverletzende Anschuldigungen zu erheben?«, dröhnte sie dumpf, fast an der Schwelle des für mich Hörbaren. »Einen Moment lang war ich versucht anzunehmen, du könntest besser sein als die kriegerischen Individuen anderer Völker. Ich war sogar bereit, dich als möglichen Diener eines Boten von Thoregon zu akzeptieren. Aber der Versuch, durch Vorwürfe an andere von eigenen Verfehlungen abzulenken, ist so alt wie der Krieg als Mittel zum Zweck.«

»Ich pflichte dir uneingeschränkt bei«, sagte ich spontan.

Eigentlich befand ich mich in der Position desjenigen, der im Glashaus sitzt und mit Steinen wirft. Ich hätte vorsichtig sein müssen. Andererseits sagte mir mein Gefühl, dass es uns keinen einzigen Schritt weiterbringen würde, wenn ich den Galornen nach dem Mund redete. Zugegeben, ihre Evolution von einer kriegslüsternen Zivilisation hin zu einem Volk, das den Frieden als höchstes Gut empfand, war bewundernswert. Doch das änderte nichts daran, dass ihre Friedfertigkeit sich in widersprüchlichen Bahnen festgefahren hatte.

»Du bist sonderbar«, stellte Kaif Chiriatha unumwunden fest. »Du wirkst faszinierend und abstoßend zugleich – weitaus intensiver als das andere Wesen deiner Art.«

Wer war sie überhaupt? Eine Polizistin, der es zufiel, das Geheimnis der schwarzen Raumer auf Tribath zu wahren? Oder eine Verwalterin von Baaken Bauu?

»Ich suche Ce Rhioton«, sagte ich.

Ihr Kopf flog ruckartig hoch. Sie schaffte es nicht, den Ausdruck ungläubigen Erstaunens zu verdrängen, der ihr Gesicht zucken ließ.

»Wo finde ich den zweiten Boten von Thoregon?«

Sie starrte mich an. Aber sie sprach nicht aus, was sie bewegte. Immerhin kannte sie Ce Rhioton.

Es gibt Verhaltensmuster, die sich bei vielen bekannten Intelligenzen ähneln. Die lebensnotwendige Aufnahme von Nahrung ist eines, der kurze Moment des Erschreckens in Gefahrensituationen oder im Falle großer Überraschung ein anderes. Die Erwähnung des Namens Ce Rhioton hatte die Galornin überrascht.

Nur kam ich nicht mehr dazu, diese Erkenntnis auszunutzen.

Der Gleiter verringerte die Geschwindigkeit. Er näherte sich einem schlanken, zigarrenförmig aufragenden Gebäude, das an die sechzig Meter hoch sein mochte. Im oberen Drittel lag eine grell erleuchtete Einflugschleuse.

Ich sah Roboter und Galornen sowie im Hintergrund eine Vielzahl geparkter Gleiter.

»Wurden meine Begleiter ebenfalls hierhergebracht?«

»Natürlich«, murmelte die Galornin.

Sie hielt die Augen jetzt halb geschlossen, doch sie fixierte mich unablässig. Wobei ich nicht erkennen konnte, ob ihr mehr an meinem Aussehen, der für ihr Verständnis ausgezehrten Gestalt, meiner Kleidung oder an sonst irgend etwas lag.

»Ich nehme an, ich kann meine Begleiter bald sehen.«

Kaif Chiriatha antwortete nicht.

Der Gleiter landete. Neugierige Blicke trafen mich. Viele Galornen verhielten sich nicht anders, als Menschen es an ihrer Stelle getan hätten. Kaif Chiriatha brachten sie sichtlich Respekt entgegen.

»Das ist ein Regierungsgebäude?«

Wieder beraubte mich ein Fesselfeld jeder Bewegungsmöglichkeit. Ich kam mir verdammt hilflos vor. Und ausgestellt als Schauobjekt.

Ein Antigravschacht. Von zwei Robotern eskortiert, schwebte ich in die Tiefe. Nicht sonderlich weit, dann schoben sie mich in einen kahlen, schmucklosen Korridor.

»Wonach suchst du in der Pentrischen Wolke?«, fragte Kaif Chiriatha wie aus heiterem Himmel. »Wir habt ihr es überhaupt geschafft, in die Dunkelwolke einzudringen?«

»Das ist eine lange Geschichte«, antwortete ich. »Reginald Bull und ich wurden durch einen Zufall auf die Brücke in die Unendlichkeit verschlagen. Oder war es Bestimmung, wir wissen es jedenfalls nicht, können uns keinen Reim darauf machen. In der Stadt Gaalo sagte uns der Andro-Hüter Szuker, wir müssten Ce Rhioton finden, um auf die Brücke zurückkehren zu können.«

Sekunden später war ich allein und konnte mich wieder bewegen. Ein Deflektorfeld riegelte den Gang ab. Außerdem existierten variable Prallschirme. Ich gab dem sanften Druck nach, der mich vorwärts schob.

Ein paar Schritte nur, dann umfing mich übergangslos Schwärze. Undurchdringlich und lautlos.

Mir wurde klar, weshalb Kaif Chiriatha auf meine letzte Frage geschwiegen hatte. Das Gebäude diente als Gefängnis. Ob in seiner Gesamtheit oder lediglich mit einzelnen Etagen, blieb dahingestellt. Doch in einer angeblich so friedvollen Kultur wie der der Galornen durfte es ausgerechnet eines nicht geben, und das waren Gefängnisse.

Ich hatte die erste Partie verloren. Aber das bedeutete noch lange nicht, dass deshalb schon das ganze Spiel verloren sein musste.

*

»Was hast du mit mir vor, Kaif Chiriatha? Was soll ich hier?«