Perry Rhodan 1901: Tödliche Tessma - Hubert Haensel - E-Book

Perry Rhodan 1901: Tödliche Tessma E-Book

Hubert Haensel

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Beschreibung

Der Flug der KAURRANG - tödliche Gefahr an Bord der Balkenspindel Im Deltaraum der Baolin-Nda traf Perry Rhodan auf einen Helioten. Von diesem erfuhr er mehr über die Koalition Thoregon und ihre Ziele: Die Koalition will Menschen und andere intelligente Wesen des Universums aus den gigantischen Kämpfen zwischen Kosmokraten und Chaotarchen heraushalten, statt dessen für die Freiheit des einzelnen und Frieden im Kosmos eintreten. Perry Rhodan wird zum Sechsten Boten von Thoregon ernannt und wird nun im Auftrag der Koalition tätig. Sein erster Weg muss sein, sich ein Flaggschiff zu beschaffen. Er kennt das Raumschiff: Es ist die legendäre SOL, mit der er schon vor Jahrhunderten unterwegs war. So sind gegen Ende des Jahres 1289 Neuer Galaktischer Zeitrechnung - entspricht dem Jahr 4876 christlicher Zeit - Perry Rhodan und die Menschheit erneut in gefährliche Aktivitäten kosmischer Mächte verwickelt. Denn die Koalition Thoregon wird von einem bislang unbekannten Gegner bedroht. Dieser Gegner bedient sich eines Handlangers, der sich Shabazza nennt. Ihm haben die Terraner die verheerenden Ereignisse der letzten Zeit zu "verdanken". Shabazza regte die Invasion der Tolkander an, die in der Milchstraße Milliarden von intelligenten Wesen töteten. Und er sorgte dafür, dass die Heliotischen Bollwerke explodierten, Menschen von der Erde in andere Galaxien geschleudert wurden und im Gegenzug die barbarischen Dscherro die Hauptstadt Terrania angriffen. Auch in anderen Galaxien, die zu Thoregon gehören, wurde Shabazza aktiv. Perry Rhodan, der Zugang zur mysteriösen Brücke in die Unendlichkeit erhalten hatte, wurde fast zufällig in diesen Konflikt hineingezogen. Jetzt aber, da er mehr weiß, muss der Terraner "richtig" aktiv werden. Doch sein erster Flug konfrontiert ihn mit einem vernachlässigten Problem - es sind TÖDLICHE TESSMA …

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Veröffentlichungsjahr: 2014

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Nr. 1901

Tödliche Tessma

Der Flug der KAURRANG – tödliche Gefahr an Bord der Balkenspindel

von Hubert Haensel

Im Deltaraum der Baolin-Nda traf Perry Rhodan auf einen Helioten. Von diesem erfuhr er mehr über die Koalition Thoregon und ihre Ziele: Die Koalition will Menschen und andere intelligente Wesen des Universums aus den gigantischen Kämpfen zwischen Kosmokraten und Chaotarchen heraushalten, statt dessen für die Freiheit des einzelnen und Frieden im Kosmos eintreten.

Perry Rhodan wird zum Sechsten Boten von Thoregon ernannt und wird nun im Auftrag der Koalition tätig. Sein erster Weg muss sein, sich ein Flaggschiff zu beschaffen. Er kennt das Raumschiff: Es ist die legendäre SOL, mit der er schon vor Jahrhunderten unterwegs war.

So sind gegen Ende des Jahres 1289 Neuer Galaktischer Zeitrechnung – entspricht dem Jahr 4876 christlicher Zeit – Perry Rhodan und die Menschheit erneut in gefährliche Aktivitäten kosmischer Mächte verwickelt. Denn die Koalition Thoregon wird von einem bislang unbekannten Gegner bedroht.

Dieser Gegner bedient sich eines Handlangers, der sich Shabazza nennt. Ihm haben die Terraner die verheerenden Ereignisse der letzten Zeit zu »verdanken«. Shabazza regte die Invasion der Tolkander an, die in der Milchstraße Milliarden von intelligenten Wesen töteten. Und er sorgte dafür, dass die Heliotischen Bollwerke explodierten, Menschen von der Erde in andere Galaxien geschleudert wurden und im Gegenzug die barbarischen Dscherro die Hauptstadt Terrania angriffen.

Auch in anderen Galaxien, die zu Thoregon gehören, wurde Shabazza aktiv. Perry Rhodan, der Zugang zur mysteriösen Brücke in die Unendlichkeit erhalten hatte, wurde fast zufällig in diesen Konflikt hineingezogen. Jetzt aber, da er mehr weiß, muss der Terraner »richtig« aktiv werden.

Doch sein erster Flug konfrontiert ihn mit einem vernachlässigten Problem – es sind TÖDLICHE TESSMA ...

Die Hauptpersonen des Romans

Perry Rhodan – Der Terraner ist künftig im Auftrag der Koalition Thoregon unterwegs.

Reginald Bull – Ein alter Freund führt sein Logbuch.

Poulton Kreyn – Der Ertruser wird zu einem Problem an Bord der KAURRANG.

Mondra Diamond – Die ehemalige LFT-Agentin verteidigt ihr Haustier.

Tautmo Aagenfelt

1.

Reflexionen Perry Rhodan

Die KAURRANG driftet vor mir durch den Deltaraum. Sie ist ein schönes Schiff, in der Form einem irdischen Hammerhai ähnlich. Der Hauptrumpf besteht aus einer einhundertdreißig Meter langen Spindel, als Bugsektion wurde ein Querbalken angeflanscht. Die KAURRANG ist ein leistungsfähiges Fernraumschiff. Für unsere Expedition in die Heimat der Baolin-Nda haben wir das Schiff von den Nonggo erhalten.

Unwillkürlich balle ich die Hände. Ein Jahr der Katastrophen ist nicht nur über Terra und die ganze heimische Milchstraße hereingebrochen – im Baolin-Deltaraum, der Lebenssphäre der Baolin-Nda, tobte das totale Chaos. Wir konnten zwei Überlebende retten, doch wie es weitergehen soll ist ein Buch mit sieben Siegeln. Äußerst hilfreich wären jetzt all die kleinen und phantastischen Dinge aus dem Arsenal, aber das ist vernichtet, ebenso die Heliotischen Bollwerke, deren Baupläne von den Baolin-Nda stammten, jenem technisch hochstehenden Volk.

Es lieferte einst mehrere Fiktivtransmitter an eine ihnen unbekannte Superintelligenz. Ob die Baolin-Nda damit auf Porleyter-Technologie zurückgegriffen haben, ist nicht klar; die Tatsache dürfte aber nicht wichtig sein.

Wieder einmal schließt sich so ein Kreis, ist ein Geheimnis gar nicht mehr so atemberaubend, sobald die Hintergründe bekanntwerden. Die Superintelligenz kann nur ES gewesen sein, kein anderer.

Für kurze Zeit denke ich zurück an die Anfangsjahre der Dritten Macht, als die Menschheit voll Hoffnung und Zuversicht die ersten Schritte ins All wagte und ES uns zwei Fiktivtransmitter gab. Damals, im zwanzigsten Jahrhundert alter Zeitrechnung. Wir haben jetzt Ende 1289 Neuer Galaktischer Zeitrechnung – und ich weiß nicht einmal das exakte Datum. Manchmal erscheint es mir, als liege das alles schon eine Ewigkeit zurück und nicht erst knapp drei Jahrtausende.

Die Hauptschleuse im Heck der KAURRANG öffnet sich nach einem kurzen Impuls meines galornischen Schutzanzugs. Im Dämmerlicht des Deltaraums bemerke ich eine sehr vage Bewegung in unmittelbarer Schleusennähe, doch erst die optische Vergrößerung zeigt mir einen faustgroßen Reparaturrobot.

Zweifellos bessert der kleine Kerl Schäden aus, die beim Einflug gegen den Hagelschauer aus Psi-Materie entstanden sind.

Ich betrete das Schiff, hinter mir gleitet das Schleusenschott der KAURRANG zu. Der Helm aus Formenergie erlischt, ich atme wieder die würzige Luft des Nonggo-Schiffes. Aber nach wie vor sind meine Gedanken ein buntes Konglomerat durcheinanderwirbelnder Empfindungen.

Ich bin jetzt der Sechste Bote von Thoregon, habe mich überzeugen lassen, das Angebot des Helioten anzunehmen. Weil die Ziele von Thoregon, dieses Bündnisses für Frieden und Freiheit, sich mit meinen eigenen Vorstellungen decken. Oder gibt es irgendwo einen Haken, den ich noch nicht erkennen kann?

Wir werden immer weniger. Mike, mein Sohn, und Julian Tifflor sind vor fünfzig Jahren in Fornax verschollen, bis heute gibt es kein Lebenszeichen von ihnen. Was aus dem Mausbiber Gucky und dem Haluter Icho Tolot wurde, wissen wir ebenso wenig.

In Gedanken versunken erreiche ich die Zentrale der KAURRANG. Erwartungsvoll blickt mir die Crew entgegen. Alle sind versammelt – bis auf Foremon.

2.

»Quatsch nicht lange, Mann!«, dröhnte Poulton Kreyn.

Obwohl der Ertruser sich ausnahmsweise Mühe gab, leise zu reden, hallte seine Stimme immer noch überlaut durch die Bugsektion. Er wirkte gereizt – aber wann war er das nicht? –, und er taxierte Norman, den gerade mal vierzig Zentimeter kleinen indischen Elefanten, mit dem Blick eines Verhungernden.

Dass Poulton Kreyn sich in die Hocke niederließ und mit zwei Fingern den Elefanten lockte, war überraschend. Bisher hätte er Mondra Diamonds Haustier und Maskottchen am liebsten mit beiden Pranken erwürgt. Norman spürte das sehr wohl. Sobald Kreyn in seine Nähe kam, verlor der kleine Elefant seine übliche Verspieltheit. Auch diesmal wich er langsam zurück, den Rüssel ängstlich zwischen die Vorderbeine geklemmt.

»Komm her, du wandelndes Steak!«, stieß Poulton Kreyn hervor, als gäbe es nur ihn und den Kleinen an Bord der KAURRANG.

Norman stieß ein klägliches Trompeten aus und drängte sich gegen Mondras Beine.

»Lass ihn in Ruhe, Kreyn«, protestierte die ehemalige TLD-Agentin. »Du siehst doch, dass Norman sich ängstigt.«

»Der Schlag soll das Vieh treffen ...«

»Poulton Kreyn!«, schimpfte Bully. »Du hast keine Narrenfreiheit.«

Schnaubend wirbelte der Ertruser herum. »Wer hat das Schiff heil in den Deltaraum gebracht, he? Ich hab' meinen Anteil geleistet, aber die da ...«

»Es reicht, Poulton!«, fuhr Perry Rhodan dem Ertruser in die Parade. »Auch wenn es dir vielleicht nicht passt, wir sind an Bord eine Gemeinschaft, jeder hat dieselben Rechte und Pflichten.«

»Du brauchst einen guten Piloten, kein halb verhungertes Skelett.«

Poulton erschien gereizter als sonst. Mondra Diamonds entsetzter Aufschrei vermischte sich mit einem schrillen Trompeten, als der Ertruser zupackte.

»Lass den Elefanten los!«

Perry Rhodan hielt plötzlich seinen Kombistrahler in der Rechten. Kreyn starrte ihn an, als wolle er sich im nächsten Moment auf ihn stürzen.

»Poulton!«, schrie Mondra Diamond entsetzt. »Drehst du völlig durch?«

Der Zweieinhalb-Meter-Koloss achtete nicht auf sie. Ebenso wenig auf die beiden Swoons, die mit Hilfe ihrer Mikrogravitatoren bis unter die Decke aufstiegen. Gegen den ertrusischen Riesen hatten sie keine Chance. Tautmo Aagenfelt, der Physiker, zog ein Gesicht wie zu seinem eigenen Begräbnis, Zivilcourage war von ihm ohnehin kaum zu erwarten.

Den Schädel zwischen die Schultern, ging Kreyn auf Angriffsposition.

»Ich entsinne mich, dass du unbedingt an Bord wolltest, Kreyn«, erinnerte Reginald Bull mit Nachdruck. »Gib dafür nicht anderen die Schuld. Allerdings warst du ziemlich ramponiert, und inzwischen bist du verfettet. Was ist los mit dir?«

»Geht dich einen Dreck an!«

»Wie ich schon sagte: Wir sitzen alle im selben Boot.« Mit einem knappen Fingerdruck aktivierte Rhodan den Strahler im Paralyse-Modus.

Kreyns eng beieinanderstehende Augen glotzten ungläubig, als er das veränderte Flimmern der Abstrahlmündung bemerkte. Grollend riss er den Mund auf. »Du wirst nicht schießen«, behauptete er. »Du nicht ...«

»Sei dir da nicht so sicher.«

Sie starrten sich an, ein stummes Kräftemessen. In der Zentrale der KAURRANG hielt atemlose Stille Einzug.

Endlich versenkte Poulton Kreyn die Fäuste bis zu den Ellenbogen in den Taschen seiner Bordkombi und verließ wortlos die Zentrale.

»Er ist böse!«, riefen die Swoons wie aus einem Mund aus der Höhe. »Wir verstehen nicht, was in seinem Dickschädel vorgeht.«

»Er wird immer unberechenbarer«, ächzte Tautmo Aagenfelt.

Und Bull fügte hinzu: »Es wäre angebracht, Poulton würde den Elefanten in den nächsten Tagen nicht mehr sehen.«

»Ich schließe Norman nicht ein«, protestierte Mondra sofort. »Nicht dieses ungehobelten Klotzes wegen ...«

»Schön. – Sehr schön. – Wirklich.« Reginald Bull machte ein paar Schritte, hielt dann ebenso abrupt inne und schaute die Anwesenden der Reihe nach an. »Ein disziplinloser Haufen wie diese Besatzung ist mir noch nicht untergekommen.«

Ska Kijathe begann zu grinsen. Ziemlich unverfroren sogar. »Darf ich dich daran erinnern, dass du die Auswahl getroffen hast?«, fragte sie.

Bullys Seufzer kam aus tiefstem Inneren. »Ich weiß«, gestand er. »Und ich habe sogar die besten Leute genommen, die ich kriegen konnte.«

Wie zur Bestätigung ließ Norman ein freudiges Trompeten erklingen. Sein Rüssel spielte mit Mondras Fingern. Der kleine indische Elefant, Ergebnis der genetischen Wiederbelebung einer ausgestorbenen Tierart, suchte schon wieder Streicheleinheiten. Ohnehin erkannte er mit untrüglichem Instinkt, wer es wirklich gut mit ihm meinte und für wen er nur nostalgische Dekoration oder Schlimmeres war.

»Wo ist Foremon?«, fragte Perry Rhodan endlich.

Bully antwortete mit einer fahrigen Handbewegung, die ungefähr soviel ausdrückte wie »weg, fort, verschwunden«. Erst ein unwilliger Zug um Rhodans Mundwinkel zwang ihn zu einer ausführlicheren Antwort:

»Ein zweiter Heliote ist erschienen, während du draußen warst, und hat den Adlaten mitgenommen. Sie wollten auf die Brücke. Ziel unbekannt.«

»Wann kommt Foremon zurück?«

Reginald Bull schüttelte den Kopf.

»Ich glaube nicht, dass wir ihn so bald wiedersehen. Wir sollten davon ausgehen, dass Foremon nicht mehr zur KAURRANG gehört.«

»Hat er das gesagt?«

»Man kann auch schweigend kommunizieren, Perry. Der Heliote war plötzlich da, und unser wandelndes Skelett ging mit ihm. Punktum.«

*

Mondra Diamond spielte mit Norman. Seit Kreyn gegangen war, gab sie sich wieder ungezwungen. Nur ihre leicht gespannten Gesichtszüge verrieten, dass sie Rhodan und Bull zuhörte.

Tautmo Aagenfelt kauerte vornübergeneigt in seinem Sessel und verschlang Mondra schier mit seinen Blicken. Er schien überzeugt zu sein, dass keiner sein Starren bemerkte.

»Irgend etwas verbirgt er vor uns!« Laut platzte Ska Kijathe mit ihrer Feststellung heraus. Ska, im terranischen Bundesstaat Tibet geboren, wirkte seltsam geschlechtslos. Ihr kahlgeschorener Schädel und die orangefarbene, weit fallende Kutte unterdrückten ihre Weiblichkeit.

»Du sprichst von Foremon?«

»Nein.« Ska hantierte schnell und zielstrebig an etlichen Schaltungen; flackernd erlosch ein Teil der Beleuchtung vor ihr. »Ich rede von Aura. Der Schiffscomputer hat Geheimnisse vor uns, das wird mir immer deutlicher.«

»Solange er uns nicht in die nächste Sonne fliegt ...« Bull seufzte ergeben. »Verdacht und Beweis, das sind zweierlei Stiefel, liebe Ska. Selbst ein Computer hat das Recht, als unschuldig zu gelten, solange das Gegenteil nicht bewiesen werden kann.«

»Was nützen Beweise, die zu spät gefunden werden?«

»Bist du in der Lage, einen Fehler in der Nonggo-Technik zu beheben?«, antwortete Reginald Bull mit einer Gegenfrage.

Ungezähmte Neugierde und Verachtung mischten sich in Skas Blick, als sie den Bordcomputer anstarrte. Sie schwieg, weil sie wusste, dass ihr die Hände gebunden waren. In ihren Augen geriet der Flug der KAURRANG bislang zum Wechselbad der Gefühle, ein Drahtseilakt zwischen Hoffnung und Niedergeschlagenheit, der die Stimmung an Bord nicht zum besten beeinflusste. Hätte Ska geahnt, dass 130 Meter Schiffslänge zum Gefängnis ausarteten, in dem die Besatzung sich gegenseitig auf den Nerven herumtrampelte, sie hätte es vorgezogen, in der Fabrik Karabani auf dem Kenteullen-Rad zu bleiben.

»Mist, verflixter!«, machte sie sich Luft.

Rhodans verständnisvolles Lächeln bemerkte sie nicht. Auch nicht, dass Aagenfelt sie interessiert betrachtete.

Der hagere Physiker zerrte gedankenverloren an seinen Fingern. Oft genug hatte er inzwischen von seiner Odyssee auf der endlosen Treppe auf dem Sphärenrad gesprochen, der einzigen Heldentat seines Lebens – er sah ganz so aus, als quäle er sich in Gedanken schon wieder Stufe um Stufe in die Höhe. Endlich gab er sich einen Ruck, wischte mit dem Unterarm dicke Schweißperlen von seiner Stirn und vergrub das Gesicht in den Handflächen.

»Unser Physiker begreift die Welt nicht mehr«, spottete Mondra Diamond.

»Lass ihn!«, herrschte Bully sie an. »Er hat dir nichts getan.«

Aber er würde es gerne. Mondras Augen verschossen Blitze. Er ist nur zu feige dazu.

Reginald Bull fuhr sich mit der Hand zwischen Hals und Kragen seiner Kombination. Die Luft in der Zentrale wurde heiß und stickig. Er wusste, dass das nur eine Täuschung sein konnte, dass die Umwälzanlage nach wie vor mit gewohnter Zuverlässigkeit arbeitete und die Temperatur wohl um keinen Zehntelgrad angestiegen war. Dennoch blieb das beklemmende Gefühl, dass es mit jeder Stunde schlimmer wurde.

»Heraus mit der Sprache, Perry!«, verlangte er. »Ska hat behauptet, der Heliote, dem du zum Pilzdom gefolgt bist, hätte einen Koordinatensatz an Aura übermittelt. Leider sieht es so aus, als könnten wir damit noch wenig anfangen. Was sind das für Koordinaten? Wir sollen hinfliegen und wieder für irgendwen die Kastanien aus dem Feuer holen, ist es nicht so? Nun red schon! Was erwartet uns?«

Ein Lächeln lag um Perry Rhodans Augen. Das waren die vielen kleinen Fältchen, die ihn so sympathisch machten.

»Der Sechste Bote von Thoregon benötigt ein Raumschiff ...«

»Die THOREGON SECHS zweifellos. Na und?« Wie Schuppen fiel es Reginald Bull von den Augen. »Du bist der Sechste Bote!«, stellte er fest.

»Der Heliote hat mich dazu ernannt.«

»Einfach so. Natürlich. – Fragt überhaupt noch jemand, was wir selbst wollen? Perry, ich glaube, wir kommen vom Regen in die Traufe, wir ...«

Der Terraner winkte ab.

»Das Raumschiff eines Boten von Thoregon ist immer ein herausragendes Schiff seines Volkes«, sagte Rhodan.

Bullys Unterkiefer klappte auf. »Die STARDUST«, lag ihm auf der Zunge, doch die Bemerkung wäre gänzlich unpassend gewesen.

»Die GILGAMESCH«, sagte er, schüttelte aber gleich darauf den Kopf. »Nein – die Koordinaten, diese verflixte Position. Ich glaube, sie bezeichnet eine entfernte Galaxis, und ...« Ein Laut der Überraschung drang aus seiner Kehle. »Das gibt es nicht, oder? Wenn mich meine Erinnerung nicht im Stich lässt, dann ... dann gibt es nur ein terranisches Schiff, das sich in diesem abgelegenen Winkel des Kosmos herumtreiben könnte. Dass es überhaupt noch existiert ... Schließlich war die BASIS schon fast schrottreif.«

»Unsere Aufgabe ist, Shabazza zu jagen«, sagte Perry Rhodan. »Dazu brauchen wir ein bewährtes und schlagkräftiges Schiff.«

»Die SOL?«, folgerte Bull. »Mein Gott, wie lange ist das alles her?«

»Fast auf den Tag genau eintausendzweihundertundneunzig Jahre. Es war im Dezember 3586, als wir den Solgeborenen das Generationenschiff offiziell übergaben und zur BASIS übersiedelten.«

Reginald Bull nickte schwer. Er wusste genau, wovon die Rede war, doch auf den Gesichtern der anderen Besatzungsmitglieder zeichneten sich stumme Fragen ab. Irgendwann während ihrer Ausbildung oder in Geschichtsarchiven hatten sie den Schiffsnamen SOL gehört und brachten damit vielleicht sogar den Sturz der Erde und ihres Mondes durch den Mahlstrom der Sterne in Verbindung. Aber mehr? Zwölf Jahrhunderte waren selbst in dieser Zeit, da die menschliche Lebensspanne vor allem dank hervorragender medizinischer Leistungen wohl ihr Maximum erreicht hatte, eine lange Zeit.

3.

Reflexionen Perry Rhodan

Ich sehe ihnen an, dass sie sich nicht mit dem Schiffsnamen identifizieren können. Ebenso wie vielleicht die heutige Besatzung der SOL keine Erinnerung mehr an die Erde und das heimatliche Sonnensystem hat.

Ein zwiespältiges Gefühl erfüllt mich. Seit der Heliote die SOL erwähnt hat, zermartere ich mir den Kopf nach dem »Weshalb«. Was ist es, das die SOL für die Koalition Thoregon interessanter macht als zum Beispiel die GILGAMESCH? Ich muss mich damit abfinden, dass die Lösung irgendwo da draußen liegt, in einer noch unbekannten fernen Galaxis.

Weißt du noch?, fragt Bullys Blick.

Er wirkt nicht mehr so angespannt wie vor wenigen Minuten, als ich die Zentrale betrat, eher in sich gekehrt und nachdenklich. Wenn Reginald so wie jetzt mit Daumen und Zeigefinger seine Nase massiert, schwelgt er in Erinnerungen. Auch wenn es zeitweise keine angenehmen Erinnerungen sind.

Nach der BASIS war die SOL das mächtigste Fernraumschiff, über das die Menschheit je verfügt hat. Eine hantelförmige Konstruktion, bestehend aus zwei Kugelzellen mit jeweils 2500 Metern Durchmesser und einem zylinderförmigen Mittelteil, der eigentlichen SOL, mit 1500 Metern Länge sowie Durchmesser. Bestückt mit Shifts und Space-Jets, mit Lightning-Jets, Korvetten und Leichten Kreuzern, ein Gigant aus Ynkelonium-Terkonit-Verbundstahl.

Die technischen Daten lesen sich längst imposanter als in jenem Jahr 3540 alter Zeitrechnung, in dem das Schiff vollendet worden war. Die ursprünglich installierten Waringschen Lineartriebwerke hatten bis zu ihrem Ausbrennen eine Reichweite von 15 Millionen Lichtjahren erlaubt. Dazu war jenes großartige und irrsinnig komplizierte Dimesexta-Triebwerk gekommen, das buchstäblich nur alle paar hundert Jahre in ein Raumschiff eingearbeitet werden konnte; so kostspielig waren solche Triebwerke. Ganz zu schweigen von ihren verheerenden Nebenwirkungen ...

Im Jahr 429 NGZ, nach einer gigantischen Odyssee, war das Schiff in den lunaren Raumschiffswerften von Grund auf überholt worden, ebenso die vielen großen und kleinen Beiboote. An Stelle der veralteten Triebwerke waren Hypertrops, Gravitraf-Speicher und Grigoroff-Projektoren eingebaut worden, die Bestandteile des damals noch neuzeitlichen Metagrav-Antriebs.

Die Umrüstung hatte mehr Zeit in Anspruch genommen gehabt als ursprünglich vorgesehen. Zu jenem Zeitpunkt war die Endlose Armada bereits im Leerraum jenseits der galaktischen Westside eingetroffen, die Auseinandersetzung mit dem Dekalog der Elemente war eskaliert. In diesem Umfeld hatte die SOL ihren Jungfernflug mit der neuen Technik absolviert. Ihre letzte Mission war der Flug zum Urstandort des Frostrubins gewesen, danach war sie in unbekannten Weltraumtiefen verschwunden.

Meine Erinnerungen schäumen über. Ich frage mich, um wie viel mehr als ich mein Freund Atlan mit Sequenzen aus seiner Vergangenheit belastet sein muss. Mitunter ist Vergessen der beste Weg, Unangenehmes zu verarbeiten, das sonst unaufhörlich an der Seele nagt.

Erwartungsvoll blickt die Crew mich an:

Da ist Mondra Diamond, die junge, dunkelhaarige Schönheit mit den grünen Augen. Zirkusartistin auf vielen Welten, außerdem TLD-Agentin. Diamond ist ihr Künstlername, ihren richtigen Namen behauptet sie vergessen zu haben. Irgendwie fasziniert sie mich trotz ihrer relativen Jugend.