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Auf dem Planeten Morbienne III - ein Gott spricht zu den Kraverkern Auf der Erde und den Tausenden von Planeten in der Milchstraße, auf denen Menschen leben, schreibt man das Jahr 1303 Neuer Galaktischer Zeitrechnung - das entspricht dem Jahr 4890 alter Zeit. In jüngster Zeit haben die Spannungen zugenommen, vor allem, seit das aggressiv auftretende Kristallimperium massiv Front gegen die Liga Freier Terraner macht. Einige zehntausend Kampfraumschiffe besezten das kleine Sternenreich der Topsider und gliederten es ins Imperium ein. Als eine starke arkonidische Raumflotte allerdings Olymp angreifen will, wird sie zum Opfer der neuesten Geheimwaffe der Terraner: Die Aagenfelt-Barriere hilft dabei, den Arkoniden eine vernichtende Niederlage beizufügen. Gleichzeitig kommt es an verschiedenen Stellen auf der Erde zu Einsätzen des arkonidischen Geheimdienstes. Perry Rhodan muß allerdings noch an einer ganz anderen Front aktiv werden. Gegen die mysteriöse Geistesmacht Morkhero Seelenquell nämlich, über deren Absichten man bislang noch nichts weiß. Da es jetzt endlich eine konkrete Spur gibt, fliegt die LEIF ERIKSSON, Rhodans Flaggschiff, in die Eastside der Milchstraße. Ziel ist der Planet Morbienne III - und dort residiert MORKHEROS PROPHET...
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Seitenzahl: 151
Veröffentlichungsjahr: 2014
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Nr. 2010
Morkheros Prophet
Auf dem Planeten Morbienne III – ein Gott spricht zu den Kraverkern
von Ernst Vlcek
Auf der Erde und den Tausenden von Planeten in der Milchstraße, auf denen Menschen leben, schreibt man das Jahr 1303 Neuer Galaktischer Zeitrechnung – das entspricht dem Jahr 4890 alter Zeit. In jüngster Zeit haben die Spannungen zugenommen, vor allem, seit das aggressiv auftretende Kristallimperium massiv Front gegen die Liga Freier Terraner macht.
Einige zehntausend Kampfraumschiffe besetzten das kleine Sternenreich der Topsider und gliederten es ins Imperium ein. Als eine starke arkonidische Raumflotte allerdings Olymp angreifen will, wird sie zum Opfer der neuesten Geheimwaffe der Terraner: Die Aagenfelt-Barriere hilft dabei, den Arkoniden eine vernichtende Niederlage beizufügen. Gleichzeitig kommt es an verschiedenen Stellen auf der Erde zu Einsätzen des arkonidischen Geheimdienstes.
Perry Rhodan muss allerdings noch an einer ganz anderen Front aktiv werden. Gegen die mysteriöse Geistesmacht Morkhero Seelenquell nämlich, über deren Absichten man bislang noch nichts weiß. Da es jetzt endlich eine konkrete Spur gibt, fliegt die LEIF ERIKSSON, Rhodans Flaggschiff, in die Eastside der Milchstraße.
Ziel ist der Planet Morbienne III – und dort residiert MORKHEROS PROPHET …
Perry Rhodan – Der Terranische Resident nimmt am Flug nach Morbienne III teil.
Trim Marath – Der junge Monochrom-Mutant wagt sich ins Reich von Morkhero Seelenquell.
Ewoschno – Der Jagdführer durchlebt eine wundersame Karriere.
Kellmi – Der junge Jäger erlebt die Ankunft der leuchtenden Kugel.
Rudo K'Renzer
Aufbruch
Die LEIF ERIKSSON startete in den Abendstunden des 25. Mai 1303 NGZ von Terra aus in Richtung Eastside der Galaxis, mitten ins Gebiet der Gataser. Ziel von Perry Rhodans Flaggschiff war das Morbienne-System, 64.048 Lichtjahre von Sol entfernt. Diese Entfernung konnte der 1800 Meter durchmessende Kugelraumer theoretisch in sechs Stunden und 35 Minuten überbrücken – bei Ausschöpfung des Überlichtfaktors von 85 Millionen und vorausgesetzt, dass es zu keinen Zwischenfällen kam.
Neben dem Terranischen Residenten Perry Rhodan selbst reisten außer der Kosmopsychologin Bré Tsinga auch der Mausbiber Gucky, die beiden Monochrom-Mutanten Startac Schroeder und Trim Marath sowie der weiße Haluter Blo Rakane mit.
Anlass für diese Reise war, dass die einzige Spur der bedrohlichen Psi-Macht Morkhero Seelenquell nach Morbienne III führte. Dieser geheimnisvolle Morkhero Seelenquell war schon mehrfach mit gezielten mörderischen Aktionen gegen die Liga Freier Terraner in Erscheinung getreten.
Und der Jungmutant Trim Marath war der einzige, der in Kontakt zu Morkhero Seelenquell stand. Seiner Aussage zufolge war Morkhero noch ein kindliches Wesen, das jedoch rasch lernte und dessen Potenzial von Stunde zu Stunde stärker wurde. Eines Tages könnte es übermächtig werden.
Kellmi sieht ein Licht
Die Jäger vom Stamm der Ruy hatten einen schlechten Tag hinter sich. Entsprechend gedrückt war die Stimmung.
Die zehnköpfige Gruppe und ihre Kravve Mosho-sika waren an diesem Morgen mit den größten Erwartungen in Richtung der Sümpfe von Morrwo-Morrwo aufgebrochen. Nun war es Abend, das blaue Yuna-Cum versank als violette Scheibe hinter den Wäldern, und sie hatten bis auf einen Brenner noch keine Beute gemacht. Entsprechend unruhig war die Kravve und klagte der hereinbrechenden Dämmerung ihren Hunger mit kehligen Grunzlauten.
Loscho, ihr Kravventreiber, hatte alle Mühe, das Weibchen zu beruhigen. Ihm blieb schließlich nichts anderes übrig, als ihm in den Schnabel zu greifen und seinen Rachen zu massieren. Mosho-sika gab danach schmatzende Laute von sich, dumm genug zu glauben, dass sie fraß, ohne Nahrung zu schlucken. Aber wenigstens verstummte sie und lockte so keine Nachträuber mehr an.
Sie hatten den Tag über genug damit zu tun gehabt, sich ihrer Feinde zu erwehren, anstatt selbst zu jagen.
Als sie am Morgen mit drei anderen Jagdtrupps aus der Stadt auszogen, jeder in eine andere Richtung, waren sie noch guter Dinge gewesen. Hochschamake Tenniki und seine sechs Schamaken hatten ihnen bis hinter den Stadtwall das Geleit und die besten Wünsche auf reiche Beute mit auf den Weg gegeben. Eine große Menge Schaulustiger jubelte ihnen zu, bis sie ihrer Sicht entschwanden.
Ewoschno, ihr Jagdführer, hatte noch großsprecherisch verkündet: »Wir werden es den anderen Jägern zeigen. Auf reiche Beute!«
»Auf reiche Beute!«, stimmten die anderen in den Jagdruf ein.
Nur Kellmi nicht. Zwischen dem jungen Jäger und Ewoschno schwelte eine an Hass grenzende Rivalität. Diese kam daher, dass Kellmi ein erfolgreicherer Jäger war als der Jagdführer. Ewoschno sah sich zudem wegen mancher Fehlentscheidung Kellmis Kritik ausgesetzt. Kellmi hielt Ewoschno als Anführer für unfähig und verhehlte seine Meinung nicht. Ewoschno wiederum sah durch diese seiner Meinung nach ungerechtfertigte Kritik seine Autorität untergraben und zahlte das Kellmi heim, wann immer sich die Gelegenheit bot.
Einmal hatte Ewoschno sogar schon versucht, Kellmi hinterrücks zu erschlagen, es dann aber, als er sich von Kellmi ertappt sah, so hinzudrehen versucht, als richte sich seine Attacke gegen einen Brenner, den Kellmi übersehen hatte. Nur war weit und breit keiner der gefährlichen Hüpfer zu entdecken gewesen.
Kellmi verschwieg damals den Vorfall, weil er nichts beweisen konnte und Ewoschnos Wort gegen das seine gestanden hätte. Und einem Jagdführer glaubte man mehr als einem einfachen Jäger. Aber das änderte nichts an Kellmis Meinung, dass Ewoschno nicht die Befähigung für einen Anführer hatte.
Er machte ihn auch für die schlimme Lage verantwortlich, in der sie sich befanden. Er bekam von den anderen Jägern jedoch keine Unterstützung, weil sie Ewoschno fürchteten. Ewoschno war größer und stärker als jeder von ihnen – und heimtückischer und gemeiner.
Als die Stadt, die wunderbare Olmo Hirkulum, ihren Blicken entschwand, vom dichten Grün des Dschungels verschluckt wurde, schickte Ewoschno Rimuli als Kundschafter voraus. Rimuli kam bald darauf zu ihrer Gruppe zurück und berichtete aufgeregt, dass er an einer Wasserstelle die Fährte einiger roter Kersher entdeckt habe. Die Spuren seien noch ziemlich frisch und stammten wahrscheinlich von der Morgentränke der Herde.
Als die Jäger die Wasserstelle erreichten, sahen sie Rimulis Angaben bestätigt. Die Spuren stammten von etwa zwanzig Tieren, drei davon Junge.
»Wenn wir uns beeilen, können wir die Herde noch vor Mittag einholen«, sagte Ewoschno. »Dann machen wir reiche Beute und können mit einer satten Kravve vorzeitig nach Olmo Hirkulum zurückkehren. Das wird ein Fest!«
Die Jäger jubelten und nahmen die Fährte auf. Kellmi schloss sich ihnen ohne Begeisterung an. Er wusste, ebenso wie alle Jäger, dass rote Kersher keine so leichte Beute waren, wie Ewoschno tat.
Kersher waren zwar behäbige, kravvenschwere Tiere, die sich unter normalen Umständen an Land nur langsam fortbewegen konnten. Dagegen waren sie ausgezeichnete Schwimmer, und wenn sie einmal ein tieferes Gewässer erreichten, waren sie nicht mehr zu erwischen.
Sie waren ohnehin nicht leicht zu erlegen, denn sie hatten stachelige Rückenpanzer, die mit keiner Waffe zu knacken waren. Es musste einem schon gelingen, sie auf den Rücken zu drehen, dann waren sie hilflos und verwundbar, konnten mühelos erschlagen und ausgeweidet werden.
Es gab verschiedene Tricks, um dies bewerkstelligen zu können. Es kam jedoch auf die jeweilige Situation an, welcher von ihnen angewendet werden konnte.
In jedem Fall musst du dich aber nahe genug an die roten Kersher heranpirschen, ohne dass sie deine Witterung wahrnehmen können. Denn in Momenten größter Bedrohung können die roten Kersher unglaubliche Kräfte frei machen – und dann erheben sie sich in die Lüfte und fliegen dir einfach davon.
Sie können nicht wirklich fliegen wie Vögel, aber das Fluut gibt ihnen für kurze Zeit die Fähigkeit, sich so leicht zu machen, dass sie vom Boden abheben und davonschweben können. Weit genug jedenfalls, um außer Reichweite ihrer Jäger zu gelangen.
Jungtiere besitzen diese Gabe des Schwebens jedoch nicht, können aber von ihren Elterntieren gepackt und mitgetragen werden. Und als Jäger hast du dann das Nachsehen.
Na ja, so leicht, wie der angeberische Ewoschno es darstellen wollte, ist es nicht, eine Herde roter Kersher zu überraschen.
Es war lange vor Mittag, als die Jäger auf eine Lichtung kamen, auf der die Spuren der roten Kersher plötzlich in alle Richtungen führten. Fast alle der Spuren endeten im Nichts, was bedeutete, dass die Kersher auf dem Luftweg geflohen waren. Ewoschno fluchte blätterwelkend.
Es war Kellmi, der die entscheidende Frage stellte: »Was mag die Kersher-Herde gesprengt haben?«
Sie suchten das umliegende Dickicht ab, und es war Ronso der Schlächter, der den leeren, in zwei Hälften gebrochenen Stachelpanzer eines Kershers fand.
»Das kann nur das Werk von Tivern gewesen sein«, stellte Rimuli betroffen fest und blickte sich ängstlich um. Er fand tatsächlich eine einzelne Spur, die eindeutig von einem Kriechtier mit langgestrecktem Körper stammte.
»Wo ein Tiver ist, müssen weitere sein«, stellte Ewoschno fest.
»Lass uns besser verschwinden!«, schlug Rimuli vor.
»Damit wir den Tivern geradewegs in die Rachen laufen?«, herrschte Ewoschno ihn an. »Sucht das Gelände nach weiteren Tiver-Spuren ab! Tiver sind keine Einzelgänger. Wir müssen herausfinden, wohin sie sich gewandt haben, damit wir eine andere Richtung einschlagen.«
Kellmi musste Ewoschno in diesem Fall recht geben. Man machte um Tiver besser einen großen Bogen. Denn wenn man ihnen zu nahe kam, war man verloren.
Da sie immer in Herden auftreten und sie eine ganze Jagdgruppe umzingeln können, gibt es kaum ein Entrinnen, wenn sie dich erst einmal wahrgenommen haben. Denn sie können dich mit ihren Blicken bannen, dich völlig wehrlos machen und dich förmlich lähmen. Jedes Tier, jeder Jäger ist ihnen hilflos ausgeliefert, wenn der unsichtbare Schwall aus einschläfernden Gedanken sie erst einmal erreicht hat.
Es war Kellmi, der die Spur der Herde fand. Das Dickicht war über eine große Fläche förmlich niedergewalzt, der Boden aufgewühlt, und überall lagen die zerbrochenen, leeren Stachelpanzer von Kershern herum. Die Tiver hatten ein bestialisches Schlachtmahl gehalten. Insgesamt sieben Kersher waren ihnen zum Opfer gefallen, aber es war kein Jungtier darunter.
Die Spur der Tiver-Herde führte von diesem Schlachtplatz nach Westen in das hügelige, felsige Gelände von Awor-Wasor. Offenbar waren diese Tiver nicht ortskundig, sondern von einem fernen Revier hier eingewandert, sonst hätten sie sich nicht nach Westen gewandt. Tiver liebten feuchte und schattige Dschungel, weil sie aus dem Schutz des Dickichts erfolgreicher jagten. Karges, felsiges Gelände wie Awor-Wasor dagegen mieden sie, weil sie dort hungern mussten. Das wiederum bedeutete, dass die Tiver-Herde bald kehrtmachen und aus der eingeschlagenen Richtung in dieses Gebiet zurückkehren würde.
»Besser, wir kehren nach Olmo Hirkulum zurück«, meinte Kellmi. »Hier wird es für uns zu gefährlich.«
»Hört, hört, unser Schlaurüssel hat gesprochen«, verkündete Ewoschno spöttisch. »Oder sollte ich nicht besser Angstrüssel sagen?«
»So unrecht hat Kellmi nicht«, wagte der Spurenleser Rimuli einzuwenden, der selbst nicht mit zuviel Mut geschlagen war.
»Du machst dich besser daran, die Spur der Jung-Kersher zu finden!«, herrschte Ewoschno ihn an, und Rimuli beeilte sich daraufhin, diesem Befehl nachzukommen.
Es stellte sich heraus, dass die Spuren aller drei Jungtiere, zusammen mit denen von fünf ausgewachsenen Kershern, im Nichts endeten. Das konnte nur bedeuten, dass die drei Jungen von den Alttieren auf ihre Reise durch die Lüfte mitgenommen worden waren. Und die Spuren, die so abrupt endeten, wiesen nach Süden.
»Das ist die Richtung, die wir nehmen«, beschloss Ewoschno. »Kersher können sich höchstens zweitausend Körperlängen in der Luft halten. Mit dem zusätzlichen Gewicht der Jungen noch weniger. Wir schnappen sie uns, wenn sie ermattet und geschwächt sind und keine Fluutkraft zum Fliegen mehr haben.«
*
Es wurde so gemacht, wie Ewoschno es als Jagdführer befahl. Später am Nachmittag stieß die Jagdgruppe wieder auf die Spur der verfolgten Kersher. Einige der Tiere hatten gleich nach der Landung ihre Därme entleert. Loscho fütterte seine hungrige Kravve mit den wenig schmackhaften Kersher-Haufen wegen der darin enthaltenen Fluutspuren.
Danach setzten sie ihren Weg fort, der deutlichen Fährte der fünf großen Kersher und ihrer Jungen folgend. Ewoschno hatte das Jagdfieber gepackt.
Rimuli versicherte, dass die Fährte sehr frisch sei und bald, je schneller sie vorankamen, nur noch wenige Augenblicke alt sein würde. Das bewies, wie ermattet die Kersher waren. Sie schleppten sich nur noch mit letzter Kraft voran und würden eine leichte Beute abgeben.
So äußerte sich Ewoschno. Der Jagdführer war in Erwartung des bevorstehenden Schlachtfestes förmlich im Fluutrausch.
Kellmi hatte auf seinen Befehl die Spitze übernommen und fand mit sicherem Tritt die besten Pfade durch den unwegsamen Dschungel. Plötzlich hielt er seinen Schritt an.
»Weiter! Weiter, du Angstrüssel!«, schrie Ewoschno ihm hinterher.
Aber Kellmi rührte sich nicht von der Stelle, starrte nur bewegungslos geradeaus.
Als die anderen zu ihm stießen, sahen sie den Grund seines wie versteinerten Verharrens. Vor Kellmi breitete sich die glitzernde, fast glatte Fläche eines Sees aus. Nur zwei Steinwürfe vom Ufer entfernt kräuselte sich die Wasseroberfläche durch acht schwimmende Körper, die sich mit großer Geschwindigkeit in Richtung gegenüberliegendes Ufer entfernten.
Ewoschno stürzte sich in aufwallender Wut auf Kellmi, warf ihn um und trat mit den Vorderbeinen ungestüm auf ihn ein, sprang dann auf ihn und trampelte förmlich auf ihm herum.
»Du warst nicht schnell genug! Du hättest mehr Tempo machen müssen, Kellmi!«, schrie er dabei wie von Sinnen. »Du warst viel zu langsam, darum sind uns die Kersher entwischt.«
Kellmi wehrte sich nicht, versuchte sich nur zu schützen, so gut es ging. Dabei starrte er Ewoschno aus nur einem seiner großen Augen an, das andere richtete er irgendwohin. Er tat dies, um seine ganze Verachtung auszudrücken, bis Ewoschnos Wutausbruch verraucht war und er schuldbewusst von Kellmi abließ.
Eines schönen Tages werden wir es zu Ende führen, dachte Kellmi, während er sich wieder auf alle viere erhob.
Laut sagte er: »Vielleicht wäre es nun doch an der Zeit umzukehren.«
Ewoschno sagte darauf nur: »Wir müssen auf dem Heimweg Beute machen.«
Aber sie kamen nicht weit. Rimuli, der wieder als Kundschafter vorausgeschickt worden war, kam bald zurück und meldete aufgeregt, dass ihnen von Nordwesten in breiter Front eine Herde Tiver entgegenkam und ihnen den Rückweg nach Olmo Hirkulum, der Wunderbaren, abschnitt. Vermutlich war es dieselbe Herde, die Awor-Wasor zugestrebt war und nun in die ertragreicheren Jagdgebiete zurückkehrte.
Da ihnen im Rücken der See den Weg versperrte, konnten sie nur nach Osten ausweichen. Kellmi merkte Ewoschno an, dass der Jagdführer immer verzweifelter wurde, je weiter sie von den Tivern abgedrängt wurden. Als dann der Zwischenfall mit Gonde passierte, war er einer Panik nahe.
Kellmi sah den Brenner, als Gonde gerade einen Schritt auf ihn zumachte. Bevor er ihn jedoch warnen konnte, spuckte der Brenner bereits Feuer und verbrannte Gondes linkes Vorderbein. Alles, was Kellmi danach tun konnte, war, den Brenner mit einem Pfeil abzuschießen, als er durch einen Luftsprung fliehen wollte.
Der Brenner sollte bis zu diesem Abend ihre letzte Beute sein.
Gondes Schmerzensschrei musste von den Tivern vernommen worden sein, denn man hörte gleich darauf an den näher kommenden Geräuschen, wie sie aufgeschreckt durch das Unterholz brachen.
»Nichts wie weg von hier!«, befahl Ewoschno und rannte sofort los, so schnell ihn seine Beine tragen konnten.
Die Kravve Mosho-sika hatte trotz ihres doppelten Körpergewichts keine Mühe, mit den Jägern mitzuhalten. Doch Gonde humpelte auf drei Beinen hoffnungslos hinterdrein; Ewoschno dachte nicht daran, auf ihn Rücksicht zu nehmen.
Nur Kellmi wartete auf den Verletzten und stützte ihn, so dass er rascher weiterkam.
Doch jedes Mal, wenn Gondes verkohlter Beinstumpf gegen ein Hindernis traf, schrie er vor Schmerz auf. Blut tropfte aus der Wunde, bot so den Tivern eine deutliche Witterung. Der Blutgeruch und Gondes verheißungsvolle Schmerzenslaute mussten sie rasend machen.
Kellmi hatte mit dem verletzten Gonde keine Chance, der rasenden Tiver-Meute zu entkommen. Aber er wollte den Kameraden auch nicht im Stich lassen, das hätte ihn mit Ewoschno gleichgestellt.
Kellmi hielt an. Er bedeutete dem Verletzten, dass er ihm beide Rüssel abbinden müsse, damit er nicht mehr schreien konnte. Gonde richtete das eine vor Schmerz getrübte Auge auf Kellmi, während er mit dem anderen in die Richtung blickte, aus der sich die mörderischen Tiver näherten.
»Mach schon, Kellmi!«, verlangte er.
Kellmi schnürte ihm mit einer Liane beide Rüssel zusammen, dann urinierte er über die Beinwunde, um die Blutung zu stoppen. Das tat weh, Kellmi wusste das, und Gonde machte es mit um sich schlagenden Rüsseln deutlich, wie sehr weh es tat. Aber es half. Das Bluten hörte auf.
Dann erst setzte Kellmi mit dem humpelnden Gonde die Flucht fort, immer auf der Suche nach einem geeigneten Versteck. Als er schließlich ein Erdloch entdeckte, erwählte er dieses als Unterschlupf. Er schnupperte erst einmal. Da er keinen frischen Tiergeruch wittern konnte, schob er Gonde wortlos in das Loch.
Kellmi sammelte einige große, übelriechende Schirmblätter der Riistaude, folgte Gonde ins Versteck und bedeckte sich mit den Riiblättern. Gleich darauf vernahm er um sich das typische Fortbewegungsgeräusch der Tiver: das rasch aufeinanderfolgende Tapsen ihrer Krallenbeine und das raschelnde Gleiten ihrer schlängelnden Körper durch das Unterholz. Er zählte fünfzehn Tiver, aber es konnten auch mehr sein.
Als die Horde verschwunden war, spürte er eine ganze Weile nur das von Schmerzen getriebene Beben von Gondes Körper unter sich, aber er wollte das Versteck nicht so rasch verlassen, sondern einige Zeit abwarten, um ganz sicherzugehen.
Und tatsächlich! Nicht viel später kamen die Tiver zurück und durchforschten schnüffelnd die Gegend nach der verlorenen Beute. Kellmi glaubte sein Ende gekommen, als ein Tiver geradewegs über ihm auftauchte. Die Bestie war ihm so nahe, dass er ihren stinkenden Atem riechen konnte. Aber die Riiblätter schreckten den Tiver ab, und er suchte das Weite.
Kellmi kannte die Wirkung des Rii, er verspürte es am eigenen Leibe. Die Blätter sonderten eine stinkende Flüssigkeit ab, die ihm bis unter die Körperschuppen drang und einen schmerzhaften Juckreiz verursachte. Dennoch harrte er aus, bis er ganz sicher sein konnte, dass die Tiver außer Reichweite waren.
Dann erst kroch er aus dem Versteck, holte Gonde heraus und befreite ihn von den Fesseln. Gonde, der bis zu diesem Moment nur durch die Gehöröffnungen hatte atmen können, sog nun die Luft gierig durch beide Rüssel ein.
»Danke, Kellmi«, sagte er dann unter röchelnden Atemgeräuschen. »Du hast mir das Leben gerettet.«
»Es ist noch nicht überstanden«, sagte Kellmi barsch; er konnte Rührseligkeit nicht ausstehen.
Gonde stützend, wandte er sich in die Richtung, die die anderen Jäger eingeschlagen hatten. Sie erreichten sie ohne weitere Zwischenfälle, als sich Yuna-Cum bereits violett zu verfärben begann und das Dach des Dschungels zu berühren schien.