Perry Rhodan 2029: Ein Planet im Visier - Hubert Haensel - E-Book

Perry Rhodan 2029: Ein Planet im Visier E-Book

Hubert Haensel

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Beschreibung

Arkon greift nach Ertrus - der Kampf um die Schwerkrafthölle Die Milchstraße des Jahres 1303 Neuer Galaktischer Zeitrechnung - das entspricht dem Jahr 4890 alter Zeit - scheint am Vorabend eines großen galaktischen Krieges zu stehen. Zwei ehemals verbündete Mächte belauern sich: Das Kristallimperium der Arkoniden setzt zum Großangriff auf die Liga Freier Terraner an. Spätestens seit der verheerenden Raumschlacht im Kreit-System und dem Angriff der Arkoniden auf den Planeten Ertrus ist klar, daß Bostich I., der Imperator des Kristallimperiums, nach der Macht über die Galaxis greift. Dabei liefen die Vorbereitungen schon lange: In den letzten Monaten besetzten die Arkoniden den Hayok-Sternenarchipel und das kleine Imperium der Topsider in direkter Nähe Terras, es kam sogar zu einem gescheiterten Angriff auf Olymp. Zuletzt jedoch konnte vor allem die Neue USO dem Kristallimperium einige Nadelstiche versetzen. Dank verschiedener Agenteneinsätze wissen die Terraner und ihre Freunde, daß die Arkoniden weitere große Pläne vorbereiten. Der Angriff auf Ertrus unter dem Decknamen "Operation Stiller Riese" war nur einer davon. Ebenso bedeutend sind beispielsweise der Umzug des Flottenzentralkommandos sowie größere Aktivitäten im Arkonsystem, die bisher keiner erklären kann. Nun aber muß sich das Augenmerk aller Menschen der bekannten Milchstraße auf das Kreit-System richten. Dort ist mit Ertrus EIN PLANET IM VISIER...

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Veröffentlichungsjahr: 2014

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Nr. 2029

Ein Planet im Visier

Arkon greift nach Ertrus – der Kampf um die Schwerkrafthölle

von Hubert Haensel

Die Milchstraße des Jahres 1303 Neuer Galaktischer Zeitrechnung – das entspricht dem Jahr 4890 alter Zeit – scheint am Vorabend eines großen galaktischen Krieges zu stehen. Zwei ehemals verbündete Mächte belauern sich: Das Kristallimperium der Arkoniden setzt zum Großangriff auf die Liga Freier Terraner an.

Spätestens seit der verheerenden Raumschlacht im Kreit-System und dem Angriff der Arkoniden auf den Planeten Ertrus ist klar, dass Bostich I., der Imperator des Kristallimperiums, nach der Macht über die Galaxis greift.

Dabei liefen die Vorbereitungen schon lange: In den letzten Monaten besetzten die Arkoniden den Hayok-Sternenarchipel und das kleine Imperium der Topsider in direkter Nähe Terras, es kam sogar zu einem gescheiterten Angriff auf Olymp. Zuletzt jedoch konnte vor allem die Neue USO dem Kristallimperium einige Nadelstiche versetzen.

Dank verschiedener Agenteneinsätze wissen die Terraner und ihre Freunde, dass die Arkoniden weitere große Pläne vorbereiten. Der Angriff auf Ertrus unter dem Decknamen »Operation Stiller Riese« war nur einer davon. Ebenso bedeutend sind beispielsweise der Umzug des Flottenzentralkommandos sowie größere Aktivitäten im Arkonsystem, die bisher keiner erklären kann.

Nun aber muss sich das Augenmerk aller Menschen der bekannten Milchstraße auf das Kreit-System richten. Dort ist mit Ertrus EIN PLANET IM VISIER …

Die Hauptpersonen des Romans

Reginald Bull – Der Residenz-Minister für Liga-Verteidigung schickt eine Flotte ins Kreit-System.

Tam Sorayto – Der ertrusische Präsident beginnt mit einer überraschenden Offensive.

Perry Rhodan – Der Terraner muss sich auf der Schwerkraftwelt verstecken.

Kraschyn

1.

»Warum habt ihr das nicht verhindert …?«

Reginald Bulls Stimme versagte; ein dicker Kloß im Hals schnürte ihm die Luft ab. Von einer Sekunde zur anderen nahm er das Konterfei der epsalischen Kommandantin gar nicht mehr wahr; sein Blick verlor sich in endloser Ferne.

»Minister Bull …«

Erst als das Hologramm abrupt erlosch – und mit der Bildwiedergabe zugleich diese schrecklich dröhnende Stimme –, registrierte Reginald Bull, dass seine Rechte schwer auf der Abschaltfläche lag. Wieso hatte er die Verbindung unterbrochen?

Sich herumwerfen und davonlaufen, das Schicksal einfach ignorieren …

Er brachte nicht einmal ein ersticktes Gurgeln über die Lippen, geschweige denn den Aufschrei, der ihm Erleichterung verschafft hätte.

Perry Rhodan ist tot! Dieser eine entsetzliche Gedanke hatte alles andere beiseite gefegt. Perry, mein Freund …

Jahrtausende gemeinsamer Erlebnisse – ausgelöscht im konzentrierten Feuer kristallimperialer Schiffsgeschütze.

Perry Rhodan, der unsterbliche Terraner, der Sechste Bote Thoregons – tot! Geliebt und doch zu manchen Zeiten gehasst; von Menschen verstoßen und wieder als Retter herbeigesehnt; er hatte alle Höhen und Tiefen des Daseins erlebt, aber nie sein Ziel aus den Augen verloren: den Wunsch, nein, den unbeugsamen Willen, der Menschheit den Weg zu den Sternen zu ebnen, ihr einen festen Platz in der gewaltigen Vielfalt kosmischer Schöpfung zu sichern.

Ein neues Hologramm baute sich auf. Es gehörte zu dem Bild- und Ortungsmaterial, das die Kommandantin der LEIF ERIKSSON übermittelt hatte, und zeigte das im Feuer arkonidischer Kampfschiffe verglühende Wrack der MELBAR KASOM.

Bully wollte diese Bilder nicht sehen. Sie quälten ihn und machten ihm angst. Trotzdem sog er jede Sequenz in sich auf, alle Details der eingeblendeten Ortungsdaten. Weil er weit mehr als die Gewissheit den winzigen Halm einer irrwitzigen Hoffnung suchte, an den er sich klammern konnte. Oft war Perry Rhodan schon verschollen gewesen oder für tot gehalten und hatte das unmöglich Scheinende geschafft, in die Milchstraße und zur Erde zurückzukehren.

»… selbst wenn es nach dem ersten Feuerschlag Überlebende gab und falls Rhodan zu ihnen gehörte, der endgültigen Vernichtung des ertrusischen Flaggschiffs ist niemand entkommen. Weder Beiboote noch Rettungskapseln wurden geortet. Es gab nur verglühende Trümmer. – Ich habe die Aufgabe, die Todesnachricht nach Terra weiterzuleiten: Perry Rhodan ist im Kampf um Ertrus gefallen. Daran ist nicht zu zweifeln.«

»Nein!« Dumpf quoll der Widerspruch über Bullys Lippen. Gleich darauf noch einmal. Stockend. Ungläubig. Entsetzt. Was Reginald Bull zeit seines Lebens befürchtet, jedoch immer erfolgreich verdrängt hatte, war jäh zur erschreckenden Wirklichkeit geworden. Der Freund aus den Tagen der ersten Mondlandung lebte nicht mehr. Es gab nicht einmal sterbliche Überreste, die in terranischer Erde beigesetzt werden konnten.

Warum?, schoss es dem Residenz-Minister für Liga-Verteidigung durch den Sinn. Mein Gott, weshalb gerade jetzt?

Vor nicht einmal einer Minute hatte er Pearl TenWafers Hyperfunknachricht schroff und ungläubig, ja geradezu aggressiv unterbrochen, es erschien ihm, als wären inzwischen Stunden vergangen.

Warum habt ihr das nicht verhindert …?

Der Nachhall der eigenen Stimme schaukelte sich in ihm auf und wurde zum alles erstickenden Dröhnen. Sekundenlang starrte er die leeren Handflächen an, dann stieß er sich von der Konsole ab. Seine Hände zuckten hoch, die Finger verkrallten sich um die Stirn und die Schläfen. Vor diesem Augenblick hatte er sich stets gefürchtet; vor allem aber vor dem Zwang, die entstandene Lücke schließen zu müssen.

Warum habt ihr nicht …?

Ein greller Stich in der Herzgegend ließ Bully taumeln. Eher unbewusst registrierte er die belebenden Impulse des Aktivators.

Vielleicht würde er bald den Titel des Terranischen Residenten tragen. Nicht umsonst hatte er lange Jahrhunderte hindurch als zweiter Mann neben Perry Terras Geschicke gelenkt. Aber verdammt, genau das wollte er nicht – nicht das Amt einnehmen, das seinem besten Freund zustand. Weil er sich dann wie ein Verräter vorkommen musste …

Er wollte es nicht hören. Für einen Augenblick sehnte er sich danach, ein einziges Mal in die Haut des kleinen rothaarigen Jungen zu schlüpfen, der vor sehr langer Zeit einfach die Augen geschlossen hatte, um alles Böse aus der Welt zu zaubern. Diese Erinnerung war unauslöschlich in sein Gedächtnis eingegraben. Solange er die Lider krampfhaft geschlossen gehalten hatte, war alles Schlimme wie weggewischt und anschließend nur noch halb so schlimm gewesen. Wie die Fünf in Mathe – als er weit mehr Zeit für seine Schulfreundin Tess und die geliebten Science-Fiction-Magazine als für alle Lehrbücher aufgewendet hatte.

Mit einem heftigen Kopfschütteln wischte Bully die irritierenden Gedanken beiseite. Seine Lebenserfahrung hatte ihn längst gelehrt, dass Unangenehmes nicht ignoriert werden durfte. Kinder hatten die Freiheit, das zu tun – Minister nicht mehr. Kinder waren zu bewundern …

Noch kannte niemand außer der Besatzung der LEIF ERIKSSON die ganze Wahrheit. Die Vierte Imperiumsflotte der Arkoniden unter Mascant Kraschyn hatte das Kreit-System mit dem Planeten Ertrus im Zuge einer angeblichen Strafexpedition besetzt. Die Zahl der Opfer auf beiden Seiten musste in die Hunderttausende gehen.

Wie viele der Betroffenen mochten wirklich an die vorgeblich hehren Ziele dieses Waffengangs geglaubt haben? Einige wenige Fanatiker vielleicht, die den Rattenfängerkünsten Gaumarol da Bostichs I. verfallen waren. Aber die anderen …?

Stumm blickte Reginald Bull aus dem Panoramafenster seines Büros über Terrania City hinweg. Wie eine gewaltige stählerne Orchidee hing die Solare Residenz einen Kilometer hoch über dem Bereich des einstigen HQ-Hanse. Von seinem Standort aus sah er nur einige der höchsten Gebäude in der Ferne aufragen, aber wenig von der quirligen Geschäftigkeit der Metropole. Niemand im Herzen der LFT ahnte, was geschehen war, und so sollte es vorerst bleiben. Rhodans Tod im Strahlenfeuer gegnerischer Schiffe würde die Liga Freier Terraner früh genug erschüttern.

Gegnerische Schiffe. Einen verflucht bitteren Beigeschmack hatte diese Feststellung. Jahrhundertelang waren Arkon und Terras Freunde gewesen.

Reginald Bull hatte die Arme angewinkelt und die Hände um den Nacken gelegt. Langsam, mit festem Druck ließ er die Hände am Hals entlang nach vorne gleiten. Es tat verdammt weh, Rhodans Tod akzeptieren zu müssen.

Haben wir uns wirklich eingebildet, ewig leben zu dürfen?, durchfuhr es ihn.

»Warum?« Unwillkürlich stieß Bully das eine Wort laut hervor. Der raue Klang der eigenen Stimme erschreckte ihn.

Grau hing die Dämmerung über Terrania. Die Sonne war eben hinter dem Horizont versunken, doch ihre blutroten Strahlen ließen anfliegende Raumschiffe wie Funken in der beginnenden Nacht aufflammen.

Welcher der wenigen sichtbaren Sterne war Kreit, die gelbe Sonne von Ertrus, sechstausendeinhundertundsechsunddreißig Lichtjahre entfernt? Nur diese lächerlich geringe Distanz trennte die Invasionsflotte des Kristallimperiums von der Erde.

Die Frage, davon war Reginald Bull überzeugt, hieß nicht, »ob« Imperator Bostich das Solsystem angreifen würde, sondern ausschließlich »wann«. In dieser Situation wäre es eine mögliche Aufgabe des Verteidigungsministers gewesen, den kompletten militärischen Apparat der LFT in Bewegung zu setzen und Bostich in die Schranken zu weisen.

Stattdessen blickte Bully in die beginnende Nacht hinaus. Er empfand keinen Hass, nur Verbitterung und Enttäuschung. Würden Intelligenzwesen jemals in der Lage sein, ohne Machtgelüste nebeneinander zu leben? Der Kosmos bot Platz für alle, weit mehr jedenfalls als die düsteren Straßenzüge seiner Heimatstadt Flushing, deren beklemmende Geborgenheit in ihm einst die Sehnsucht nach den Sternen geweckt hatte.

Das Band der Milchstraße begann sich abzuzeichnen.

Pearl TenWafer hatte nichts davon gesagt, dass Perrys Tod von der sich gedankenschnell ausdehnenden Erscheinung einer Spiralgalaxis begleitet worden war; immer noch nicht geklärtes Symbol für den Tod von Aktivatorträgern. Lebte Rhodan also noch? Oder war sein Aktivator vernichtet worden, bevor entsprechende Programmierungen hatten wirksam werden können?

In diesen Minuten traf Reginald Bull eine bittere Entscheidung. Er fügte sich in das Unglaubliche; er musste es allen Vorbehalten zum Trotz akzeptieren, um seiner Aufgabe gerecht werden zu können.

»Wo immer du sein magst, mein Freund«, murmelte er tonlos, »lebe wohl! Ich hoffe, dass wir uns wiedersehen werden.«

Unwillkürlich ballte Bully die Fäuste. Von Minute zu Minute fiel es ihm schwerer, sich zu beherrschen.

Auge um Auge, Zahn um Zahn, so stand es schon in der Bibel. Bully konnte nicht erwarten, dass der Imperator des Kristallimperiums Feinheiten des christlichen Glaubens kannte, falls Bostich überhaupt jemals seine Aufmerksamkeit an irdische Religionen verschwendet hatte. Trotzdem würde er den Sinn dieser Aussage verstehen müssen.

Einen Augenblick lang dachte Bully an Gucky. Wie würde der Mausbiber Perrys Tod verkraften? Momentan war der Kleine auf einem Geheimeinsatz und wusste noch gar nichts von den jüngsten Ereignissen. Würde er den kleinen Freund zurückhalten können?

Reginald Bull schlug mit der immer noch zur Faust geballten Rechten in die geöffnete linke Handfläche. Beim zweiten Mal umklammerte er die Faust mit den Fingern der Linken. Es stand ebenso geschrieben, dass man dem Feind nicht nur eine Wange hinhalten solle.

»Nein!«, stieß Bull im Selbstgespräch hervor. »Nicht zu Lasten der Menschheit. Wir werden Mittel und Wege finden, den größenwahnsinnigen Imperator aufzuhalten.«

*

Mit seiner Größe von 1,90 Metern und seiner sehr schmalen Statur hatte der Erste Terraner Maurenzi Curtiz auf Bully immer leicht schwindsüchtig gewirkt – eine Feststellung, die der rothaarige Minister wohlweislich für sich behalten hatte. Was zweifellos daran lag, dass er selbst, obwohl fast um Haupteslänge kleiner, kein Gramm weniger auf die Waage brachte. Gebracht hatte, berichtigte sich Bully, denn seit er vor neun Wochen befreit worden war, hing ihm die Kleidung nach wie vor ein wenig zu locker am Leib.

Während Bull Curtiz' Reaktion beobachtete, dachte er an das letzte Arbeitsfrühstück mit Perry Rhodan und dem Ersten Terraner, gestern früh, vor gerade mal sechsunddreißig Stunden. Hätte ihm zu dem Zeitpunkt jemand einzureden versucht, dass es ihr letztes gemeinsames Essen sein würde, er hätte denjenigen schlicht für verrückt erklärt.

Curtiz' Betroffenheit erschien symptomatisch für die auf allen Liga-Welten zu erwartende Reaktion. Jegliche Farbe war aus seinem Gesicht gewichen.

»Propaganda!«, stieß er tonlos hervor. »Bostich ist für jede Schweinerei gut.« Das klang hilflos und war nicht mehr als der klägliche Versuch, die schreckliche Wahrheit weit von sich zu schieben. »Rhodan wird sich melden«, fügte der Erste Terraner hastig hinzu. »Wenn die Absicht dahintersteckt, Terra zu demoralisieren, bleiben den Arkoniden höchstens eine oder zwei Stunden, bis alles aufgeklärt wird …«

Bully schüttelte den Kopf.

»Nein?«, machte Curtiz und presste die Lippen aufeinander.

»Nein!«, sagte Bull. »Ich bitte dich darum, alle maßgeblichen Leute zu informieren. Trotzdem darf kein Wort nach außen dringen. Vermutlich wissen die Arkoniden selbst noch nicht, was geschehen ist. – Bostich hält sich für einen überragenden Strategen, der er dummerweise auch ist. Aber gerade deshalb und wegen der enormen Bedeutung von Ertrus für die Liga wird er nicht innerhalb weniger Tage ein zweites Mal zuschlagen, sondern warten, bis sich die Gemüter einigermaßen beruhigt haben. Salamitaktik nannten wir das früher. – Scheibchenweise«, fügte Bully hinzu, als er die steile Falte über Curtiz' Nasenwurzel bemerkte. »Das heißt, ich kann gegenwärtig Kampfschiffe aus dem Solsystem abziehen. Deine Zustimmung wirst du mir wohl nicht verweigern. Zudem benötige ich alle freien Tender-Einheiten; zwei Camelopardus habe ich inzwischen angefordert. Die Alarmbereitschaft für die Heimatflotte bleibt bis zu meiner Rückkehr uneingeschränkt bestehen.«

Zweimal hatte der Erste Terraner vergeblich nach Luft geschnappt, um Bull zu unterbrechen. »Zurück von wo?«, fragte er endlich.

»Von Ertrus.«

Die Erleichterung war Maurenzi Curtiz anzusehen. »Ich dachte … ich meine … Arkon wäre naheliegend.«

Reginald Bull nickte knapp. »Das habe ich tatsächlich in Erwägung gezogen. Flüchtig jedenfalls, weil der Gedanke an Rache tief sitzt und sich nicht vertreiben lässt. Aber ich bin kein Mörder an Milliarden unschuldiger Arkoniden. Wie viele von ihnen mögen mit Bostichs Aggression nicht einverstanden sein, wie viele sind Mitläufer, die ihr Fähnchen nach dem Wind hängen?«

»Der Imperator und sein engstes Umfeld sind unser Problem, keinesfalls die Arkoniden als solche. Neunzig Prozent der Bevölkerung sehnen sich vermutlich danach, selbst in Ruhe gelassen zu werden.«

»Eben«, sagte Bull. »Ich brauche Flottenpräsenz nahe am Kreit-System, um den Ertrusern zu zeigen, dass wir sie nicht im Stich lassen werden. Und um letzte Gewissheit über Rhodans Schicksal zu erlangen. Falls ich bei der Gelegenheit Bostich zwischen die Finger bekomme, drehe ich ihm eigenhändig den Hals um. Das bin ich ihm inzwischen schuldig, egal ob Perry das gerne gesehen hätte oder nicht.«

»Den Wunsch haben schon zwei. Mindestens.« Die Blässe in Curtiz' Gesicht wich einer dunklen Zornesröte.

*

Moderne Metagrav-Triebwerke hatten die Entfernungen längst schrumpfen lassen. Gerade das machte Imperator Bostichs Aggression so tückisch. Die zig-millionenfache Lichtgeschwindigkeit seiner Kampfflotten ließ den Bewohnern eines angegriffenen Sonnensystems kaum noch ausreichende Reaktionszeit.

Exakt um 0.10 Uhr Standardzeit des 28. September 1303 NGZ war die VASCO DA GAMA mit Reginald Bull an Bord nahe dem Planeten Trokan in den Überlichtflug gegangen. Der Raumer der ENTDECKER-Klasse führte ein Flottenkontingent von neunhundertundfünfzig Schiffen der Heimatflotte an.

38,5 Minuten dauerte die Überlichtetappe des 1800-Meter-Kugelraumers und der Begleitschiffe gleichen Typs, der ROALD AMUNDSEN, JAMES COOK und CHARLES DARWIN. Wegen der geringeren Höchstgeschwindigkeit würde der Rest der Flotte erst zehn Minuten später den Hyperraum verlassen.

Als Sammelpunkt hatte der Verteidigungsminister Koordinaten mehr als ein Lichtjahr vor der Sonne Kreit festgelegt – weit genug, um Überraschungsschläge der Imperiumsflotte rechtzeitig erkennen zu können. Natürlich war ihm klar, dass sein Säbelrasseln den nötigen Nachdruck vermissen ließ.

Ein Meer von Ortungsreflexen umgab das Kreit-System, doch vor allem im Bereich der Hauptwelten Jopprott und Ertrus drängten sich die gegnerischen Schiffe. Zwanzigtausend Ortungsreflexe registrierte der Bordrechner allein innerhalb der ersten dreißig Sekunden nach dem Verlassen des Hyperraums.

»Das sind die großen Pötte mit entsprechend hohen energetischen Emissionen«, stellte Reginald Bull unumwunden fest. »Die kleineren Raumer mit zweihundert Metern Durchmesser und darunter bekommen wir erst nach und nach in die Anzeige.«

»Ebenso alle im System treibenden Wracks«, fügte die Kommandantin Kay Znamara hinzu.

Ein unwilliges Zucken umfloss Bulls Mundwinkel. »Die ertrusische Heimatflotte konnte das Unheil ebenso wenig aufhalten wie die hier stationierten LFT-Raumer.«

»Und wir müssen den Scherbenhaufen zusammenkehren«, sagte Kay Znamara bitter. »Falls Mascant Kraschyn humanitäre Hilfe überhaupt zulässt.«

In jeder Sekunde flammten ein Dutzend und mehr neue Ortungsreflexe in der Holokugel auf, die inzwischen auch den Bereich der Minengürtel erfasste. In den betreffenden Raumsektoren ereigneten sich immer noch Explosionen, ausgelöst von Wracks, die mit den hochbrisanten Minen kollidierten.

»Unsere beste Verteidigung, die Aagenfelt-Barriere, beginnt stumpf zu werden.« Bulls Betroffenheit saß tief. »Schon ein einziger aus der Formation ausscherender WÄCHTER-Raumer macht die Barriere durchlässig. Wenn dann noch die erste Angriffswelle aus Robotschiffen besteht, die ähnlich unseren Experimentalflotten nach dem HOST-REMOTE-Prinzip arbeiten …«

»Nicht einmal eine Kriegsmaschinerie wie die des Kristallimperiums kann Hunderttausende von positronisch gesteuerten Kampfschiffen aus dem Boden stampfen«, wandte die Kommandantin ein.

»Folglich hat Bostich an richtiger Stelle zugeschlagen«, seufzte Reginald Bull. »Die Entschuldigung, wir hätten das nicht rechtzeitig erkennen können, lasse ich nicht mehr gelten. Im Nachhinein ist die Kodebezeichnung Operation Stiller Riese offensichtlich. Trotzdem hat niemand rechtzeitig die Wahrheit herausgefunden. – Bostich wird die Raumschiffswerften von Jopprott bald auf Hochtouren produzieren lassen.«

»Schon eine einzige Arkonbombe könnte das verhindern.«

Bulls Kopf ruckte herum. Aus überrascht zusammengekniffenen Augen fixierte er die Kommandantin. »Seit wann so blutrünstig?«, wollte er wissen.

Kay Znamara vollführte eine entschieden ablehnende Handbewegung. »Wäre ich das wirklich, würde ich kaum mehr die Sterne auf der Uniform tragen. Aber ich beginne mich zu fragen, wie viele Schläge die LFT noch einstecken muss. Dieses Verkriechen in ein Pseudoschneckenhaus …«

»… behagt dir nicht?«

»Wir verlieren den Respekt vieler galaktischer Völker, wenn wir zulassen, dass Imperator Bostich von Monat zu Monat unverschämter …«

»Auf Respekt, der uns nur auf der Basis militärischer Überlegenheit entgegengebracht wird, Kay, können wir verzichten.«

Die Kommandantin des 1800-Meter-Raumers schluckte schwer. Sekundenlang wirkte sie unschlüssig, dann griff sie mit einer Hand in das Hologramm und bewirkte eine Ausschnittvergrößerung. Schiffe des Kristallimperiums schienen im Bereich der äußeren Planeten Überlebende aus eigenen Wracks zu bergen und nicht mehr flugfähige Schiffe in planetare Orbits zu schleppen.