Perry Rhodan 2035: Exodus der Herzen - Uwe Anton - E-Book

Perry Rhodan 2035: Exodus der Herzen E-Book

Uwe Anton

0,0

Beschreibung

Atlan auf Auroch-Maxo-55 - eine Wasserwelt steht vor dem Untergang Nach wie vor ist die SOL mit ihrer Besatzung in der Vergangenheit gestrandet, nach wie vor gibt es für das alte Generationenraumschiff keine Möglichkeit zur Rückkehr in die Gegenwart. Durch einen Abgrund von 18 Millionen Jahren von ihren Gefährten in der heimatlichen Milchstraße getrennt, müssen Atlan und seine Begleiter in der Galaxis Segafrendo um ihr Überleben kämpfen. In Segafrendo tobt seit über tausend Jahren ein fürchterlicher Krieg. Die mörderischen Mundänen haben die friedliche Kultur der Galaktischen Krone so gut wie zerstört; es kann sich nur noch um wenige Jahre handeln, bis die Invasoren die Galaxis komplett beherrschen. Und die Menschen an Bord der SOL wissen, daß sie in diesen Konflikt praktisch nicht eingreifen können. Das ist auch nicht ihre Aufgabe. Bevor das Raumschiff in die Vergangenheit geschleudert wurde, erhielt die Besatzung einen Auftrag der Superintelligenz ES: Man müsse nach Auroch-Maxo-55 fliegen, um von dort einen Kym-Jorier zu bergen. Gelinge das nicht, drohe der Untergang der Menschheit. Den Planeten Auroch-Maxo-55 hat man mittlerweile gefunden. Er liegt im Zentrum einer Dunkelwolke und wird von Zigtausenden von Mundänen -Raumschiffen gesucht. Es kann nur eine Frage der Zeit sein, bis es über der Wasserwelt zur Konfrontation von Galaktikern und Mundänen kommt. Und dazu droht nun auch noch der EXODUS DER HERZEN...

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Veröffentlichungsjahr: 2014

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Nr. 2035

Exodus der Herzen

Atlan auf Auroch-Maxo-55 – eine Wasserwelt steht vor dem Untergang

von Uwe Anton

Nach wie vor ist die SOL mit ihrer Besatzung in der Vergangenheit gestrandet, nach wie vor gibt es für das alte Generationenraumschiff keine Möglichkeit zur Rückkehr in die Gegenwart. Durch einen Abgrund von 18 Millionen Jahren von ihren Gefährten in der heimatlichen Milchstraße getrennt, müssen Atlan und seine Begleiter in der Galaxis Segafrendo um ihr Überleben kämpfen.

In Segafrendo tobt seit über tausend Jahren ein fürchterlicher Krieg. Die mörderischen Mundänen haben die friedliche Kultur der Galaktischen Krone so gut wie zerstört; es kann sich nur noch um wenige Jahre handeln, bis die Invasoren die Galaxis komplett beherrschen. Und die Menschen an Bord der SOL wissen, dass sie in diesen Konflikt nicht eingreifen können.

Das ist auch nicht ihre Aufgabe. Bevor das Raumschiff in die Vergangenheit geschleudert wurde, erhielt die Besatzung einen Auftrag der Superintelligenz ES: Man müsse nach Auroch-Maxo-55 fliegen, um von dort einen Kym-Jorier zu bergen. Gelinge das nicht, drohe der Untergang der Menschheit.

Den Planeten Auroch-Maxo-55 hat man mittlerweile gefunden. Er liegt im Zentrum einer Dunkelwolke und wird von Zigtausenden von Mundänen-Raumschiffen gesucht. Es kann nur eine Frage der Zeit sein, bis es über der Wasserwelt zur Konfrontation von Galaktikern und Mundänen kommt.

Und dazu droht nun auch noch der EXODUS DER HERZEN …

Die Hauptpersonen des Romans

Atlan – Der Arkonide erfährt die Geheimnisse der Inzaila.

Ronald Tekener – Der Smiler zieht in eine Schlacht.

Paumyr – Die Pflanzenintelligenz sucht ihre Bestimmung.

Jamaske – Das Biogramm wird zur Botin.

Runrick

Prolog

Paumyr: Die Hantel

Wir werden untergehen!

Völlig ungewohnte Emotionen kulminierten zu einem einzigen gequälten Schrei.

Schon seit geraumer Weile durchwebte die Angst den gesamten telepathischen Äther, ähnlich wie die Flimmernetze den kosmischen Staub durchdrangen, der die Dunkelwolke bildete. Bislang hatte sie sich aber nur selten in deutlichen Äußerungen manifestiert, war eher als leises, kaum verständliches Flüstern allgegenwärtig gewesen, als Raunen im Hintergrund, als ständiges mentales Sirren und Summen unter dem großen Silberschirm.

Das Spektrum der Gefühle in diesem dunklen Bereich der Verzweiflung war breit gefächert.

Ungewissheit, Besorgnis, nackte Angst.

Iznaom, Ebleche, Nasnu.

Verunsicherung, Unruhe, Panik.

Lauryl, Gelnina, Glaiten.

Und zwölf weitere, die Ähnliches und doch Unterschiedliches empfanden, Nuancen und Ausprägungen der überwältigenden Gefühlsregung, unter deren Last sie zusammenzubrechen drohten.

Zu alledem gesellte sich noch ein Umstand, der den Inzaila von Auroch-Maxo-55 völlig unvertraut war. Sie konnten mit ihm nicht umgehen, und das trieb die Belastung, der sie ausgesetzt waren, ins Unerträgliche.

Sie standen unter Zeitdruck, und mit so etwas hatten sie sich in den rund vierhundertundzwanzigtausend Jahren ihrer Existenz nie zuvor befassen müssen.

*

Paumyr reagierte auf die allgegenwärtige Beunruhigung. Die Besorgnis der anderen Inzaila war mittlerweile so stark, dass sie sich im Silberschirm manifestierte. Fratzen zogen über den Himmel, wo sich sonst nur ihre Wahrnehmungen spiegelten, verzerrte Darstellungen irgendwelcher Urängste. Pflanzenfresser näherten sich ihnen am Himmel, aber sie wiesen ausgeprägte Merkmale von Karnivoren auf, hatten spitze, raubtierhafte Schnauzen mit langen, scharfen Reißzähnen. Hier flammte ein Waldbrand auf, dort zuckten Blitze über einen düsteren, wolkenverhangenen Horizont. Und selbst diese Wolken nahmen Gestalt an, wurden zu Schädlingen mit scharfen Beißzangen und mahlenden Kiefern.

Wie Paumyr zuvor die achtzehn anderen Inzaila der Reihe nach telepathisch aufgerufen hatte, um mit ihnen den Einsatz des Flimmernetzes zu koordinieren, streckte sie nun ihre geistigen Fühler aus, um ihnen zumindest so viel Hoffnung und Gelassenheit zu vermitteln, dass sie ihre Lage besprechen und nach Lösungen suchen konnten.

Doch sie wollte nichts beschönigen. Wir befinden uns in ernsthaften Schwierigkeiten, gestand sie ein.

Gelächter antwortete ihr. Enudru. Es klang höhnisch, obwohl solche Regungen den Inzaila eigentlich völlig fremd waren.

Bis die nächste von uns zu einer Inzaila Onda werden kann, werden noch einige tausend Jahre vergehen, schlug Clojeng in dieselbe Kerbe.

Inzaila Onda, dachte Paumyr. Die nächsthöhere Stufe in der Evolution der Inzaila, die ihnen zwar verhießen worden war, über die sie aber eigentlich nichts Genaues wussten.

Und bis alle Inzaila durch das Alshma Ventor nach INSHARAM verschwunden sind, braucht es noch etliche Jahrzehntausende oder mehr, bekräftigte Atakon.

So viel Zeit bleibt uns jedoch nicht mehr! Uttuale. Denn die Mundänen, die die Dunkelwolke nach uns durchsuchen, werden unsere Heimat früher oder später ausfindig machen. Dann werden sie uns mit ihrer fürchterlichen Militärmacht vernichten.

Gegen einige wenige Gegner könnten wir uns mit unseren mentalen Kräften durchaus wehren, räumte Paumyr ein, aber nicht gegen die zu erwartende Anzahl. Wir verfügen jedoch über wirksame Instrumente, um uns selbst und unsere Heimat in der Wolke zu tarnen.

Sie bezog sich auf das Flimmernetz, das immaterielle Wurzelwerk, das die Inzaila durch den kosmischen Staub der Wolke gewoben hatten. Sie hatten die Dunkelwolke im Lauf der Jahrhunderttausende in eine fünfdimensionale Wirbelzone verwandelt.

Die Flimmernetze ermöglichen uns mannigfache Wahrnehmungen, mehr aber auch nicht. Siglib. Wir haben unsere Feinde mittlerweile mit unseren psionischen Sinnen bis ins letzte Detail durchleuchtet und analysiert und wissen genau, was uns erwartet. Aber wir können nicht gegen das blaue Schiff vorgehen. Wir können uns nicht wehren. Wir brauchen Hilfe!

Wer sollte uns diese Hilfe gewähren? Glono. Wir kennen die Geschichte ESTARTUS und die der Mundänen. ESTARTU ist im Sektor Cours durch den Einsatz des Mentaldepots bis auf eine Rest-Entität vernichtet worden, und nun wollen die Mundänen an Auroch-Maxo-55 ihr Werk vollenden.

Anfangs war diese Absicht ihnen ein Rätsel gewesen. Was haftete ihnen so Besonderes an, das einen solchen Aufwand rechtfertigte, wie die Mundänen ihn betrieben?

Nirro hatte sie auf die richtige Spur gebracht. Die Antwort war eigentlich ganz einfach. In Wahrheit suchten die Mundänen nicht die Inzaila, sondern den Schatz, den Paumyr hütete.

Paumyr riss sich zusammen, sonst hätte sie eine Trauer in den telepathischen Äther ausgeströmt, die die anderen Inzaila in nur noch tiefere Niedergeschlagenheit gestürzt hätte.

Wären sie doch nur imstande, schon jetzt den Schritt zu Inzaila Ondas zu tun … sie würden sich durch das Schlafende Licht, das Alshma Ventor, nach INSHARAM und damit in Sicherheit begeben. Aber dieser Weg stand ihnen noch nicht offen. Sie besaßen nicht die notwendige Reife und Kraft, um in INSHARAM eingelassen zu werden.

Wir haben einen Plan ausgearbeitet, der zumindest einen Teil von uns in Sicherheit und Freiheit bringen wird, versuchte sie die anderen zu beruhigen.

Den Exodus der Herzen! Enudru. Einen Verzweiflungsplan, der schon zu scheitern droht, bevor er auch nur in die Wege geleitet wird! Habt ihr die blaue Walze vergessen? Selbst wenn wir bereit sind, uns zu opfern …

Enudru projizierte das Bild des Raumschiffs, das unverhofft eine nicht gerade förderliche Dynamik in die Vorgänge gebracht hatte, unter den Silberschirm.

Es war ein völlig neuartiges Schiff, das die Mundänen erstmals eingesetzt hatten, ein den Inzaila bislang unbekanntes Modell, das offenbar einem S-Zentranten als Führer durch die Dunkelwolke diente.

Wir können dieses Schiff nicht von seinem Weg abbringen, so wie alle anderen Mundänenraumer, wir können keine mentale Beeinflussung vornehmen, auch nicht in einem geringen Maß. Damit stellt dieses Schiff eine tödliche Bedrohung für uns dar. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die Mundänen Auroch-Maxo-55 aufgestöbert haben werden. Eine Frage von für uns unvorstellbar kurzer Zeit!

Paumyr suchte nach einer zuversichtlichen Antwort, fand aber keine. Sie musste sich eingestehen, dass das fremde Schiff den Exodus der Herzen ernsthaft in Frage stellte.

Im nächsten Augenblick durchdrang ein vielstimmiges Raunen der Überraschung und Verstörung den telepathischen Äther unter dem Silberschirm.

*

Ein weiteres Objekt drang in den Staub ein, der die Dunkelwolke bildete. Wreut hatte es zuerst bemerkt und die anderen Inzaila darauf aufmerksam gemacht.

Es war ein Raumschiff, ebenso fremdartig und ihnen unvertraut wie die blaue Walze, die den S-Zentranten leitete und ihre gesamte Existenz gefährdete. Es war gerade erst in die äußeren Bereiche der Wolke eingeflogen und noch zu weit entfernt, als dass die Inzaila selbst mit ihren paranormalen Sinnen präzisen Aussagen darüber treffen könnten.

Aber die Zeit verging, und was für andere Ewigkeiten waren, waren für die Inzaila nur Augenblicke. Beim Warten darauf, endlich zu Inzaila Ondas zu werden, geriet dies zum Segen, beim Versuch, auf den Anflug der Mundänen zu reagieren, hingegen zum Fluch.

Schließlich befand das fremde Schiff sich so tief in der Innenzone der Dunkelwolke, dass die Inzaila sich ein Bild machen konnten.

Es ist eine Hantel. Sniknu. Solch ein Objekt haben wir noch nie gesehen.

Aber es handelt es sich nicht um eine feindliche Einheit! Nirro. Das spüre ich ganz deutlich.

Ihm haftet eine freundliche Aura an, bestätigte Paumyr. Eine psionische Ausstrahlung … Sie steht in Zusammenhang mit dem Thoregon, das ESTARTU in Segafrendo geschaffen hat.

Dies könnte eine unverhoffte Chance bedeuten! Rauten. Das fremde Schiff wird sich zweifellos auf unsere Seite stellen, falls es uns gelingt, es rechtzeitig nach Auroch-Maxo-55 zu locken. Es muss die fremde Walze für uns vernichten!

Paumyr zögerte. Die suggestiven und telepathischen Kräfte der neunzehn Inzaila reichten nicht weit genug, sich auf direkte Weise bemerkbar zu machen. Die Hantel war zwar ein wenig näher gekommen, kreuzte aber noch immer im Randbereich der Dunkelwolke.

Vielleicht gab es aber doch eine Möglichkeit …

Ich bin die älteste und stärkste der Inzaila, teilte Paumyr ihren achtzehn Artgenossen mit. Ich werde versuchen, zum frühestmöglichen Zeitpunkt einen Boten in die Hantel zu schicken …

1.

Die Botin

Neun Stunden, dachte ich. Die verbleibende Frist beträgt gerade noch neun Stunden.

Neun Stunden, um einen Kym-Jorier von Auroch-Maxo-55 zu bergen. So lautete der Auftrag von ES.

Und sollte es ihnen nicht gelingen …

Der Logiksektor wiederholte die Worte, die mein gesamtes Handeln bestimmten, seit die SOL in der NACHT materialisiert war.

»Sollte es euch nicht gelingen, die im Kokon enthaltenen Anweisungen im Zielgebiet Segafrendo umzusetzen, wird dies das unwiderrufliche Ende der Menschheit und der Koalition Thoregon zur Folge haben.« Eine kurze Pause. Dann: Und jetzt reiß dich endlich zusammen und befasse dich mit der aktuellen Entwicklung!

Die aktuelle Entwicklung war einsfünfundsiebzig groß, schlank, wohlproportioniert und dunkelhäutig. Das dunkelbraune Haar trug sie zu seitlichen Knoten geflochten, die mich unwillkürlich an Widderhörner erinnerten. Sie trug eine bodenlange, silbrige Robe mit weitfallenden Raglanärmeln.

Sie war vor wenigen Sekunden nach einem ersten, gescheiterten Versuch bislang dauerhaft in der Zentrale der SOL manifestiert.

»Ich wurde als Bote geschickt!«

Andere Worte waren bislang noch nicht über die Lippen des kleinen Mundes gekommen, der allerdings nicht ihr ausdrucksvolles Gesicht beherrschte, genauso wenig wie die zierliche Nase. Diese Ehre gebührte eindeutig den rauchblauen Augen, die mich im einen Moment an einen Bergsee erinnerten, im nächsten wieder an den Pazifik der Erde, so tief und unergründlich waren sie.

Sentimentaler Narr! Der Lästersektor. Irgendein Scherzbold mit einem seltsamen Sinn für Humor hatte diesen Begriff geprägt, und er war hängengeblieben. Ich war nicht übel geneigt, das betreffende Besatzungsmitglied der SOL zum Chefbibliothekar zu befördern und sämtliche Bibliotheksdateien einzeln abstauben zu lassen. An wen genau erinnert sie dich?

Darum geht es nicht! Ihre Augen bergen ein Geheimnis. Sie weiß etwas, das wir uns nicht einmal vorstellen können. Etwas über Leben und Tod, Schein und Wirklichkeit. Außerdem ist sie ein Rautak!

Unmöglich! Wenn schon, eine Rautak. Das ist dir doch nicht entgangen, oder?

Ich lachte leise auf, so leise, dass niemand sonst es hören konnte, weder Tek noch Tangens der Falke, Fee Kellind oder Myles Kantor. Lene Jeffer und Viena Zakata waren zu konzentriert mit ihren jeweiligen Tätigkeiten beschäftigt, um auf mich zu achten, der Emotionaut Roman Muel-Chen sowieso.

Außerdem geht aus allen uns vorliegenden Daten eindeutig hervor, dass keine Rautak mehr existieren. Das Volk ist untergegangen. Die Rautak, die nicht auf ihren Planeten gestorben sind, wurden in dem Generationenschiff getötet, das wir entdeckt haben. Sie waren die Letzten ihres Volkes.

Ich weiß. Aber ich sage dir, das ist ein Rautak. Eine Rautak, in dieser Hinsicht hast du recht.

Aber nicht nur in dieser. Die … Erscheinung faszinierte mich. Die Frau, die dort vor uns stand, hätte eigentlich vor Leben strotzen müssen. Sie war hübsch, umwerfend attraktiv und gut gebaut. Sie hätte sich ihrer Körperlichkeit völlig bewusst sein müssen. Sie war athletisch, konnte bestimmt zupacken und schien sinnlichen Genüssen keineswegs abgeneigt zu sein.

Aber irgendwie erweckte sie den Eindruck, als sei das alles nur noch Vergangenheit. Als habe sie ihr Leben verloren, ihre Kraft, all das, was sie einmal ausgezeichnet hatte. Nun kam sie mir vor wie ein Abziehbild ihrer selbst, wie eine leere Hülle. Wo früher derbe Prallheit oder auch empfindsame Feinfühligkeit ihr Dasein bestimmt hatten, waren jetzt nur noch Schatten einer Erinnerung vorhanden, die sich überdies rapide aufzulösen schienen.

Genau, wie Lotho Keraete einmal ein Mensch gewesen und nun etwas anderes war. Aber wenn der Bote von ES bei diesem Prozess irgendetwas verloren und etwas anderes gewonnen haben mochte, hatte die Erscheinung, die vor mir stand, lediglich alles verloren.

Ich hätte diese Botin gern einmal zu ihrer Glanzzeit kennengelernt. Jetzt stand nur noch eine lebende Tote vor mir, ein Körper, dem man sein Wesen, sein Ich genommen hatte.

Die Gestalt hatte noch immer geradezu beschwörend die Arme gehoben und streckte mir die Hände mit den offenen Flächen voran entgegen.

»Ich wurde als Bote geschickt.«

Erneut die Wiederholung dieser Worte. Noch immer die Verwirrung und Panik auf dem attraktiven Gesicht. Auf meine Fragen hatte die Erscheinung nicht geantwortet, ihre Körperhaltung hatte sich nicht verändert. Ich hätte einer Statue gegenüberstehen können.

Aufgrund der aus dem Wrack des Generationenschiffs geborgenen Daten verfügte die Bordpositronik über genügend Informationen, um die Worte der Erscheinung zu übersetzen. Ich konnte also davon ausgehen, dass bereits genug Begriffe entschlüsselt waren, um ein vernünftiges Gespräch zu führen.

Entschlossen trat ich einen Schritt näher an das Wesen heran, sah ihm in die rauchblauen Augen und versank darin, obwohl sie früher viel ausdrucksstärker, viel lebensvoller gewesen sein mussten.

Ich räusperte mich. »Mein Name ist Atlan«, sagte ich. »Ich bin der Befehlshaber dieses Expeditionsschiffs und begrüße dich an Bord. Wir hegen keinerlei feindselige Absichten. Würdest du uns bitte erklären, wie du hierhergekommen bist und was du von uns willst? Und wer dich als Botin geschickt hat?«

Zuerst bewegte sich die Erscheinung gar nicht, dann riss sie weit die Augen auf, als hätte ich ihr alle Geheimnisse des Universums enthüllt. Langsam, ganz langsam, ließ sie die Arme sinken. In ihren rauchblauen Augen wirbelten Schleier, lösten sich auf, verdichteten sich wieder, fügten sich zu etwas Neuem zusammen, was aber nicht weniger unergründlich und geheimnisvoll war.

»Ich bin Jamaske«, übersetzte der Translator – oder besser gesagt SENECAS Programm – ihre Worte. »Ich bin als Bote der Inzaila Paumyr zu den Fremden geschickt worden.«

Die Fremden waren offensichtlich wir. Aber wer war die Inzaila Paumyr?

Genau das fragte ich sie. »Wer ist das?«

Aus den Augenwinkeln sah ich, dass die anderen uns gespannt beobachteten.

»Paumyr ist meine Insel, die älteste und weiseste der Inzaila«, kam eine Antwort, wie ich sie erwartet hatte. Eine, die durchaus imstande war, mich in den Wahnsinn zu treiben.

Narr! Da war sie wieder, die typische Schelte des Extrasinns. Denk doch nach!

Natürlich. Den Dateien zufolge, die die Dookies an Bord des zerstörten Generationenschiffes geborgen hatten, waren nach den Veränderungen innerhalb der Dunkelwolke nach kürzester Zeit auf Auroch-Maxo-55 vollkommen fremde Lebensformen aufgetreten. Pflanzliches Leben in Form seltsamer schwimmender Inseln von beachtlicher Größe.

Nicht die Rautak hatten dieses Leben gesät. Sie gingen vielmehr davon aus, dass diese Pflanzen in unbekannter Weise im Zug der Entwicklung der Wolke aus dem Schmetterling und Koridecc oder aus der Wolke Sorrmo entstanden waren.