Perry Rhodan 2212: Menschheit im Aufbruch - Hubert Haensel - E-Book

Perry Rhodan 2212: Menschheit im Aufbruch E-Book

Hubert Haensel

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Beschreibung

Facetten einer Krise - die Terraner müssen sich durchschlagen Die Situation zwischen den Sternen der Milchstraße ist im September 1331 Neuer Galaktischer Zeit äußerst angespannt. Während Hyperstürme die interstellare Raumfahrt zu einer höchst riskanten Angelegenheit machen, spitzt sich die politische Lage zu. Das Kristallimperium der Arkoniden und die Liga Freier Terraner stehen sich schwer bewaffnet gegenüber. Zum wiederholten Mal scheint ein interstellarer Krieg zu drohen. Zankapfel ist der Hayok-Sternenarchipel - und in dessen direkter Nähe taucht in diesen Tagen ein Kugelsternhaufen buchstäblich aus dem Nichts auf. Perry Rhodan ahnt, dass dies alles nur der Anfang für ein größeres Geschehen ist. Gemeinsam mit seinem alten Freund Atlan, dem uralten Arkoniden, bricht der Terraner in den Sternenozean von Jamondi auf. Doch der Kontakt geht verloren, die Männer sind vorerst verschollen. Die Veränderungen des Kosmos gehen währenddessen weiter. Sie treffen auf Planeten, deren Bevölkerung meist nicht mit den neuen Bedingungen gerechnet haben. Aber auf der Erde wird aus dem Schock eine MENSCHHEIT IM AUFBRUCH...

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Veröffentlichungsjahr: 2014

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Nr. 2212

Menschheit im Aufbruch

Facetten einer Krise – die Terraner müssen sich durchschlagen

Hubert Haensel

Die Situation zwischen den Sternen der Milchstraße ist im September 1331 Neuer Galaktischer Zeit äußerst angespannt. Während Hyperstürme die interstellare Raumfahrt zu einer höchst riskanten Angelegenheit machen, spitzt sich die politische Lage zu.

Das Kristallimperium der Arkoniden und die Liga Freier Terraner stehen sich schwer bewaffnet gegenüber. Zum wiederholten Mal scheint ein interstellarer Krieg zu drohen. Zankapfel ist der Hayok-Sternenarchipel – und in dessen direkter Nähe taucht in diesen Tagen ein Kugelsternhaufen buchstäblich aus dem Nichts auf.

Perry Rhodan ahnt, dass dies alles nur der Anfang für ein größeres Geschehen ist. Gemeinsam mit seinem alten Freund Atlan, dem uralten Arkoniden, bricht der Terraner in den Sternenozean von Jamondi auf. Doch der Kontakt geht verloren, die Männer sind vorerst verschollen.

Die Veränderungen des Kosmos gehen währenddessen weiter. Sie treffen auf Planeten, deren Bevölkerung meist nicht mit den neuen Bedingungen gerechnet hat. Aber auf der Erde wird aus dem Schock eine MENSCHHEIT IM AUFBRUCH ...

Die Hauptpersonen des Romans

Homer G. Adams – In Zeiten der Not kehrt das Wirtschaftsgenie auf seinen Heimatplaneten zurück.

Solk Othaft – Der Transmittertechniker sucht in Terrania City nach neuen Aufgaben.

Julian Tifflor – Der Aktivatorträger leitet auf der Erde zahlreiche Aufbaukommandos an.

Noviel Residor

1.

Zu spät! Obwohl ihn dieser Gedanke quälte, weigerte sich Al Kammerer, die Wahrheit zu akzeptieren. Ungläubig starrte er die schnell wechselnden Zahlenkolonnen an.

Das ist unmöglich! Verlier jetzt nicht die Nerven! Er knetete seine Finger. Ein Fehler im Börsenprogramm ... Über seine Lippen quoll ein heiseres Ächzen. Der Beginn des Börsenhandels auf Olymp hatte vor wenigen Minuten die Wende gebracht. Die Schlussnotierung in Terrania lautete auf 3911 Galax – und das war lächerliche 64 Minuten her. Die aktuelle Anzeige lag bei 807 Galax.

»Das Limit für den Verkaufsauftrag wurde zu hoch angesetzt«, sagte eine fein modulierte Stimme. »Dieser Vorgang wird nicht akzeptiert, eine neue Eingabe ist erforderlich.«

Al Kammerers Augen quollen schier aus ihren Höhlen. Er wollte nicht glauben, was ihm das Holo zeigte: 780 Galax ... Im nächsten Moment nur noch 765. Jeder Atemzug kostete ihn ein kleines Vermögen. Aber in wenigen Sekunden musste die Anzeige die Richtung ändern.

755 Galax. Weiter fallend.

Immer noch zögerte Kammerer. Etliche Informationsdienste hatten die FEBA in den letzten Monaten als todsicheren Tipp gehandelt. »First Energy ...«, murmelte er, als könne er damit den Kurssturz an der Intergalaktischen Börse von Olymp aufhalten. Er sprach den Analysen Hohn. Viele Anleger sahen die schwelende Krise mit Arkon als positiv für die Ausrüstungsindustrie; der Bau von Hypertrops und Speicherbänken galt als Goldgrube schlechthin. Energie wurde im Kriegsfall mehr denn je benötigt.

Mit einer fahrigen Handbewegung wischte Kammerer den Schweiß von der Stirn. Er bebte innerlich.

Nur noch 718 Galax. Störungen verzerrten das Hologramm. Al blinzelte nervös. »Verkaufen!«, wollte er sagen, brachte aber nur ein heiseres Ächzen hervor. Vielleicht war es auch besser so. Nicht um diesen Preis, der ihm einen schmerzhaften Verlust beschert hätte. Die Marke von 700 würde den Kursverfall aufhalten.

Die Störungen wurden schlimmer, etwas stimmte mit der Übertragung von Olymp nicht. Al verkrallte die Finger im Hemd und hielt den Atem an. Er triumphierte, als die Notierung endlich wieder in die Höhe schoss. 720 Galax ... 724 ... 731 ... 750 ... Na also! Nicht verrückt machen lassen! Sein Blick schweifte ab. Über Terrania City brodelte das beginnende Nachtleben. Die Wetterkontrolle hatte leichten Sprühregen angemeldet, die Wolkenbänke spiegelten das grellbunte Licht der Werbeholos.

»Das Zeitlimit der Sicherheitskennung wird überschritten.« Die Stimme holte Al in die kalte Wirklichkeit zurück. »Falls ein Auftrag ausgeführt werden soll, ist eine erneute Eingabe der sicherheitsrelevanten persönlichen Daten erforderlich.«

Al Kammerer hörte nicht mehr hin. Seine Augen weiteten sich in ungläubigem Entsetzen. Von mittlerweile heftigen Störungen verwischt, fiel die Kursanzeige wieder rapide ab. Nur noch 575 Galax – das lag weit unter dem Zehn-Jahres-Minimum.

540 Galax ...

Panik stieg in ihm auf. In diesem Moment zerstoben seine Träume. Dennoch zögerte Al. Aber das war nicht mehr als ein letztes Balancieren auf dem messerscharf gewordenen Grat zwischen Reichtum und Ruin.

»Verkaufen!«, keuchte er, als die Anzeige unter die 500er-Markierung fiel. »Limit vierhundert!« Doch die Automatik hatte seine Verfügungsberechtigung schon ausgeblendet. Die Übertragung brach ohnehin in einem grellen Funkenregen ab. »Die Verbindung wieder aufbauen! Schnell!«

»Zur Zeit ist kein neuer Hyperfunkkontakt möglich«, meldete der Zimmerservo.

»Ich brauche die Börse von Olymp, bevor ich meinen letzten Galax verliere!«

»Du hast mich falsch verstanden, Alex. Olymp ist auf überlichtschneller Basis vorübergehend nicht erreichbar.«

Kammerers Gesicht verzerrte sich zur Grimasse, er kämpfte mühsam um seine Fassung. Die Vorstellung, welche Kapriolen der FEBA-Kurs innerhalb Minutenfrist schlagen konnte, ließ ihn zittern. Er hatte sein gesamtes Vermögen investiert.

»Ich brauche die Verbindung!«, brachte er hervor. »Damit ich wenigstens ein paar Galax retten kann.«

Er stand nun dicht vor dem Fenster und blickte beinahe 300 Meter weit in die Tiefe. Mit beiden Händen stemmte er sich gegen die Verglasung – und für einen Augenblick glaubte er, einen unheimlichen Sog zu spüren, der ihn in die Tiefe zerren wollte. Er schloss die Augen und gab sich dem Gefühl hin, in wenigen Sekunden keine Sorgen mehr zu haben.

Als er dann verwirrt blinzelte, erschien ihm Terrania dunkler als zuvor. Der Himmel ließ sogar einige wenige Sterne erkennen. Kaum noch ein Werbeholo trieb zwischen den Häusern dahin.

»Die Verbindung nach Olymp stabilisiert sich!«, meldete der Servo.

»Die Börse?« Al Kammerer erschrak über den heiseren Klang der eigenen Stimme.

»Kurseinbrüche auf breiter Front.«

»Das will ich nicht hören!«

»FEBA haben sich stabilisiert.«

»Wenigstens das.« Sein Aufschnaufen glich dem eines Ertrinkenden, dem jemand in letzter Sekunde einen dicken Ast entgegenstreckte. Alles würde sich in Wohlgefallen auflösen.

»Welcher Kurs?«

»Achtfünfzig!«

»Acht...?« Ein irres Lachen schüttelte ihn. Er wiederholte die lächerliche Zahl. Das war nur ein Bruchteil dessen, was allein schon an Immobilienbesitz hinter dem Wert stand.

»Brandheiße Informationen besagen, dass Hyperenergien nicht mehr in beliebigem Ausmaß gezapft und gespeichert werden können«, fuhr der Zimmerservo fort. »Alle bisherigen Vermutungen und Gerüchte bestätigen sich. In Finanzkreisen wird von einem Erdbeben schlimmsten Ausmaßes gesprochen. Soll ich Details ...?«

»Ich will das nicht hören!« Al Kammerer spürte, wie das Blut in seinen Adern versackte. Unter seiner Schädeldecke dröhnte eine Flotte startender Raumschiffe. Er hatte sein mühsam angespartes Kapital verloren. »Puff, weg!« Er lachte schrill.

Und das nur, weil die kosmischen Mächte eine physikalische Konstante veränderten. Perry Rhodan hatte schon lange davor gewarnt, aber nichts war geschehen. Nur in der Vorahnung einer schärferen Auseinandersetzung mit Arkon und deshalb weiter steigender Kurse hatte er diese verfluchten Papiere gekauft. Al ließ sich in den nächsten Sessel fallen. Blicklos starrte er vor sich hin.

Irgendwann bemerkte er die fast leere Flasche Vurguzz auf dem kleinen Tischchen und griff entschlossen zu. Obwohl er Alkohol, noch dazu von der harten Sorte, höchst selten trank.

»Du verstehst mich, Solk, nicht wahr?« Wie Feuer tobte der Vurguzz durch seine Kehle. Nach Luft ringend, verschüttete Kammerer das meiste von dem grünen Rachenputzer.

Solk Othaft, mit dem er sich die Wohnung teilte, hatte immer und für alles Verständnis. »Das hast du doch, oder?« Al hielt den Kopf schräg und lauschte.

Niemand antwortete ihm.

Der Vurguzz hatte die Panik leidlich vertrieben. Al Kammerer richtete sich schwankend auf. Er suchte eine zweite Flasche, die irgendwo stehen musste.

Minuten später starrte er ins Nichts und trank hastig. Immer noch darauf zu hoffen, dass sich der Kurs wieder erholte, erschien ihm nun so unglaublich wie zuvor die Befürchtung einer Fehlspekulation. Mühsam hob er den Kopf. »Neue Nachrichten?«, brachte er stockend hervor.

Was der Servo antwortete, blieb ihm unverständlich.

»Das Holo ... hierher, zu mir!«

Kein neuer Chart baute sich auf. Al schüttelte sich. Tief in ihm wuchs das bedrohliche Gefühl, dass bald nichts mehr so sein würde, wie es einmal gewesen war. Seine Rechte verkrampfte sich um den Flaschenhals.

»Ich will ... die Börse von Olymp!« Sein Zungenschlag war schwer geworden. »Oder ... irgendeine ...«

Der Servo reagierte nicht. Al Kammerer fluchte. Augenblicke später lehnte er an der Panoramaverglasung und starrte aus weit aufgerissenen Augen über die Hauptstadt hinweg. Vergeblich suchte er nach dem blauen Widerschein der Solaren Residenz. Das Wahrzeichen von Terrania war verschwunden.

Die Stirn ans Glas gepresst, überlegte er, wie Perry Rhodan die bevorstehende Veränderung genannt hatte. Irgendwas mit Hyper... In den Straßenschluchten schwebten kaum noch Gleiter, die sonst hell erleuchteten Fußgängerbrücken und energetischen Transportbänder waren weitgehend erloschen. Nur hie und da zeigte sich ein fahles Flackern.

Die Furcht sprang ihn an. Kammerer zog den Kopf zwischen die Schultern, als müsse er einer unsichtbaren Bedrohung ausweichen. Im selben Moment durchbrach ein überlautes Klirren die Stille; die Vurguzzflasche war ihm aus den Fingern gerutscht und zerbrochen.

»Scheißhyperinkontinenz ...« Sekundenlang versuchte er, die düstere Skyline und die Scherben gleichzeitig zu fixieren, dann ließ er sich an der Scheibe entlang auf die Knie sinken und sammelte die Splitter auf. Den stechenden Schmerz am Handgelenk ignorierte er. Erst als sich die grüne Vurguzzlache rot färbte, registrierte er die tiefe Schnittwunde. Aus einer Ader quoll Blut.

Er drehte den Arm sogar noch so, dass er zuschauen konnte. Vielleicht war das die Lösung seiner Probleme. Er hatte sich den Tod immer schmerzhaft vorgestellt – aber gar nichts zu spüren, das machte es verlockend. Der Alkohol nahm ihm den Schmerz ...

Er spürte, dass ihm die Sinne schwanden – ein Prickeln in seinem Schädel breitete sich über den ganzen Körper aus –, und hasste sich für sein Zögern.

Ich gebe nicht auf! Mit letzter Kraft packte er zu. Der Daumen der unverletzten Hand grub sich über der Wunde ins Fleisch. Der Blutstrom versiegte nicht sofort, aber schließlich tropfte es nur noch von seinem Handgelenk.

Sein Herzschlag raste. Alles um ihn herum drehte sich in einem rasenden Wirbel. »Servo«, keuchte Al, »hilf mir!«

Er kippte zur Seite. Klebrige Nässe war überall. Al Kammerer glaubte noch, Schritte zu hören, dann schwanden ihm endgültig die Sinne.

*

»Es geht nicht mehr aufwärts!« William Craighs Blick sprang von einer Seite zur anderen. Er schaffte es nicht, sich auf eines der fernen Gebäude zu konzentrieren. Dann aber streckte er die Arme aus und atmete erleichtert auf, als seine Hände über den unsichtbaren Widerstand tasteten. »Wenigstens ist die Kapsel noch stabil.« Seine Stimme bebte.

»Bist du krank?«, fragte Jonathan Apho.

Craigh schwieg. Sein Unbehagen wuchs. Nie hatte er die Liftkapsel aus transparenter Formenergie als ungewöhnlich empfunden – jetzt glaubte er, ersticken zu müssen. Es war, als hätte sich eine unsagbar schwere Last auf seinen Brustkorb gelegt.

»Ich informiere die Medostation«, sagte Apho.

Im ersten Moment wollte Craigh heftig widersprechen, doch er schwieg und taxierte lediglich seine Fußspitzen. Mindestens achthundert Meter unter ihm lag der künstliche See. Einige Menschen oder Roboter im Schein der Uferbeleuchtung erschienen ihm winzig klein wie Ameisen.

»Die Kapsel steht still.« Vorübergehend schaffte es Craigh, die Augen zu schließen und seine Benommenheit abzustreifen. Er dachte an den Frachter, den er im Orbit inspiziert hatte und dessen Besatzung auf Landeerlaubnis wartete. Nie hatte er ein ähnlich heruntergekommenes Schiff gesehen – in diesen Minuten erging an den Kommandanten die Order, Luna anzufliegen.

»Du siehst Gespenster«, widersprach Apho. »In wenigen Sekunden werden wir andocken.«

Ein neuer Blick in die Tiefe. Der See im Zentrum des Residenzparks, die weitläufigen Grünanlagen und die angrenzenden Bauten schrumpften nicht weiter. Aber die gewaltige, blau schimmernde Stahlorchidee über der Kapsel war merklich größer geworden. Craigh wusste, dass sein Freund Recht hatte. Spätestens in dreißig Sekunden würde der Lift an der Mittelsäule der Solaren Residenz andocken. Andererseits ... Benommen schüttelte er den Kopf und blickte aus zusammengekniffenen Augen in die Tiefe. Es war unmöglich, dass der See und der Park nicht weiter zurückfielen, die Liftkapsel sich aber dennoch der Residenz näherte.

Es sei denn, William Craigh schluckte krampfhaft, es sei denn, die Stahlorchidee sinkt ihrerseits tiefer.

Jon schaute nach oben und redete auf das verwaschene Holo ein, das über seinem Handrücken entstanden war. Er zuckte mit den Achseln. »Ich bekomme keine Verbindung zur Medostation. Irgendetwas stört.«

Die Kapsel schwebte beinahe schon auf Tuchfühlung neben der dicker werdenden Mittelsäule des Regierungsgebäudes. Von unten gesehen wirkten die fünf Seitenflügel wie weit geöffnete Blütenblätter. Einen Kilometer hoch hing die Stahlorchidee über Terrania City, ihre obersten Etagen lagen noch einmal tausend Meter höher.

Wir sind zu nahe!, registrierte Craigh.

Mit schrillem Kreischen schrammte die Liftkapsel an dem Bauwerk entlang. Grelle Entladungen zuckten durch die Schwärze der Nacht, zugleich setzten die Absorber aus. Eine Titanenfaust fegte Craigh von den Beinen, er riss instinktiv die Arme hoch und versuchte, den Aufprall abzufangen ...

... falls die Kapselhülle sich nicht verflüchtigte.

Da war ein milchiger Schleier: Auflösungserscheinungen der Formenergie trotz integrierter Stabilisatoren! Aber schon schlug Craigh auf; ein stechender Schmerz raste sein Rückgrat entlang. Im nächsten Moment stand die Welt Kopf.

William Craigh wurde wie eine Puppe herumgewirbelt. Er hatte keine Chance, in den deutlicher werdenden Nebelschwaden Halt zu finden. Jon und er würden sterben, das war das Einzige, was ihm noch durch den Sinn schoss. Die Technik versagte, die Liftkapsel war an der Stahlorchidee abgeprallt, und einen Sturz aus tausend Metern Höhe überlebte niemand.

»Will...!« Der gellende Aufschrei zwang ihn, sich herumzuwälzen. Nur eine Armlänge vor ihm lag Jon. Es mutete makaber an, wie sich seine Finger in etwas Unsichtbarem festzukrallen schienen, das unter den Händen wie hauchdünner Nebel aufwogte. Trotzdem rutschte er langsam ab.

Im letzten Moment packte Craigh zu. Er bekam ein Handgelenk des Kollegen zu fassen und umklammerte es mit aller Kraft. Jonathan Apho keuchte. Sie überschlugen sich mitsamt den Resten der Liftkapsel, das war nun deutlich zu spüren. Und über ihnen schob sich ein blaues Lodern heran.

Im selben Sekundenbruchteil wurde Craigh zur Seite gefegt. Er schrammte über eine hell erleuchtete glatte Fläche, wurde zurückgeschleudert und sah plötzlich über sich die bleiche Sichel des Mondes.

Jons Handgelenk hielt er nicht mehr umklammert, er stürzte selbst haltlos in die Tiefe und würde im Park zerschmettern. Panik empfand er nicht, nur eine unendliche Leere; der Tod kam mehr als hundert Jahre zu früh.

Stürzte die Solare Residenz ab? Aus den Augenwinkeln heraus sah Craigh die Mittelsäule schon dicht über dem See. Zweihundert Meter war das Wasser tief, ein monströses Futteral, das der Residenz im Katastrophenfall als Stütze dienen sollte. Aber hieß es nicht, dass selbst bei vollständigem Energieausfall Notaggregate die Stahlorchidee innerhalb von zehn Minuten zu Boden schweben ließen? Nur ein Bruchteil dieser zehn Minuten konnte verstrichen sein. Hoch spritzte das noch nicht abgepumpte Seewasser auf, als die Residenz eintauchte – eine Flutwelle, die weite Grünflächen überschwemmte.

Craigh stürzte zwischen zwei Seitenflügeln hindurch. Ihn entsetzte, wie klar er sein eigenes Ende analysierte. Ihm blieben noch einige lächerliche Sekunden, aber er schaffte es nicht mehr, die Augen zu schließen. Gleichzeitig schrie er sich schier die Seele aus dem Leib.

Endlich begriff er, dass er nicht weiter stürzte. Etwas hatte ihn unmerklich aufgefangen und zog ihn auf den Schaft der Residenz zu. Es musste ein Traktorstrahl sein.

Vor ihm öffnete sich eine Schleuse. Von da an hafteten nur noch Erinnerungsfetzen in William Craighs Gedächtnis. Helligkeit schlug über ihm zusammen ... Zitternd rollte er sich auf dem kahlen Boden zusammen ... Gesichter über ihm, Stimmen, die er nicht verstand ... der leichte Druck einer Injektion. Dann nur noch wohlige Wärme und das Gefühl von Geborgenheit.

*

Es regnete weit heftiger, als die Wetterkontrolle angemeldet hatte. Solk Othaft zog den Kragen enger und raffte den Stoff um den Magnetsaum mit einer Hand zusammen. Er lief schneller. Trotz der Wasser abweisenden Kleidung fühlte er sich klamm. Der Regen lief ihm schon die ganze Zeit vom Haar in den Nacken.

Nach einer anstrengenden Doppelschicht am zentralen Frachttransmitter hatte er nur noch den Wunsch, so schnell wie möglich Ruhe zu finden. Eine früher nie gekannte Hektik hatte den Tag bestimmt. Probleme tauchten plötzlich sogar in Bereichen auf, über die bis vor kurzem niemand auch nur ein Wort verloren hatte.

Tausende strömten wie er zur Röhrenbahn. Tag und Nacht pulsierte der Verkehr durch die Metropole – wie das Blut in den Adern eines lebenden Organismus. Solk fragte sich, warum er ausgerechnet diesen Vergleich zog.

»Schläfst du?« Das klang gereizt. Ein Mann drängte sich neben ihm nach vorne.

Nur für einen Augenblick hatte Solk nicht auf die Passage geachtet, nun schritt er schneller aus. Er fand einen Fensterplatz und blickte stumm nach draußen. Die Nacht über Terrania ließ schon lange nicht mehr ahnen, dass es da draußen mehr gab als grellbunte Holos und die Lichterketten der Fensterfronten.

Heftig klatschte der Regen gegen den Rumpf. In den Schlieren spiegelten sich Gesichter – und eines davon schaute ihn unverwandt an.

Solk Othaft lächelte, als er sich zur Seite wandte. Die Frau ihm gegenüber taxierte ihn. Sie hatte grüne, leicht schräg stehende Augen, hoch angesetzte Wangenknochen und sinnlich volle Lippen. Kaskadenförmig fiel ihr blau schimmerndes Haar bis auf die Schultern. Und sie trug eine dieser sinnverwirrenden modischen Langblusen, die in engem Faltenwurf bis zur Mitte der Oberschenkel fielen. Ein eingewebter Zufallsgenerator erzeugte in stetem Wechsel transparente Ausschnitte.