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Sie suchen die Taphero - und TIMBADOR ist ihr Anker In letzter Minute schaffte Perry Rhodan mit seinen Begleitern die Flucht aus dem Sternenozean von Jamondi in den Arphonie-Sternhaufen. Diese Ansammlung von Sonnen und Planeten, nach wie vor wie seit Jahrmillionen in einen so genannten Hyperkokon gehüllt, wird von Tagg Kharzani beherrscht. Ihm gegenüber stehen die schwachen Truppen der Schutzherrin Carya Andaxi. Der Bionische Kreuzer SCHWERT und seine Besatzung konnten den Angriffen der Kybb entkommen. Und in den wehrhaften Shoziden fanden die Flüchtlinge aus Jamondi wertvolle Verbündete gegen die Streitmacht des Feindes. Doch dann geschieht das Unfassbare: Ein Bewohner des verborgenen Planeten Graugischt, auf dem die Schutzherrin sich seit Jahrtausenden versteckt, begeht Verrat. Er will die große Schlacht verhindern und beschwört damit den möglichen Untergang für sein Volk herauf. Davon wissen manche Wesen allerdings überhaupt nichts. Ihr Refugium ist seit vielen Jahren die STATION IM HYPERRAUM...
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Seitenzahl: 143
Veröffentlichungsjahr: 2014
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Nr. 2271
Station im Hyperraum
Sie suchen die Taphero – und TIMBADOR ist ihr Anker
Uwe Anton
In letzter Minute schaffte Perry Rhodan mit seinen Begleitern die Flucht aus dem Sternenozean von Jamondi in den Arphonie-Sternhaufen. Diese Ansammlung von Sonnen und Planeten, nach wie vor wie seit Jahrmillionen in einen so genannten Hyperkokon gehüllt, wird von Tagg Kharzani beherrscht. Ihm gegenüber stehen die schwachen Truppen der Schutzherrin Carya Andaxi.
Der Bionische Kreuzer SCHWERT und seine Besatzung konnten den Angriffen der Kybb entkommen. Und in den wehrhaften Shoziden fanden die Flüchtlinge aus Jamondi wertvolle Verbündete gegen die Streitmacht des Feindes.
Doch dann geschieht das Unfassbare: Ein Bewohner des verborgenen Planeten Graugischt, auf dem die Schutzherrin sich seit Jahrtausenden versteckt, begeht Verrat. Er will die große Schlacht verhindern und beschwört damit den möglichen Untergang für sein Volk herauf.
Davon wissen manche Wesen allerdings überhaupt nichts. Ihr Refugium ist seit vielen Jahren die STATION IM HYPERRAUM ...
Vron'dakel – Der Einzelgänger sucht Götter und findet schreckliche Wahrheiten.
Rendri – Die Raskari sucht ihre Schwestern und entdeckt die wahre Welt.
Issart – Der Rebell sucht Verbündete.
Xirina – Die Xipatio klammert sich an die Macht.
Ishkeyda
Unterschiedliche Ansichten
»Sinda ist verschwunden? Wie Miska vor acht Zyklen?« Unbewusst blähte ich meinen Kehlsack auf.
In Rendris dunklen Augen schimmerte es feucht. »Ja. Wir vermissen sie seit dem gemeinsamen Harratsch. Es ist nicht ihre Art, einfach zu gehen, ohne den Borresch zu informieren.«
»Und ihr seid ganz sicher, dass sie nicht freiwillig ...?«
Energisch schüttelte meine Freundin den Kopf. »Nein, nicht Sinda!«
Ich schob die Nickhaut über meine lidlosen Augen. So konnte ich am besten nachdenken. Warum waren innerhalb weniger Zyklen zwei Raskaren aus Rendris Familie verschwunden? Sie waren harmlose Zeitgenossen, zu allen freundlich und hilfsbereit. Mit ihnen hatte ich schon in manchem Nachtzyklus viel Spaß gehabt. Was war mit ihnen geschehen?
»Es ist furchtbar«, zirpte Rendri. »Ihre Eier werden erfrieren. Niemand hat Zeit, sie zu hüten. Fast alle haben ihre Höhlen voll. Und ... sie ist meine Schwester! Die letzte, die mir aus dem Gelege geblieben ist ...«
Wie ich befürchtet hatte, legten sich Schleier über ihre großen, runden Augen. Dieser Anblick brachte mich jedes Mal aus der Fassung. Sie war eine auffallend hübsche Erscheinung. Ihr insektoider Körper funkelte in vielen Farben, die beiden Armpaare waren mit feinen, seidigen Haaren bewachsen und endeten in dreifingrigen Händen. Am besten aber gefielen mir ihre großen, runden Augen. In ihnen konnte ich mich spiegeln, meinen ovalen Kopf mit den Riechlöchern erkennen.
Ich versuchte, sie zu trösten. »Ich werde mir etwas einfallen lassen. Du weißt doch, ich helfe euch, wo ich kann.«
Sie nickte. Ihr Chitinkörper vibrierte leicht. »Du bist unser Freund, Vron'dakel. Wie sollen wir dir danken?« Mit beiden Armpaaren vollführte sie die rituelle Geste der Anerkennung.
»Noch habe ich gar nichts getan. Aber eine Einladung zu eurem Harratsch würde mir gefallen.« Allein der Gedanke an die Köstlichkeiten, die die Raskaren bei ihrem Gemeinschaftsmahl auftischten, ließ mir den Speichel zusammenlaufen.
»Du bist so bescheiden! Ich werde es dem Borresch mitteilen.« Ihre Erregung klang etwas ab, das Gesicht nahm wieder das gewohnte Braun an. Wie alle Raskaren unterlag sie schnellen emotionalen Schwankungen. Es war nicht immer leicht mit ihr.
»Ich muss jetzt meine Brut wärmen. In zwei Zyklen habe ich wieder mehr Zeit für dich, für uns.«
»Natürlich. Karsa mit dir!«
»Karsa mit dir!« Sie ging zu ihrer Höhle, um sich dem Nachwuchs zu widmen.
Nachdenklich sah ich sie im Eingang verschwinden. Ihr Volk hauste sozusagen unter unseren Füßen. Eigentlich waren die Raskaren dem Leben im Erdreich angepasst, doch die Struktur unserer gemeinsamen Heimat verlangte ihnen eine Anpassung an die Oberwelt ab. TIMBADOR war künstlich, bewohnt von Lebewesen aus allen Ecken und Enden Arphonies.
Hier gab es die Wasserstoff atmenden Houwen, die krötenähnlichen Besch're und viele kleine Splittergruppen. Wir waren Gestrandete in einer fremden Welt, und unsere Herkunft war zumeist rätselhaft und verschwommen.
Es gab viele Geschichten über die Ursprünge unserer Welt. Jede Spezies hatte ihre eigene Mythologie entwickelt oder mitgebracht. Doch eines war allen Sagen gemeinsam: In sämtlichen tauchten riesige Wesen auf, die sich ohne Mühe durch den Weltraum bewegen konnten.
Ich schob die Nickhaut wieder zurück.
Rendri hätte es mir nicht geglaubt, wie die meisten nicht nur ihres Volkes, aber ich glaubte, dass es solche Geschöpfe wirklich gab. Ihre mächtigen Leiber tauchten manchmal im Schwerefeld unserer Welt auf. Ich hatte mich schon einmal auf die Suche nach den Riesen gemacht, ohne auch nur in ihre Nähe zu kommen, und diesen Versuch fast mit dem Leben bezahlt.
Sie waren angeblich Göttern gleich, gewaltig und ewig. Manche Bewohner TIMBADORS, die von ihrer Existenz angeblich wussten, beteten sie sogar an, hielten sie für die unsterblichen Schöpfer unserer Welt.
Ich schüttelte mich. Mein Fall war das nicht.
Ich hatte Angst vor ihnen. Und das, obwohl ich nicht einmal genau wusste, ob es sie überhaupt gab.
*
Der Weg zu meiner Behausung führte mich am Viertel der Xipatio vorbei. Meine Riechzellen nahmen kurz eine Duftmarke wahr, dann war sie wieder verschwunden. Eine Raskari? Wohl kaum. Hier in dieser Gegend halten sie sich nicht gern auf. Was sollte sie hier gesucht haben?
»Was gibt es hier zu schnüffeln?«, riss mich eine hohe Stimme aus meinen Gedanken.
Ich drehte mich um, musste aber nach unten blicken, um den Xipatio zu mustern. »Wenn das nicht der verehrte Rixqa ist! Wünsche auch einen guten Zyklus.«
Der Xipatio starrte mich unverwandt an. »Wo du bist, verschwindet meist etwas. Geh deiner Wege und lass uns in Ruhe!« Er plusterte seine Körperbehaarung auf.
Rixqa reichte mir gerade bis an den Bauch. Um mich ernsthaft in Sorge zu versetzen, brauchte es etwas mehr als ein Fellknäuel mit wütend blitzenden Augen. Allerdings hatten die Xipatio ihre Möglichkeiten, und es war ganz und gar nicht ratsam, sich mit ihnen anzulegen.
Ich sah abfällig auf Rixqas runden Kopf hinab. »Die Raskaren vermissen eine Mitbewohnerin. Habt ihr sie vielleicht ...?«
Er prustete mich hämisch an. »Wir haben Besseres zu tun, als für die Raskaren die Hüter zu spielen. Und es gibt so viele davon ... da fällt es überhaupt nicht auf, wenn eine fehlt.«
Fast hätte ich meine Gutmütigkeit hinuntergeschluckt und ihn ordentlich gerupft. Dieser miese kleine Halsabschneider!
Jeder fragte sich – außer natürlich den Xipatio selbst! –, wie die Fellkugeln an ihren Wohlstand gekommen waren. Es war ein Mysterium der besonderen Größe; nicht einmal ich hatte bisher etwas darüber in Erfahrung bringen können.
Sie lebten in ihren Bunkern in einer selbst gewählten Isolation. Von einer meiner Wanderungen war mir bekannt, dass sie im fernen Ravastre, einer Enklave aus Beton und Stahl, einen Bereich geschaffen hatten, den niemand sonst betreten durfte. Nur für die Randbereiche heuerten sie jede Menge Arbeitskräfte an. Dorthin verschlug es auch manche Raskaren, allerdings in der Regel nur männliche.
Ich konnte die niedlich anzusehenden Xipatio nicht riechen. Sie waren schwer durchschaubar, und ihrem harmlosen Äußeren zum Trotz waren sie unausstehliche, stets mürrische Zeitgenossen. Ich traute ihnen jede Schlechtigkeit zu, wenn sie nur ihrem Wohl diente.
Ich riss mich zusammen. Vielleicht konnte er mir trotzdem helfen. »Ihre Brut braucht Wärme. Habt ihr vielleicht einen Wärmebereiter übrig?«
Rixqa plusterte sich so heftig auf, dass er zu platzen drohte. »Es reicht! Verschwinde, sonst hole ich die Isogher. Wird sowieso Zeit, dass du mal eine Abreibung bekommst.« Drohend hielt er den Arm mit dem Rufsensor hoch.
Ich wich zurück, spürte, wie ich auf etwas trat, was gerade noch nicht hinter mir gewesen war. Ein hoher Ton ließ mich zusammenschrecken. »Karsa im Nichts! Das wollte ich nicht!« Eine gallertartige Substanz quoll zwischen meinen Füßen. Sie wand sich noch einmal und lag dann still.
»Das ist doch nur ein Ytenbak! Die gibt es wie Traken in den Bäumen.«
Rixqa war wirklich ein äußerst liebenswerter Vertreter seiner Spezies.
Ich bückte mich und hob das orangefarbene Gelee auf. Ein warmes Pulsieren ließ mich hoffen. Es war noch teilungsfähig.
Der unverletzte Teil trennte sich vom zerstörten. Die Masse zuckte heftig, verfärbte sich rot und sickerte zwischen meinen Fingern zu Boden. Ich legte den halbierten Körper vorsichtig zurück. Sofort machte sich der überlebende Teil daran, die tote Körpermasse zu verzehren. Dann änderte er seine Form. Mehrere Tentakel wuchsen ihm, mit denen er überraschend schnell vorankam.
Der Ytenbak huschte in den angrenzenden Grüngürtel.
»Dann mache ich mich auch auf den Weg. Karsa mit dir!« Bevor der mürrische Xipatio etwas entgegnen konnte, war ich schon hinter einem Hügel verschwunden. Euch bringe ich noch bei, mit euren Mitgeschöpfen zu fühlen!, dachte ich mit hilfloser Wut.
Dass ich einen Raskaren gerochen hatte, konnte der Xipatio mir nicht ausreden. Dafür war mein Geruchsvermögen viel zu ausgeprägt. Ich erinnerte mich sogar noch an den ersten Geruch, der mir jemals in die Nase gestiegen war, würde ihn wohl nie vergessen können ...
Schon seit längerem nahm ich bei den Pelzkugeln ein merkwürdiges Verhalten wahr. Ihre Abneigung gegen jeden, der kein Plusterfell trug, konnte man in letzter Zeit schon als paranoid bezeichnen.
*
Als ich meine Behausung erreichte, nahm ich zuerst vorsichtig den Ytenbak von meiner Tür, die er gerade säuberte, und setzte ihn in einen Tarrstrauch. Sofort machte er sich daran, die verdorrten Blätter abzufressen.
Die Ytenbak waren seltsam. Über ihre Intelligenz war nichts bekannt; ich wusste nicht einmal, ob sie eine Sprache hatten. Ihre gallertartigen Körper waren in jeder Hinsicht anpassungsfähig. Überall stieß man auf sie; mich würde es nicht wundern, wenn sie sogar im Außenbereich unserer Welt vorkamen.
Ihre Anwesenheit war mit netten Begleiterscheinungen verbunden. Wo sie lebten, war es sauber. Nichts lag mehr herum. Sie reparierten und restaurierten sogar alle möglichen Dinge. Ob mit Absicht oder ohne, ihr Daseinszweck schien zu sein, die Umwelt im ökologischen Gleichgewicht zu halten oder es wiederherzustellen.
In Ravastre kamen sie nicht vor. Entsprechend sah es dort auch aus.
Ich ging hinein und machte mich sofort auf die Suche nach einer bestimmten Kiste. Das war nicht ganz einfach, denn die Kisten, die ich besaß, sahen fast alle gleich aus.
Beim Bau des Quartiers hatten mir die Raskaren geholfen. Dafür war ich ihnen sehr dankbar. Das Wetter machte mir nämlich zu schaffen. Mir war zu warm, draußen schien es nie abzukühlen. Sogar wenn es regnete, war die Luft für meinen Geschmack zu warm. Das kühle Raumklima war eine beträchtliche Erleichterung.
Die Raskaren beherrschten den belüfteten Höhlenbau perfekt. Ich lebte nun teils über-, teils unterirdisch. Wie ich es gerade mochte, hielt ich mich entweder oben oder eine Ebene tiefer auf. Da ich mit wenig auskam, hatte ich genug Platz. Das Leben in Ravastre hatte mich wirklich bescheiden gemacht.
Ein Bettlager, ein Tisch mit Holzstühlen und die paar Kisten zum Verstauen der Alltagsutensilien, mehr brauchte ich nicht. Alles aus den Hölzern der Umgebung gezimmert; bei der Verarbeitung von Holz war ich recht geschickt.
Ich schuldete den Raskaren eine Menge. Sie hatten mich gelehrt, mit den Dingen, die uns die Natur des Grüngürtels bot, ein Auskommen zu finden. Die Insektoiden hatten sich um mich gekümmert, als ich halb verhungert und auf Entzug hier aufgetaucht war. Ich hatte es damals nicht verstanden, doch sie hatten mir, dem Fremden, geholfen, ohne viele Fragen zu stellen, ein Quartier gebaut und zu essen gegeben.
Für mich war es eine Frage der Ehre, ihnen zu helfen, wenn es mir möglich war. Da sie auf ihre Unabhängigkeit bedacht waren, baten sie mich nicht oft darum. Doch stets hießen sie mich willkommen, wenn ich sie besuchte, und in Rendri hatte ich eine besondere Freundin gefunden.
Sie war auffallend intelligent und begriff schnell alles, was ich ihr erklärte und zeigte. Und sie war wissbegierig – die kleine Welt der Raskaren war ihr zu eng geworden. Sie strebte nach mehr, und wenn ich konnte, gab ich es ihr oder erzählte ihr zumindest davon.
Keiner ihrer Artgenossen würde auf die Idee kommen, ihr den Kontakt mit mir zu verbieten. Die Raskaren hatten ein einfaches Gesetz: Niemand schadete dem anderen, sondern half ihm, wo er nur konnte. Diese Regelung funktionierte wunderbar.
Doch dann waren die Xipatio mit den Verlockungen der Außenwelt gekommen. Zuerst nur zurückhaltend, später immer aufdringlicher. Bei den Jungen fielen ihre Versprechen auf fruchtbaren Boden, und die Alten konnten und wollten sie nicht gewaltsam festhalten.
Viele Angehörige der jungen Generation waren fortgegangen, einige nach Ravastre, andere noch weiter weg. Ich hatte vergeblich versucht, es ihnen auszureden. Als Rendris Brüder ihre Bündel geschnürt hatten und mir Karsas Gruß ausrichteten, war es um meine Zurückhaltung geschehen gewesen. Ich hatte sie angeschrien und festgehalten.
Doch meine Worte waren nicht so mächtig wie der Wunsch der jungen Raskaren gewesen, endlich etwas zu erleben, hinaus aus ihrer kleinen Welt zu kommen.
Wir haben sie nie wiedergesehen. Zuerst versuchte ich, Rendri zu trösten. Dann ertrug ich ihre Trauer nicht mehr und ging nach Ravastre, um ihre Brüder zu suchen. Ich erfuhr nur, dass sie mit einem großen Transporter zur Außenwelt gebracht worden waren. In eine fremde Sektion, deren Namen ich noch nie gehört hatte.
In einem Ramschladen hatte ich das Amulett von Sandro, dem Jüngsten des Geleges, entdeckt.
Dazu muss man wissen, dass jeder Raskare zum Schutz seiner Seele ein Amulett geschenkt bekommt. Meistens kurz nach dem Durchbrechen der Eierschalen, spätestens jedoch zum ersten Zyklenjahr. Jedes war einzigartig und stets von einem Blutsverwandten von Hand gefertigt.
Sandros hatte Rendri persönlich mit viel Liebe gefertigt. Ich erkannte es in dem Laden sofort wieder. Wenn Sandro sich davon getrennt hatte, musste er in großer Not gewesen sein – oder aber man hatte es ihm gestohlen. Er war auf jeden Fall ohne sein Amulett weit weg von zu Hause.
Der Gedanke an den kleinen Sandro ließ mich erbeben. Ich zitterte heftig, als ich die Kiste endlich fand. Behutsam nahm ich das Amulett heraus. Ich hatte es die ganze Zeit über dort aufbewahrt, hatte Rendri einfach nicht sagen können, dass und wo ich es gefunden hatte. Sie wäre daran zerbrochen.
Ich betrachtete das Amulett nachdenklich und zwang mich dann, es in einer Tasche meines Allzweckcapes zu verstauen. Ich steckte auch die Einheiten ein, die mir noch aus meiner Sturm-und-Drang-Zeit geblieben waren.
Ohne Rendri und die anderen wäre ich tot. Sie würden es nicht so wollen, doch mein Leben gehörte ihnen. Ich war nicht mehr der, der ich vor dem Entzug gewesen war.
Es war an der Zeit, einen Teil meiner Schuld abzutragen und den Dingen auf den Grund zu gehen.
Ich krächzte leise. Das sollte mir als Anlass genügen. Neugier war der Sherenn Tod, und ich war nicht neugierig.
Ich wollte nur alles wissen.
Ich tastete noch einmal, ob das Amulett noch an Ort und Stelle war – als könne es sich aus eigenem Willen fortbewegen! –, und verließ meine Behausung wieder. In Ravastre hatte ich die hohe Kunst gelernt, ohne eigene Mittel zu überleben. So widerwärtig Rixqa mir war, er hatte nicht ganz Unrecht. Es würde mir gelingen, einen Wärmebereiter zu besorgen.
Ansichten eines alten Mannes
Nach zweieinhalb Zyklen war meine liebe Freundin Rendri zwanzigfache Mutter. Ihre Brut war kräftig und gesund. »Karsa sei gedankt«, sagte sie erleichtert. »Bei vielen anderen sind die Eier unbefruchtet geblieben. Es waren nur leere Hüllen ... Die Armen!«
Wieder legten sich dunkle Schleier auf ihre Augen. Auch aus der verwaisten Brut ihrer Freundin waren trotz liebevoller Fürsorge keine Kleinen geschlüpft.
»Karsa weiß, welch großer Plan dahinter steht.«
»Natürlich! Komm, das Harratsch wartet nicht.« Sie schob mich in die Haupthöhle ihres Volkes. Ein eigenes Reich tief unter dem Boden, gewaltig, aber völlig schlicht mit nackten Wänden und kahlen Böden und Decken, die tatsächlich so aussahen, als bestünden sie aus Gestein und nicht aus Metall.
Die Raskaren lebten in schlichtem Einklang mit der Natur des Grüngürtels. Sie nahmen und gaben gleichermaßen. Aus den Blättern des Tarr, des überall vorhandenen Strauchs, hatten sie in der Mitte der Halle eine gelbe Tafel auf dem Boden ausgebreitet. Darauf lagen ihre Spezialitäten, köstliche Speisen, deren Zubereitung ihr Geheimnis war. Ich wollte gar nicht wissen, welche Zutaten sich darin befanden.
»Ich erbiete meinen Gruß, verehrter Borresch!« Ich deutete eine Verbeugung vor dem Raskaren am Ende der Tafel an. Sein Chitinpanzer schimmerte nicht mehr intensiv. Das Alter des Borresch konnte ich nur ahnen, er war schon der Älteste gewesen, als es mich hierher verschlagen hatte.
»Vron'dakel, mein Freund ohne Volk, ich freue mich.« Er erwiderte die Geste. »Lass uns zu Ehren Karsas ihre Gaben genießen.«
Das musste er mir nicht zweimal sagen. Hungrig griff ich zu. »Köstlich ... wie immer!« Ich sprach mit vollem Mund, bei den Raskaren ein Zeichen hoher Anerkennung ihrer Speisen.
»Rendri hat sich die Freude gemacht, das Harratsch für uns zu bereiten. Ihr gebührt unser Dank.«
Die Teilnehmer des Banketts nickten meiner Freundin zu. Ein sattes Braun zeigte mir, wie sehr sie sich freute.
»Trotz vieler Schatten, die über uns dräuen, sind wir froh und dankbar. Das Volk wird satt, nur wenige sind krank.«
Ich sah den Borresch aufmerksam an. Die Gesichter der Raskaren hatten keine Mimik; ihre Gefühle konnte man nur an den Farben ihrer Körpers erkennen. Oder aber man kannte sie so gut wie ich und sah es in ihren Augen.