Perry Rhodan 2438: Das Stardust-System - Hubert Haensel - E-Book + Hörbuch

Perry Rhodan 2438: Das Stardust-System E-Book und Hörbuch

Hubert Haensel

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Beschreibung

Terraner sehen eine bessere Zukunft - und lassen alles hinter sich Im Frühjahr 1346 Neuer Galaktischer Zeitrechnung steht die Menschheit vor der größten Bedrohung ihrer Geschichte. Die Terminale Kolonne TRAITOR hat die Milchstraße besetzt und alle bewohnten Planeten unter ihre Kontrolle gebracht. Die gigantische Raumflotte steht im Dienst der sogenannten Chaotarchen. Deren Ziel ist, die Ressourcen der Milchstraße auszubeuten, um die Existenz der Negasphäre in Hangay abzusichern: einem Ort, an dem gewöhnliche Lebewesen nicht existieren können und herkömmliche Naturgesetze enden. Wenn TRAITOR all seine Mittel einsetzt, kann dies das Ende für das gesamte Solsystem bedeuten. Aus diesem Grund unterbreitet die Superintelligenz ES der Menschheit ein Angebot: Alle Menschen, die dies wünschen, können in ein weit entferntes, sicheres Refugium flüchten: DAS STARDUST-SYSTEM...

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Seitenzahl: 136

Veröffentlichungsjahr: 2014

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Zeit:3 Std. 12 min

Veröffentlichungsjahr: 2014

Sprecher:Tom Jacobs

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Nr. 2438

Das Stardust-System

Terraner sehen eine bessere Zukunft – und lassen alles hinter sich

Hubert Haensel

Im Frühjahr 1346 Neuer Galaktischer Zeitrechnung steht die Menschheit vor der größten Bedrohung ihrer Geschichte. Die Terminale Kolonne TRAITOR hat die Milchstraße besetzt und alle bewohnten Planeten unter ihre Kontrolle gebracht.

Die gigantische Raumflotte steht im Dienst der sogenannten Chaotarchen. Deren Ziel ist, die Ressourcen der Milchstraße auszubeuten, um die Existenz der Negasphäre in Hangay abzusichern: einem Ort, an dem gewöhnliche Lebewesen nicht existieren können und herkömmliche Naturgesetze enden.

Wenn TRAITOR all seine Mittel einsetzt, kann dies das Ende für das gesamte Solsystem bedeuten. Aus diesem Grund unterbreitet die Superintelligenz ES der Menschheit ein Angebot: Alle Menschen, die dies wünschen, können in ein weit entferntes, sicheres Refugium flüchten: DAS STARDUST-SYSTEM …

Die Hauptpersonen des Romans

Homer G. Adams – Der LFT-Minister weigert sich, die Erde aufzugeben.

Lotho Keraete – Der Bote von ES wendet sich an die Wirtschaft.

Reginald Bull – Perry Rhodans Stellvertreter dringt in eine Verbotene Zone vor.

Timber F. Whistler junior –

Nimm dir Zeit, um zu träumen,

denn das ist der Weg zu den Sternen.

(Altterranische Weisheit; Distrikt Irland)

1.

19. August 1346 NGZ

1.20 Uhr Standardzeit

Lotho Keraete, ein Mensch, ein Terraner und potenziell unsterblich – sein Hologramm umfasste die gesamte große Bildwand, und es erschien Timber F. Whistler jr. in dem Moment, als bohrte sich Keraetes Blick tief in seine Seele. Eine unausgesprochene Aufforderung lag in diesem Blick.

Wie ein Wesen aus einer anderen Welt stand der Mann vor dem STARDUST-Memorial im Zentrum des Gobi-Parks, und die Scheinwerfer der Mediengleiter zerrissen die Nacht mit gleißender Helligkeit. Alle namhaften Trivid-Sender hatten sich in die Szene eingeschaltet.

Whistler fröstelte. Keine Nuance in Keraetes Ausdruck entging ihm. Er hatte gelernt, die Absichten von Menschen und Galaktikern sehr schnell einzuschätzen. Ein weitreichendes Wirtschaftsunternehmen wie seine TRR aufzubauen glich dem Sprung in ein Haifischbecken. Die Konkurrenz in der Milchstraße war immer mächtig gewesen und in der Wahl ihrer Mittel keineswegs zurückhaltend. Fressen oder gefressen werden! Whistler hatte es dank seines Gespürs verstanden, sich von allen gefräßigen Mäulern fernzuhalten.

Er konzentrierte sich darauf, was Keraete zu sagen hatte.

Zu spät! Ich habe mich zu spät eingeschaltet.

Der Bote der Superintelligenz ES überbrachte eine Nachricht von ungeheurer Brisanz, so viel war ihm klar. Daher würden die Sender nicht müde werden, die Aufzeichnungen stetig zu wiederholen und alles Gesagte bis zum letzten Komma zu analysieren.

Die von Whistler angeforderten Hintergrundinformationen wurden von seiner Heimpositronik eingeblendet.

Lotho Keraete war schon vor einer kleinen Ewigkeit geboren worden, anno 2488 alter Zeitrechnung. Der Mann stand von daher den Aktivatorträgern an lebenszeitlicher Erfahrung nur um rund 500 Jahre nach.

Dieser Vergleich ist rein subjektiv. Nur seine Lebensumstände heben den Boten über Rhodan und Atlan hinaus.

Im Unterschied zu den »Unsterblichen« hatte Keraete seinen ursprünglichen Körper längst verloren. Sein Skelett, die Organe, Muskeln, Sehnen und das Fleisch, alles war durch eine Art dunkelblaues Metall ersetzt worden, bis ins letzte Detail, wie ein Abguss des ursprünglichen Menschen. Eine perfekte Körperkopie!

Interaktive Wahlmöglichkeiten wurden eingeblendet. Die Kameraführung zeigte eine unüberschaubar gewordene Menschenmenge, trotz der Zeit nach Mitternacht eine Flut von Zuschauern vor Ort, die über die symbolische Absperrung des STARDUST-Denkmals hinwegschwappte.

Whistler entschied sich für die Wiedergabe des von Keraete präsentierten Hologramms … Dreidimensionale Bilder einer riesigen Metropole inmitten eines weitverzweigten Flussdeltas, die Fusion einer futuristischen Millionenstadt mit der Natur ihres Planeten. Atemberaubende, alle Sinne einbeziehende Szenen waren das.

»Diese Stadt könnte Stardust City heißen …« Keraetes Kommentare kamen sparsam; der virtuelle Flug über diese neue, unbekannte Welt sprach für sich.

Whistlers Blick kehrte zu dem Boten zurück und fraß sich an dessen Metallhaut fest. Ihm erschien dieses Gesicht wie eine Vision. Mehr noch. Beinahe schon wie die Gewissheit, dass es ihm eines Tages gelingen würde, nicht mehr länger bloße Roboter zu bauen, sondern dem menschlichen Bewusstsein einen unverwüstlichen Körper zu geben, wie Keraete ihn aufwies. Welches intelligente Wesen strebte nicht danach, unverletzbar zu sein und nahezu unsterblich zu werden?

Wenn wir von TRR das schaffen …

Von der physischen Umwandlung war lediglich Keraetes Gehirn unverändert geblieben und damit sein Bewusstsein, seine Emotionen, Gefühle und Gedanken. Davon ging Whistler jedenfalls aus. Die blaue Körperfarbe war nichts, was seine Techniker nicht ebenfalls hinbekommen hätten. Aber dass der metallene Leib des Boten technische Finessen barg und im Ernstfall wochenlang ohne die Zufuhr von Nährstoffen überleben konnte … Faszinierend! Mehr noch: grandios! Was waren dagegen selbst die hochwertigsten Roboter, die während Dutzender Generationen die Werke der Whistler Company verlassen hatten?

Keraetes Blick verlor sich in unendlicher Ferne, während die neue Welt in einer Bilderflut dahinbrauste und die Menge mitriss. Er presste die Lippen zusammen, als frage er sich, ob es seiner Erklärungen überhaupt bedürfe. Seine Zuhörer würden zweifellos erkennen, was für sie gut und infolgedessen unabdingbar war.

Whistler taxierte immer noch die feinporige Metallhülle des Boten, die ihm keinen Deut anders erschien als seine eigene Haut. Ebenso die Haare. Er fragte sich, ob der Mann gezwungen war, seinen Bartwuchs einzudämmen oder gar sich zu rasieren. Und schimmerte da ein Hauch von Feuchtigkeit auf Keraetes Stirn?

Dann sprach der Mann aus Metall wieder. Wie als Kontrapunkt zum verheißenen Fluchtort redete er von den heftiger denn je gegen den Kristallschirm des Solsystems anrennenden Traitanks der Terminalen Kolonne.

Raffiniert, dachte Whistler. Er spielt seinen Nimbus des Wissenden voll aus, den er als Bote von ES genießt.

Vielleicht war die Heimat der Menschen wirklich dem Untergang preisgegeben, niemand wusste das, auch ES nicht. Nach ihren bisherigen Erkenntnissen gab es nur wenig Hoffnung. Denn selbst wenn der Nukleus und die Männer und Frauen in den TANKSTELLEN es schafften, den Schirm mit ihrer Mentalenergie stabil zu halten, was würde Sol letztlich anderes sein als eine Enklave mitten im Chaos? Was nutzte all das, wenn die Milchstraße der Kolonne anheimfiel und Hangay zur Negasphäre wurde? War ein Leben in einer solchen Galaxis noch lebenswert?

Das ist dann nicht mehr die Welt, die ich kommenden Generationen wünsche, gab Whistler sich selbst zur Antwort. Terra bietet keine brauchbare langfristige Überlebensperspektive mehr.

Die Alternative dazu hatte Lotho Keraete soeben aufgezeigt. Die Teletrans-Weiche nahe der Saturnbahn öffnete für wenige Wochen den Weg zu einem weit entfernten Ort.

… wenn wir akzeptieren, liegt dort also unsere neue Heimat, das Stardust-System! Ein klangvoller Name, der nicht besser gewählt sein könnte. Sternenstaub … und zugleich ein Symbol, denn mit der STARDUST hatte Perry Rhodan einst die kosmische Entwicklung der Zweiten Menschheit eingeläutet …

Falls der Bote von ES den Mund nicht zu voll genommen hatte, wartete ein Paradies auf die Menschen. Und warum, fragte sich Whistler, hätte Keraete nicht die Wahrheit sagen sollen?

Seine Zweifel wischte er schroff beiseite. Jedem, der Lothos flammende Rede gehört hatte, musste deutlich geworden sein, dass es eine Entscheidung zu treffen galt. In einer fremden Galaxis gab es ein den Menschen vorbehaltenes Sonnensystem, das wie ein kleines Paradies anmutete. Von ES verheißenes Land. Wohingegen im Bereich von Sol über kurz oder lang wohl die Hölle aufbrechen würde.

Terras Ende zeichnet sich ab. Gerade deshalb müssen wir die Initiative ergreifen. Eine zweite Chance werden wir kaum erhalten – und wer weiß, vielleicht ist das sogar der nächste Schritt in unserer Evolution. Wer nicht bereit ist, sich anzupassen und sich weiterzuentwickeln, der wird untergehen. Ich bin überzeugt davon, dass Perry Rhodan genauso denkt.

Keraete hatte von der neuen Hauptstadt der Menschheit gesprochen. Stardust City konnte noch imposanter und bedeutungsvoller werden als Terrania, eine wirkliche Stadt der Zukunft.

Vorerst war sie nur eine Vision.

Wo stünde die Whistler-Dynastie heute ohne Visionen? Henry der Erste hätte womöglich niemals einen Roboter gebaut ohne seinen Traum, den Menschen Arbeit abzunehmen und die Wertschöpfung unermüdlichen Maschinen zu überlassen. Er hat es fertiggebracht, eine bis dahin unbekannte Lebensqualität zu schaffen.

Timber F. Whistler jr. war sich dessen bewusst, dass die besten Jahre seines Lebens schon hinter ihm lagen. Dass er körperlich trotzdem mit Jüngeren konkurrieren konnte, verdankte er seinem steten Training, es kaschierte die Tatsache, dass er die hundertzwanzig bereits überschritten hatte. Ihm blieben noch einige Jahrzehnte, mehr nicht. Kostbare Jahre, für die er weiß Gott eine bessere Verwendung hatte, als sie in der begrenzten Enge des Solsystems zu fristen.

Mit beiden Händen fuhr er sich unter den Hemdkragen. Immer öfter, glaubte er, fehlte ihm die Luft zum Atmen.

Einbildung?

Vielleicht. Keraetes Worte von einer neuen Freiheit hallten dennoch in ihm nach.

Der Bote der Superintelligenz schwieg wieder. Es wurde eine erwartungsvolle, beinahe drängend wirkende Stille.

Der 19. August war erst wenige Stunden alt. Bis zum 13. November, hatte der Mann aus Metall unmissverständlich zu verstehen gegeben, würde die Teletrans-Weiche Bestand haben, dann jedoch für alle Zeit erlöschen. Siebenundachtzig Tage blieben den Menschen für ihre Entscheidung.

Ruckartig riss Whistler seinen Hemdkragen auf und atmete tief ein.

Er hatte seine Entscheidung getroffen.

Sein Leben würde sich grundlegend verändern.

*

Er hatte in den letzten Stunden dieser denkwürdigen Nacht wach gelegen. Der Ruf der Superintelligenz ES ließ keinen Schlaf zu. Aus einem Schneeball war eine ins Tal donnernde Lawine geworden, die Timber F. Whistler mit sich riss.

Er sträubte sich nicht dagegen. Ganz im Gegenteil. Sich Neuem zu verschließen, egal aus welchen Gründen, war die schlimmste Sünde, die ein Wirtschaftsmagnat begehen konnte, eine Art vorweggenommener Konkurs.

Nicht zu lange nach Keraetes Auftritt hatte Adams eine Stellungnahme abgegeben. Sie war im Morgengrauen von allen Sendern verbreitet worden und seitdem permanent gesendet. Der Minister betonte die Sorgfaltspflicht der Regierung und dass Reginald Bull und ein Team von Experten bereits im Stardust-System weilten, um die Gegebenheiten zu sondieren.

»… wir haben schnell gehandelt. Aber das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Hyperkristalle während des Transfers zerfallen und nur die speziellen kleinen SKARABÄEN geeignet sind, Menschen nach Stardust zu bringen. Mit funktionsunfähig werdenden größeren Raumschiffen wäre niemandem gedient …«

Rechtfertigung und Hinhaltetaktik zugleich war das. Whistler hatte dafür nur ein Achselzucken übrig.

Dunkel verfärbt und aufgequollen hingen die Tränensäcke unter seinen Augen. Er starrte in das Spiegelfeld des Hygieneraums und versuchte, die Haut jeweils mit Daumen und Zeigefinger glatt zu ziehen. Vergebliche Liebesmüh.

Matt blickten ihm seine blauen Augen entgegen. Whistler vermisste ihr Feuer, und daran änderte sich auch nichts, als er seine Schläfen massierte. Die Bartschatten störten ihn weniger. Sie ließen sein Gesicht kantig erscheinen.

Seit mindestens fünfunddreißig Stunden hatte er kein Auge zugetan. Das war ihm anzusehen. Er sah es jedenfalls! Aber wennschon! Wem das nicht gefiel, durfte ihm jederzeit Arbeit abnehmen. Und wenn er darüber nachdachte, ein Reginald Bull in seiner Eigenschaft als Verteidigungsminister oder die Erste Terranerin Tamira Sakrahan wirkten momentan wohl noch zerknitterter.

»Interkomverbindung mit Jodras! Optische Übertragung aus!«

Whistler musterte sein Spiegelbild. Im Grunde war er mit sich zufrieden. Ein Meter einundneunzig, kräftig, aber trotz seiner achtundneunzig Kilo kaum Fettansatz. Den Manager sah niemand ihm auf Anhieb an, nur wenn er eines der edlen Hemden mit den eingewirkten Howalgoniumfäden – würden die auch explodieren, wenn er durch die Teletrans-Weiche flog? Was für eine lächerliche Vorstellung! –, die wadenlange Schnürhose und der dunkle Langsakko trug. Dann machte er sogar auf kernige Springer-Patriarchen Eindruck.

Andererseits passte eine Prospektorenkombi genauso gut zu ihm. Er war ein waschechter Whistler, kein Zweifel. Dennoch lag etwas in seinen Genen, was die Wildnis unerschlossener Welten ebenso zu seinem Refugium machte wie die Produktionshallen für Roboter aller Art …

»Jodras Mellinfort!«, meldete die Kunststimme des Raumservos.

Whistler nickte auffordernd. Die Verbindung wurde durchgestellt.

»Was gibt es für Probleme, Timber?«, fragte sein Erster Sekretär.

Whistler warf einen Blick auf die Zeitanzeige. Sechs Uhr vierzig. Über Terrania lastete noch trübe Dämmerung; die Wetterkontrolle hatte für den frühen Morgen Bewölkung und leichten Nieselregen angekündigt, bei achtzehn Grad Celsius. Das war eingeschliffener Tagesablauf. Routine. Vermeiden, was unnötig an den Belagerungszustand des Solsystems erinnerte. Der nächste Angriff der Kolonne kam ohnehin unweigerlich.

Mellinforts Frage war verständlich. Normalerweise wurde er vor acht Uhr nie kontaktiert.

»Ich brauche einen Termin bei Lotho Keraete!«

Sekundenlang herrschte Schweigen. Whistler glaubte, die Überraschung im Gesicht seines Sekretärs sehen zu können, als Mellinfort sich irritiert mit der Zunge über die Lippen fuhr.

»Keraete?«, kam prompt die Rückfrage.

»Der Bote von ES! Ich bitte ihn um eine Unterredung, je eher, desto besser für alle Beteiligten. Mein Vorschlag ist, dass wir uns in der Konzernzentrale treffen, aber ich richte mich ebenso gern nach seinen Wünschen.«

Das klang gnädig. Whistler lächelte sein Spiegelbild an, verließ den Hygieneraum und betrat das Ankleidezimmer. Das Akustikfeld folgte ihm.

Wieder Routine. Auswahl der Garderobe über das holografische Bestandsverzeichnis. Sein Robotdiener legte den gewünschten Anzug bereit.

Währenddessen wechselte Whistler noch einige Sätze mit Mellinfort. Es erwies sich für ihn als nahezu unmöglich, dem Sekretär einen persönlichen Kommentar zu Keraetes Rede zu entlocken; der Mann schwieg beharrlich. Das ist fast wie ein Schock für ihn. Er schwankt zwischen eingeschliffener Gewohnheit, Erschrecken und Hoffnung. Aber seine Hoffnung wird sich durchsetzen, dessen bin ich mir sicher.

Whistler kleidete sich an. Er wusste, dass es verrückt war, einfach so eine Unterredung mit dem Boten von ES zu verlangen. Was interessierte es Keraete, wer Timber F. Whistler war, und sei er noch so reich.

Er lachte bei dem Gedanken. Ausgerechnet ein Springer hatte ihm das vor Jahren vorgeworfen. Weil er den Rotbart in einem Bieterduell hartnäckig überboten und letztlich den Zuschlag für drei rohstoffreiche Monde erhalten hatte. Er hätte die Monde nicht ankaufen müssen und hatte das nur getan, um dem Mehandor eine Lektion zu erteilen. Weil der Rotbart eine renommierte private Transportfirma in den Bankrott getrieben hatte.

Oh ja, so gesehen war er verflucht reich. Auf Terra nahm er Platz drei ein. Weil er Chancen schon erkennen konnte, wenn andere noch nicht einmal darüber nachdachten. Auf die drei Monde hatte er seit TRAITORS Erscheinen keinen Zugriff mehr. Das war bedauerlich, aber es tat ihm nicht weh.

Zweifellos würde es seinem Sekretär schwerfallen, zu Keraete vorzudringen, auf welche Weise auch immer. Der Bote befand sich entweder an Bord von PRAETORIA oder war in der Solaren Residenz einquartiert, vielleicht inzwischen von einem Kordon von Sicherheitsleuten umgeben, unter ihnen auch Whistler-Roboter. Nötig oder nicht, es war ein Tribut an die Zeit und die Umstände. Niemand hätte mit hundertprozentiger Sicherheit ausschließen können, dass auf Terra noch Koda Ariel auf ihre Chance warteten.

Whistler hatte den Hauptraum seiner Wohnung betreten, dreihundert Meter hoch über Terrania. Der Servo reagierte auf seine Anwesenheit und schaltete die Außenwand auf Transparenz.

Dunst verschleierte die Sicht. Sol war nur ein verwaschener heller Fleck im Nichts, ungefähr dort, wo der Horizont sein sollte. Ein Gleiterkonvoi zog vorbei. Die Silhouetten der großen Maschinen erschienen Whistler inmitten der Nebelschwaden wie die Flugsaurier einer urwüchsigen Welt.

Die Erde verbarg ihre Schönheit hinter dieser Mischung aus Agonie und Düsternis. Als wolle sie ihren Kindern die Entscheidung erleichtern. Abschiedsstimmung hing in der Luft.

Minutenlang stand Timber F. Whistler reglos da und ließ seinen Blick über die Metropole schweifen. Für wenige Augenblicke wurden einige nahe Bürotürme sichtbar, ein startender Kugelraumer blitzte in der Höhe golden auf, dann zog sich der Himmel vollends zu.

Lotho Keraete würde ihn empfangen – davon war Whistler überzeugt. Die Frage war nur, wann. Der Bote brauchte Multiplikatoren, die ihn und seine Mission unterstützten.

*

An diesem Morgen verzichtete Whistler jr. auf seinen Privatschweber. Er benutzte den Antigravschacht, den er in halber Höhe des Gebäudes auf dem Verkehrsdeck wieder verließ. Inmitten der Grünanlagen, die keineswegs den Gedanken aufkommen ließen, man befinde sich noch gut zweihundert Meter hoch, wartete eine stetig anwachsende Menschenmenge auf die öffentlichen Zubringer.

Whistler war ein halbes Jahr nach dem Hyperimpedanz-Schock und dem Tod seiner Frau in den Turm eingezogen. Nicht, weil er das Gefühl gehabt hätte, dass Cynthis’ Geist in allem Vertrauten gegenwärtig gewesen wäre, sondern aus pragmatischen Gründen. Die Transmitter in seiner zuvor dezentralisierten Wohnung waren in jener umwälzenden Nacht vom 10. auf den 11. September 1331 ausgefallen. Badezimmer und Swimmingpool in der Südsee nur mehr auf normalem Weg erreichbar, der Wintergarten auf der Nordhalbkugel der Venus nur unter unvertretbaren Kosten und der Wohnbereich inmitten der Saturnringe, der an Exklusivität schwerlich zu überbieten gewesen war und einen fantastischen Ausblick auf den Riesenplaneten erlaubt hatte, existierte seitdem nicht mehr.