Perry Rhodan 2622: Die Rebellen von Escalian - Uwe Anton - E-Book

Perry Rhodan 2622: Die Rebellen von Escalian E-Book

Uwe Anton

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Beschreibung

Alaska Saedelaere bei den Harmonielosen - er ist der Mann ohne Erinnerung In der Milchstraße schreibt man das Jahr 1469 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ) - das entspricht dem Jahr 5056 christlicher Zeitrechnung. Für die Menschen auf der Erde hat sich schlagartig das Leben verändert: Das Solsystem wurde von unbekannten Kräften in ein abgeschottetes Miniaturuniversum verbannt. Nagelraumschiffe der geheimnisvollen Spenta dringen in das Solsystem ein. Sie selbst bezeichnen sich als "Sonnenhäusler" und betrachten Sol als ungeheuren Frevel. Sie stört der Umstand, dass in die Sonnenmaterie der Leichnam einer Superintelligenz eingebettet liegt. Um diesen Körper von der Sonne zu trennen, löschen sie den Stern. Gleichzeitig entführen sie Kinder und Jugendliche, um sie "neu zu formatieren". Perry Rhodan indessen steht an vorderster Front im Kampf um die BASIS und gegen die unheimliche Macht von QIN SHI in einer unbekannten Galaxis. Von QIN SHIS Machenschaften weiß Alaska Saedelaere hingegen schon länger: Mit der LEUCHTKRAFT, einem Raumschiff aus kosmokratischer Fertigung, befindet er sich auf der Suche nach der verschollenen Enthonin Samburi Yura, die als direkte Beauftragte der Hohen Mächte unterwegs war. Offensichtlich sind sowohl QIN SHI als auch das geheimnisvolle Reich der Harmonie irgendwie in die Ereignisse verwickelt. Es gelingt Saedelaere, Kontakte zu einer Herzogin dieses Reiches zu knüpfen und von ihr in die Heimat mitgenommen zu werden. Aber dort werden sie alle als Feinde behandelt. Seine Verbündeten sind daher DIE REBELLEN VON ESCALIAN ...

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Veröffentlichungsjahr: 2011

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Nr. 2622

Die Rebellen von Escalian

Alaska Saedelaere bei den Harmonielosen – er ist der Mann ohne Erinnerung

Uwe Anton

In der Milchstraße schreibt man das Jahr 1469 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ) – das entspricht dem Jahr 5056 christlicher Zeitrechnung. Für die Menschen auf der Erde hat sich schlagartig das Leben verändert: Das Solsystem wurde von unbekannten Kräften in ein abgeschottetes Miniaturuniversum verbannt.

Nagelraumschiffe der geheimnisvollen Spenta dringen in das Solsystem ein. Sie selbst bezeichnen sich als »Sonnenhäusler« und betrachten Sol als ungeheuren Frevel. Sie stört der Umstand, dass in die Sonnenmaterie der Leichnam einer Superintelligenz eingebettet liegt. Um diesen Körper von der Sonne zu trennen, löschen sie den Stern. Gleichzeitig entführen sie Kinder und Jugendliche, um sie »neu zu formatieren«.

Perry Rhodan indessen steht an vorderster Front im Kampf um die BASIS und gegen die unheimliche Macht von QIN SHI in einer unbekannten Galaxis.

Die Hauptpersonen des Romans

Alaska Saedelaere – Der Unsterbliche lernt das Reich der Harmonie von der unharmonischen Seite kennen.

Carmydea Yukk – Die Nachfahrin der einstigen Herzogin enthüllt ein Geheimnis.

Gardeleutnant Pridon – Der Escalianer muss die Gesellschaft von Jyrescao ertragen.

Eroin Blitzer

1.

Der erste Tritt traf Alaska Saedelaere in die Rippen, der zweite in die Magengrube.

Saedelaere spürte den Schmerz, doch er schrie nicht. Er hieß den Schmerz willkommen, tauchte in ihn ein und füllte damit einen Teil der Leere, die in ihm herrschte.

Warum tun sie mir das an?, fragte er sich. Ich habe ihnen nichts getan, und sie ...

Ein dritter Tritt trieb ihm Tränen in die Augen, und er sah die Beine und Füße, die ihn traktierten, nur noch verschwommen. Zum Glück trugen die Angreifer dünne, zerschlissene Schuhe und keine schweren Stiefel wie alle hier auf Crepoin, sonst hätte Saedelaere schon längst das Bewusstsein verloren.

Saedelaere hörte, wie das Firibirim leise wimmerte. Das kaum wahrnehmbare Geräusch riss ihn aus seiner Lethargie.

Das Firibirim!

Es hatte sich in letzter Zeit so selten bewegt, dass er es schon für tot gehalten hatte. Mehr noch ... er hatte vergessen, dass es überhaupt ein Firibirim gab. Wie er so vieles vergessen hatte.

Wenn er schon nicht mehr leben wollte ... niemand würde sich um das Firibirim kümmern. Es würde jämmerlich verenden. Und das hatte es nicht verdient.

Niemand hatte das verdient. Nicht einmal solch ein nutzloses ... Etwas.

Nimm die Maske ab!, flüsterte etwas in ihm. Nimm die Maske ab, und es hat ein Ende. Der Schmerz, die ständigen Misshandlungen, die Geringschätzungen. Alles würde ein Ende haben, und er hätte seinen Frieden. Nimm die Maske ab, zeig ihnen dein Gesicht!

Oder genauer gesagt das Cappinfragment auf seinem Gesicht. Er hatte viel vergessen, aber das wusste er noch: Wer das Cappinfragment sah, wurde unweigerlich wahnsinnig und musste sterben.

Ein vierter Tritt traf Saedelaere. Er musste alle Kraft aufbieten, um den rechten Arm zu bewegen, die Hand zu heben, zum Gesicht, zur Maske. Seine Fingerspitzen ertasteten das billige Plastik-Material.

Es fühlte sich seltsam warm an, fast schon heiß, als würde das Fragment darunter darauf warten, von dem Sichtschutz befreit zu werden. Als würde es heiß flackern, grell lodern vor Vorfreude, Wahnsinn und Tod verbreiten zu können. Als würde es sich danach sehnen, sich endlich revanchieren und Saedelaere helfen zu können. Als sei es mehr als ein bloßes Fragment. Als habe es eine Aufgabe, und um sie zu erfüllen, müsse es Saedelaere schützen, sein Leben bewahren.

Saedelaeres Finger schoben sich unter das dünne Material der Maske, drückten es langsam höher. Er schloss die Augen, um das irrlichternde Leuchten nicht sehen zu müssen, das er nun freisetzen würde.

Sein Leben bedeutete ihm nichts, hatte keinen Wert. Er war ein Mann ohne Vergangenheit, ohne Erinnerungen. Aber er durfte das Firibirim nicht sterben lassen. Er schob die Maske noch ein Stück höher und ...

... hörte Schreie und dumpfe Geräusche, Schläge vielleicht, ein widerwärtig trockenes Knacken, mit dem eine Faust eine Nase brach oder ein Schlüsselbein oder etwas anderes. Im nächsten Augenblick sah er trotz der Schleier vor seinen Augen, dass die ausgetretenen Schuhe, die Beine in zerschlissenen Hosen, die sein Gesichtsfeld beherrscht hatten, verschwunden waren. Da war nur noch der Dreck und Matsch von Crepoin.

Saedelaere krümmte sich vor Schmerz zusammen, spürte endlich, wie schlimm es war, wie sehr er ihm zu schaffen machte.

Er wollte, dass all das aufhörte. Das Leid. Der Schmerz. Die Anmaßung der anderen, die nicht wussten, mit wem sie es zu tun hatten. Oder womit. Mit dem Fragment auf seinem Gesicht.

So oder so, es musste enden. Sofort. Und die Macht, das zu bewirken, hatte er ...

»Hört auf!«

Er kannte die Stimme, die scharf und schneidend den Schmerz durchschnitt, der nun sein Denken beherrschte. Die Stimme seines einzigen Vertrauten auf dieser Welt. Er erinnerte sich schwach daran. Ein hochgewachsener, hagerer, blauhäutiger humanoider Dyonad. Wie hieß er noch gleich?

Haspelon, ja, Haspelon, aber Saedelaere nannte ihn nur Swift, weil er trotz seiner Größe überraschend flink war.

Warum tut Swift das für mich? Was hat er davon, welchen Nutzen zieht er daraus? Warum hat er einen Narren an mir gefressen, ausgerechnet an mir, dem Außenseiter, den alle anderen am liebsten tot sehen wollen? Den mit der schäbigsten Maske?

Diese Frage hatte er sich oft gestellt, aber keine Antwort gefunden. Die Logik verriet ihm, dass mehr dahinterstecken musste. Aber was? Und so gab er sich damit zufrieden, dass es vielleicht tatsächlich an seiner Maske lag. Er trug die schäbigste auf dieser Welt. Womöglich fühlte Swift sich einfach besser, wenn er dem half, der in jeder Hinsicht noch unter ihm stand.

Undeutlich nahm er einen heftigen Wortwechsel wahr. Er wunderte sich nicht mehr darüber, dass er inzwischen die hiesige Lingua franca, das Escalo, verstand und sprach und keinen Translator mehr benötigte.

Aber warum hatte er so viel vergessen? Warum wusste er kaum, wer er war? Vielleicht eine Hypnoschulung, bei der unter Umständen etwas schiefgegangen war? War sein Gedächtnis durcheinandergebracht worden, als ihm das zusätzliche Sprachwissen aufgepfropft worden war?

Aber diese Erklärung schien zu lapidar, zu belanglos. Fakt blieb, er hatte so gut wie keine Erinnerungen an sein Leben mehr. An seine Vergangenheit, an das, was gewesen war und ihn als eigenständiges Wesen definierte.

Der Schmerz ließ nach, doch Saedelaere krümmte sich noch einmal zusammen in Erwartung des nächsten Tritts, der aber nicht folgte.

Er schob den Oberkörper zurück, drehte den Kopf.

Der flinke Swift stand über ihm, breitbeinig, die Fäuste gehoben. Die Männer und Frauen, die Saedelaere zusammengeschlagen hatten, um ihn anschließend vielleicht sogar totzutreten, waren ein paar Schritt zurückgewichen. Saedelaere hatte sich nicht gegen sie gewehrt, Swift schon.

Warum tut er das? Warum hilft er mir?

Das Firibirim winselte leise.

Es lebt noch, dachte Saedelaere erleichtert. Ich habe das Firibirim nicht sterben lassen.

Irgendwie erfüllte der Gedanke ihn mit Erleichterung. Saedelaere mochte nicht mehr wissen, wer er war, aber wenn er Freude darüber empfand, dass ein anderes Wesen nicht gestorben war, konnte er kein ganz schlechter Mensch sein. Er hatte sich nichts vorzuwerfen, zumindest, was das Firibirim betraf, und das war ihm ein gewisser Trost.

»Wie geht es dir?«, fragte Swift. »Tut dir etwas weh? Kannst du stehen? Wir müssen zum Harmoniewächter. Wenn wir nicht pünktlich erscheinen ...« Swift ließ den Satz offen. Das war auch gut so, Saedelaere wusste aus eigener Erfahrung, was dann passieren würde.

O ja, dachte er. Mir tut alles weh. Jeder einzelne Knochen im Körper, darunter auch einige, von denen er gar nicht gewusst hatte, dass es sie überhaupt gab.

»Sie hätten mich totgetreten.« Seine Stimme kam ihm selbst seltsam unbeteiligt vor. »Sie mögen mich nicht besonders, oder? Und das wegen eines Stücks Brot, das sie mir nicht gönnen.«

»Nein zu beidem.« Swift half ihm hoch. »Sie haben dich nicht schwer verletzt, wollten nur etwas klarstellen. Sie mögen dich wirklich nicht. Und es ging nur vordergründig um das Brot.«

Der hagere, sehnige Humanoide mit der hellblauen Haut sah ihn aus dunkelgrünen Augen an, dunkelblaue Lippen öffneten sich und enthüllten dabei strahlend weiße Zähne. War das ein Lächeln? Saedelaere konnte sich nicht sicher sein. Er konnte wegen ihrer Masken nicht beschwören, dass sämtliche humanoiden Escalianer zu einem Lächeln fähig waren.

Swift machte es ihm in dieser Hinsicht etwas einfacher. Seine Halbmaske bedeckte nur das Gesicht oberhalb des Munds bis zum Haaransatz oberhalb der Stirn und lag hauteng an, ohne dass irgendwelche Haltebänder zu erkennen waren. Die dunkelblaue Grundfarbe ließ seine Maske wie eine zu Porzellan erstarrte Fortsetzung des hellblauen unteren Gesichts wirken.

Inwieweit technische Spielereien integriert waren, konnte Saedelaere nicht sagen. Die einzige sichtbare Besonderheit waren mitunter blutrot zuschnappende Membranen in den ovalen Augenöffnungen, die dann für Sekunden oder Minuten die Augen verdeckten, ohne offenkundig eine Sichtbehinderung zu sein.

»Und warum magst du mich?« Einen Augenblick lang war Saedelaere versucht, Swift zu fragen, worum es ihnen in Wirklichkeit gegangen war, doch er tat es nicht. Er sollte die Antwort darauf selbst finden, sonst hätte Swift es ihm von sich aus gesagt.

Der Blauhäutige legte einen Arm um Saedelaeres Schultern und stützte ihn, und er nahm es dankbar an.

»Ich verstehe es nicht«, murmelte der Terraner. »Wir alle sind Jyrescao. Keine Harmonieträger, sondern Unharmonische. Wir müssten zusammenhalten, aber das tun wir nicht. Wir versuchen, uns gegenseitig umzubringen.«

»Eben weil wir alle Jyrescao sind.« Der Anflug des Lächelns, falls es denn eins gewesen war, wich wieder aus Swifts Gesicht. »Deshalb sind wir doch hier. Auf Crepoin.«

»Aber ich bin noch auf eine andere Art und Weise anders.« Das spürte Saedelaere ganz deutlich. »Liegt das nur an meiner Maske?«

Er trug noch immer die schäbige Plastikmaske, die er an Bord der LEUCHTKRAFT geflickt hatte. Und auch das Cappinfragment bedeckte wie gehabt sein Gesicht, neigte aber aus unbekannten Gründen vor allem in direkter Nähe von Unharmonischen mitunter zu heftigen Lichtausbrüchen. Möglicherweise war das eine Folge von deren paranormalen Aktivitäten, denn auch auf Crepoin imitierten die Unharmonischen weiterhin den Stallgeruch ...

Gerade diese Lichtausbrüche – in ihrer unregelmäßigen Plötzlichkeit waren sie sogar für Saedelaere selbst teilweise erschreckend – hatten den Zellaktivatorträger von vornherein zum Außenseiter abgestempelt. Es war durchaus möglich, dass von seinem ... Tabu, wie jemand das Cappinfragment genannt hatte, irgendeine Strahlung ausging, die den anderen zusetzte.

Wer hatte es so genannt? Blitzer?

Was war ein Blitzer? Hatten Blitzer nicht viele Welten der Milchstraße zerstört? Nein ... der Begriff hatte etwas mit einer Leuchtkraft zu tun. Aber welche Leuchtkraft? Zumindest dieser Name hatte etwas Erhabenes an sich, dass er ihn sich automatisch in Großbuchstaben vorstellte: LEUCHTKRAFT; jedenfalls klang das Wort in seinen Ohren so.

Saedelaere stöhnte leise. Gerade hatte er es noch ... fast ... gewusst. Manchmal schienen diese zersplitterten Erinnerungen so nah heranzutreiben, dass er glaubte, sie fassen zu können, wenn sie nur ein winziges Stückchen näher kämen. Aber das taten sie nie. Jedes Mal entglitten sie ihm, nachdem sie sich kurz gezeigt hatten, als wollten sie ihn durch ihre Anwesenheit quälen.

Oder verhöhnen.

»Kannst du dich wieder an etwas erinnern?«, fragte Swift besorgt. »An irgendetwas?«

»Nein.« Saedelaere schüttelte den Kopf. »Aber ich fühle mich seltsam leer und ruhelos.«

Er lachte leise auf. Wie sollte es anders sein? Er hatte keine genaue Erinnerung mehr an die letzten Tage oder sogar Wochen. Er wusste nur, dass er das Reich der Harmonie erreicht hatte und dort von Sicherheitskräften ergriffen worden war.

Alles Weitere war verschwommen, beschränkte sich auf diese Erinnerungsfetzen, die sich immer wieder einstellten. Auf Bilder, auf Namen ... wie Blitzer, wie LEUCHTKRAFT.

Auf ... eine Zelle? Vor seinem inneren Auge sah er einen abgedunkelten Raum, eine kleine, grelle Lichtquelle, blitzende Instrumente.

Wortfetzen.

Er wurde verhört ... von einem Kandran, einem Krötenwesen wie Inot oder Uyari Lydspor ... oder sogar von Lydspor selbst? Er hatte den Namen schon gehört, dessen war er gewiss, konnte ihn aber nicht einordnen. Er kannte keine Einzelheiten, auch nicht, wie er nach Crepoin gekommen war. Selbst die Zeit davor ... die Reise von der Anomalie nach Klion und was dort geschehen war ... das alles wirkte sonderbar bruchstückhaft. An manche Details konnte er sich klar und deutlich erinnern, an manche überhaupt nicht. Das Wissen schien aber nicht zu kommen, wenn es gebraucht wurde, sondern völlig unzuverlässig, erratisch.

Hatte man diese Verhöre – sofern er sie sich nicht nur einbildete – mit paramechanischen Mitteln durchgeführt? Hatte man ihn auf diese Weise beeinflusst? Saedelaere war zwar mentalstabilisiert, wusste aber zu gut, dass das alles andere als ein universeller Schutz war.

Im gleichen Augenblick wunderte er sich darüber, woher dieses Wissen kam.

Und noch etwas bereitete ihm Sorgen: Er verspürte jedes Mal Erleichterung, wenn er bemerkte, wie der Zellaktivator unter seinem Schlüsselbein pochte. Immer wieder stellte sich die unangenehme Erinnerung ein, den Zellaktivator fast verloren zu haben.

»Komm!«

Haspelon zog ihn mit sich. »Wir dürfen nicht zu spät kommen.«

Der Dyonad war nur einen Hauch größer als er selbst, also knapp über zwei Meter, und ähnlich hager. Doch der Griff seiner sechsfingrigen Hand war fest. Man merkte Swift kaum an, dass die Bedingungen auf Crepoin ihm zu schaffen machten. Jedenfalls litt er nicht so sehr darunter wie Alaska. Er schien seine Kräfte bewahrt zu haben.

Saedelaere fragte sich, wie alt sein einziger Freund auf dieser Welt sein mochte. Swift sprach nie über seine Vergangenheit. In dieser Hinsicht ähnelte er dem Unsterblichen. Saedelaere schätzte ihn auf etwa sechs Urd, das entsprach etwas mehr als sechzig Terrajahren.

Nicht nur die Sprache, auch die Zeitrechnung dieser Galaxis bereitete ihm keine Probleme mehr, obwohl er anfangs leichte Schwierigkeiten gehabt hatte, sie zu verstehen.

Zu Saedelaeres Erstaunen ging es ihm mit jedem Schritt, den er tat, besser. Swift behielt recht, die Prügel, die er bezogen hatte, waren nicht so schlimm gewesen. Seine Kontrahenten hatten ihn wohl nicht ernsthaft verletzen wollen. Die Bewohner der Kolonie versuchten, Grenzen abzustecken. Sie wollten Privilegien sichern, Rangverluste verhindern, Vorteile sichern. Das war eine Erklärung.

Alaska lachte auf. Die Bewohner der Kolonie ... Ja, die Harmoniewächter sprachen immer in solchen Begriffen, wollten die Dinge nicht beim Namen nennen. Gefangene waren sie allesamt, Häftlinge, nichts anderes.

Crepoin war ein Isolationsplanet, eine kalte, karge, primitive Welt, auf der die Jyrescao an der kurzen Leine gehalten wurden und Harmonie-Schulungen über sich ergehen lassen mussten. Und solch eine Schulung stand auf der streng reglementierten Tagesordnung, der die Unharmonischen sich unterwerfen mussten, wollten sie nicht drastische Bestrafungen über sich ergehen lassen.

»Ja.« Saedelaere schüttelte Swifts Hand ab, versuchte, allein zu gehen. Es gelang ihm. »Ja, du hast recht. Wir müssen uns beeilen. Wir dürfen Inot nicht warten lassen.«

*

Sie erreichten den Versammlungsplatz gerade rechtzeitig.

Harmoniewächter Juscar Inot stieg auf das kleine Podest, von dem aus er sämtliche Jyrescao überblicken konnte. Seine Sprungbeine waren zwar lang, wirkten aber nicht besonders kräftig und schienen den gedrungenen, massiven Rumpf kaum tragen zu können. Die farbigen Plastikfolien, die er als Kleidung bevorzugte, raschelten laut in dem starken Wind, der plötzlich aufkam. An einem der Gurte, die die Folien zusammenhielten, war eine Strahlenwaffe befestigt, an einem anderen ein Vibromesser.

Hunderte von Jyrescao waren gekommen, um Inots Vortrag zu hören. Einerseits wurden sie dazu gezwungen, andererseits erhofften sie sich Vorteile. Wie etwa ein schmackhaftes Getränk.

Einige Roboter zogen Antigravkarren hinter sich her, andere verteilten die Becher, die sorgfältig und so hoch darauf aufgereiht waren, dass wohl tatsächlich nur Roboter sie verteilen konnten, ohne den Großteil ihres Inhalts zu verschütten.

Saedelaere ließ den Blick über die Jyrescao auf dem Platz gleiten. Der Terraner hielt sich seit seiner Ankunft abgesondert und kannte nur wenige von ihnen.

Ganz in der Nähe stand eine blauhäutige Dyonad von vielleicht fünf Urd, die ihm in den Tagen, die er sich in dem Lager befand, schon mehrmals aufgefallen war. Ihre Kleidung wirkte stets makellos und war farbenprächtiger als die der meisten anderen Insassen. Saedelaere vermutete, dass es sich um Stücke von einer Fremdwelt handelte, und fragte sich, wie die Frau an sie herangekommen war. Sie war schlank wie die meisten im Lager. Eigentlich waren Inot und einige andere Harmoniewächter die einzigen wohlbeleibten Wesen auf diesem Planeten.

Der Terraner hätte nur allzu gern gewusst, wie die Frau aussah, doch ihre Maske bedeckte das gesamte Gesicht.

Inot baute sich auf dem Podest auf. Die stark hervorquellenden, großen Kugelaugen in seinem breitmäuligen, haarlosen Kopf schienen alle Anwesende zugleich anzublicken. Saedelaere fühlte sich stets unbehaglich, wenn er von einem Harmoniewächter auf diese Weise gemustert wurde.

Was auch daran liegen mochte, dass Inot ein nestförmiges Hütchen trug, das aus zerbrochenen Eierschalen zu bestehen schien. Saedelaere kam nicht dagegen an, es wirkte bei dem Krötenwesen ausgesprochen lächerlich. Aber wenn er darüber lachte ...

Der Harmoniewächter blies den Kehlsack auf, bis er die Größe eines Medizinballs erreichte, und stieß die Luft pfeifend aus. Alle Gespräche verstummten. Abrupt wurde es still auf dem Platz. Niemand wagte es, den Harmoniewächter zu provozieren oder seine Aufmerksamkeit zu erregen. Auch Saedelaere hatte gelernt, unauffällig zu bleiben.

Trotzdem hatte er den Eindruck, dass Inots sehr bewegliche, senkrecht stehende Spaltpupillen ausgerechnet ihn fixierten. Er wandte den Blick ab, ließ ihn wieder über den Platz schweifen, schaute dann zum Horizont. Dort schien sich eine schwarze Wolkenmauer zusammenzuballen.

Das Klima auf Crepoin war rau. Je nach Jahreszeit tobten Stürme mit Geschwindigkeiten von zweihundert Kilometern pro Stunde und mehr, hatte Saedelaere von seinen Mitgefangenen erfahren. Die niedrige, geduckte Bauweise der kasernenähnlichen Häuser, in denen die Gefangenen untergebracht waren, bestätigten diese Angaben.

Ein Roboter näherte sich Saedelaere und reichte ihm einen Becher. Widerwillig betrachtete jener die ölig schimmernde Flüssigkeit darin. Auf die anderen Unharmonischen hatte sie eine berauschende Wirkung, die vielleicht auch den geistigen Widerstand verringerte und die Bereitschaft zur Meditation vergrößerte. Er jedoch konnte sie ungefährdet trinken. Sein Zellaktivator neutralisierte alle Giftstoffe darin.

Saedelaere trank einen Schluck aus dem Becher, und obwohl er eine Maske trug, hatte er den Eindruck, dass sich in der goldenen Flüssigkeit undeutlich seine hageren, scharf geschnittenen Gesichtszüge spiegelten.

Spielten seine Sinne ihm einen Streich?