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Im größten Ozean des Solsystems - sie jagen hinter einer uralten Spur her Auf der Erde schreibt man das Jahr 1518 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ). Die Menschen haben mit der Liga Freier Terraner ein großes Sternenreich in der Milchstraße errichtet; sie leben in Frieden mit den meisten bekannten Zivilisationen. Doch wirklich frei ist niemand. Die Milchstraße wird vom Atopischen Tribunal kontrolliert. Seine Angehörigen behaupten, nur seine Herrschaft verhindere den Untergang, den Weltenbrand der Galaxis. Der terranische Abenteurer Viccor Bughassidow ist an Bord seines Raumschiffs KRUSENSTERN unterwegs. Auf der Suche nach einem Heilmittel gegen die "Posbi-Paranoia" begegnet er den zurückgezogen lebenden Eyleshioni. Die seltsamen Lebewesen lassen ihn nur unter einer Bedingung wieder ziehen: Er muss sich einen "Modulator" implantieren lassen, der ihn im Sinne der Eyleshioni kontrolliert. Dieser "Modulator" ist DER LICHTE SCHATTEN ...
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Veröffentlichungsjahr: 2015
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Nr. 2826
Der lichte Schatten
Im größten Ozean des Solsystems – sie jagen hinter einer uralten Spur her
Uwe Anton
Auf der Erde schreibt man das Jahr 1518 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ). Die Menschen haben mit der Liga Freier Terraner ein großes Sternenreich in der Milchstraße errichtet; sie leben in Frieden mit den meisten bekannten Zivilisationen.
Doch wirklich frei ist niemand. Die Milchstraße wird vom Atopischen Tribunal kontrolliert. Seine Angehörigen behaupten, nur seine Herrschaft verhindere den Untergang, den Weltenbrand der Galaxis.
Der terranische Abenteurer Viccor Bughassidow ist an Bord seines Raumschiffs KRUSENSTERN unterwegs. Auf der Suche nach einem Heilmittel gegen die »Posbi-Paranoia« begegnet er den zurückgezogen lebenden Eyleshioni.
Die seltsamen Lebewesen lassen ihn nur unter einer Bedingung wieder ziehen: Er muss sich einen »Modulator« implantieren lassen, der ihn im Sinne der Eyleshioni kontrolliert. Dieser »Modulator« ist DER LICHTE SCHATTEN ...
Viccor Bughassidow – Der Multimilliardär und Abenteurer ist nicht Herr seiner selbst.
Jatin – Die Leibärztin Bughassidows kann sich nicht selbst helfen.
Marian Yonder – Der Kommandant der KRUSENSTERN zweifelt an seinem Arbeitgeber.
Meechyl und Voyc Lutreccer
Viccor Bughassidow
25. April 1518 NGZ
Viccor Bughassidow beobachtete, wie der TARA-X-T in den Hangar schwebte: ein Roboter-Ensemble, das er mit einem Blick nicht erfassen konnte, wuchtig und groß, geballte Energie und Kraft. Zwanzig Meter durchmaß der Robotkörper, und fast zwölf Meter ragte er in die Höhe – aber diese Zahlen zu kennen und die Kampfmaschine mit eigenen Augen zu sehen, war ein immenser Unterschied.
Weitere Roboter folgten dem X-T in den Hangar. Mit ungläubigem Staunen sah Bughassidow zu, wie sich ein Bereich seines eigenen Raumschiffs – meine private Jacht, dachte er – in ein militärisches Gelände verwandelte.
Zwei Raumlandesoldaten in schweren Anzügen setzten unmittelbar hinter den Robotern auf. Ihre Abzeichen auf der Brust verrieten, dass es sich um Offiziere handelte.
Die seitlichen Beintaschen dienten als Holster für Waffen, die Bughassidow aber nicht identifizieren konnte. Tornister schwebten neben den Männern, ebenfalls mit Waffen und Gerät gefüllt. Bughassidow wollte erst gar nicht wissen, was die Soldaten mit sich brachten.
Dutzende weiterer Soldaten folgten den beiden Offizieren, ebenfalls bewaffnet und von Ausrüstung begleitet. Sie schwärmten sofort aus, als wollten sie ein feindliches Schiff erobern. Einige hielten Strahlenkarabiner in der Hand, als müssten sie jeden Augenblick mit einer Feindberührung rechnen. Sie sicherten die Ausgänge des Hangars, schwebten in die Gänge, die sich anschlossen.
Ganz zum Schluss flogen die Mitglieder des Spezialkommandos in den Hangar, auf den ersten Blick waffenlos und begleitet von großen Ausrüstungsbehältern. Bughassidow kannte sie nicht, aber er wusste, dass es sich um Kybernetiker, Mediker, Xenotechnoanalysten und zahlreiche weitere Spezialisten handelte.
Während die Hangarschotte sich noch langsam schlossen, baute sich ein Energieschirm auf und sicherte den riesigen Raum vor der Kälte und Leere des Alls ab. Die Sauerstoffpumpen sprangen zischend an.
»Der Hangar kann gefahrlos betreten werden«, ertönte eine sympathische Stimme aus den Akustikfeldern. Sie gehörte ADAM, dem Bordrechner des Schiffs. Er hatte die Flutung mit Atemluft überwacht.
Der Energieschirm vor Bughassidow löste sich auf. Er kniff die Augen zusammen, schaute durch die kleiner werdende Lücke der Hangarschotte ins All und versuchte, etwas Vertrautes zu erkennen. Das Funkeln der Sonne vielleicht, oder einen Schatten des Planeten Neptun, in dessen Bahn die KRUSENSTERN eine Parkposition zugewiesen bekommen hatte.
Aber bei einer Entfernung von gut viereinhalb Milliarden Kilometern war die Sonne optisch bloß ein kleiner, weit entfernter Stern. In direkter Nähe der KRUSENSTERN hatte ein Schlachtkreuzer der MARS-Klasse seine Position eingenommen. Von dort stammten die soeben eingetroffenen Raumlandesoldaten und Wissenschaftler. Im Licht der Außenscheinwerfer schimmerte die Oberfläche des Kampfraumschiffs in stumpfem Grau; die Hülle wirkte zerklüftet, weil sich eine Reihe von Waffensystemen auf die KRUSENSTERN richtete.
Viccor Bughassidow trat tiefer in den Hangar. Der TARA-X-T setzte in dessen Mitte auf, und die beiden Raumlandesoldaten, die ihm unmittelbar folgten, traten auf ihn zu. Sie hatten die Raumhelme mittlerweile geöffnet.
»Captain Freeman, Kompaniechef«, stellte sich der größere der beiden Offiziere vor. Trotz seiner zwei Meter und des Kampfanzuges wirkte er athletisch.
Gerade jung genug, um sich einen Bartstopper injizieren zu müssen, dachte Viccor. Freeman war höchstens dreißig Jahre alt. Vermutlich trieb er seine Karriere zielstrebig voran.
»Oberleutnant Parzinger, Staffelkommandeur«, sagte der andere. Er war noch um zwei, drei Jahre jünger. »Wir wurden avisiert.«
»Ich weiß«, sagte Bughassidow. »Wunschgemäß haben wir den Hangar für euch freigeräumt. Wir arbeiten in jeder Hinsicht mit euch zusammen.«
Du musst ihnen von Voyc Lutreccer und Meechyl berichten, dachte er. Und von Eyyo. Besser früher als später. Er schwieg jedoch, brachte kein Wort heraus.
»Hatte die KRUSENSTERN einen guten Flug?«, fragte Freeman unverbindlich. Es kam Bughassidow vollkommen deplatziert vor, er hatte keine Zeit für Smalltalk. Trotzdem spielte er mit.
»Das kann man nicht gerade behaupten.« Für die 31.500 Lichtjahre von Eyyo zum Solsystem veranschlagte man bei normaler Flugzeit knapp sechs Tage. Sie waren am 3. April gestartet, doch Hyperstürme hatten sie behindert und den Flug in die Länge gezogen.
»Tut mir leid, das zu hören«, sagte Freeman und klang dabei vollkommen desinteressiert.
Als die KRUSENSTERN das Solsystem erreicht hatte, hatte sie vor dem Kristallschirm stoppen müssen. Viccor Bughassidow hatte um ein Gespräch mit der Regierungsspitze gebeten und von großen Gefahren orakelt, über die er dringend sprechen müsse.
Das Gespräch war Bughassidow gewährt worden, allerdings nur unter stärksten Sicherheitsvorkehrungen. Um die zu garantieren, waren Freeman und Parzinger mitsamt ihren Begleitern an Bord gekommen.
Und der Horde TARAS.
Immerhin würde bald die Solare Premier ebenfalls an Bord kommen. Dass Cai Cheung mit ihm sprechen würde, lag daran, dass Bughassidow ein bekannter Mann war. Die Politikerin ging mit Sicherheit davon aus, dass er nicht grundlos kam und seine Informationen die Zeit wert waren, die sie investieren musste.
Bis zu ihrem Treffen durfte sich die KRUSENSTERN keinem Planeten nähern. Klare militärische Sicherheitsvorkehrungen.
Voyc Lutreccer und Meechyl!, dachte Bughassidow verzweifelt. Sie haben sich während des gesamten Fluges sehr zurückgezogen, sich quasi abgeschottet. Sie sind so unauffällig, dass man ihre Anwesenheit nicht eigens erwähnen muss. Aber du musst der Solaren Premier von ihnen berichten! Du musst!
Er schwieg erneut, und ein anderer Gedanke schlich sich an die Oberfläche. Was die Premier nicht weiß, macht sie nicht heiß ...
»Du hast etwas für uns?«, fragte Freeman.
»Ja.« Bughassidow winkte einen der Posbis heran, die ihn begleiteten. Er trug einen Hochsicherheitsbehälter aus verdichtetem Stahl, der zusätzlich von einem Energieschirm umgeben war.
»Parzinger?«, sagte Freeman.
Der Oberleutnant gab ein Zeichen, und einer der TARA-Roboter schwebte heran. Er erfasste den Behälter mit einem Traktorstrahl und bewegte sich, die wertvolle Fracht sicher im energetischen Griff, zu seiner ursprünglichen Position zurück.
»Was habt ihr mit dem Virus vor?«, fragte Bughassidow. »Wie wollt ihr mit der Probe verfahren?«
Der Hochsicherheitsbehälter enthielt Proben des Balpirol-Proteindirigenten, der als Verursacher der Posbi-Paranoia bekannt war. Bughassidow ging davon aus, der LFT mit der Überstellung des Virus einen beträchtlichen Dienst erwiesen zu haben. Vielleicht hätte sich Cai Cheung ohne diesen Trumpf im Ärmel gar nicht bereit erklärt, mit ihm zu sprechen.
Die Gäste an Bord der KRUSENSTERN, flüsterte es in Bughassidow. Die Anoree Meechyl und der Eyleshion Voyc Lutreccer. Weise die Raumsoldaten auf sie hin!
Wieder brachte er kein Wort über die Lippen. Er versuchte es, aber der lichte Schatten hinderte ihn daran.
Freeman musterte Bughassidow unschlüssig. Die Situation zog sich hin und wurde allmählich unangenehm.
Was ist hier los?, fragte sich Bughassidow. Ich komme mir nicht vor, als hätte ich meiner Regierung gerade einen beträchtlichen Dienst erwiesen, sondern als wolle meine Regierung ein feindliches Schiff entern. Meins. Wissen die nicht, wer ich bin?
Freeman sah ihn weiterhin nur an.
»Wir lassen die Probe überprüfen«, durchbrach Parzinger die Stille.
»Und wo?«
»Wir schicken den Behälter auf das Explorerschiff CLAUDIA CHABROL«, fuhr Parzinger fort. »Es ist hier im Solsystem stationiert.«
Bughassidow grub in seinem Gedächtnis. »Ein Schiff der NEPTUN-Klasse, oder?«
Der Oberleutnant nickte. »1500 Meter Durchmesser, eine hochspezialisierte Medo-Explorer-Einheit.«
»Führt Hector Jenner noch das Kommando?«
»Der Mediker? Der ist nach wie vor der Kommandant.«
»Ein guter Mann.«
»Du kennst ihn?«
»Ja.« Jenner war eine Koryphäe im Bereich psychotroper Chirurgie, der auf dem Gebiet der Heilung von Hirnverletzungen mithilfe von posbischem Plasma gearbeitet hatte. Zwei Jahre nachdem er eine ausrangierte Posbi-Box erworben und zu seiner Privatjacht umgebaut hatte, war er Jenner in Wien auf einer Tagung begegnet. »Wir haben vor Jahren ein paar Worte gewechselt.«
Jenner arbeitete mit einem Kybernetiker von Rang zusammen, Magnus Lunneberg. Die beiden waren wirklich die idealen Personen, um das Problem der Posbi-Paranoia zu untersuchen.
»Und deine Absichten?«, fragte Freeman geradeheraus.
Bughassidow lächelte. Die werde ich mit der Solaren Premier besprechen, aber ganz bestimmt nicht mit dir, dachte er. »Ich möchte der LFT einen Dienst erweisen.«
»Hütet euch vor den Trojanern, auch wenn sie Geschenke bringen«, sagte Freeman mit offensichtlicher Feindseligkeit.
»Danaer«, berichtigte Bughassidow nachsichtig.
»Bitte?«
»Das waren die Danaer, nicht die Trojaner.«
»Waren nicht beide dieser Stämme Griechen?«
»Schon«, sagte Bughassidow. »Eigentlich lautet das Zitat ›Traut nicht dem Pferde, Trojaner! Was immer es ist, ich fürchte die Danaer, auch wenn sie Geschenke tragen.‹ Das hat der Priester Laokoon in der Aeneis gesagt. Aber der Satz wurde tatsächlich zu ›Hüte dich vor Griechen mit Geschenken‹ verkürzt.«
»Waren die Trojaner nicht auch Griechen?«, wiederholte der Captain seine Frage.
»Möglich«. Bughassidow lenkte das Gespräch in andere Bahnen. »Ich möchte natürlich auch Europa einen Besuch abstatten.«
»Dem Kontinent auf Terra?«, fragte Parzinger.
»Dem Jupitermond. Ich besitze dort ...«
»Ausgedehnte Ländereien, so sagt man doch?«, fiel Freeman ihm ins Wort.
Bughassidow nickte. »Nun ja, nicht gerade Ländereien. Eine kleine Kaverne tief unter der Oberfläche.« Aber jetzt, wo Voyc Lutreccer und Meechyl bei mir sind ... Er vollendete den Gedanken nicht.
»Schön und gut.« Freeman reckte das Kinn vor. »Unsere Aufgabe ist, die KRUSENSTERN für den Besuch der Solaren Premier zu sichern und zu verhindern, dass das Posbi-Virus sich verbreiten kann. Mit deiner Erlaubnis werden wir kleine Sonden durch das Schiff schicken.«
»Insgesamt etwa 1,3 Millionen«, ergänzte Parzinger. »Falls hier etwas nicht mit rechten Dingen zugeht, werden sie es finden.«
»Wie kommt ihr darauf, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugeht?«
»Wie kommen wir darauf, Freeman?«, fragte Parzinger.
»Wir haben keine konkreten Anhaltspunkte, Parzinger«, erwiderte der Kompaniechef. »Wir wahren nur alle Gebote der Vorsicht. Die Sicherheit der Solaren Premier steht über allem.«
Es lebe die terranische Kompetenz!, dachte Bughassidow. »Die KRUSENSTERN ist viel zu groß, als dass die Sonden alle Räume durchsuchen könnten.«
»Das ist uns klar«, gestand Freeman ein. »Besonders gründlich werden sie die nähere Umgebung des Hangars absuchen, Zentimeter für Zentimeter, um einen gesicherten Perimeter zu etablieren. Dann werden sie ausschwärmen und sich stichprobenartig das Schiff vornehmen, immer dein Einverständnis vorausgesetzt.«
Und wenn sie meine Gäste finden?, fragte sich Bughassidow. Seine Gedanken oszillierten zwischen Hoffnung und Furcht. Nein, das ist eigentlich unmöglich ... Aber man weiß ja nie.
»Wie ich schon sagte ... das habt ihr.«
»Danke«, sagte Freeman. »Dann werden wir auf dem Beibootdeck jetzt einen sicheren Raum herstellen. Wir werden dich benachrichtigen, sobald Cai Cheung eingetroffen ist.«
*
Cai Cheung war sportlich und schlank, eine fast hagere Frau mit dunklem, widerspenstigem Haar. Sie sah umwerfend aus, wirkte 20 Jahre jünger als die Anfang 50, die sie war.
Bughassidow erinnerte sich an das Gerücht, sie würde sich genkosmetisch behandeln lassen. Er wusste nicht, wer es in die Welt gesetzt hatte, wäre aufgrund ihres Aussehens aber nicht überrascht, falls es zuträfe.
»Du hast um ein Gespräch ersucht.« Lächelnd reichte sie Viccor Bughassidow die Hand und nahm auf der Sesseleinheit einer Sitzlandschaft Platz. Einladend wies sie auf ein Polster ihr gegenüber.
Bughassidow ließ sich weder von dem gemütlichen Ambiente noch von der Jovialität täuschen, die die Solare Premier ausstrahlte. Er hatte nur durch die eigens geschaltete Strukturschleuse im Schutzschirm diesen Raum betreten können.
»Ich habe Informationen für dich.«
»Hat man mir gesagt. Aber trotzdem ... würde ich dich nicht so gut kennen, hätte ich diesem Gespräch niemals zugestimmt, ohne sie zuvor überprüfen zu lassen.«
Er lächelte. Dich so gut kennen war eine Umschreibung für über deinen Ruf und deinen Reichtum Bescheid wissen.
»Es geht um weitere Details zur Posbi-Paranoia.«
»Ich höre. Du weißt, dass unser Gespräch aufgezeichnet wird?«
Bughassidow nickte. Er holte tief Luft und berichtete, was er über die Posbi-Paranoia erfahren hatte, über die Ereignisse auf Everblack, die von den Posbis kontrollierte Quarantäne, die Verbindung zu den Tefrodern.
Da ist noch etwas, das ich berichten müsste, dachte er. Die Eyleshioni ...
Aber er erwähnte sie nicht.
Er konnte sie nicht erwähnen.
Cai Cheung lehnte sich zurück und spielte geistesabwesend mit einer Locke ihres langen, dunklen Haars. »Ein Teil dieser Informationen ist mir bereits bekannt. Zum Beispiel die Einzelheiten zu den Balpirol-Proteindirigenten, die du mir bereits berichtet hast. Dass die Besatzung der KRUSENSTERN ein Komplott aufgedeckt hat, bei dem Vetris-Molaud die Posbis von Everblack mit den Balpirol-Proteindirigenten infiziert hat.
Dass die Posbis in der Folge paranoid geworden sind, den Terranern misstrauten, sie mittlerweile nahezu hassen und in Vetris-Molaud ihren Erlöser sehen. Weshalb also hast du wirklich um dieses Gespräch gebeten?«
»Ertappt«, sagte Bughassidow mit, wie er hoffte, entwaffnender Ehrlichkeit. »In erster Linie aus eigennützigen Gründen, die allerdings auch sehr wichtig für die LFT werden könnten. Ich habe auf ... auf ...«
Cai Cheung musterte ihn erwartungsvoll.
Auf Eyyo, wollte er sagen, doch der lichte Schatten verhinderte es rigoros. »... auf der Dunkelwelt ernst zu nehmende Hinweise auf Medusa gefunden. Hinweise, die mich wieder in die Bughassidow-Kaverne auf Europa führen. Deshalb bin ich hier.«
Er atmete tief durch. Mit Dunkelwelt musste Cai Cheung Everblack assoziieren, obwohl er eigentlich Eyyo gemeint hatte. Aber es war ihm schon schwer genug gefallen, überhaupt das Wort auszusprechen. Die Solare Premier hatte es bemerkt und war misstrauisch geworden.
Bughassidow wurde schwindlig. Er spürte, wie sein Herzschlag sich beschleunigte. Äußerlich war ihm nichts anzumerken, aber in seinem Kopf sah es anders aus. Er kannte die Symptome, versuchte nicht zum ersten Mal, sich selbst zur äußersten Erschöpfung zu treiben.
Erhöhter Puls, Herzrasen, wahrscheinlich, wenn er es auf die Spitze treiben würde, Exitus. Er würde einfach tot umfallen. Nein, so kann ich meine Umgebung nicht auf den Modulator aufmerksam machen.
»Hinweise, über die du dich nicht näher auslassen willst«, sagte die Solare Premier.
Sie hat keinen Verdacht geschöpft! Bughassidows Herzschlag verlangsamte sich wieder. »Nein. Jedenfalls noch nicht.«
»Die Lage in der Milchstraße spitzt sich zusehends zu. Die Galaxis ist weiterhin durch das Atopische Tribunal besetzt. Die Herrschaft der Onryonen schnürt uns ein. Und wir haben ein unglaubliches Phänomen entdeckt: einen Riss im Raum-Zeit-Kontinuum, der sich über vierzehntausend Lichtjahre durch die Galaxis zieht. Durch ihn sind hochtechnisierte Fremdwesen in die Milchstraße gelangt, wahrscheinlich aus tiefster Vergangenheit.«
Bughassidow tat, als würde er aufhorchen. »Angreifer?«
»Sie nennen sich Tiuphoren und zeigen extrem aggressive Neigungen.«
Ich weiß!, dachte er müde. Sie sind da. Das haben mir die Eyleshioni längst verraten. Und sie haben panische Angst vor ihnen. Dennoch täuschte er Überraschung und Interesse vor, um die Solare Premier nicht misstrauisch zu machen. »Hast du weitere Informationen über diese Tiuphoren?«
Die Tiuphoren waren der Grund, wieso die Eyleshioni ihr ausgeklügeltes Versteckspiel betrieben, die Gefahr, vor der sie sich so verzweifelt zu verbergen suchten.
Nachdem Cheung ihm einen kurzen Bericht geliefert hatte, schien sich ein eiserner Schraubstock um Bughassidows Herz zu legen. Die Premier wusste nicht einmal ansatzweise, was für eine Gefahr sie darstellten.
»Vielleicht«, sagte er leise, »kann ich auch über diese Bedrohung etwas in Erfahrung bringen, das dir sehr nützlich sein wird.«
Cai Cheung musterte ihn eindringlich. Sekundenlang. Er fragte sich, welche Gedanken ihr durch den Kopf gingen.
»Das ist absurd«, sagte sie schließlich. »Wir treffen uns zu einem Gespräch, bei dem du mir unter der Vorspiegelung falscher Tatsachen kaum neue Informationen lieferst und mich bittest, deine Kaverne auf Europa aufsuchen zu dürfen.« Sie erhob sich. »Meine Zeit ist begrenzt.«
Er schwieg.
»Was willst du also wirklich?«
»Ich will lediglich der Liga Freier Terraner helfen.« Er kokettierte gern mit seiner Bescheidenheit. Du würdest nicht mit mir sprechen, wäre ich kein Multimilliardär, der Erbe einer Kaufmannsdynastie. Ich unterstütze mit meinem Vermögen zahlreiche wissenschaftliche Projekte. Meine Suche nach Medusa, einem angeblich ehemaligen Planeten des Solsystems, der es vor langer Zeit verlassen haben und als Dunkelwelt durch die Milchstraße fliegen soll, mag dir zwar als haltlose Spinnerei vorkommen, aber wir leben in Zeiten, in denen die LFT selbst auf die haltloseste Spinnerei setzen muss, will sie sich irgendwie behaupten. Nur deshalb sprichst du mit mir. Weil ich reich und vielleicht nützlich bin.
»Also schön«, sagte Cai Cheung schließlich. »Wir können im Augenblick wirklich jede Hilfe brauchen, mag sie noch so an den Haaren herbeigezogen anmuten.«
So ehrlich ist sie wenigstens.
»Ich erlaube dir trotz der Gefahr, dass du das Posbi-Virus verbreiten könntest, zum Jupitermond zu fliegen.«
»Ich danke dir«, sagte Bughassidow.
»Allerdings möchte ich dich dabei unterstützen«, fuhr die Solare Premier fort.
»Unterstützen?«
»Genau«, bekräftigte sie. »Weil wir uns ... so gut kennen, biete ich dir an, eine Raumlandeeinheit an Bord zu schicken. Ich habe schon alles vorbereiten lassen. Geführt wird sie von Captain Freeman und Oberleutnant Parzinger.«
»Sehr großzügig«, sagte Bughassidow. Du willst mich und die KRUSENSTERN unter Kontrolle halten! »Und eine außerordentlich charmante Weise, das Schiff zu kapern.«
»Kapern?« Cai Cheung lächelte entwaffnend. »Du musst ja nicht zustimmen.«
»Was bedeuten würde ...?«
»... dass du das Solsystem ungehindert und unverzüglich verlassen dürftest.«
Das konnte und wollte Bughassidow nicht. Seine Gedanken rasten, doch ihm fiel keine absolut sichere Lösung ein.
Akzeptiere!, stieg ein überwältigender Drang in ihm empor. Wir müssen unbedingt in die Kaverne auf Europa!
Es ist zu gefährlich! Zu viele Personen wussten von der Anwesenheit seiner Gäste an Bord der KRUSENSTERN. Als sie den Raumer der Cheborparner verlassen hatten, waren für alle sichtbar vier Personen gut hundert Meter weit zur KRUSENSTERN geschwebt. Zumindest die Zentralebesatzung hatte sie gesehen.
Doch der lichte Schatten ließ ihm keine Wahl. »Also gut«, fasste Bughassidow dessen Gedanken in Worte. »Aber ich muss darauf bestehen, dass es zu keinem Kontakt zwischen dem Raumbataillon und der Besatzung kommt. Zumindest nicht zu den höheren Rängen.« Er lächelte schwach. »Du verstehst. Mein Stolz. Ich muss meine Ehre als Eigner wahren.«
Die Besatzung stand meist treu hinter ihm und würde seine Entscheidungen nicht kritisieren.
»Ich verstehe«, antwortete die Premier. »Dein Stolz. Oder deine Geschäftsgeheimnisse. Du bist freier Unternehmer und willst sicher die meisten deiner Geheimnisse für dich behalten.«
Bughassidows Lächeln wurde breiter. Umso besser, wenn sie das als wahren Grund meiner Bitte vermutet.
»Ein Kontakt erscheint mir nicht zwingend notwendig. Ich werde die entsprechende Anweisung erteilen.«
»Danke«, sagte der Mann, der russische Wurzeln hatte, aber vom Kolonialplaneten Rhea stammte, wie schon Generationen seiner Familie vor ihm. »In diesem Fall bin ich für jede Unterstützung dankbar und werde Freeman, Parzinger und deren Team an Bord der KRUSENSTERN willkommen heißen.«
»Dann ist alles klar.« Cai Cheung ging zu einer Strukturlücke, das Gespräch war beendet. »Du wirst mich selbstredend über alle neuen Entwicklungen auf dem Laufenden halten?«
»Selbstredend.« Bughassidow folgte ihr. Eyyo!, wollte er rufen, doch er konnte es nicht.
*
Zwanzig Minuten später kam die Verstärkung an Bord.
Freeman und Parzinger gingen nicht das geringste Risiko ein.
Die Raumlandeeinheit bestand aus einer Hundertschaft Raumlandesoldaten und ihren TARA-VIII-UH-Kampfroboter. Die Menschen und Maschinen bildeten jeweils Zweierteams. Hinzu kam ein fünfköpfiger Stab als Kommandoeinheit.
Fahrzeuge gehörten ebenfalls zur Einheit: zehn LUPUS-Shifts und zehn CYGNUS-Kampfgleiter.
Hinzu kam ein weiterer TARA-X-T.
Jetzt haben wir schon zwei an Bord, dachte Bughassidow mit einem mulmigen Gefühl, während er den Aufmarsch regungslos betrachtete. Dreißig TARA-IX-INSIDE und diverse andere Roboter folgten.
Das ist nicht mehr und nicht weniger als eine Übernahme. Ihm war völlig klar, was gespielt wurde. Cai Cheung kannte ihn zwar, vertraute ihm aber nicht mal so weit, wie sie ihn sah.
»Egal«, murmelte er auf seinem Aussichtspunkt hoch über dem Hangar. »Ich muss damit klarkommen und die neue Entwicklung in meinen Plänen berücksichtigen.«
Nur wusste er nicht, welche Pläne er hatte.
Er musste nach Europa, das war klar. Er wollte auch dorthin, weil er dort endlich das Geheimnis der Dunkelwelt enträtseln konnte, das ihn seit Jahren beschäftigte.
Aber nicht unter diesen Umständen. Nicht mit seinen Gästen an Bord und dem lichten Schatten in seinem Kopf, der sein Denken beeinflusste.
Irgendwie musste es ihm gelingen, jemanden auf seine Situation aufmerksam zu machen.
Mit starrer Miene beobachtete er den weiteren Aufmarsch. Die Einheit der Raumlandesoldaten hielt sich weitgehend in dem von ihr eingerichteten Hochsicherheitstrakt auf dem Beibootdeck auf. Bughassidow entdeckte Anzeichen dafür, dass sie das Deck nach allen Regeln der Kunst und gegen alle denkbaren Eventualitäten sicherten. Falls nötig, würden die Soldaten es aus der KRUSENSTERN sprengen.
Ein mobiler Brückenkopf in einem Schiff, das potenziell feindlich ist, dachte er. Aber welche Wahl hatte er? Er musste nach Europa.
Nur Freeman und Parzinger begaben sich ab und an nach draußen, verließen den Hangar, mal der eine, mal der andere.
Willkommen an Bord, dachte Bughassidow ironisch. Ich hoffe, ihr alle fühlt euch wohl hier.
Marian Yonder
26. April 1518 NGZ
Marian Yonder beobachtete auf dem Holo, wie Viccor Bughassidow den »sicheren Raum« auf dem Hangardeck verließ und sich auf den Rückweg zu seinem Quartier machte. Oder an einen anderen, ihm nicht bekannten Ort. Bughassidow entzog sich ihm und der Besatzung immer mehr.
In den Besprechungsraum hatte er nicht blicken können. Er war zu gut abgeschirmt. Die Leute der Solaren Premier hatten ganze Arbeit geleistet.
Der Kommandant der KRUSENSTERN ließ den Blick durch die funktional gehaltene Zentrale schweifen. Sie befand sich keineswegs im Zentrum des elftausend Jahre alten Fragmentraumers, sondern an ihrer Oberseite, unterhalb des Kreml in der Mitte eines fünfzig Meter durchmessenden, notfalls als Rettungsboot nutzbaren und überlicht-flugfähigen Kugelraumers.
»Ist der Aufenthaltsort von Jatin bekannt?«, fragte er.