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Die Herrscherin von Olymp in geheimer Mission - auf der Spur eines unglaublichen Phänomens Auf der Erde schreibt man das Jahr 1518 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ). Die Menschen haben mit der Liga Freier Terraner ein großes Sternenreich in der Milchstraße errichtet; sie leben in Frieden mit den meisten bekannten Zivilisationen. Doch wirklich frei ist niemand. Die Milchstraße wird vom Atopischen Tribunal kontrolliert. Dessen Vertreter behaupten, nur seine Herrschaft verhindere den Untergang - den Weltenbrand - der gesamten Galaxis. Einer der eifrigsten Anhänger des Tribunals ist der Tefroder Vetris-Molaud, der Herrscher über die tefrodische Enklave. Er will die Gelegenheit nutzen, um ein Großreich der Menschen zu schaffen, das über zwei Galaxien reicht. Er trifft mit dem Atopischen Tribunal an seiner Seite in der Galaxis auf wenig Widerstand. Doch nicht jeder geht seinen Versprechungen auf den Leim. Diesmal sind es DER HOFNARR UND DIE KAISERIN ...
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Seitenzahl: 161
Veröffentlichungsjahr: 2015
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Nr. 2837
Der Hofnarr und die Kaiserin
Die Herrscherin von Olymp in geheimer Mission – auf der Spur eines unglaublichen Phänomens
Uwe Anton
Auf der Erde schreibt man das Jahr 1518 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ). Die Menschen haben mit der Liga Freier Terraner ein großes Sternenreich in der Milchstraße errichtet; sie leben in Frieden mit den meisten bekannten Zivilisationen.
Doch wirklich frei ist niemand. Die Milchstraße wird vom Atopischen Tribunal kontrolliert. Dessen Vertreter behaupten, nur seine Herrschaft verhindere den Untergang – den Weltenbrand – der gesamten Galaxis.
Einer der eifrigsten Anhänger des Tribunals ist der Tefroder Vetris-Molaud, der Herrscher über die tefrodische Enklave. Er will die Gelegenheit nutzen, um ein Großreich der Menschen zu schaffen, das über zwei Galaxien reicht. Er trifft mit dem Atopischen Tribunal an seiner Seite in der Galaxis auf wenig Widerstand. Doch nicht jeder geht seinen Versprechungen auf den Leim. Diesmal sind es DER HOFNARR UND DIE KAISERIN ...
Vetris-Molaud – Der Tefroder will Olymp in sein Reich integrieren.
Arun Joschannan – Das Regierungsoberhaupt der Liga Freier Terraner will verhindern, dass Olymp an die Tefroder fällt.
Indrè Capablanca – Die Kaiserin von Olymp ist bereit, auf eine gefährliche Mission zu gehen.
Keykil Fektenór – Die Journalistin wagt alles für eine gute Reportage.
Niemandgram Toposhyn
Trade City, Olymp
4. Mai 1518 NGZ
Vetris-Molaud kommt! Vetris-Molaud kommt!
Keykil Fektenór lächelte hintersinnig. Der Äther vibrierte geradezu vor der Aufregung, die mit dem Besuch des Maghan einherging, und daran war sie nicht ganz unschuldig. Der Trividsender Augenklar hatte sich schon immer darauf verstanden, Ereignisse von bescheidener Bedeutung so aufzubauschen, dass das Publikum ganz versessen darauf war, mehr über sie zu erfahren. Der neue Intendant hatte diese uralte Technik zur Kunstform erhoben.
Zuschauerbindung nannte man das. Ein uralter Hut, aber heutzutage genauso wichtig wie vor tausend Jahren. Augenklar hatte den Dreh raus.
Keykil warf einen Blick auf die Datenholos in der mobilen Sendezentrale, einem großen Lastengleiter, den die hiesige Niederlassung gemietet und umgerüstet hatte. Die planetaren Quoten waren in Ordnung. Augenklar erreichte mit seinem Programm 36 Prozent aller Zuschauer. Den Rest teilten sich HFS, NBOK, RG und die anderen. Nicht umwerfend, aber immerhin. 40 Prozent wären besser gewesen, über 50 optimal.
»Können wir näher heran?«, fragte sie den Piloten, einen Olymper in Diensten von Augenklar, dessen Namen sie vergessen hatte.
»Nur, wenn wir den uns zugewiesenen Luftkorridor verlassen.« Der Pilot sah sie fragend an. »Darüber wird Jerendow nicht begeistert sein.«
Jerendow war ihr Chef, der Leiter der Augenklar-Niederlassung auf Olymp. Von Extratouren hielt er nicht viel, vor allem, wenn sie eindeutig gegen gesetzliche Vorschriften verstießen.
Und falls man bei ihnen erwischt wurde. Was bei einer Verletzung des Luftraums zwangsläufig der Fall wäre.
»Dann hol das Beste aus den Geräten raus.« Der Gleiter kreiste in der erlaubten Maximalhöhe in einer weiten Bahn um den Raumhafen von Trade City, genau wie Dutzende weiterer Fahrzeuge, die die Konkurrenz nutzte. Jeder wollte die ersten Bilder von der Landung der VOHRATA zeigen, dem 2000-Meter-Raumer der NEBERU-Klasse, mit dem Vetris-Molaud den Planeten besuchte. »Wie lange noch?«
»Zwei, drei Minuten, dann erfassen wir die VOHRATA visuell.«
»Und wieso hat Albion3D schon Bilder?« Keykil Fektenór vergrößerte das Holoprogramm des Infotainmentsenders und schnaubte im nächsten Moment verächtlich.
Archivaufnahmen. Albion3D verhöhnte seine Zuschauer, versuchte, sie vorab an sein Programm zu binden, indem er ihnen alte Konserven zeigte.
Keykil justierte den Ton höher.
»Was für ein Schiff!«, dröhnte die sonore Stimme des Sprechers durch den Innenraum des Gleiters. »Raumer der NEBERU-Klasse entsprechen von den Leistungsdaten in etwa jenen, die in der LFT als SATURN-Klasse bekannt sind. Eine maximale Beschleunigung von 240 Kilometern pro Sekundenquadrat, ein Überlichtantrieb, der über zehn Kompensationskonverter verfügt, mit einem maximalen Überlichtfaktor von 2,4 Millionen und einer maximalen Etappenweite von tausend Lichtjahren, wobei die Reichweite eines Kompensationskonverters 50.000 Lichtjahre beträgt.«
»Einfallslos und langweilig«, murmelte Keykil verächtlich. »Da macht es sich jemand sehr einfach und rasselt Dinge herunter, die für jeden öffentlich zugänglich sind.« Hier legte Albion wohl zu viel Wert auf Infos und zu wenig auf Entertainment.
»Die VOHRATA hat eine Gesamtreichweite von 500.000 Lichtjahren, kann die Milchstraße also viermal durchqueren, ohne die Konverter austauschen zu müssen«, fuhr der Kommentator fort. »Zur Defensivausstattung dieses Raumgiganten gehört selbstverständlich auch ein Paratronschirm. Mit seiner Bewaffnung von zehn MVH-Sublicht-Geschützen, zwanzig Impulsstrahlern, vierzig MVH-Überlicht-Geschützen, dreißig stark verbesserten Gegenpol-Kanonen, zehn Konverterkanonen und zwei Paratronwerfern wäre es sogar ein echter Gegner für einen terranischen SATURN-Raumer. Nur den Ultraschlachtschiffen der JUPITER-Klasse ist sie doch noch unterlegen.«
»Dummes Geschwätz.« Keykil tätschelte Laplace und wollte den Ton wieder auf stumm schalten, als der Kollege doch noch die Kurve kriegte. Aber jetzt setzte er weniger auf Entertainment als auf Analyse.
»Warum besucht Vetris-Molaud unser schönes Olymp ausgerechnet mit seinem Flaggschiff?«, fragte er seine Zuschauer. »Natürlich ist das Neue Tamanium mittlerweile eine galaktische Macht, mit der man rechnen muss. Aber ist es nötig, ausgerechnet mit einem Kampfraumer zu einem offiziellen Termin auf Olymp zu erscheinen?«
Laplace summte leise, und die Ferronin verdrehte die Augen und schaltete Albion wieder stumm. Sie spürte, wie sich Wasser in ihrem Mund sammelte. Nicht, weil sie Hunger hatte. Sie geriet allmählich ins Schwitzen, und im Unterschied zu anderen Lemuriden schieden Ferronen die Flüssigkeit nicht über die Hautporen aus. Sie regulierten ihre Körpertemperatur über eine erhöhte Speichelbildung.
Wobei es nichts gebracht hätte, den salzigen Speichel auszuspucken. Sie hätte ihn weghecheln müssen wie ein Hund, damit ein Kühleffekt eintrat.
»Noch anderthalb Minuten«, sagte der Pilot. »Maximal.«
»Mal sehen, was Mercator so macht.« Keykil schaltete Augenklar lauter. Mercator war einer ihrer Mitarbeiter, der für die Aufarbeitung des Stoffes verantwortlich war, bevor Vetris-Molaud zum ersten Mal ins Bild kam. Diesen Höhepunkt der Vorberichterstattung hatte Keykil sich selbst vorbehalten.
»Noch vier Wochen bis zur Volksabstimmung im Olymp-Komplex über eine Mitgliedschaft im Neuen Tamanium!«, drang Mercators Stimme durch den Raum. »Im Namen von Vetris-Molaud hat Gillam Quentecca, der tefrodische Botschafter auf Olymp, dem Olymp-Komplex und dem Kaiserpaar Martynas Deborin-Argyris und Indrè Capablanca das Angebot unterbreitet, dem Neuen Tamanium beizutreten. Die Rangaufwertung des Kaiserlichen Paares zu Tamräten ist Teil des Angebots. Der Kaiser hat zugesagt, das Angebot wohlwollend zu prüfen.«
Keykil verzog leicht das Gesicht. Dieser Endlosschleifen-Text war auch nicht das Gelbe vom Ei und kaute nur wieder, was längst bekannt war. Andererseits ... wie sonst wollte man die Wartezeit bis zu den ersten Livebildern überbrücken? Da gab es keine ideale Lösung.
»Argyris Martynas Deborin hat zugestimmt, dass sowohl die Liga als auch das Tamanium öffentlich für ihre jeweilige Sache werben dürfen. Für den 1. Juni 1518 NGZ ist eine Volksabstimmung im gesamten Olymp-Komplex vorgesehen, auf sämtlichen 38 Planeten in 32 Sonnensystemen, bei der die Entscheidung über die Zukunft unserer Heimat fallen wird ...«
Die Ferronin seufzte leise. Besonders mitreißend war diese Wiederholung bekannter Tatsachen nicht. Vielleicht hatte Albion3D es mit seiner sehr konservativen Annäherungsweise doch nicht so falsch gemacht. Keykil zog das Albion-Holo wieder hoch.
Der Konkurrenzsender zeigte gerade das dreidimensionale Bild eines großen, ruhig und gelassen wirkenden Tefroders mit weißem Haar und weißem Vollbart. Er wirkte unwillkürlich vertraueneinflößend.
»Kommandant der VOHRATA ist Hataio Talphagar«, fuhr der Sprecher fort, »ein sehr erfahrener Mann, der sprichwörtliche Fels in der Brandung. Inwiefern die Wahl des Kommandanten Einfluss auf Vetris-Molauds Mission hat, bleibt im Augenblick Thema zahlreicher Spekulationen ...«
»Unsinn.« Keykil schüttelte den Kopf. Das kam davon, wenn man sich den Anschein einer objektiven Berichterstattung geben wollte, aber nichts hatte, was es zu berichten gab. Da konnte man heiße Luft nur noch einmal aufwärmen.
»Da ist sie!«, sagte der Pilot und rief Holos auf.
Keykil Fektenór betrachtete die dreidimensionalen Darstellungen eindringlich und schüttelte den Kopf. Sie wusste, warum sie von einer direkten Berichterstattung abgesehen hatte. Diese Vorgeschichten waren allesamt ebenso langweilig wie die Holos, die der Pilot nun einblendete.
Da landete ein Raumschiff.
Zugegeben, ein ziemlich großes, beeindruckendes Raumschiff.
Aber trotzdem ... Tolle Sache!, dachte Keykil.
Eine vernünftige Geschichte konnte man daraus nicht machen. Keine Wolken, die von dem Schiff aufgewirbelt wurden, keine atmosphärischen Störungen, die sich gut darstellen ließen. Keinerlei Zwischenfälle in der Atmosphäre, rein gar nichts. Der Raumhafen hatte alles unter Kontrolle.
Also gab es keine Bilder, die sich von denen der Konkurrenz abhoben.
Das war Keykil von vornherein klar gewesen. Gleichmütig beobachtete sie in der Nahortung, wie die VOHRATA sich langsam auf den Planeten hinabsenkte. Sie war die Programmkoordinatorin für den Besuch des Maghan und für die gesamte Berichterstattung verantwortlich. Sie würde ein paar Worte sprechen, wenn Bilder von dem Schiff vorlagen, dann an ihre Kollegen abgeben und sich wieder auf ihre eigentliche Aufgabe konzentrieren.
Sie ging mit einem besonderen Ansatz an solche Aufträge heran: Ihr journalistisches Wasserzeichen war, dass sie bei Großereignissen die Hauptpersonen zu Randerscheinungen degradierte und stattdessen Nebenfiguren in den Mittelpunkt rückte. Das kam bei den Zuschauern immer gut an. Lebensgeschichten und Einzelschicksale verkauften sich besser als die große galaktische Geschichte, die viel zu wenig personal interest bot.
Sie wusste schon seit der Ankündigung von Vetris-Molauds Besuch, welche Randfigur es diesmal sein würde.
Der Hofnarr Niemandgram Toposhyn.
Eine schillernde Gestalt mit großem Potenzial; der öffentlichkeitsbesoffene Clown des Kaiserpaars, der sich eine kleine Auszeit gegönnt hatte und in den vergangenen Tagen durch die bekannten Talkshows der olympischen Trividsender getingelt war, um seine Rückkehr anzukündigen. Bei diesem Staatsbesuch wollte er einen großen Auftritt aufs Parkett legen, der ihn in die Erinnerung der Bürger zurückrufen würde.
Ihm galt Keykils eigentliches Interesse, doch sie wusste noch nicht, wie sie an ihn herankommen sollte.
Allerdings war sie zuversichtlich, dass sie das schaffen würde. Bislang hatte sie es immer geschafft.
»Keykil«, meldete sich der Pilot. »Da stimmt etwas nicht. Ich empfange einen weiteren Ortungsimpuls. Ein weiteres Schiff trifft ein, kaum kleiner als die VOHRATA. Und es legt einen ... gewaltigen Landeanflug hin!«
Die Ferronin schaute hoch zu den Datenholos, die der Pilot aufgerufen hatte. In der Tat, da war ein zweites Signal, und im nächsten Moment bildete sich das Symbol, das für ein nicht identifiziertes Schiff stand.
»Details!«, sagte sie.
»Das Schiff sendet eine Kennung, aber auf einer gesperrten Frequenz. Ich kann sie nicht empfangen. Warte, die Positronik erfasst weitere Daten. Der Raumer ist größer als die VOHRATA. Ein 2500-Meter-Raumer der JUPITER-Klasse ...«
Das Holo spielte automatisch Daten ein. Gesamtbesatzung 10.000 Personen, Durchmesser 2500 Meter, mit Ringwulst 3000.
Plötzlich wusste Keykil, was das für ein Schiff war. »Verdammt! Bleib dran! Halt das Schiff in der Ortung!«
Damit hatte sie ihre Story!
Auch die Liga Freier Terraner war eingeladen worden, für ihre Sache zu werben. Die LFT hatte in einer kurzen Pressemitteilung bekannt gegeben, dass der LFT-Resident Arun Joschannan persönlich nach Olymp kommen würde, um zur Bevölkerung des Olymp-Komplexes zu sprechen. Aber seine Ankunft war erst für den kommenden Tag avisiert.
»Schalt mich auf Sendung!«, sagte sie. »Mach schnell! Unterbrich unsere laufende Berichterstattung! Du hast den Überrangkode?«
Der Pilot nickte verwirrt.
Auch wenn die offizielle Bestätigung ausstand, dieses Schiff musste die MAURENZI CURTIZ sein! Darauf hätte sie ihre gesamte Berufserfahrung verwettet, mit der sie es von einer kleinen Reporterin bis zur Programmkoordinatorin gebracht hatte.
Während Keykil darauf wartete, dass der Pilot endlich die Funkverbindungen freibekam, zappte sie schnell durch die Holos der direkten Konkurrenten. HFS, das Hyperforum Sol, NBOK, die Nachrichtenbörse Olymp-Komplex, RG, Reuters Galactic, ATBC, die altehrwürdige All-Terranian Broadcasting Company. Aber auch diverse andere Sender berichteten über den Staatsbesuch auf Olymp. Terra Network Trivid, First Terrestrian Networks, der Info-Orbit, Terra Wahr & Wesentlich, umgangssprachlich auch »Rundum-Trivid« genannt, und dessen direkte Konkurrenz TTC-Trivid ... Kein einziges Unternehmen hatte die MAURENZI CURTIZ auf dem Schirm – oder in den Holo-News.
Da hatte sie wieder mal das richtige Näschen gehabt!
»Nun mach schon!«, sagte sie ungeduldig. »Wann gehe ich auf Sendung?«
Es kam auf Sekunden an. Sie musste sich weit aus dem Fenster lehnen, wenn der Sender Augenklar die Quoten steigern wollte.
»Fünfzehn Sekunden«, antwortete der Pilot.
»Liegt eine Bestätigung vor?«
»Es ist tatsächlich die CURTIZ!«
Die Ferronin drückte auf ihr Armbandkom. »Ich übernehme«, sagte sie. »Zehn, neun, acht ...«
Sie rief sämtliche Augenklar-Holos auf. Jetzt darf nichts schiefgehen!
Das Logo von Augenklar leuchtete auf, und dann sah sie sich selbst, erfasst von den Kameras, die im Gleiter installiert worden waren.
»Hier sind die Blitznews von Augenklar«, sagte sie laut und deutlich, als müsste sie gegen die Stimmen der Konkurrenz ankämpfen. »Es spricht eure Programmkoordinatorin Keykil Fektenór. Noch ist Tamaron Vetris-Molaud nicht auf Olymp gelandet, da stiehlt Arun Joschannan ihm schon die Show. Der Resident der LFT hatte sich erst für wesentlich später angekündigt, doch soeben geht die MAURENZI CURTIZ, das repräsentative Flaggschiff der Liga Freier Terraner, in den Landeanflug.«
Sie schluckte unmerklich, doch die richtige Formulierung fiel ihr in Sekundenbruchteilen ein. Das war ihre Stärke. Sie konnte improvisieren. »Noch steht die Bestätigung aus, doch wir können davon ausgehen, dass sich der LFT-Resident an Bord befindet.«
Ihr Bild wurde kurzzeitig von einem Holo Arun Joschannans ersetzt. Während sie weitersprach, überflog sie die eingeblendeten Daten. Geboren am 28. Februar 1408 NGZ auf Godiun. 110 Jahre alt ...
»Mit seiner vorzeitigen Ankunft bringt Resident Joschannan nicht nur den tefrodischen Tamaron in Zugzwang, sondern auch das Kaiserpaar von Olymp. Maghan Vetris-Molaud, wie die Tefroder ihn ansprechen, ist nach Olymp gekommen, um von Trade City aus zu den Olympern zu sprechen. Aber wir können davon ausgehen, dass die LFT den Tefrodern nicht kampflos die Rednerbühne überlassen wird. Mit Joschannans Ankunft tritt die Propagandaschlacht um die Zukunft des Olymp-Komplexes in eine neue Phase ein.«
Propagandaschlacht, das war genau der richtige Ausdruck. Schön martialisch. So etwas wollten die Zuschauer hören.
Keykil warf einen Blick auf die Holoprogramme der anderen Sender. Noch immer hatte keiner der Konkurrenten die MAURENZI CURTIZ oder den LFT-Residenten auch nur erwähnt. Das hieß, das in diesem Augenblick die Quoten steil in die Höhe schossen. Die fünfzig Prozent lagen greifbar nah.
Das sind die Neuigkeiten, die die Zuschauer von uns erwarteten!, dachte Keykil Fektenór zufrieden.
»Die vorzeitige Ankunft des Residenten wirft zahlreiche neue Fragen auf«, fuhr sie fort. »Wie reagiert das Kaiserpaar nun? Vorgesehen war, dass die beiden Staatsgäste nacheinander offiziell empfangen werden, doch nachdem Arun Joschannan vollendete Tatsachen geschaffen hat, wird das Protokoll vielleicht geändert werden. Nun ja, Kaiser und Kaiserin haben noch nie großen Wert auf Protokolle gelegt ...«
Keykil lächelte schwach. »Wir zeigen nun erste Livebilder von der Landung der VOHRATA und der MAURENZI CURTIZ. Bleibt dran. Jetzt nur ein Spot ...«
Ihr Bild wurde von einem Holo ersetzt, das den Himmel über Trade City zeigte. Ihre Kollegen in der Sendezentrale hatten mitgedacht und die Aufnahmen des Gleiters maximal vergrößert. Da war ein kleiner Punkt zu sehen, bei dem es sich um das tefrodische Flaggschiff handeln musste.
Der Punkt wurde schnell größer.
Es war die VOHRATA.
Und die anderen Sender hatten die MAURENZI CURTIZ noch immer nicht in der Berichterstattung.
Sie warf einen Blick auf die Einblendung der Quoten.
Ihr Lächeln wurde breiter.
49,4 Prozent. Das näherte sich dem Idealwert.
Arun Joschannan hatte mit seiner überraschenden Ankunft das Interesse auf sich gezogen. Dieser Punkt ging eindeutig an ihn.
Und an Augenklar.
Trade City
Der Pressebereich am Raumhafen war überfüllt. Anders konnte man es nicht ausdrücken. Die Reporter drängten sich dicht an dicht. An ein vernünftiges Arbeiten war nicht zu denken.
Keykil Fektenór streichelte noch einmal über Laplace' gewölbte Oberfläche und schickte die multifunktionale Kommunikationssonde los. Das kleine Gerät von etwa zwanzig Zentimetern Durchmesser stieg aus ihrer Schultertasche empor, verharrte kurz, um sich zu orientieren, und flog weiter.
Vor ihr schrie ein olympischer Reporter von NBOK leise auf und sprang zur Seite.
Keykil trat ohne das geringste Zögern vor und nahm seinen Platz ein.
Laplace hatte seine Arbeit aufgenommen.
Die Drohne wirkte ramponiert, wie ein blechernes Kinderspielzeug – eine verrostete Halbkugel, kaum mehr als Schrott –, aber das war Absicht. Wenn ein Fremder sie sah, schüttelte er den Kopf und tat sie als antikes Relikt ab. 95 Prozent aller Intelligenzwesen unterschätzten Laplace.
Dabei steckte viel mehr in der Kommunikationssonde, als man annehmen mochte.
Nun hatte Keykil endlich einen natürlichen freien Blick auf das Landefeld des Raumhafens, auf dem in drei Kilometern Entfernung die VOHRATA thronte wie ein urwüchsiges Gebirge, eine Naturgewalt, die ganz Olymp in den Untergang reißen konnte.
Und fünf Kilometer neben ihr stand die MAURENZI CURTIZ, noch größer, noch gewaltiger. Aber das Augenmerk aller etwa fünfzig anwesenden Pressevertreter richtete sich auf das Flaggschiff des Tamaniums.
Beide Schiffe konnte man nur mit technischen Hilfsmitteln vollständig erkennen. Zu riesig waren sie, als dass sie sich humanoiden Augen vollständig offenbart hätten.
In Keykils Datenbrille leuchtete ein grüner Punkt auf. In zehn Sekunden kam sie auf Sendung.
Sie aktivierte das Akustikfeld, um alle Nebengeräusche auszublenden, und zählte in Gedanken mit. Drei ... zwei ... eins ... Jetzt!
»Das Problem, wie mit Arun Joschannans frühzeitiger Ankunft umgegangen wird, wurde auf olympische Weise gelöst«, unterlegte sie die Livebilder der VOHRATA mit Text. »Also eigenwillig und wenig protokollgemäß. Da Tamaron Vetris-Molaud planmäßig und LFT-Resident Arun Joschannan verfrüht eingetroffen ist, wird das Kaiserpaar zuerst den Tamaron und dann den LFT-Residenten begrüßen.«
Ein roter Punkt leuchtete in der Datenbrille auf. »Und jetzt tut sich etwas bei der VOHRATA.« Keykil schaltete die Zoomfunktion eine Stufe höher. »Ein Schott öffnet sich, und heraus tritt ... der Tamaron begleitet von drei seiner berühmt-berüchtigten Skorpione und einem halben Dutzend Leibwächter. Er scheint mitten in der Luft zu schweben, aber wir wissen natürlich, dass ein Antigravfeld ihn erfasst hat. Langsam sinkt er tiefer, und ...«
Die Ferronin hielt abrupt inne.
Es war dunkel geworden.
Völlig dunkel.
Sie klopfte auf ihre Datenbrille. Hatte das Ding ausgerechnet in einem solch entscheidenden Moment versagt? Es war schwierig genug, mit maximal fünf eingeblendeten Miniholos in der Optik klarzukommen, aber ein Ausfall just in diesem Moment wäre einfach katastrophal.
Gedankenschnell schaltete sie das Akustikfeld aus.
Überraschte Rufe neben ihr verrieten ihr, dass die Brille völlig in Ordnung war. Es war tatsächlich am frühen Nachmittag dunkel geworden.
Sie aktivierte das Akustikfeld wieder, während sie hektisch überlegte, was geschehen sein könnte. Das gehört zur Show. Irgendwie hat die Raumhafenverwaltung ...
»Keykil«, hörte sie die Stimme ihres Assistenten aus der Senderzentrale. »Du bist auf Sendung!«
»Seht mir meine Verblüffung nach«, plapperte sie drauflos, um Zeit zu gewinnen, »aber hier tut sich gerade etwas. Ihr seht die Livebilder, wie ich sie sehe. Pechschwarze Nacht hat sich über den Raumhafen gesenkt ...«
Sie lächelte schwach. Jemand hatte ein Schirmfeld projiziert, das kein Licht passieren ließ, ein intransparentes Feld also. Alltagstechnologie.
In diesem Augenblick wurde es wieder hell.
Zumindest auf einer begrenzten Fläche. Grelle Laserstrahlen beleuchteten den Raumhafen dort, wo Vetris-Molaud jeden Augenblick auf dem Boden aufsetzen würde, farbige, sich kreuzende Lichtsäulen, die auf dem Boden zusammenliefen und gleißende Helligkeit verbreiteten, die im ersten Moment in den Augen des Betrachters schmerzte.
In ihren Schein schwebten zwei Gestalten.
Der Kaiser und die Kaiserin.
Unwillkürlich hielt Keykil den Atem an.
Die Inszenierung war perfekt, das musste sie dem demokratisch gewählten Herrscherpaar zugestehen. Dieser Auftritt hatte etwas Großes, Archaisches. Etwas Erhabenes, das einen vielleicht bei den niedrigsten Instinkten packte, aber seine Wirkung nicht verfehlte.